Operationsbedürftig im Niemandsland: Arbeitsunfall im Industriepark, Scheinselbständigkeit und die bitteren Konsequenzen für bulgarischen Bauarbeiter
Dossier
- Etappensieg für verunfallten Bulgaren. Nach hartnäckigem Einsatz von MigrAr kann endlich operiert werden
„Drei Monate nach seinem schweren Arbeitsunfall auf dem Gelände des Industrieparks Höchst kann Biser Rusev Ende dieses Monats endlich operiert werden. Am 26. März kam – nach massivem Einsatz von MigrAr, einer erneut eingeholten Notfallindikation und Einweisung durch eine Ärztin der Elisabeth-Straßenambulanz und anschließender Intervention des Stadtgesundheitsamtes – der Anruf des Klinikums, dass ein Termin am 30. April möglich sei…“ Pressemitteilung vom ver.di-Landesbezirk Hessen vom 05.04.2013
- Arbeitsunfall: Sozialamt zahlt für Operation
„Glück nach dem Unglück: Biser Rusev, ein aus Bulgarien stammender Arbeiter, kann nach einem schweren Unfall im Januar nun doch operiert werden. Wie Kirsten Huckenbeck von der gewerkschaftlichen Beratungsstelle MigrAr berichtet, hat das Sozialamt bewilligt, die Kosten für die etwa 15.000 Euro teure OP zu übernehmen. Sie soll am 30. April durchgeführt werden. Rusev, ohne Krankenversicherung und festen Wohnsitz, hatte sich Ende Januar bei einem Arbeitsunfall im Industriepark Höchst einen Harnröhrenriss zugezogen und muss seit einer Notbehandlung mit einem Katheter leben. Seit Erscheinen des Berichts in der FR haben sich zwei Leserinnen bereiterklärt, für den arbeits- und mittellosen Rusev Geld zu spenden. Das soll für die Lebenshaltungskosten aufgewandt werden, so Huckenbeck, da sie derzeit Lebensmittel und Fahrtkosten für den 37-Jährigen selbst bezahle…“ Artikel von Lukas Gedziorowski in der Frankfurter Rundschau vom 28.03.2013
- Operationsbedürftig im Niemandsland: Arbeitsunfall im Industriepark, Scheinselbständigkeit und die bitteren Konsequenzen für bulgarischen Bauarbeiter
„Nach einem Arbeitsunfall Ende Januar im Industriepark Höchst bangt der Bulgare Biser R. um seine Gesundheit: Er muss dringend operiert werden. Diagnose der Ärzte lt. MigrAr (Gewerkschaftliche Anlaufstelle für prekär beschäftigte Migrantinnen mit und ohne Papiere) vorliegenden ärztlichen Gutachten: Harnröhrenabriss, weitere innere und äußere Verletzungen. Es folgt die „eindringliche Empfehlung einer operativen Versorgung innerhalb der nächsten 4-6 Wochen“. Ansonsten droht eine chronische Erkrankung. Biser R. ist 37 und wäre damit vermutlich für den Rest seines Lebens in seiner Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität eingeschränkt.
Doch Sozialamt und Uni-Klinikum streiten sich seither über die Kostenübernahme. Biser R., aufgrund seines Unfalls arbeits- und mittellos, hat zwischenzeitlich seine Wohnung verloren und lebt in der städtischen Notunterkunft in der Ostparkstraße. Er lebt von Spenden und von – bescheidenen – Lebensmittelgutscheinen des Jobcenters Mitte, bei dem er sich inzwischen mit Hilfe von MigrAr (Gewerkschaftliche Anlaufstelle für prekär beschäftigte Migrantinnen mit und ohne Papiere) arbeitslos gemeldet hat.
Biser R. ist nicht krankenversichert – dazu hätten ihn seine Auftraggeber, der Subunternehmer A. und der Generalunternehmer O.A.M. Industriedemontage GmbH mit Sitz im Industriepark Höchst, anmelden müssen. „Bis Ende dieses Jahres genießen EU-BürgerInnen aus Bulgarien und Rumänien nur eine eingeschränkte Freizügigkeit – sie dürfen nur als selbständige Gewerbetreibende hier arbeiten“, so Kirsten Huckenbeck, Beraterin bei MigrAr.
„Wir kennen aus unserer Beratungspraxis viele Fälle, in denen Arbeitgeber dies ausnutzen und die Menschen als Scheinselbständige oder auf Werkvertragsbasis einsetzen, obwohl sie sie aufgrund der tatsächlichen Abhängigkeits- und Arbeitsverhältnisse eigentlich zur Sozialversicherung anmelden müssten. Wenn sie das nicht tun und dann ein Arbeitsunfall passiert, wie im Falle Biser R., stehen die KollegeInnen völlig schutzlos da und fallen durch alle Maschen des Sozialsystems“, so die Beraterin weiter. „Das halten wir für einen Skandal“.
Biser R. muss schnellstens operiert werden, wir fordern das Sozialamt und das Unklinikum auf, sich dringend zugunsten des Patienten zu einigen und die Fehler Europäischer Sozialpolitik nicht auf dem Rücken eines schwer verletzten Kollegen auszutragen.“ Pressemitteilung von MigrAr – Gewerkschaftliche Anlaufstelle für MigrantInnen mit und ohne Papiere vom 21.03.2013.