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Das Massaker in der Lonmin-Mine 2012

Dossier

Das Massaker in der Lonmin-MineEin Abkommen ohne die Betroffenen: Funktioniert nicht – es wird weiter gestreikt…
Die Vertreter von Lonmin, der NUM und der (einst weissen, heute Techniker usw) Gewerkschaft Solidarity hatten – LabourNet dokumentierte den Bericht in der  Jungen Welt – Ende letzter Woche ein Abkommen unterzeichnet, das „den Frieden“ wieder herstellen sollte: Alle gehen wieder arbeiten, dann wird in Ruhe über Lohnerhöhungen gesprochen. Klingt gut? Vielleicht in den Ohren von Unternehmern und einer bestimmten Sorte Gewerkschafter. Die Reaktion der Streikenden war aber auch klar…  Immer deutlicher wird: Der Massenmord von Marikana kann zu einem echten Wendepunkt der Nach-Apartheiszeit werden – aber eine Wende wohin?…

Unsere umfassende Artikelsammlung dokumentiert die Ereignisse und drei Materialsammlungen „Nach Marikana…“ von Helmut Weiss ergänzen diese ausführlich…

  • Streikende Bergarbeiter nehmen Lohnerhöhung an. Streik vorbei, Kampf nicht… 
    Rund sechs Wochen nach Beginn der südafrikanischen Minen-Proteste mit 45 Toten haben die streikenden Kumpel in Marikana mit der Betreibergesellschaft Lonmin eine Einigung erzielt. Die Löhne würden um 22 Prozent erhöht und eine Einmalzahlung von 2.000 Rand (185 Euro) geleistet, sagte Bischof Joe Seoka, der zwischen beiden Seiten vermittelt hatte. Die Bergleute hätten im Gegenzug zugestimmt, am Donnerstag die Arbeit wieder aufzunehmen“ – so beginnt die Meldung „Einigung zwischen südafrikanischen Bergleuten und Minenbetreiber“ externer Link der dapd (hier bei Yahoo-Nachrichten) vom 18. September 2012. Zuvor war der Druck auf die Streikenden nochmals erhöht worden: In dem Bericht „Malema’s Police-Sponsored Exit“ externer Link von Greg Nicolson am 18. September 2012 im Daily Maverick wird nicht nur, wie der Titel anzeigt, das polizeiliche Verbot gegen Malemas Beteiligung an einer Streikkundgebung berichtet, sondern auch von serienweisen Hausdurchsuchungen bei Streikenden – auch andere Kundgebungen waren polizeilich verhindert worden.
  • Siehe dazu auch: „Marikana strike ends, miners return to work Thursdayexterner Link, eine Sapa-Meldung bei Timeslive vom 18. September 2012, in dem folgende Zahlen genannt werden – „Rock drill operators would now get R11,078 a month before deductions, production team leaders R13,022, and operators R9883“ was den ursprünglichen Forderungen einigermaßen nahe kommt.
  • Sowie: „Wild Cat Mine Strikes Spread in South Africa“ externer Link – ein Überblick über die Streikaktionen vom 17. September 2012 bei allafrica, in dem deutlich wird, dass neben Platin- und Goldminen nun auch chrombergwerke bestreikt werden.
  • Und: „Marikana: Statement by South African Social Scientists“ externer Link – eine Erklärung einer Reihe von bekannten südafrikanischen SozialwissenschaftlerInnen, die unter anderem heftige Kritik sowohl am Verhalten der Behörden als auch an der Reaktion der meisten Medien üben.
