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Antisemitismus-Resolution des Bundestages und die kritische Debatte ihrer Folgen für Israelkritik sowie Meinungs-, Presse- Lehr-, Forschungs- und Kulturfreiheit
Dossier
„Nach einer fast zweistündigen Debatte hat der Bundestag am Donnerstag den von den Ampel-Fraktionen und der Union eingebrachten Entwurf für eine Antisemitismus-Resolution mit breiter Mehrheit angenommen. Auch die AfD stimmte dafür. Die BSW-Gruppe votierte dagegen, während sich die Linke-Gruppe enthielt. Die Resolution mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« beruft sich auf die Shoah. Als weiteren Bezugspunkt nennt der Antrag den »grausamen Terror-Überfall der Hamas« am 7. Oktober. (…) In der Resolution ist auch die umstrittene Forderung enthalten, sicherzustellen, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten oder das Existenzrecht Israels infrage stellen. (…) Die Regierung soll dafür sorgen, dass dies auch in Ländern und Kommunen umgesetzt wird. Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie -einrichtungen sollen »gemeinsam mit Experten« auf antisemitismuskritische Codes überprüft werden…“ Artikel von Matthias Monroy vom 07.11.2024 in ND online („Antisemitismus-Resolution: Israelkritik und Judenhass werden eins“) und dazu eine fast 1jährige Sammlung von Beiträgen aus jüdischer und/oder grundrechtlicher Perspektive:
- Auf die Resolution des Bundestages folgt der fraktionsübergreifende Antrag „gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen“
- Antrag gegen Antisemitismus: Mehr Israel in der Bildung
„… Vergangene Woche hat der Bundestag eine umstrittene Antisemitismus-Resolution beschlossen, die auch Forderungen zu Bildungseinrichtungen enthält. Dennoch planen SPD, Grüne, FDP und die Unionsparteien einen weiteren Antrag, den die Plattform FragDenStaat veröffentlicht hat. Unter dem Titel »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern« wird darin die Stärkung von Forschung und Bildung zu Judentum und Antisemitismus betont. Es müsse verhindert werden, dass »Boykottaufrufe, Delegitimierung, Desinformation und Dämonisierung des jüdischen Staates« in Bildungseinrichtungen Fuß fassen. Der Antrag fordert eine intensivere Wissensvermittlung über Israel, jüdische Geschichte und Kultur sowie den Nahost-Konflikt in Schulen und der Lehrkräfteausbildung. Entsprechende Bildungsmaterialien sollen einer »fortlaufenden Qualitätsanalyse« unterzogen werden. Zudem sollen Maßnahmen wie der deutsch-israelische Austausch von Schüler*innen, Lehrkräften und Studierenden ausgeweitet werden. Bildungseinrichtungen werden dazu aufgefordert, entschieden gegen »Bedrohungen und Anfeindungen« gegenüber jüdischen und israelischen Schülern, Studierenden und Lehrenden vorzugehen und den »Austausch zwischen Hochschulen und Sicherheitsbehörden« zu intensivieren. Als Maßstab für die Bewertung antisemitischer Vorfälle soll die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) dienen. (…) Die Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft hat am Montag auf den Antrag aufmerksam gemacht. Die Initiative aus Professor*innen, Forschenden und Lehrenden entstand ein Vierteljahr nachdem die »Bild« Wissenschaftler*innen unter Berufung auf Stark-Watzinger als antisemitische »Universitäter« bezeichnet und damit eine monatelange kritische Debatte ausgelöst hatte. In einer Stellungnahme begrüßt die Allianz die stärkere Bekämpfung von Antisemitismus an Bildungseinrichtungen, kritisiert jedoch, dass der Antrag andere Diskriminierungsformen wie antimuslimischen Rassismus ausblendet. Dies könne eine problematische Priorisierung schaffen. Zudem legten die rot-grün-gelb-schwarzen Bundestagsparteien den Fokus stark auf Israel und dessen Geschichte, während der Nahost-Konflikt und die palästinensische Perspektive kaum berücksichtigt würden. In Forschung und Lehre könne dies zu einer unausgewogenen Darstellung führen. Die Allianz warnt auch vor Formulierungen im Antrag, die als Aufforderung zu einer »Gesinnungsprüfung« bei der Vergabe von Forschungsmitteln verstanden werden könnten. Die vorgeschlagenen verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und rechtlichen Konsequenzen könnten zudem die Diskursfreiheit einschränken. Die ausschließliche Fixierung auf die IHRA-Definition von Antisemitismus ohne Einbeziehung anderer Definitionen oder kritischer Perspektiven könnte die akademische Debatte weiter beschränken und die wissenschaftliche Freiheit gefährden…“ Artikel von Matthias Monroy vom 13. November 2024 in Neues Deutschland online - Den Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“ ist bei FragDenStaat veröffentlicht
- Bei der Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft noch nichts gefunden
- Antrag gegen Antisemitismus: Mehr Israel in der Bildung
- Nach Verabschiedung im Bundestag: Jüdische Organisationen gegen Antisemitismus-Resolution
