Eurokrise treibt ignorante Politik weiter vor sich her
Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 22.8.2013
So wird unter dem Druck der Ereignisse eine Perspektive für Europa doch noch in die bisher vernachlässigte politische Arena – trotz Wahlzeit – zurückkehren „dürfen“? Mal sehen wie die verschiedenen Akteure „alternativlos“ mit diesem heißen Eisen umgehen – und später bringt die „Krise“ ihre Unfähigkeit für ein gemeinsames Europa unter dem Euro dann doch wieder ans Licht.
So bleibt die Krisenentwicklung selbst weiter die Lehrmeisterin für die Politiker, die den Umgang mit ihr auch bis heute nicht begriffen haben. Was sie „gestern“ noch strikt abgelehnt haben, treibt ihnen die Krise dann doch ein:
Darf Europa doch noch eine Transferunion werden?
Wie Griechenland heute die Medien „aufregt“: Euro-Krise: Neue Hilfen für Griechenland notwendig – endlich lässt Finanzminister Schäuble die Katze aus dem Sack, meint die Opposition. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/euro-krise-neue-hilfen-fuer-griechenland,1471908,24068550.html oder auch http://www.sueddeutsche.de/politik/neues-hilfsprogramm-fuer-griechenland-athen-soll-geld-aus-dem-eu-haushalt-erhalten-1.1750650 )
Jedes Erstaunen darüber erscheint jedoch so seltsam, denn selten gab es angesichts der ökonomisch so törichten drakonischen Sparpolitik der Troika eine immer wieder so klare Prognose, dass darauf die Schulden nie und nimmer sinken könnten, sondern nur immer weiter steigen müssten – und jedes Wachstum in immer weitere Ferne rücken würde. (Vgl. dazu die Seite 2: „… zielverfehlenden Sparpolitik Europa immer weiter zerstört wird“: https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-verfassung/noch-kein-jenseits-des-neoliberalismus-keine-bundestags-wahl-fur-eine-anderung-der-eurokrisenpolitik/)
Zur politischen Situation in Griechenland selbst und einem Ausweg für ein Land in der Eurozone mit der höchsten Staatsverschuldung und der höchsten Arbeitslosigkeit beachte auch noch die Analyse von Niels Kadritzke „Alte Kumpaneien oder Chance für eine politische Alternative?“ (www.nachdenkseiten.de/?p=18096#top )
Wie weit darf die Wahrheit in Europa zur Perspektive für Griechenland gehen?
Diese Ankündigung des Finanzministers für eine weitere Griechenlandhilfe kommentiert Claus Hulverscheidt in der SZ heute (21.August 2013) unter der Überschrift „Ein bisschen Wahrheit“ so: Wolfgang Schäuble hat viereinhalb Wochen vor der Bundestagswahl zugegeben, dass Griechenland ein drittes Hilfsprogramm benötigen wird, und nicht viereinhalb Wochen nach der Wahl. Den Vorwurf des Wahlbetrugs wird man ihm also nicht machen können. Getrübt wird der gute Eindruck allerdings dadurch, dass der Bundesfinanzminister behauptet, nie etwas anderes gesagt zu haben. Diese Form der geschichtsklitternden Wahrheitdehnung ist leider ein Merkmal der Schäuble`schen Politik. In der Sache ist das Eingeständnis weniger aufregend, denn dass Griechenland am Neujahrstag 2015 nicht reif für eine Rückkehr an die Kapitalmärkte sein würde, war allen Experten seit Langem klar…
Die Frage bleibt allerdings: Woher soll das Geld kommen? Weitere Kredite wie auch ein Schuldenschnitt sind aus unterschiedlichen Gründen eigentlich keine brauchbaren Optionen. Bleiben direkte Transfers an die Griechen, man könnte auch sagen: Geldgeschenke.
Aber auch das sollte Schäuble den Bürgern sagen….
P.S.: Mei, auch diese Sicht in der SZ ist doch wieder nur die halbe Wahrheit, wie uns Jens Berger so plausibel schon längst klar gemacht hat: Diese Schulden Griechenlands sind doch längst „verstaatlicht“, damit die Profite unangetastet im Privatsektor bleiben. Ohne diese Einsicht bleibt die ganze Diskussion wie ein kurioser Tanz um den heißen Brei, der doch längst durch die Politik „abgekühlt“ wurde – zu Lasten wieder des Steuerzahlers: „Merkels Milliardenhypothek – das falsche Spiel mit Griechenlands Schulden“ (www.nachdenkseiten.de/?p=18230 ).