  • Weiter: „COSATU 11th Congress Declaration on the Lonmin Marikana platinum mine tragedy, the mining industry, and general poverty wages“ externer Link – die Erklärung des Kongresses der COSATU vom 17. September 2012 – dem ersten Kongresstag, der Kongress wird bis zum 20. September dauern – in der eine anders zusammengesetzte Untersuchungskomission gefordert wird (als die von der Regierung eingesetzte), ausführlich auf die Lage der 500.000 Bergarbeiter Südafrikas (und der 400.000 Beschäftigten in Zulieferbranchen etc) eingegangen wird – und die Mitglieder aufgerufen werden, die NUM nicht zu verlassen, sondern ihre Kritik innerhalb der Gewerkschaft vorzutragen, notfalls auch über die COSATU…
  • Ein Abkommen ohne die Betroffenen: Funktioniert nicht – es wird weiter gestreikt – und es gibt weitere Streiks…
    Die Vertreter von Lonmin, der NUM und der (einst weissen, heute Techniker usw) Gewerkschaft Solidarity hatten – LabourNet dokumentierte den Bericht in der jungen welt – Ende letzter Woche ein Abkommen unterzeichnet, das „den Frieden“ wieder herstellen sollte: Alle gehen wieder arbeiten, dann wird in Ruhe über Lohnerhöhungen gesprochen. Klingt gut? Vielleicht in den Ohren von Unternehmern und einer bestimmten Sorte Gewerkschafter. Die Reaktion der Streikenden war aber auch klar. Es gab sogar eine Art Kommuniqué des von der Belegschaft gewählten Verhandlungskomitees, das aus einem Wort bestand – „no“. Und während Medienvertreter warteten ob jemand zur Arbeit käme, kam niemand. Der erste Bericht zu diesem Scheitern war „Peace accord fails to end mining strike“ externer Link von Alex Duval Smith am 07. September 2012 im britischen Independent. Beim letzten Mal, als eine Belegschaft solch ein Abkommen der NUM nicht akzeptierte tat sich NUM Generalsekretär Baleni mit dem Rat an das Unternehmen hervor, alle zu entlassen, die nicht zustimmten…
  • Siehe dazu auch: „Understanding the Marikana strikes“ externer Link – ein Interview von Azad Essa mit dem engagierten südafrikanischen Sozialwissenschaftler Crispen Chinguno am 09. September 2012 bei Al Jazeera, in dem Chinguno sowohl über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter spricht, als auch über ihre Bedeutung für die gesamte südafrikanische Gesellschaft: „Wer die südafrikanische Gesellschaft verstehen will, muss den südafrikanischen Bergbau verstehen„.
  • Sowie: „Gold Fields‘ striking KDC workers shun local union reps“ externer Link von Christy Filen bereits am 05. September 2012 im Mineweb – der KDC Streik ist, wie zwei andere auch, zwischenzeitlich auf und abgeflackert, was aber in diesem (unternehmensfreundlichen) Bericht deutlich wird ist vor allem, dass es keineswegs nur in den Platinminen extreme Spannungen zwischen Belegschaft und NUM gibt
  • Kein Frieden in Sicht. Südafrika: Minenkonzern und Gewerkschaft beschließen Ende des Ausstands. Streikende Kumpel unterzeichnen Abkommen nicht
    Zumindest die Börse hat der Friedensvertrag von Marikana Ende vergangener Woche überzeugt. Um sechs Prozent stiegen die Aktien des Minenbetreibers Lonmin, des drittgrößten Platinproduzenten der Welt, noch am gleichen Tag. Nach mehr als einer Woche Verhandlungen hatten sich die NUM, Südafrikas größte Bergarbeitergewerkschaft, und die kleinere Solidarity, zu Apartheidzeiten Gewerkschaft der Weißen, am Donnerstag mit dem Bergwerkbetreiber auf eine Wiederaufnahme der Arbeit und völligen Gewaltverzicht geeinigt. (…) Die militante, jüngere Bergarbeitergewerkschaft AMCU und die Vertreter der nicht gewerkschaftlich organisierten Kumpel weigerten sich, das Abkommen zu unterschreiben. Die NUM wiederum hat den Kontakt zu den seit vier Wochen streikenden Arbeitern, von denen vor drei Wochen 34 bei der brutalsten Polizeiaktion seit Ende der Apartheid erschossen worden waren, längst verloren…“ Artikel von Christian Selz in junge Welt vom 10.09.2012 externer Link
  • Bergarbeiter endlich freigelassen: Der Druck ist groß…
    Nach der Freilassung einiger der festgenommenen Bergarbeiter ist keineswegs Ruhe eingekehrt in der aufgewühlten Gesellschaft Südafrikas: Die Streikbewegung in den Bergwerken geht weiter, und auch die Polizeirepression wird fortgesetzt – nicht nur gegen die Bergarbeiter. Immer deutlicher wird: Der Massenmord von Marikana kann zu einem echten Wendepunkt der Nach-Apartheiszeit werden – aber eine Wende wohin? Unsere erneute, nunmehr dritte Materialsammlung dokumentieren wir unter dem Titel „Marikana – eine Wende? “ am 07. September 2012.
