Resilienz: Individuelle “Widerstandsfähigkeit für Mensch und Unternehmen” statt Gesundheitsschutz

Dossier

smileysDie Politik hofft auf betriebliche Maßnahmen, um Burnout in den Griff zu kriegen – auch bei sozialen und strukturellen Ursachen. Über zunehmenden „Psychostress“ der Beschäftigten berichtete der DGB-Index „Gute Arbeit“ über das Jahr 2012 und fordert gesetzliche Maßnahmen () Ins Hintertreffen geraten soziale Aspekten wie Armut, Verunsicherung, Tagelöhner-Dasein. (…) Bei alldem stellt sich die Frage, ob denn arbeitsbedingter Stress wirklich das gleiche sein solle wie „Stress am Arbeitsplatz“, der zurzeit viel besprochen wird. Sind es nicht auch pekuniäre Sorgen bei Niedriglohnverhältnissen, familiäre Sorgen oder Bewerbungsstress zwischen verschiedenen befristeten Arbeiten, die Erschöpfung mit bedingen können? Und was ist mit den Freelancern, die heute gar nicht im Betrieb, sondern freiberuflich für verschiedene Firmen arbeiten und zeitweise „Aufstocker-Geld“ beim Jobcenter beziehen?…“ Artikel von Birgit v. Criegern in telepolis vom 19.02.2013 externer Link zur Verschiebung des Problems auf das Individuum, nicht nur im psychischen Bereich – siehe dazu:

  • Weltkrebstag 2024: Arbeitsminister bedauert berufsbedingte Sterbefälle und stiehlt sich mit Tipps für persönliche Schutzmaßnahmen aus der Verantwortung New
    „Mit der Überschrift »Berufsbedingten Krebs stoppen« meldete sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Anfang des Monats in der Öffentlichkeit zum Weltkrebstag: »Jedes Jahr verlieren etwa 100.000 Beschäftigte in Europa ihr Leben aufgrund berufsbedingter Krebserkrankung. Der Hauptfaktor für diese traurige Statistik ist, dass Beschäftigte bei ihren Tätigkeiten krebserzeugenden Stoffen ausgesetzt sind, wenn sie z.B. Abgase oder Staub einatmen.« (…) Eine erstaunliche Mitteilung, die Fragen aufwirft: Die hunderttausend Toten betreffen ja nur den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Was ist mit den anderen Ministerien, schließlich hat die EU für das Jahr 2020 allein 1,27 Millionen Krebstote vermeldet. (…) Verwunderlich ist auch, dass hier eine Sache offen ausgesprochen wird und kein Schwein daran Anstoß nimmt: nämlich, dass die Ursachen für Krebs gar kein Geheimnis sind. (…) Offen ist schließlich auch, an wen sich der Minister mit der Überschrift wendet. Ist er nicht wesentlich mitverantwortlich für Arbeitsschutzrichtlinien und bestimmt so zu einem großen Teil darüber, was die Menschen am Arbeitsplatz zu schlucken und einzuatmen haben? Von dieser Verantwortung spricht sich der Minister frei, wenn er mitteilt: »Das BMAS erinnert anlässlich des Weltkrebstages an die Notwendigkeit, Arbeitnehmer*innen vor dem Kontakt mit krebserregenden Stoffen zu schützen. Dies ist möglich mit dem sogenannten STOP-Prinzip.« Verantwortlich für den Arbeitsschutz sind somit nicht diejenigen, die sich sonst gerne in die politische Verantwortung drängen, sondern Beschäftigte und Unternehmer. Denen steht das Ministerium mit »klugen« Tipps zur Seite. Guter Rat ist billig: das »STOP-Prinzip«: »S = Substitution – Gefährliche Stoffe sollten durch sichere Alternativen ersetzt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine dieselbetriebene Bohranlage durch eine elektrisch betriebene Anlage ersetzt wird. Die Substitution ist im Arbeitsschutz die vorrangig in Betracht zu ziehende Maßnahme. (…) T = Technische Maßnahmen – Von geschlossenen Systemen bis zur effizienten Luftabsaugung gibt es viele Techniken, die die Exposition gegenüber Karzinogenen drastisch reduzieren. Wo möglich, gewährleisten automatisierte