Eine Transferunion muss kommen, wenn Europa überleben will – nach vorherigem Schuldenschnitt
Aber die Transfer-Union „darf“ in der Wahlkampfzeit auf gar keinen Fall von Schwarz-Gelb „geschaffen“ werden. So unehrlich hat gerade Deutschland immer wieder die Perspektive Europa diskutiert, weil Deutschland sich in dieser Krise auf der Sonnenseite wähnte, so dass Deutschland nun erst einmal weiter gefangen bleibt in der eigenen Krisendefinition – auch hilflos auf dem Weg nach unten, jedoch „über“ den anderen.
Diese „hervorgehobene“ Position gegenüber den Finanzmärkten wurde erst jüngst wieder deutlich, als Deutschland einfach rund 40 Milliarden Euro beim Schuldendienst sparen konnte, weil die Investoren im Krisenverlauf immer mehr die als sicher geltenden Bundesanleihen bevorzugt (www.nachdenkseiten.de/?p=18329#h06 oder http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/euro-krise-deutschland-spart-40-milliarden-fuer-den-schuldendienst-a-917115.html sowie http://www.fr-online.de/wirtschaft/deutsche-bundesanleihen-niedrige-zinsen-bringen-deutschland-plus,1472780,24047270.html )
Und gemeinsam hält sich die Politik in dieser Fehl-Diagnose, es darf keinen Ausweg über die Transferunion geben, „großkolitionär“ umklammert fest. (Siehe die Seite 5 noch einmal bei https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-verfassung/noch-kein-jenseits-des-neoliberalismus-keine-bundestags-wahl-fur-eine-anderung-der-eurokrisenpolitik/ )
Während gleichzeitig doch heftig über die ganzen Risiken der Euro-Rettung schon gestritten wird – sind es nun 120 Milliarden oder schon lange 310 Milliarden – wie es dann doch auch aus dem Finanzministerium tönt. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/eurokrise-es-geht-um-120-milliarden-euro,1471908,24036140.html ) Oder sind viele Milliarden nicht doch schon im Milliarden-Grab Bankenrettung „untergegangen“? (www.nachdenkseiten.de/?p=18329#h07 )
Nur „untergegangen“ ist nichts, wie Jens Berger schon oben festgestellt hat, sondern einfach nur in andere Hände übergegangen. (Vgl. dazu noch einmal (www.nachdenkseiten.de/?p=18230 )
…. und der Schuldenschnitt als doch brauchbare Option.
Und warum der Schuldenschnitt keine brauchbare (aber vielleicht einfach notwendige) Option sein soll, müsste auch noch erst auf den Prüfstand gestellt werden. Denn auch wenn SPD-Steinbrück – ganz im Merkel`schen Sinne – dagegen ist (www.nachdenkseiten.de/?p=18329#h02 ) könnte er sich, damit Europa aus der Krise kommt, doch als einfache Notwendigkeit erweisen. Denn: „Der Kaiser ist nackt“ – Nur ein Schuldenschnitt kann die Krise lösen! (http://library.fes.de/pdf-files/wiso/10172.pdf )
Und so findet auch Ulrike Herrmann ganz schlicht: Die Lösung für Griechenland ist Schuldenerlass! (http://www.taz.de/Eurokolumne/!121918/ )
Verhindert das BVerfG die Eurozone durch Urteil so bracchial, dass die Politik neue Auswege finden muss? – Knackpunkt die „verbotene Staatsfinanzierung“ –
Oder muss jetzt doch das Bundesverfassungsgericht mit seinem „herbstlichen“ Urteil und seiner Einschätzung, dass das Anleihekaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank dazu angetan ist, für eine „verbotene“ Staatsfinanzierung zu sorgen? (vgl. Eric Bonse in der TAZ „Gegenwind für EZB-Gegner“ dazu (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=wu&dig=2013%2F08%2F09%2Fa0105&cHash=9b82c00d36a5ca766128738cc4b59887 oder noch zusätzlich http://www.faz.net/-gqu-7btnt ).
Wird die Politik in dieser Situation wenigstens ihre Chance erkennen können und die damit in der ökonomischen Entwicklung noch vollständig blockierte EZB und mit ihr die Eurozone von diesen „Verbotszwängen“ befreien – und die Blockierung durch die Entwicklung von angemessenen europäischen Institutionen – und dazu gehört auch eine Transferunion – aufbrechen? (vgl. die Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=38216 )
Zu der dennoch erst einmal historischen Entscheidung der EZB in der Zinspolitik am 4. Juli diesen Jahres – mit der wieder ein Stück Zeit in der Krise „gekauft“ wurde – hat schon Rudolf Hickel das Wichtige geschrieben (http://www.iaw.uni-bremen.de/rhickel/pdf_dateien/ezb_zinsfalle-echt2.pdf ). (Dieser Hickel-Text erschien leicht gekürzt auch in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 12. August 2013 / Wirtschaftsteil)