  • Massaker in Südafrika: Mordanklage gegen Minenarbeiter wird ausgesetzt
    „Nach dem tödlichen Polizeieinsatz in der südafrikanischen Platinmine in Marikana will die Justiz die heftig umstrittenen Mordanklagen gegen die 270 Überlebenden zunächst wieder aufheben. Die angeklagten Bergarbeiter sollen aus der Haft entlassen werden…
    Agenturmeldung auf Spiegel-Online vom 02.09.2012 externer Link
  • Wilder Streik in Goldmine bei Johannesburg
    Nach der Mordanklage gegen 270 Kumpel gibt es einen weiteren explosiven Konflikt in Südafrikas Bergbau: 12.000 Arbeiter einer Goldmine haben einen wilden Streik begonnen. Artikel auf Die Zeit Online vom 01.09.2012 externer Link. Aus dem Text: „Etwa 12.000 Arbeiter einer Goldmine im Distrikt West Rand sind in einen wilden Streik getreten und haben die Beendigung der Produktion erzwungen. Der Ausstand in der Mine KDC in einem westlichen Vorort von Johannesburg habe am Mittwoch mit der Nachtschicht begonnen, teilte das betroffene Unternehmen Gold Fields mit. Zwei Tag- und zwei Nachtschichten seien bereits ausgefallen. Gold Fields will den Streik vor Gericht für illegal erklären lassen. Bei dem Streik gehe es vermutlich um Streitigkeiten unter Gewerkschaften, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Arbeiter hätten keine offiziellen Forderungen gestellt…“
  • Polizei: Nichts als die Unwahrheit – Bergarbeiter: Selbst verhandeln
    Nichts von dem, was die südafrikanische Polizei in ersten Pressemitteilungen behauptete, ist wahr: Menschen wurden in den Rücken geschossen, von gepanzerten Fahrzeugen überrollt. Dafür sollen jetzt viele der beinahe 300 festgenommenen Bergarbeiter unter Mordanklage gestellt werden – und, laut mehreren Berichten, schon mal geständnisreif gemacht: In Haft verprügelt. Derweil die einst so stolze Bergarbeitergewerkschaft NUM als Reaktion auf den Schritt der weiterhin streikenden Bohrleute nur noch Peinlichkeiten verbreitet: Sie würden schon noch sehen, dass man zu Verhandlungen die NUM brauche…Um die allmähliche Klärung der Rauchvorhänge drehen sich die Dokumente, die wir in der kurzen Materialsammlung „Nach Marikana 2“ vom 31. August 2012 zusammengestellt haben. Siehe dazu auch:
    The rise and rise of ACMU“ externer Link ein Artikel von Jan de Lange, der am 02. August 2012 in der nichtöffentlichen miningmx erschien, und in zahlreichen südafrikanischen Medien (hier in der City Press am 18. August) nachgedruckt wurde, weil die ACMU auch im Lande selbst nicht besonders konkret bekannt ist. Die Geschichte ihrer Entstehung (aus der NUM heraus, wie auch andere Neugründungen der letzten Zeit in anderen Bereichen aus COSATU-Gewerkschaften heraus entstanden) und einiges zu den Gründen, weshalb ACMU, wie der Titel sagt, im Aufstieg begriffen ist, wogegen auch eine regelrechte Verleumdungskampagne nicht besonders wirkt…
  • Nach Marikana
    Nach dem Massaker tobt das, was ein Medienkritiker bereits „blame game“ nannte: Schuldzuweisungen aller Art. Jeder gegen jeden, am besten, ohne die Betroffenen zu hören. Welche Bedeutung dieses schändliche Ereignis hat – für die Menschen, vor allem für diejenigen, die in afrikanischen Zechen ihr Leben verdienen müssen, aber auch für die allgemeine gesellschaftliche und politische Entwicklung, ist Gegenstand unserer ausführlichen und kommentierten Materialsammlung „Nach Marikana“ vom 24. August 2012, die neben Dokumenten aus dem Netz auch Auszüge und Zusammenfassungen aus einigen Telefongesprächen enthält.