Methoden Sicherheit für alle. (…) O = Organisatorische Maßnahmen – Abgetrennte Arbeitsbereiche, angepasste Arbeitspläne, damit weniger Beschäftigte über kürzere Zeiträume zum Einsatz kommen oder die feuchte Reinigung von Arbeitsplätzen vermindern die Risiken zusätzlich. Auch die persönliche Hygiene vor dem Essen oder Trinken spielt eine wichtige Rolle (…) P = Persönlicher Schutz – Wenn Substitution nicht möglich ist und technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichen, sollten persönliche Schutzmaßnahmen zum Einsatz kommen, um Atemwege und Haut vor krebserregenden Stoffen zu schützen.« (BMAS) Weil der Minister nicht soweit gehen will, Unternehmern Vorschriften zu machen, mahnt er die Beschäftigten, gefälligst selbst für den Gesundheitsschutz zu sorgen. Mit Atemmaske oder Overall. Auswirkungen dieses »STOP-Prinzips« auf die Arbeitswelt sind nicht zu erwarten. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Minister sich zum Weltkrebstag im kommenden Jahr wieder mit »traurigen« Todeszahlen melden kann, vielleicht dann im Konzert mit seinen Kollegen.“ Artikel von Suitbert Cechura in der jungen Welt vom 16. Februar 2024 externer Link („Das BMAS und die Krebstoten“)
  • Resilienz – ein Zauberwort gegen psychischen Krankenstand?
    „… Zwei Krankenkassen haben innerhalb eines Monats Alarm geschlagen: Die Fehltage von Berufstätigen aufgrund psychischer Probleme haben zugenommen – nicht nur im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise, sondern auch im Vergleich zum ersten Corona-Jahr 2020. Aus dem aktuellen Psychreport der DAK-Gesundheit geht hervor, dass 2022 ein neuer Höchststand erreicht wurde. (…) Das Stichwort „Resilienz“ brachten in diesem Zusammenhang beide Krankenkassen ins Spiel: Die DAK-Gesundheit bietet Unternehmen sogar eine „Resilienzberatung“ an. (…) Doch bei diesem Stichwort ist Vorsicht geboten – vor allem, wenn es von Personen mit Macht ein Einfluss kommt, die Individuen „krisenfest“ machen wollen, statt all ihre Möglichkeiten zur Vermeidung von Krisen und Katastrophen zu nutzen. Davor warnte der Psychologe Thomas Gebauer bereits 2016 im evangelischen Magazin chrismon: „Tatsächlich erscheint es nur vernünftig, Vorkehrungen zu treffen, um Störungen von außen überstehen zu können. Nichts spricht dagegen, die Widerstandkraft von Menschen zu stärken und ihnen zu helfen, sich vor Katastrophen besser zu schützen. Und es ist auch wichtig, zu verstehen, warum manche Menschen belastende Erfahrungen besser ertragen können als andere. Absurd aber wird es, wenn das Bemühen um Resilienz zur Rechtfertigung dafür herhalten muss, nichts mehr gegen die Ursachen von Krisen zu tun. Genau das aber ist zunehmend der Fall.“ Statt um die aktive Gestaltung menschenwürdiger Lebensumstände gehe es nur um die Frage, „wie sich Menschen und Systeme gegen Störungen schützen können, um die Anpassung an einen offenbar unaufhaltsam, weil angeblich alternativlos voranschreitenden Zerstörungsprozess“, schrieb Gebauer. Und seither gingen wieder fast sieben Jahre verloren, um diesen Zerstörungsprozess aufzuhalten. (…) Hinzu kommt die mögliche Schuldzuweisung: Resilienz ist grundsätzlich erlernbar – und wer das nicht schafft, hat sich wohl bisher nicht genug angestrengt. Allerdings sagen Expertinnen, dass der Grundstein dafür idealerweise in der Kindheit gelegt wird. (…) Zu behaupten, es gebe momentan keine reale Gefahr für unsere Lebensgrundlagen, grenzt heute schon fast an Gaslighting – eine Form der psychischen Manipulation durch Leugnung von Problemen und Gefahren, die sich die Betroffenen angeblich nur einbilden. Der Begriff entstand durch das Theaterstück „Gas Light“, in dem ein skrupelloser Mann versucht, seine Ehefrau in den Wahnsinn zu treiben, indem er beispielsweise die Gaslichter in der Wohnung herunter dimmt und so tut, als würde nur sie die Verdunkelung bemerken. (…) Realistischerweise werden wir beides brauchen: Resilienz für den heute schon unvermeidbaren Teil – und zivilgesellschaftlichen Druck, um das schlimmste zu verhindern.“ Beitrag von Claudia Wangerin vom 23. März 2023 bei Telepolis externer Link
