Mit dieser Politik wurde eine Kleptokratie errichtet – Gewaltige Vermögensverschiebung auch durch die Krise und reich und arm einfach regierungsoffiziell eskamotiert
Kommentar von Volker Bahl vom 6.3.2013
Der Philosph Slavoj Zizek: Ich halte es eher mit Hegel: Wir leben in schwierigen Zeiten, und es gibt überhaupt keinen Ausweg. Eine fröhliche Einsicht – sozusagen die fröhliche Auswegslosigkeit der Lage.
Oh, jetzt könnte doch unsere Kanzlerin frei nach „Wilhelm Zwo“ ausrufen, ich kenne keine Armen und Reichen mehr – ich kenne nur noch Deutsche!
Ach, und ich brauche nicht einmal in die Forbes-Liste zu schauen, sondern jetzt einmal „nur“ in den jüngsten Münchner „Armutsbericht“. Dort steht, dass die Spreizung zwischen arm und reich allein in dieser Stadt München zwischen 2007 (!) und heute gewaltig größer geworden ist: 2007 verfügte das oberste Fünftel der Bevölkerung noch über 36 Prozent des Einkommens und heute sind es schon 46 Prozent. Man könnte also direkt von einer gewaltigen Vermögensverschiebung in und durch die Krise sprechen.
Und jetzt stehen wir vor der Frage, was das noch für ein politisches System ist, das die Krise so als Hebel verwenden lässt, die Super-Reichen nur mit einem solch gewaltigen Sprung noch einmal reicher zu werden – etwa eine Kleptokratie? Das heißt so viel wie „Herrschaft der Plünderer“. Als Erklärungs-Ansatz bietet sich das Vorgehen von Götz Aly an, der im deutschen Faschismus in der Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. ein „kleptokratisches“ System entdeckte, das – tief im antisemitischen „Rassenhass“ begründet – eine Umverteilung zwischen Bevölkerungsschichten vornahm. (http://de.wikipedia.org/wiki/Kleptokratie )
Dabei zeigt uns auch die „Forbes“-Liste nur die eine Seite der Vermögensverschiebung:“Forbes“-Liste der Milliardäre: Mehr Superreiche als je zuvor (http://www.fr-online.de/wirtschaft/-forbes–liste-der-milliardaere-mehr-superreiche-als-je-zuvor,1472780,22001032.html )
Nur – um nicht gleich in übertriebene Parallelen mit dem Konzept von Götz Aly zu verfallen: Die Verteilung zwischen den Bevölkerungschichten ist heutzutage ein sehr elitäres Konzept – sozusagen für die „obersten Zehntausend“, während der „Rest“ der Bevölkerung reichlich „ausgeplündert“ wird. Und gleichzeitig wird die für die Stabilität einer Demokratie so wichtige Mittelschicht zusammengeschrumpft.
(vgl. dazu „Eine kleine Götterdämmerung für Merkel“ – „Deutschlands Mitte bröckelt“ – und was bröckelt damit auch? auf der Seite 1 bei (www.labournet.de/politik/sopo/neue-armut/eine-kleine-gotterdammerung-fur-merkel/)
Armutsberichterstattung in dieser Kleptokratie
Der in Deutschland von der Regierung zunächst vorgelegte „Reichtums- und Armutsbericht“ hatte dies in einem Entwurf deutlich werden lassen (www.nachdenkseiten.de/?p=14523#h06 )
Nur wie bei George Orwell greift diese Regierung zum „Neusprech“, das will heißen, wenn mir die Wirklichkeit nicht gefällt, male ich mir eben eine neue (vgl. z.B. den 2. Abschnitt auf der Seite 1 (www.labournet.de/politik/sopo/neue-armut/eine-kleine-gotterdammerung-fur-merkel/) Und so machte sich diese Bundesregierung – wohl auf Druck der FDP – an eine regierungsamtliche Schönfärberei.
(vgl. dazu „Röslers verheerende Rotstift-Aktion“: www.fr-online.de/meinung/armuts–und-reichtumsbericht-roeslers-verheerende-rotstift-aktion,1472602,22017272.html )
Ach, das muss man jetzt doch ausführlicher berichten: So schreibt die Süddeutsche vom 6. März 2013 unter der Überschrift FDP setzt sich beim Armutsbericht durch: „Sechs Monate nach dem ersten Entwurf von Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU) sind in dem gut 500 Seiten starken Dokument wie schon in der Ende November 2012 bekanntgewordenen überarbeiteten Version (vgl. (www.nachdenkseiten.de/?p=15282#h04 ) einige kritische Passagen gestrichen worden. Nicht mehr zu finden ist zum Beispiel die Aussage, dass 2010 mehr als vier Millionen Menschen für einen Brutto-Stundenlohn von unter sieben Euro arbeiteten.