  • Lonmin-Bosse trauern auf Unternehmerart: Wer weiter streikt, wird entlassen…
    Mit einem Ultimatum an die Belegschaft für den heutigen Montag reagierten die sehr ehrenwerten Herren der Geschäftsleitung von Lonmin auf das Massaker von letzter Woche: Wer nicht zur Arbeit kommt, wird entlassen. In dem AFP-Bericht „Miners vow to continue strike despite Lonmin ultimatum“ am 19. August 2012 bei Timeslive externer Link wird festgehalten, dass die Streikversammlung nicht nur die Fortsetzung beschloss, sondern auch betonte, dieses Ultimatum sei eine Beleidigung der Todesopfer und ihrer Familien… Siehe dazu auch:
  • Das Marikana-Massaker – Südafrikanische Polizei erschießt 35 Bergarbeiter – Tödliche Antwort auf berechtigte Forderung nach mehr Lohn
    Am Donnerstag hat die südafrikanische Polizei mehr als dreißig streikende Arbeiter einer Platinmine erschossen und Dutzende verletzt. Offiziellen Berichten zufolge waren die Sicherheitskräfte angegriffen worden und haben sich nur verteidigt. Der Zusammenhang des Gewaltausbruchs damit, daß die Polizei zuvor bereits angefangen hatte, die auf einem Hügel Versammelten mit Stacheldrahtbarrikaden einzupferchen, nachdem sie die Streikenden mit Wasserwerfern und Tränengas beschossen hatte, wird von den MainstreamMedien nicht als Angriff gewertet…“ Artikel auf Schattenblick vom 17.08.2012 externer Link
  • Streik in südafrikanischer Platinmine: „Wie die Massaker der Apartheidspolizisten“
    In Südafrika streiken Minenarbeiter für höhere Löhne, irgendwann feuern Polizisten in die Menge. Es gibt so viele Tote wie noch bei einer Demonstration seit dem Ende der Rassentrennung. In der Bevölkerung brodelt es. Artikel von Johannes Dieterich, Johannesburg, in der FTD vom 17.08.2012 externer Link. Aus dem Text: „(…) Andere sind des ineffektiven und korruptionsverdächtigten Regierungsstil des visionslosen Staatschefs überdrüssig. „Wir haben den ANC zu dem gemacht, was er ist, aber die haben keine Zeit für uns“, schimpft ein ehemaliges NUM-Mitglied, der sich der neugegründeten Vereinigung von Minenarbeitern und Baugewerkschaft (AMCU) angeschlossen hat: „Für uns hat sich nichts geändert, nur die Leute über uns. Und die kriegen nur immer mehr Geld.“ AMCU ist nicht die erste radikale Arbeitnehmervertretung, die sich von den traditionellen Gewerkschaften abgespalten hat: Im Haus des Gewerkschaftsbundes Cosatu steht das Barometer auf Sturm. Die Unzufriedenheit des ärmeren Großteils der Bevölkerung nehme besorgniserregende Ausmaße an, warnen zahlreiche Politologen am Kap der Guten Hoffnung: Die Kluft zwischen der zwar um etliche schwarze Gesichter bereicherten Elite des Landes und den arbeitslosen oder schlecht bezahlten Massen vergrößert sich täglich. Auch wird den Minengesellschaften vorgeworfen, ihre Versprechen zur Verbesserung des Lebensstandards ihrer Angestellten partout nicht einzuhalten. „Wir stellen zunehmend Wut und Verzweiflung gegenüber den Minengesellschaften und der Regierung fest“, sagt John Capel von der Bench-Mark-Stiftung, die ihr Augenmerk auf die Bevölkerung in den Minengebieten gerichtet hat: „Wir warnen schon seit Jahren vor derartigen Revolten.“…“
  • Ein einzigartiger Einblick in die Lebensverhältnisse einer kleinen südafrikanischen Minengemeinde