  • Einatmen und Ausatmen: Immer mehr Menschen glauben an Selbstoptimierungsstrategien, um den auszehrenden Arbeitsbedingungen standzuhalten
    „Eine gute Möglichkeit, seinem Körper eine Verschnaufpause zu gönnen, sind Kurse in Achtsamkeit, Yoga, Qigong oder Meditation», schrieb die Apothekenzeitschrift «My Life» zum Jahresausklang. (…)  Der Kurs «Hello Better Depression» verspricht «Verhaltensaktivierung» und die «Reduktion begleitender Angstsymptome», und das in nur sechs «wöchentlich zu absolvierenden Einheiten mit einer Bearbeitungszeit von 45 bis 60 Minuten». Das klingt nach noch mehr Arbeit, scheint jedoch sehr erfolgreich zu sein. Ausgezeichnet wurde Hello Better unter anderem von der Europäischen Kommission und dem Weltwirtschaftsforum. Es tut offenbar, was es soll: den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit temporär zu befrieden und die zerschundenen Subjekte mit möglichst geringen Kosten in den Arbeitsprozess zu reintegrieren. Zwei besonders verbreitete Rezepte zur Selbstoptimierung sind Achtsamkeit und Resilienz. Achtsamkeit verlangt das absolute Sein im Moment und fordert, vorhandene Gefühle und Gedanken zwar wahrzunehmen und anzuerkennen, sie jedoch nicht zu bewerten. Achtsamkeit (Mindfulness) hat sich in Schulen, beim Militär und im Arbeitsleben als Methode zur Leistungssteigerung etabliert, wie der US-amerikanische Professor für Management, Ronald E. Purser, in seinem Buch «Wie Achtsamkeit die neue Spiritualität des Kapitalismus wurde» konstatiert. Sie sei eine «egozentrische Religion», die Stress entpolitisiere und privatisiere. (…) Resilienz ist das übergeordnete Prinzip. Denn «Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, die Resilienz zu stärken und junge Menschen hervorzubringen, die mit ihren Emotionen umgehen und mit dem Stress einer marktorientierten Welt fertigwerden können», schreibt Purser. Stefanie Graefe und Karina Becker kennzeichnen in der Einleitung zu ihrem Sammelband «Mit Resilienz durch die Krise?» als Dauermodus des Spätkapitalismus und damit auch des Arbeitsalltags. Störungen des Betriebsablaufs würden dabei immer als von außen kommend betrachtet und nicht als systeminhärent wahrgenommen. Daher sei auch ein Systemwandel undenkbar, denn die Probleme würden in die Individuen verlagert. (…) Es gilt stets die innere Einstellung zu ändern, die Probleme bei sich selbst zu suchen, dabei «destruktive» Gefühle wie Wut, Traurigkeit, Frustration und Aggression zu kontrollieren und «die Verwüstungen des Kapitalismus achtsam zu ertragen», wie Purser schreibt. Kollektives, solidarisches, aufbegehrendes Handeln wird so verunmöglicht. Das ist der neoliberale Kitt, der die geschundenen Individuen an «Eigenverantwortung» glauben lässt, er raubt ihnen die Fähigkeit zur Kritik, indem er ihnen vorgaukelt, sie handelten selbstbestimmt und frei von äußeren Zwängen. Er macht die unaushaltbaren Zustände noch eine Weile aushaltbar. Wer nur resilient und achtsam genug ist, gehört so lange zu den Gewinnern, bis auch ihm Geld, Gesundheit oder Verstand oder alles zusammen abhandenkommen…“ Artikel von Mira Landwehr vom 25. Februar 2022 in neues Deutschland online externer Link
