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Die Schikane bei Neupack geht weiter – Wie wehrt sich die Belegschaft?
Artikel von Dieter Wegner (aktiv im Soli-Kreis Neupack), 06.08.2013
Der Streik bei Neupack ist auch formal zu Ende.
Das erfuhren die Beschäftigten am Anfang voriger Woche auf Betriebsversammlungen in Stellingen und Rotenburg. Der Zustand ist also der, daß die KollegInnen weder einen Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung haben. Der Betriebsrat hat jetzt allerdings den Vorteil, daß er durch die Streik-Beendigung sich wieder in seinen vollen Rechten laut Betriebsverfassungsgesetz befindet, die seit dem 1.11.2012 ausgesetzt waren. Er hat so die Möglichkeit, bei bestimmten Problemen die Einigungsstelle beim Arbeitsgericht einzuschalten.
Währenddessen geht die Schikane durch Hoeck/Krüger weiter: Ende letzter Woche kündigten sie in Rotenburg den Werkstattleiter und in Stellingen einen Maschinenführer (verhaltensbedingt). Beide hatten mitgestreikt und zusammen zehn Abmahnungen in den letzten Wochen erhalten. Offensichtlich setzen sie ihre Strategie fort, die ehemalige Streikmannschaft weiter zu demoralisieren und gleichzeitig die Zahl der Überzähligen zu reduzieren.
Das Signal ist eindeutig: Wehe, falls jemand aufmuckt, wir reagieren hart! Das hatten die Vorgesetzten auch schon in den letzten Monaten praktiziert: Die ehemals Streikenden wurden übergangen und nicht gegrüßt. Falls sie keine Ohrenstöpsel trugen oder Ohrringe trugen, wurden sie angemacht. Die ehemaligen StreikbrecherInnen bekamen eine freundliche Behandlung.
Während des Flexi-„Streiks“ gab es Schikane zuhauf: Von Massenabmahnungen bis zur fristlosen Kündigung. Die KollegInnen hatten gehofft, daß die IG BCE-Führung für sie reagiert, daß alle KollegInnen sofort die Arbeit abbrechen und rausgenommen wurden. Das ist kein Mal geschehen! Ihnen wurde nur versprochen: Ihr kriegt Rechtschutz! Jetzt nach der unnötigen Niederlage, da die ehemals Streikenden demoralisiert sind und ihre kämpferische Einstellung erstmal verloren haben, werden Hoeck/Krüger ihre Schikanen fortsetzen, mit Mobbing, Abmahnungen und fristlosen Kündigungen und dem sofortigen Hinschicken von kranken KollegInnen zum Vertrauensarzt . Den Neupack-Kämpfenden stehen schwere Zeiten bevor.
Die Nichtunterzeichnung der Betriebsvereinbarung und die zwei fristlosen Kündigungen sind im Zusammenhang zu sehen: Die Geschäftsführung praktiziert einen Zermürbungskrieg, gegen die Belegschaft – und den Betriebsrat. Nachdem es ihnen gelungen ist, einen Tarifvertrag abzublocken und damit die Gewerkschaft aus dem Betrieb rauszuhalten, dürfte das nächste Ziel der Betriebsrat sein. Da ist Arne Hoeck ja Meister drin, das war ja sein Metier gewesen bei seinem früheren Arbeitgeber, der Rowa Group Holding in Pinneberg, wo er Geschäftsführer war und er den Betrieb „betriebsratsfrei“ hielt. (http://arbeitsunrecht.de/tag/arne-hock/ ) Jetzt bei Neupack hat der Betriebsrat nur eine 4:3 Mehrheit. Im April 2014 stehen die nächsten Wahlen an. Es wird Hoecks Ziel sein, wieder eine Mehrheit von Krüger hörigen Betriebsräten zu formieren. Damit wird jetzt schon angefangen: Mit StreikaktivistInnen werden Gespräche derart geführt, daß sie aufgefordert werden, sich doch auch mal die Meinung der Minderheit der Betriebsräte anzuhören.