    Marikana und Rustenburg haben in den letzten sieben Tagen eine traurige internationale Berühmtheit erlangt, nachdem insgesamt nach aktuellem Stand 44 Menschen starben. Unter den Opfern befanden sich auch zwei Polizisten. Doch kaum jemand weiß etwas über Marikana, dem Ort, an welchem die aktuellsten Proteste der Minenarbeiter ihren Ursprung nahmen. Artikel von Ghassan Abid auf „SÜDAFRIKA – Land der Kontraste“ vom 18.08.2012 externer Link. Aus dem Text: „(…) Pro Monat verdient ein Minenarbeiter rund 4.000 Rand, was umgerechnet etwa 389 Euro entspricht. Laut Angaben eines NGO-Vertreters verdient hingegen Frans Baleni, der Generalsekretär der Minengewerkschaft NUM, im Monat weit über 105.000 Rand; also 10.215 Euro. Aus diesem Grund hat sich aus den Reihen der NUM im Jahr 2001 eine Splittergewerkschaft etabliert, die den Namen AMCU trägt. Sie ist deutlich kritischer gegenüber dem ANC eingestellt als NUM. Beide Gewerkschaften buhlen seit der Koexistenz um die Minenarbeiter, die in der Region schwerpunktmäßig bei den Bergbaukonzernen Lonmin und Implats beschäftigt sind. (…)Die Minenarbeiter sind während ihres Dienstes Unter Tage nach wie vor großen Risiken ausgesetzt, die die Bergwerkkonzerne letztendlich schlichtweg missachten. Vor allem die finanzielle Misere beschäftigt die Menschen sehr, da sie wissen, dass die Kumpels in Kanada 6 bis 9 Mal mehr verdienen als die Südafrikaner. Die Gemeinde fühlt sich von der Wirtschaft wie eine Weihnachtsgans ausgenommen…“
  • Polizeimassaker an streikenden Bergarbeitern
    Artikel von Bill Van Auken auf der World Socialist Web Site vom 18. August 2012 . Aus dem Text: „(…) Die AMCU hat in dem Lonmin-Bergwerk genug Unterstützung, um von der Firma als Gewerkschaft anerkannt zu werden. Bei der Rustenberg Mine des zweitgrößten Platinförderers der Welt, des Impala-Konzerns, vertritt sie eigenen Angaben zufolge über die Hälfte der 20.000 Beschäftigten. Der Konzern lässt eine unabhängige Untersuchung durchführen, um festzustellen, mit welcher Gewerkschaft die Tarifverhandlungen geführt werden müssen. Diese Abspaltungen von den ANC-Gewerkschaften sind symptomatisch für die wachsende Unruhe in der Arbeiterklasse und für die starke Verbitterung über das dramatische Ausmaß sozialer Ungleichheit in Südafrika. Der Zorn der Arbeiter richtet sich zunehmend gegen den ANC und die Klasse schwarzer Kapitalisten, die er auf Kosten der Masse der arbeitenden Bevölkerung hervorgebracht hat. Die Unruhe in den Bergbaugebieten geht mit wachsenden Protesten in den ärmeren Vierteln der Städte gegen das Versagen der Regierung einher, für eine angemessene Versorgung mit Wohnungen, Strom, Wasser und sanitären Einrichtungen zu sorgen. In den letzten eineinhalb Wochen sind in Kapstadt im Westen des Landes mindestens vier Menschen bei Protesten ums Leben gekommen. Züge, Autos und Polizeireviere wurden mit Steinen beworfen und Straßen mit brennenden Autoreifen blockiert, als Arbeiter und Jugendliche auf die Straße gingen, um gegen Wohnungsmangel, zerfallende Infrastruktur und schlechte öffentliche Dienstleistungen zu protestieren…“
  • Blutbad belastet Lonmin-Aktie
