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Streik kolumbianischer Bergarbeiter. Interview mit Jaime Deluquez, Vorstandsmitglied der Bergarbeitergewerkschaft Sintracarbon
Interview in Cerrejon am 17.2.2013 von Volker Gajewski und Beatrix Sassermann, Übersetzung Lena Boellinger
Am 16. und 17.2. besuchten drei Mitglieder des Aktionsbuendnisses Gegenstrom.13 (http://www.gegenstrom13.de ) die streikenden Bergarbeiter der Gewerkschaft Sintracarbon und fuehrten ein Interview mit dem Vorstandsmitglied Jaime Deluquez. Die Bergarbeiter der groessten Tagebaumine der Welt Cerrejon im Nordosten Kolumbiens waren zu diesem Zeitpunkt seit zehn Tagen im Streik.
Cerrejon ist ein Konsortium der drei transnationalen Konzerne Anglo American (GB), BHP Billiton (Australien) und Glencore-Xtrata (Schweiz). Die Streikenden leben waehrend des Streiks in einer Art Camp und erhalten, wie in vielen Laendern ueblich, keinerlei Streikunterstuetzung als Ausgleich fuer den verlorenen Lohn. Sie werden getragen von der Solidaritaet aus dem In- und Ausland, werden in “Volkskuechen”, die sie selbst mitorganisieren, mit Essen versorgt und schlafen vor den Eingaengen der Mine in Haengematten, oft weit weg von ihren Familien.
Die Kolleg_innen, die ihnen aus Solidaritaet das Essen einkaufen und kochen sind ausgesperrte Beschaeftigte des Subunternehmens Aramark, denen wegen des Streiks bei Cerrejon die Arbeitsvertraege suspendiert wurden. Sie sind Mitglieder der Gewerkschaft Sinaltrainal, auch in Europa bekannt durch ihre Kampagnen gegen Coca Cola und Nestle.
Die Bergarbeiter arbeiten normalerweise 7 Tage und mehr 12-Stunden-Schichten, um danach einige Tage frei zu haben, um zu ihrenFamilien reisen zu koennen. Waehrend der Arbeitsperiode wohnen sie inbescheidenen Verhaeltnissen in kleinen Zimmern in einem der Mine nahe gelegenen Ort.
Deluquez: Momentan sind bei Cerrejon direkt ca. 6450 und bei Subunternehmen ca. 7000 Arbeiter_innen angestellt.
Gegenstrom13: Wie verlaufen die Verhandlungenmit Cerrejon? Bei welchen Forderungen verweigert sich die Firma?
Deluquez: Wir sind heute seit zehn Tagen im Streik. Der Streik begann am Donnerstag, dem 7. Februar. Die Regierung schickte den Vize-Arbeitsminister, um zwischen Unternehmen und Gewerkschaft zu vermitteln.Die Gewerkschaft hat sich zu keinem Zeitpunkt geweigert, mit dem Unternehmen in Dialog zu treten. Seit drei Tagen finden nun Gespraeche statt, allerdings ohne Resultat. Wir stellen fest, dass es eine Art Verzoegerungsstrategie auf Seiten des Unternehmens gibt. Die Gewerkschaft ist kompromissbereit, aber wir werdenden Streik nicht abbrechen, wenn die angesprochenen Probleme nicht geloest werden. Wenn das Unternehmen also vorhat, die Dinge herauszuzoegern, und glaubt, dass die Arbeitenden mit dieser Verzoerung die Energie oder den Mut verlieren, dann hat es sich getaeuscht. Denn wir als Arbeitende sind uns der Verantwortung bewusst, die wir ab dem Moment, in dem wir den Streik begonnen haben, tragen. Die dem Unternehmen vorgetragenen Probleme lassen sich offensichtlich nur mittels Streik loesen.
Gegenstrom13: Uns wurde bei unseren Recherchen hauefig von Drohungen berichtet…
Deluquez: Kolumbien ist ein Land mit einer anti-gewerkschaftlichen Geschichte und Tradition. Sich in Kolumbien gewerkschaftlich zu engagieren, ist sehr riskant. Kolumbien ist das Land, in dem weltweit die meisten Gewerkschaftsfuehrer ermordet werden. Und auch wir wurden mit dieser Situation konfrontiert. Unsere Gewerkschaftsfuehrer wurden ermordet. Ich selbst wurde mehrere Male bedroht, alle Praesidenten, die die Gewerkschaft je hatte, haben Drohungen von rechten Schwadronen oder vom Militaer erhalten. Diese Drohungen werden natuerlich von uns bekannt gemacht und angeklagt. Die Gewerkschaft informiert das Unternehmen ueber diese Bedrohung und fordert das Unternehmen und die militaerischen und zivilen Behoerden des Staates auf, die sichere Ausuebung gewerkschaftlicher Aktivitaeten zugarantieren.