Den KollegInnen bleibt nichts übrig als eine Widerstandsstruktur aufzubauen. Nachdem sie in den letzten neun Monaten ihre Illusionen in die Gewerkschaftsführung als Kraft, die sie zum erfolgreichen Abschluß eines Tarifvertrages führen kann, verloren haben, bleibt ihnen nur das Vertrauen auf die eigene Kraft. Auf die Kraft, die sie in der Zeit des wirklichen Streiks (1.11.2012 bis 24.1.2013) gespürt haben, als sie zu einer Einheit wurden, weil sie sich in den Streikzelten und an den Feuerkörben und den Blockaden gegen die Streikbrecher kennengelernt und schätzen gelernt haben.
Krüger ficht gegen sie einen Kampf aus, koste es, was es wolle. Er will an ihnen ein Exempel statuieren. Diese Worte hatte auch der IG BCE-Vorsitzende Vassiliadisl am Anfang des Streiks gebraucht – wie sich spätestens zu Beginn des Flexi-„Streiks“ herausstellte, waren es großsprecherische und hohle Worte. Bei Krüger sind sie realer und bitterer Ernst. Er ficht den Kampf auch als moderner Unternehmer, stellvertretend für seine Klasse. Die damaligen Streik-AktivistInnen fragen sich, woher kommen die Millionen, die ihn der Streik bisher kostete? Diese Gedanken sind nicht unberechtigt, wenn man bedenkt, daß sich die Familie Krüger schon vor einem Jahr Arne Hoeck, Geschäftsführer der Rowa Group als Berater leistete (400 Beschäftigte. 7 Betriebe, darunter in USA, Korea, Frankreich und China). Inzwischen ist er Geschäftsführer bei Neupack. Der Kampf gegen die Belegschaft war durch Krüger/Hoeck strategisch angelegt. War das nur eine Sache des Einzelkapitalisten Krüger oder steckten hinter der Strategie weitere seiner Klassengenossen?
Es gibt auch Unterstützer, deren Kritik darin besteht, zuzugestehen, daß die IG BCE-Führung „Fehler gemacht“ habe, dann, daß ihre Streiktaktik „windelweich“ gewesen sei. Nun, ihre Streiktaktik war den Streikenden gegenüber nicht windelweich sondern knallhart, als sie die Streikenden unter dem Vorwand eines Flexi-Streiks wieder an die Arbeitsplätze schickte. Auch Krüger gegenüber war sie nicht windelweich sondern konsequent sozialpartnerschaftlich bis ins Bodenlose, um ihren renitenten Sozialpartner zu retten.
Selbst auf dem Boden der Sozialpartnerschaft kann sich eine Gewerkschaftsführung ihrem Gegenüber aggressiver zeigen. Sie sah Krüger als Gestrigen aus dem vorigen oder vorvorigen Jahrhundert an, den es zu einem ehrbaren Hamburger Kaufmann zu machen galt. Mit diesem Weltbild und dieser Moral mußte sie untergehen. Aber sie sieht ihren Untergang nicht mal ein, sondern lügt ihn in einen Erfolg und einen Neubeginn um: „Dieser Kampf hat sich gelohnt – eine neue Zeit beginnt!“ … „Neubeginn bei Neupack“. (Streik-Info 62 und 63). Das Opfer der Niederlage ist die Belegschaft, für sie ist es kein Neubeginn sondern die alte Scheiße, in der sie stecken – nur noch schlimmer als vor Streikbeginn!
So wie Krüger für seine Klasse steht als Vorreiter und Vorbild für künftige Kämpfe, steht die Neupack-Belegschaft für die prekär Beschäftigten ihrer Branche, ja für alle prekär Beschäftigten in Deutschland. Wenn der verlorene Kampf einen Sinn gehabt haben soll, dann muß er ehrlich und genau analysiert werden:
- Damit Lehren für zukünftige Kämpfe gezogen werden können.
- Damit die Gewerkschafsführungen mit ihrer Sozialpartnerschaftsideologie richtig eingeschätzt werden können.
- Damit heute Widerstandsstrukturen in den Betrieben aufgebaut werden.
Dieter Wegner (aktiv im Soli-Kreis Neupack), 06.08.2013