„Nimmt der Bundestag jüdisches Leben nur in Verbindung mit Israel wahr? Das ist zumindest die Kritik, die jüdische Organisationen aus 19 Ländern und sechs Kontinenten äußern. Letzten Donnerstag hatte der Bundestag die sogenannte Antisemitismus-Resolution verabschiedet. Am Montag haben weltweit jüdische Gruppen wie das britische „International Jewish Anti-Zionist Network“, „Jewish Voice for Peace“ aus den USA, „Israelis against Apartheid“ aus Israel / Palästina und viele andere einen gemeinsamen Brief herausgegeben, in dem sie die Resolution verurteilen. „Während sie Lippenbekenntnisse zu ‚allen Facetten‘ jüdischen Lebens macht, verengt die Resolution dieses Leben auf ein Element: den Staat Israel“, heißt es in dem gemeinsamen Statement. Wieland Hoban, Vorsitzender des deutschen Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, findet diesen Punkt „besonders schlimm“. Sein Verein hat den Brief mit unterschrieben. So sagt er der taz, der Antisemitismusbegriff der Resolution mache Israel „zum Hauptpfeiler jüdischer Identität und ‚jüdischen Lebens‘“ Die Unterzeichnenden lehnen eine Verschmelzung ihrer Identität mit der „siedler-kolonialen Ideologie des Zionismus und der genozidalen Akte Israels“ ab, da sie diese Verschmelzung für antisemitisch halten und solidarisieren sich mit den Palästinenser:innen. Die Organisationen verurteilen zudem die fehlende Kontextualisierung des Hamasangriffs vom 7. Oktober 2023. (…) Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte am Montagabend eine Mitteilung, in der sie die Verabschiedung der Resolution kritisiert. „Sie wurde geheim, ohne breite Beteiligung der Zivilgesellschaft verhandelt“, heißt es darin. Zudem erkenne die Resolution zwar rechtsextremen Antisemitismus an, schreibe die jüngste Zunahme des Antisemitismus „jedoch der verstärkten Migration aus Nordafrika und dem Nahen Osten zu.“ Und bei Amnesty International Deutschland heißt es: „Diese Resolution schafft Raum für Missbrauch, kriminalisiert legitime Kritik an der israelischen Regierungspolitik und bedient das rassistische Narrativ vom ‚importierten Antisemitismus‘“.Besonders für Aufregung sorgte, dass die AfD dem interfraktionellen Antrag von Ampel und Union am Donnerstag zustimmte. „Die Parteien des angeblichen politischen Zentrums wurden enthusiastisch von der faschistischen AfD unterstützt“, heißt es in dem Brief der jüdischen Organisationen. (…) Auch Organisationen aus Israel hatten vor dem Antrag gewarnt, die auch sie betreffen könnte. „Ir Amim“, eine Organisation, die sich für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzt, fürchtet eine Atmosphäre, die ihre Arbeit delegitimiert, berichtet die tagesschau. Die israelische Regierung könne leichter Druck auf Deutschland aufbauen, Fördermittel zu entziehen, so die Befürchtung.“ Artikel von Baha Kirlidokme vom 12. November 2024 in der taz online , siehe:- „Jüdische Organisationen weltweit verurteilen die Bundestagsresolution zu Antisemitismus
Als jüdische Organisationen in 18 Ländern auf 6 Kontinenten, die eine Vielzahl von Mitgliedern mit unterschiedlichen jüdischen Hintergründen und Traditionen vertreten, erklären wir unsere Empörung und Verurteilung zu der am 7. November im Deutschen Bundestag verabschiedeten Entschließung mit dem Titel „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben schützen, bewahren und stärken“. Der Inhalt der Resolution verhöhnt seinen eigenen Titel. Während die Entschließung ein Lippenbekenntnis zu „allen Facetten“ des jüdischen Lebens ablegt, verengt sie dieses Leben auf ein Element: den Staat Israel…“ engl. Thread von Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost vom 11. Nov. 2024 mit Text und Grafik der Erklärung (bisher nicht auf der Homepage )
- „Jüdische Organisationen weltweit verurteilen die Bundestagsresolution zu Antisemitismus
- Massive Kritik an Antisemitismus-Resolution des Bundestages
Video der PK vom 6. November 2024 von Jung & Naiv mit Teilkapiteln und Transkript mit Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin; Prof. Dr. Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums Potsdam; Prof. Dr. Matthias Goldmann, Lehrstuhl für internationales Recht an der EBS Universität Wiesbaden und Dr. Wolfgang Kaleck, European Center for Constitutional and Human Rights - Lehren aus Fördergeldaffäre ziehen: Debatte über Antisemitismus-Resolution des Bundestages
„Der Bundestag hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet. Deren Anliegen stößt auf breite Zustimmung, Kritik gibt es an möglichen Beeinträchtigungen der Lehr-, Forschungs- und Kulturfreiheit. (…)
Für Bedenken hatten im Vorfeld der Bundestagssitzung die Aussagen zur Vergabe von Fördergeldern des Bundes, etwa für Bildung, Forschung und Kultur, gesorgt. Es sei sicherzustellen, „dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen“, heißt es in der Resolution. Die Abkürzung BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“ (englisch für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) und eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren möchte. Weiter erklärte der Bundestag die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für „maßgeblich“.