Und natuerlich erhalten wir auch jetzt waehrend des Streiks Drohungen. Unser Praesident Igor Diaz und der Schatzmeister wurden bedroht. Und die Drohungen, die Telefonanrufe mit eingeschlossen, richteten sich nicht nur an sie direkt, sondern auch an die Ehefrauen und Toechter. Es wird also nicht nur der Gewerkschaftsfuehrer angegegriffen, sondern auch sein familiaeres Umfeld. Und ich muss leider hinzufuegen, dass es in Kolumbien meist nicht nur bei Bedrohungen bleibt, sondern diese in die Realitaet umgesetzt werden. Gluecklicherweise kaempfen unsere bedrohten Mitstreiter bis heute nach wie vor an unserer Seite.
Gegenstrom13: Wie ist die Stiummung bei den Streikenden?
Deluquez: Wir sind hoch motiviert. Die Arbeitenden sind sich bewusst, was dieser Streik bedeutet. Die Dynamik haelt an, obwohl die Bedingungen hart sind, wie Sie selbst bestaetigen koennen: Tagsueber brennt die Sonne, die Hitze ist unertraeglich, am fruehen Morgen stechen Mosquitos und es ist kalt. Aber wir akzeptieren das. Auch die Ernaehrungsumstaende. Die Arbeitenden beweisen in diesen Tagen ihre Bereitschaft, Opfer in Kauf zunehmen im Rahmen der Verantwortung, die dieser Streik mit sich bringt.
Gegenstrom13: Erfahren Sie Solidaritaet und falls ja von wem und welcher Art?
Deluquez: Ja, wir haben auch viel Solidaritaet erfahren, zum Beispiel in Form von Botschaften oder Solidaritaetsbekundungen vieler Organisationen, wie internationale NGOs, Gewerkschaften. Ihr Aufenthalthier ist ebenfalls eine Form der Solidaritaet, fuer die wir sehr dankbar sind.
In diesemZusammenhang gilt es ausserdem zu betonen, dass unsere Gewerkschaft zu einer Organisation gehoert, die sich IndustriALL nennt. Es handelt sich um eine Gewerkschaftsinternationale,die 50 Millionen Arbeiter auf der ganzen Welt umfasst. Unser Praesident Igor Diaz sitzt im Vorstand dieser Organisation. Das ermoeglicht, dass Situationen wie unsere auf internationaler Ebene angeklagt werden koennen und auch bei Schwesterorganisationen wie der Ihren. Und es ermoeglicht auch, dass dieser Kampf nicht nur ein Kampf der Arbeitenden bei Cerrejon ist, sondern ein Kampf, der im ganzen Department, in der ganzen Region, im ganzen Land und weltweit bekannt ist. Wir glauben, dass wir diese Bekanntheit in diesem Moment erreichen.
Solidaritaetsbekundungen und Unterstuetzung erreichen uns somit aus unterschiedlichen Bereichen. Wir bekamen Mails und Besuche von vielen Organisationen und wir halten das fuer wichtig, denn dieser Kampf repraesentiert nicht nur den Kampf der Bergarbeiter, er repraesentiert vielmehr auch den Kampf der Beschaeftigten bei Subunternehmen, der Gemeinden, die von den Minentaetigkeiten betroffen sind. Er repraesentiert den Kampf fuer nationale Souveraenitaet, fuer eine gesunde und saubere Umwelt und fuer die Wuerde der Arbeiter_innen. In diesem Zusammenhangist es somit auch schlicht falsch, wenn das Unternehmen behauptet, bei diesem Streik gehe es nur um den Lohn. Der Lohn ist ein Teil des Kampfes, den wir fuehren, aber im Kern geht es um viel groessere und komplexere Themen und um diese zu verhandeln blieb uns schlussendlich nur die Option des Streiks.
Gegenstrom13: Vor kurzem kippte der Bergbaukonzern Drummondca. 500 Tonnen Kohle ins Meer vor dem Hafen von Santa Marta. Wie sehen die Arbeiter_innen die Umweltverschmutzung durch Drummond?
Deluquez: Die kolumbianischen Umweltbehoerden nehmen die Verantwortung nicht wahr, die ihnen zukommt. Das Unternehmen Drummond hat eine ganze Ladung Kohle versenkt. Diese Information wurde nicht an die Regierung weitergegeben und das Unternehmen streitet den Vorfall sogar weiterhin ab, trotz der offensichtlichen Beweislage. Dazu kommt noch, dass das nicht das erste Mal ist, dass Frachter von Drummond untergehen oder unterzugehen drohen.