  • Soziologin Graefe: „Resilienz ist ein Alternativangebot zur Kritik“ 
    „Das Konzept der Resilienz legt neuerdings Menschen nahe, ihre Widerstandskraft zu trainieren.“ Die Soziologin Stefanie Graefe im Interview von Beate Hausbichler am 6. Jänner 2021 beim derStandard.de externer Link „über die Schattenseiten des Resilienztrends: (…) Der Begriff kommt aus der Materialwissenschaft. Es gibt ihn schon seit dem 19. Jahrhundert, und er beschreibt, dass ein Material nach Einwirkung von außen in seinen ursprünglichen Zustand zurückkommt, also elastisch ist. Durch die Psychologie bekam der Begriff ab den 1970er-Jahren Aufwind. (…) Er beschreibt in dieser Bedeutung die Fähigkeit, sich trotz schlechter Rahmenbedingungen gut zu entwickeln und sich davon nicht unterkriegen zu lassen. (…) Krise und Kapitalismus gehörten immer schon zusammen. Im Kapitalismus kommt es immer wieder zu Wirtschaftskrisen, die dann immer auch Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. Aber der Kapitalismus hat eine bemerkenswerte Fähigkeit, nämlich die, sich durch Krisen hindurch zu erhalten und sie nutzen, um sich zu transformieren. Die aktuelle Situation ist in mehrfacher Hinsicht krisenförmig. Grundlegende Sicherheiten stehen infrage. Das Versprechen des Nachkriegskapitalismus im globalen Norden ist schon seit Jahren für viele nicht mehr glaubwürdig: dass es stetiges Wachstum gibt, dass es die es nächste Generation immer besser haben wird als die Elterngeneration. Hinzu kommen jetzt noch die Corona-Krise, die Klimakrise und eine generell unsicherere Weltlage. Resilienz ist eine Antwort auf diese umfassende Krisensituation. Resilienz verspricht ein besseres Durchkommen durch die Krise – nicht eine Veränderung der Verhältnisse. (…) Es wird gesagt, dass krisenförmige Rahmenbedingungen nicht veränderbar sind, aber wir können lernen, besser damit umzugehen. Auch die zahlreichen Ratgeber zur Resilienz vermitteln diese Botschaft: Man muss akzeptieren, dass man das allermeiste in seinem Leben nicht ändern kann. Aber man kann versuchen, das Beste daraus zu machen. (…) Organisationen wie die EU, die WHO oder die Weltbank haben in den letzten Jahren Resilienzstrategien entwickelt. Teilweise natürlich, weil es auch ein Modebegriff ist. Doch die Kernbotschaft ist auch hier, dass selbst eine globale politische Organisation am krisenförmigen Zustand der Welt nicht grundsätzlich etwas ändern kann. In der EU beispielsweise werden Austeritätsprogramme mit dem Verweis auf die Resilienz der Volkswirtschaften gerechtfertigt. Resilienz ist also nicht nur ein psychologischer Begriff, sondern die Grundidee der Anpassung und Krisenfestigkeit als oberstes Handlungsziel gibt es auch auf politischer Ebene. (…) Resilienz ist ein Alternativangebot zur Kritik an den Arbeitsbedingungen. Unter Verweis auf Resilienz kann man Arbeitnehmer*innen sagen, wenn du mit den Bedingungen nicht klarkommst, dann musst du an deiner Belastbarkeit arbeiten und diese trainieren. In diese Tendenz gehört auch, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz immer stärker auf Verhaltensprävention setzt – und weniger auf Verhältnisprävention…“

    • Siehe ihr Buch: „Resilienz im Krisenkapitalismus. Wider das Lob der Anpassungsfähigkeit“ von Stefanie Graefe erschien 2020 im Transkript-Verlag externer Link, Bielefeld, 234 Seiten zum Preis von 19,90 Euro
  • Die Mär von der Humanisierung des Arbeitslebens – Posttaylorismus, Automation, Digitalisierung, Arbeit 4.0: Sind die Arbeitsbedingungen menschlicher geworden?