    In der südafrikanischen Platinmine Marikana herrscht der Ausnahmezustand: Der gewaltsame Einsatz der Polizei gegen die Streikenden hat 35 Todesopfer gefordert. Die Aktie des Minenbetreibers Lonmin stürzt ab, der Platinpreis steigt. Meldung auf Boerse-ARD vom 17.08.2012 externer Link. Aus dem Text: „(…) Der blutige Arbeitskampf trieb indes den Platinpreis nach oben. Er stieg auf ein Sechs-Wochen-Hoch von 1.456,50 Dollar je Feinunze. Nach Ansicht von Thorsten Proettel, Rohstoffanalyst der Landesbank Berlin, könnte der Streik der Gewerkschaften auf andere Minen in Südafrika überspringen. Das wäre schlimm. 75 Prozent der weltweiten Platinmenge wird in Südafrika gefördert. Platin ist eines der seltensten Metalle der Welt. Lange Zeit war es teurer als Gold. Vor allem die Industrie braucht Platin – unter anderem zur Herstellung von Auto-Katalysatoren, Laborgeräten und Schmuck. Seit Jahresbeginn hat der Platinpreis gut 40 Prozent nachgegeben wegen der sinkenden Nachfrage. Viele Minenbetreiber müssen deshalb ihre Kosten senken. Die meist schon schlecht bezahlten Arbeiter fürchten um ihre Jobs und Existenz.
  • The Marikana action is a strike by the poor against the state and the haves
    The shooting at Lonmin’s Marikana mine exposes weaknesses at the heart of South African society. Artikel von Justice Malala auf theguardian vom 17.08.2012 externer Link. Aus dem Text: „(…) The story of the London-listed Lonmin’s Marikana mine shootings is that of a trade union that cosied up to big business; of an upstart and populist new union that exploited real frustration to establish itself; and of police failure. It is a story which exposes South Africa’s structural weaknesses too: we are one of the world’s top two most unequal societies (with Brazil). Poverty, inequality and unemployment lie at the heart of the shootings this week…”
  • Erst 5% verloren…
    … hat die NUM an konkurrierende Gewerkschaften (das wären etwa 15.000 Mitglieder der grössten Einzelgewerkschaft der COSATU), laut dieser Datensammlung „Factbox: Rival unions take on South Africa’s NUM“ externer Link, die am 07. April 2012 bei den msnbc veröffentlichtwurde – damals als Erläuterung zu den ersten Platinminenstreiks dieses Jahres bei Impala. Siehe dazu auch:
  • „IndustriALL condemns wild killings at South African Lonmin mine“
    Die Presseerklärung der neuen Weltföderation vom 17. August 2012 externer Link – der auch die NUM angehört, die aber auch im Weltgewerkschaftsbund vertreten ist – und die Mut zeigt: Einmal, weil sie kühn die Debatte um „gelbe Gewerkschaften“ herausfordert (jene, die nicht bei ihr sind, und die nicht in festen Verhandlungsstrukturen beteiligt seien…eine Neudefinition, sozusagen). Zum anderen, weil sie ausführlich darauf eingeht, die NUM Führung sei vor Ort, um die Belegschaft zu beruhigen, wobei sie allerdings die zahlreichen Zeitungsberichte vergisst, nach denen diese NUM Vertreter nur per Lautsprecher aus gepanzerten Polizeiwagen heraus gesprochen haben…
  • Solidarität entwickelt sich
    Und zwar trotz äusserst geringer (im Vergleich zur Bedeutung) Berichterstattung im ganzen Land. Die Presseerklärung „Solidarität mit den Minenarbeitern der Platin-Mine von Marikana!“ externer Link von Abahlali baseMjondolo vom 17. August ist am 19. August 2012 vom Solikomitee Wuppertal ins deutsche übersetzt worden (dort auch der Originaltext). Dabei wird vor allem darauf abgehoben, dass solcher Polizeiterror heute Gang und Gäbe im neuen Südafrika ist – und dass der ANC Urheber der Repression ist. Siehe dazu auch:
  • „Demand for inquiry into Lonmin killing“
    Ein SAPA-Bericht vom 17. August 2012 externer Link, nach dem das Centre for Human Rights, die SA Human Rights Commission (SAHRC), Solidarity, Black Business Council (BBC) und der National Council of Trade Unions (Nactu) die Einrichtung einer unabhängigen (worauf das Gewicht gelegt wird) Untersuchungskommission fordern

Wenn sie nicht arbeiten, wird geschossen…

Seit dem 10. August streiken rund 3.000 Arbeiter in der Lonmin-Platinkine in Marinaka. Das titelgebende Zitat war eine offizielle Verlautbarung der Geschäftsleitung von Lonmin am Donnerstag, den 16.8 – am selben Tag, da vollzogen wurde. Die Zahl der Todesopfer dieser unglaublichen blutigen Repression wird am Freitagmorgen noch zwischen 7 und 18 angegeben. Alle Meldungen beziehen sich auf den „Streit zwischen zwei Gewerkschaften“ als entweder Grund oder doch zumindest Auslöser der Gewaltwelle, die schon in den Tagen zuvor Opfer gefordert hatte, auch Polizisten. In der Tat gibt es in allen Zechen, aber speziell in den Platinminen eine Auseinandersetzung zwischen der Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) und der traditionellen Cosatu Gewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM). Bereits zu Anfang des Jahres gab es vergleichbare Auseinandersetzungen in der grössten Platinmine der Welt, der Impala Platinum (LabourNet berichtete).

Was diese Berichte aber großzügig übergehen (während sie meist nicht versäumen, zu vermelden, dass die Aktienwerte der britischen Lonmin sinken) ist die Tatsache, dass die Belegschaften teilweise radikalisiert sind nicht etwa aufgrund irgendwelcher politischen Debatten oder Vorlieben, sondern aufgrund der unglaublich schlechten Arbeitsbedingungen in den Minen im allgemeinen, den Platinminen aber im besonderen: Erst dies ergibt denn Sinn der Auseinandersetzung darüber, welche Gewerkschaftspolitik die richtige Reaktion auf die Lage sei. Der Bericht „Polizei schießt auf streikende Minenarbeiter“ externer Link am 16. August 2012 bei Spiegel Onlne gibt diese gesamte tendenziöse Berichterstattung wieder, die die Lage der Arbeiter ausblendet.

Siehe dazu auch: „Police fire on striking miners, several dead“ externer Link am 16. August 2012 bei Timeslive.

Sowie: „South African police slaughter striking miners after stand-off“ externer Link von Alex Duval Smith und Tom Bawden am 17. August 2012 im britischen Idependent (hier gespiegelt bei revolutionary frontline) – der zumindest eine Ahnung verbreitet, warum die NUM die Konkurrenz vielleicht nicht fürchten, aber respektieren muss: Der sechswöchige Streik im Januar bei Impala führte zu einer Verdoppelung der Löhne…

Schliesslich: „NUM statement on developments at Lonmin“ externer Link am 16. August 2012 (hier auf der Cosatu-Seite) – in dieser Mitteilung wird deutlich unterstrichen, dass Unternehmen und Behörden des Bergbaus die Verantwortung für die Entwicklung tragen – und vor jenen „gewarnt“, die die berechtigte Unzufriedenheit der Belegschaften auszunutzen versuchten…

Mehr Informationen und Hintergründe im Labournet-Archiv

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=4325
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