Wenn Sie ueber Santa Marta fliegen, oder dort landen, werden Sie dort die Staubwolken der von Drummond beladenen Frachter sehen. Jeden Tag werden dort die kolumbianischen Straende, das Meer, die Strassen verschmutzt. Und waehrend dessen kommen dieUmweltbehoerden ihrer Verantwortung nicht nach. Offensichtlich schmerzt es sie nicht, was in dem Land vor sich geht, und es schmerzt sie auch nicht, was in der Welt vor sich geht, denn hier geht es letztlich auch um die Verschmutzung des gesamten Planeten.
Lassen Sie mich ausserdem noch erwaehnen, dass Drummond nicht nur fuer die geschilderte Verschmutzung verantwortlich ist, sondern auch drei Fluesse im Cesar umgeleitet hat. Diese umgeleiteten Fluesse existieren nicht mehr. Und die Behoerden schauen weg. Wir als Arbeiter_innen uebernehmen damit in diesem Moment eine Rolle, die eigentlich nicht unsere ist, aber wenn die Behoerden keine Verantwortung uebernehmen, muss jemand anderes diese Dinge, die in Komplizenschaft mit der kolumbianischen Regierung passieren, denunzieren und den Kampf aufnehmen.
Gegenstrom13: Gibt es abschliessend eine zentrale Botschaft, die Sie als Gewerkschaft und Streikende den Leser_innen in Deutschland und Europa vermitteln moechten?
Deluquez: Wir moechten den Deutschen und Europaeer_innen sagen, dass es hier Arbeitende gibt, die ihre Rechte einfordern und dass es dabei nicht nur um oekonomische Forderungen geht. UnsereF orderungen sind viel komplexer und zielen beispielsweise, wie gesagt, auf Gesundheits-, und Umweltfragen oder auf die Rechte der bei Subunternehmen Beschaeftigten, oder der umliegenden betroffenen Gemeinden und auf die Souveranitaet des kolumbianischen Volkes ab. Die geschilderten Umstaende haben dazu gefuehrt, dass unsere Gewerkschaft aufgestanden ist und nun den Kampf fuehrt, nicht nur den Kampf dieser Arbeitenden hier, sondern den Kampf all dieser Sektoren und wir glauben, dass das ein Beispiel fuer andere Kolleg_innen sein kann, fuer andere Gewerkschaften und Gemeinschaften.
Wir haben uns an Blockaden hier im Bundesland beteiligt. Wir haben den Initiator_innen dieser Blockaden geholfen, um bessere oeffentliche Dienste und Lebensbedingungen zu erreichen. Es gilt zu betonen, dass La Guajira ein sehr reiches Bundesland ist, wo sehr viel Kohle abgebaut wird. Hier liegt El Cerrejon, die groesste Tagebaumine weltweit. Hier wird auch Gas gefoerdert, das ganz Kolumbien versorgt und nach Venezuela verkauft wird. Hier werden Salz und viele Mineralien abgebaut, aber die Situation der oertlichen Bevoelkerung ist deprimierend. Wir halten das fuer eine Ungerechtigkeit, die es Wert ist, diese Bewegung zu initiieren und aufrechtzu erhalten, um darauf aufmerksam zu machen, was hier im Bundesland La Guajira passiert, mit der Kohle und den anderen Bodenschaetzen und Mineralien und was in ganz Kolumbien passiert. Denn dieser Reichtum an Bodenschaetzen nuetzt leider nicht der kolumbianischen Bevoelkerung, sondern einigen wenigen Politikern, die sich die Unternehmensabgaben sichern und den Transnationalen Konzernen, die sich die Rohstoffe sichern. Fuer die Bevoelkerung bleibt nichts uebrig, die Arbeitenden werden mit den Krankheiten allein gelassen. Wir halten diese Gesellschaft fuer extrem ungleich und aus diesem Grund fuehlt sich unsere Gewerkschaft verantwortlich, diese Zustaende auf internationaler Ebene anzuklagen.
Vor diesem Hintergrund bedanken wir uns auch herzlich bei Ihnen, dass wir diese anormale, ungerechte Situation schildern koennen. Wir glauben, es ist der Moment gekommen, in dem die Bergarbeiter, die in Sintracarbon organisiert sind, aufstehen und in dem mit Ihrer Hilfe dieser Aufschrei andere Teile der Welt erreicht und unsere Forderungen nach Wuerde und Respekt fuer die Arbeiter_innen und die Gemeinden gehoert werden.
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