Verdi-Chef über Arbeitnehmerrechte: „Deutschland, der kranke Mann“
Als Folge der Eurokrise fürchtet Verdi-Chef Bsirske auch hierzulande eine schlechtere Entlohnung. Peer Steinbrück warnt er davor, historische Fehler zu wiederholen. Interview von Eva Völpel in der taz vom 28.01.2013
Aus dem Text: „… 2003/2004 haben das liberal-konservative Lager und die Arbeitgeber in Deutschland versucht, per Gesetz Betriebsräte oder Belegschaften in die Lage zu versetzen, Tarifverträge auszuhebeln. Das konnte damals abgewehrt werden. Genau diese Politik erleben wir derzeit in Südeuropa. Die europäische Zentralbank teilt beispielsweise dem italienischen Ministerpräsidenten mit, man mache den Ankauf von Staatsanleihen davon abhängig, dass Italien zu einer Verbetrieblichung der Lohnfindung übergehe, also weg vom Flächentarifvertrag. Da das europäische Staatensystem wie ein System kommunizierender Röhren funktioniert, ist zu befürchten, dass mittelfristig eine solche Schwächung der Gewerkschaften und der Verhandlungsmacht der Beschäftigten auch hier wieder auf der Tagesordnung stehen. Dann wird es heißen, nun hinke Deutschland hinterher und sei der kranke Mann in Europa. (…) Die IG Metall hat ihre europapolitischen Positionen intensiv überarbeitet und Herausforderungen klar analysiert. Da haben wir keine Differenzen. Die IG Metall übt zudem praktisch viel Solidarität mit den Metallgewerkschaften in Europa und Spanien. Und mit ihrer lohnpolitischen Linie, den neutralen Verteilungsspielraum ausschöpfen oder übertreffen zu wollen, leistet sie einen Beitrag zur Stärkung des Binnenmarktes. Zudem haben wir auf der DGB-Bundesvorstandsklausur in diesen Tagen gemeinsam beschlossen, dass eines der Topthemen 2013 die Forderung nach Umverteilung und Steuergerechtigkeit wird. Denn es ist nicht gerecht, wenn das reichste Prozent in Deutschland 3,6 Billionen Euro an Nettovermögen besitzt…“