    „Schon der Human-Relations-Bewegung, die sich in den 1930ern als Reaktion auf die wachsende Verweigerungshaltung der Arbeiter/innen in US-amerikanischen taylorisierten Großbetrieben bildete, war es darum zu tun, die Arbeit „menschlicher“ zu gestalten – freilich immer das Ziel der Produktivitätssteigerung im Auge. (…) Lässt man die neuere Literatur zur betrieblichen Gesundheitspolitik Revue passieren, schält sich als Zentralkategorie die „Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit“ heraus. Nicht die Arbeitswelt soll den menschlichen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Bedürfnissen, wozu auch Ruhe und Kontemplation gehören, angepasst werden, sondern der Mensch soll an die herrschenden Erfordernisse und Aufgabenzuschnitte der Arbeitswelt angepasst werden. (…) Neoliberale Arbeitsverhältnisse erfordern neoliberale Bio- und Körperpolitik. Entgegen allen Träumereien von neuer Autonomie und erweiterten Handlungsspielräumen bei der Arbeit geht es im kapitalistischen Arbeitsprozess immer wieder um die kapitalkonforme Zurichtung des Menschen. Denken, Fühlen und Handeln müssen mit funktionalen instrumentellen Anforderungen in Einklang gebracht werden. Eigene Gedanken, auch darüber, was man anderes produzieren könnte oder was ökologisch, sozial nützlich oder schädlich sei, sind dysfunktional. Sie sind dennoch vorhanden, müssen aber unterdrückt werden. Das Neue am subjektivierenden Arbeitshandeln – das ist die andere Seite des schmalen Grates – ist, dass es heute weniger einer äußeren Unterdrückung bedarf, weil das Subjekt diese Unterdrückungsleistung selbst vornimmt. „Die Freiheit wird ausgebeutet“, sagt Byung-Chul Han. Unter dem Vorzeichen „Arbeit 4.0‚, „Agilität“ oder wie sonst auch die Zauberworte heißen mögen – mutieren permanente Überforderung zur Normalität und oktroyierte Optimierung zu „Gesundheit“. Die psychosozialen Kosten sind erheblich. Widerstandsenergien müssen eingezäunt, kanalisiert und abgebaut werden. Der dafür notwendige und zuweilen enorme Energieaufwand muss körperlich aufgebracht und tatsächlich bieten Entspannung und Bewegung Kanalisierungsmöglichkeiten. Dass diese somato-neuro-psychischen Prozesse in einem Modus der Entfremdung ablaufen, ist ein de-thematisiertes Skandalon. Die ideologische Behauptung der Alternativlosigkeit wird in sogenannten qualifizierten Berufen oft mit achselzuckendem Bedauern hingenommen. Gleichwohl gibt es Anzeichen eines Bewusstseinswandels, der sich einstellt, wenn der Körper „Nein“ sagt. Am anderen Spektrum der arbeitenden Klassen melden sich die Massenarbeiter/innen zu Wort, die sich meist ungeplant, unorganisiert und spontan ihrem Ärger Luft machen und ‚die Welt darauf hinweisen, dass die Arbeitsverhältnisse keinesfalls menschengerecht sind.“ Beitrag von Wolfgang Hien vom 19. September 2019 beim gewerkschaftsforum.de externer Link
  • Resilienz – Fit für die Katastrophe
    Fast scheint es, als wäre ein Allheilmittel gefunden gegen all die Krisen, Konflikte und Probleme, denen Menschen in der heutigen Welt ausgesetzt sind. Aber was ist Resilienz? Bei genauer Betrachtung scheint die Idee der Resilienz auch Teil jener neoliberalen Hegemonie zu sein, zu deren Wesen es eben auch zählt, gesellschaftliche Verantwortung in die Sphäre des Privaten abzudrängen. Resilienz macht es möglich, dass sich der herrschende Zerstörungsprozess noch in Zeiten größter Gefahr und Not als „Business as usual“ fortsetzen kann. Resilienz, wie sie heute in Pädagogik, Psychotherapie, in Entwicklungs- und Sicherheitspolitik oder in der humanitären Hilfe definiert und angewandt wird, stabilisiert genau jene Verhältnisse, an deren prekärem Zustand sich das Bedürfnis nach Resilienz entzündet. Es ist ein höchst eigentümlicher Widerstandsbegriff, der in dieser Definition von Resilienz aufscheint – einer, den sich die herrschenden Verhältnisse zunutze machen, um sich selbst abzusichern. Einem solchen Widerstandsbegriff sollten wir widerstehen…“ Dossier bei medico international externer Link

  • Neues Prekariat im digitalen Wandel der Arbeit: Kann Resilienz helfen?