Nach der Abstimmung mit anderen Ministerien sind auch diese Sätze entgültig entfallen: „Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen 10 Jahren preisbereinigt gesunken“. Dies verletze das „Gerechtigkeitsempinden der Bevölkerung“. Nun wird stattdessen angeführt: Sinkende Reallöhne in den unteren Einkommensgruppen seien „Ausdruck struktureller Verbesserungen“, weil „zwischen 2007 und 2011 viele Arbeitslose oder in geringer Stundenzahl Beschäftigte eine Vollzeitbeschäftigung im unteren Lohnbereich neu aufgenommen haben“. (= Im Klartext: neue Arbeitsplätze gab es nicht beim „Normalarbeitsverhältnis“ sondern vor allem im Niedriglohnbereich)
In der ersten Fassung des Berichtes hieß es außerdem: „Die Einkommensspreizung habe zugenommen“. Nun steht in der Endfassung das genaue Gegenteil: „Die Ungleichheit der Einkommen nimmt derzeit ab“. Und zur Vermögensverteilung schreibt der Armuts- und Reichtumsbericht, dass die vermögensstärksten Haushalte 2008 über 53 Prozent des gesamten Nettovermögens verfügten. 1998 waren es noch 45 Prozent. Die gesamte untere Hälfte besaß demnach nur noch ein Prozent des gesamten Nettovermögens, 1998 waren es über 3 Prozent. (SZ) Aber Arbeitsministerin von der Leyen nennt all diese Verniedlichungen der sozialen Realität dann in schönstem Orwell`schen Neusprech „Aktualisierungen“ nur. (www.sueddeutsche.de/politik/armutsbericht-der-bundesregierung-von-der-leyen-schliesst-die-schere-1.1617044 ) Ja, wer vom Reichtum nicht reden will, müsste eigentlich auch von der Armut schweigen (www.nachdenkseiten.de/?p=16407 )
Aber die Armut ist politisch gewollt
So ist es überhaupt nicht aus der Luft gegriffen, wenn man zu der Feststellung gelangt: Diese Armut ist politisch gewollt- wie es die Armutskonfrenz – trotz dieser ganzen „linkischen“ Propaganda a la Orwell – dieser Regierung ins Stammbuch schrieb (vgl. den letzten Absatz auf der Seite 1 bei (www.labournet.de/politik/sopo/neue-armut/oecd-macht-deutlich-deutschland-ist-in-sozialer-kompetenz-ganz-unten-und-bei-der-geschlechter-diskriminierung-spitze/ oder auch www.nachdenkseiten.de/?p=15505 )
Ja, Deutschland ist – und bleibt – bei der sozialen Kompetenz ganz unten.
Dabei ist dies eben nicht nur ein enormes Defizit in politischen Lösung der so stark gewordenen „Sozialen Frage“ in Deutschland, sondern durch diese abhanden gekommene stärkere Gleichheit wird es nicht nur zu einem Problem des Wachstums, sondern geradezu der wirtschaftlichen Stabiltät in Deutschland selbst (www.nachdenkseiten.de/?p=14481 )
Dagegen: Ein breiter Konsens in Deutschland für bessere Umverteilung
So ist es überhaupt kein Wunder, dass in Deutschland ein breiter Konsens herrscht, dass hier bei uns durch den Staat mehr „umverteilt“ werden müsste (http://idw-online.de:80/de/news520698 )
(siehe auch Bündnis UmFairteilen und Aktionen (www.labournet.de/category/interventionen/wipo-gegenwehr/umfairteilen/)
Nur ist Steinbrück dafür der richtige Kandidat für die SPD, der die letzte Umverteilung zu Gunsten der Reichen noch als Finanzminister der Großen Koalition zugunsten der Reichen vorgenommen hatte? (vgl. noch einmal eine Studie der FES zur Umverteilung von unten nach oben (www.nachdenkseiten.de/?p=16102 )
Zieht die SPD angesichts dieser eigenen „Glaubwürdigkeitslücke“ bei der SPD selbst nun die Notbremse? – Und kann es ihr gelingen den SPD-Kanzler-Kandidaten Steinbrück in den Hintergrund schieben, indem Andrea Nahles die Wahlkampfführung übernimmt? (www.fr-online.de/politik/spd-wahlkampfleitung-nahles-uebernimmt-die-wahlkampf-regie,1472596,22003422.html )
Dazu würde es aber dringend erforderlich, nun die Vermögenssteuer ins Zentrum des politischen Anliegens in diesem Wahlkampf zu rücken. (www.nachdenkseiten.de/?p=13839 ) Nur so lobenswert die Schweizer „Abzocker-Initiative“ zur Thematisierung ungerechtfertigter Bereicherungen in den Spitzen der Wirtschaft war, so dürftig ist ihr Ergebnis bisher in den praktischen Auswirkungen (www.nachdenkseiten.de/?p=16400 )
Es wäre nur verfehlt zu denken, dass angesichts dieser erdrückenden Tatsachen, eine Neuorientierung der Politik auf die Tagesordnung käme. Weit gefehlt! Jetzt kommen die Propaganda-Instrumente der Arbeitgeberseite zum Einsatz – und dann wird einfach die Gerechtigkeitslücke – „umfragetechnisch“ – zum verschwinden gebracht. (www.nachdenkseiten.de/?p=16201 )
Ach, so gesehen wird jetzt alles so schwierig und eher „komplex“ angesichts der gesamten „Unklarheiten“ auch noch bei der SPD (und nicht nur bei der CDU/CSU). Ich hatte mir jetzt gerade einmal vorgenommen, ein wenig dieses „Dickicht“ zu lichten – aber ich muss gestehen, allein mein Versuch war sehr anstrengend – aber du kannst ja einmal schauen, ob es nicht nur nachvollziehbar, sondern seinerseits auch in der Lage ist, nur ein wenig Klarheit zu bringen (siehe www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-krise/eukrise-allg/die-deutsche-kanzlerin-gibt-jetzt-in-und-fur-europa-das-paulinchen-mit-dem-feuerzeug/)
Eine klare Orientierung bleibt in diesen etwas unübersicht-lichen Zeiten jedenfalls weiterhin schwierig – Kein Wunder, dass die Italiener mit ihrem Beppe Grillo den Weg des Fundamental-Protestes erst einmal gewählt haben. (vgl. im letzten Link die Seiten 15 bis 16)