    Was macht der digitale Wandel mit der Arbeitswelt? Dieser Frage ging die Konferenz „Digital Transformations of Work“ nach, die am 10. März 2016 am Oxford Internet Institute in Großbritannien stattfand. Erfrischenderweise fragte diese Tagung nach dem Ist-Zustand digitaler Arbeitsbedingungen und ließ sich nicht auf Spekulationen ein, etwa wieviel Arbeitsplätze in Zukunft durch die Digitalisierung obsolet werden (s. Frey & Osborne, 2013). Dennoch kann man sich der Frage auf verschiedene Weise annähern. Auffällig ist jedoch, dass personale Resilienz keine Rolle bei den diskutierten Interventionen spielt…” Konferenzbericht von Jörn Hurtienne vom 1.10.2017 externer Link
  • Restrukturierungen – schicksalhaft gegeben? – Neue (gewerkschaftliche) Handlungsanleitungen gehen fehl
    Artikel von Wolfgang Hien, erschienen in express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 08/2015

    • Und darin: „… Als Beispiel sei eine kürzlich erschienene Handlungsanleitung (Meyn u.a. 2015) angeführt, an deren Zustandekommen eine Reihe von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Sozialforschungsstelle Dortmund, der Universitäten Dortmund und Bremen, der Berufsgenossenschaft Holz und Metall sowie haupt- und ehrenamtliche Mitglieder der Industriegewerkschaft Metall beteiligt waren. In den Gewerkschaften wird breit für diese Broschüre geworben. Die unter dem Titel »Gesundheit und Beteiligung in Change-Prozessen« veröffentlichte Broschüre ist in vielen Hinsichten bemerkenswert. Als beschwörende Formeln werden »vertrauensvolle Unternehmenskultur« und »humane Managementmethoden« (ebenda, S. 30ff.) ins Feld geführt, ohne die Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu thematisieren, die derartigen Wunschphantasien Hohn sprechen. Nicht überraschend wird von den Betroffenen gefordert, »Bewältigungskompetenz« und Resilienz aufzubauen. Die Autoren und Autorinnen gehen davon aus, dass es möglich sei, mit Unternehmensleitungen auch so etwas wie eine »organisationale Resi­lienz« aufzubauen. Ausgespart bleibt der Umstand, dass derartiges nur unter der Bedingung einer grundsätzlichen Akzeptanz herrschaftlich gesetzter »Change-Prozesse« gedacht werden kann. Wir haben keine Wirtschaftsdemokratie, d.h. verhandelt werden nicht das »Warum« und das »Ob«, und schon gar nicht das »Was« der Güter und Dienstleistungen, sondern lediglich das »Wie« der Restrukturierung…“
  • Gesundheitsmanagement für mehr Arbeit und weniger Personal?
    Prävention im Betrieb entspricht einer wachsenden Management-Sparte. Während Personal weiter reduziert wird und Arbeitsdruck steigt, fühlt man sich an „Human Engeneering“ erinnert…“ Artikel von Birgit v. Criegern in telepolis vom 20.03.2012 externer Link
  • Noch im Artikel von Birgit v. Criegern in telepolis vom 19.02.2013 externer Link – worauf das LabourNet Germany bereits hingewiesen hat (siehe Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden) -: „… In von der Leyens Statement kam sogar ein alter Unternehmensmythos zum Tragen, als sie anlässlich des Anti-Stress-Gipfels erklärte: „Unser Ziel ist Resilienz, also Widerstandsfähigkeit, nicht nur für jeden einzelnen Beschäftigten, sondern auch für die Unternehmen als Ganze.“ Damit traf sie keine Unterscheidung zwischen menschlicher gesundheitlicher und monetärer-unternehmerischer „Widerstandsfähigkeit“: In der Formulierung verschmelzen beschäftige Menschen und Unternehmen zu einem einzigen Körper. Dass der Unternehmenserfolg – bei ständig implizitem Wachstumsdiktat- zugleich natürliches menschliches Wohlergehen für alle bringe, ist ein alter Glaubenssatz der Marktliberalen, der hier wiederaufgelegt wird. Und so bricht auch nicht die Broschüre ihres Ministeriums „Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz“ mit dieser Perspektive…“
  • Siehe auch: Stressreport Deutschland 2012. Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=27453
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