Das kritisierten in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – Ralf Michaels, Jerzy Montag, Armin Nassehi, Andreas Paulus, Miriam Rürup, Paula-I. Villa Braslavsky. Was genau unter Antisemitismus zu verstehen ist und in welchen Situationen er vorliegt, bleibe „Gegenstand fortwährender wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Reflexion“. Das könne der Staat nicht „autoritativ“ festlegen. Die IHRA-Definition stößt bei vielen Expertinnen und Experten auf Bedenken, weil sie teilweise herangezogen wird, um Kritik an der Politik der israelischen Regierung als antisemitisch zu bezeichnen. Ein inzwischen von weit mehr als 4.000 Menschen unterzeichneter Offener Brief unterstützt die Formulierungsvorschläge für eine Änderung der Bundestagsresolution, die die FAZ-Autorinnen und -Autoren gemacht haben.
Der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller, teilt die Bedenken der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Vor wenigen Monaten hat die Fördergeldaffäre der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), für Aufregung gesorgt. Zu Recht, denn offensichtlich ließ ihr Haus prüfen, ob Hochschullehrenden Fördermittel entzogen werden könnten, die eine kritische Erklärung zur Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin unterstützt haben. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckte politische Meinungsäußerungen dürfen nicht mit dem Entzug von Fördergeldern bestraft werden – das war die einhellige Kritik der demokratischen Opposition, der Zivilgesellschaft und sogar der SPD- und Grünen-Politikerinnen und -Politiker an den bis heute nicht vollständig aufgeklärten Vorgängen im Forschungsministerium“, erinnerte Keller. „Antisemitismus ist wie jede Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Die Kritik an der Politik der israelischen Regierung, zum Beispiel mit Blick auf den aktuellen Krieg in Gaza, muss aber möglich sein, ohne im Bildungsministerium auf eine Schwarze Liste zu kommen.“ (Andreas Keller) Die „Lehre aus der Fördergeldaffäre“ müsse sein, dass der Bewilligung von Förderanträgen keine Gesinnungsprüfung vorausgehen darf…“ Beitrag der GEW vom 07.11.2024 - AfD lobt Grüne: Bekämpfung von „importiertem“ Antisemitismus passiert Bundestag
„Ein Antrag zum Schutz jüdischen Lebens findet eine große Mehrheit im Bundestag. Es geht darum, wo Antisemitismus anfängt und wie man ihm einen Riegel vorschiebt. Unumstritten ist der Antrag aber nicht. Die AfD lobt Grüne. (…) Beatrix von Storch (AfD) sagte, in dem Antrag fänden sich die Warnungen ihrer eigenen Partei vor „importiertem Antisemitismus“ wieder. In einem von den Grünen mitinitiierten Antrag sei das bemerkenswert. In dem verabschiedeten Text heißt es: „In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.“…“ Meldung vom 07.11.2024 im Migazin - Zur Bundestagsresolution „Nie wieder ist jetzt“: für einen Konsens des Neins
„Die seit einem Jahr im Bundestag hinter verschlossenen Türen diskutierte, stark kritisierte Antisemitismusresolution soll nun endgültig erlassen werden und will höchst repressive Richtlinien für die Fördervergabe in Kultur und Wissenschaft sowie fatale Einschnitte ins Aufenthalts- und Asylrecht umsetzen.
Dagegen veröffentlichte eine Gruppe von Jurist:innen und Wissenschaftler:innen in der FAZ einen Gegenvorschlag, der eine gesellschaftliche Debatte anstoßen will, wo die Politik gerne abgeschlossene Tatsachen präsentieren würde. Aber auch bei den formulierten Vorschlägen gibt es großen Anlass zur Kritik, auch wenn sie im Vergleich zur eigentlichen Resolution mit Sicherheit das “kleinere Übel” darstellen. Dieser Text will jedoch einen dritten Weg vorschlagen, und zwar den einer entschiedenen Ablehnung jedweder Resolution „zum Schutz jüdischen Lebens”, die sich als Brandmauer um die erklärte deutsche Staatsräson aufstellen lässt, zu einer Auslöschung palästinensischer Perspektiven beiträgt und dergestalt jüdische Menschen als staatliches Machtinstrument missbraucht. (…) Die Folgen all dessen werden in erster Linie palästinensische Menschen tragen, deren bloße Existenz in Deutschland mit alldem in infrage gestellt wird. Ihre Perspektive, ihre Menschenrechte und die Sichtbarkeit ihres Narrativs in der Gesellschaft droht hier annulliert zu werden. Migrantischen Menschen wird die Rechtssicherheit genommen und politische Positionen verlieren ihren Schutz durch die Kunst-, Forschungs- und Meinungsfreiheit. Jüdinnen und Juden, die deutschen Bürokraten nicht ins Bild passen, weil sie sich nicht mit dem israelischen Staat identifizieren, werden auch keine Ausnahme hiervon bilden. Keine gesunde Gesellschaft kann so etwas zulassen oder auch verkraften. Und weil es am Ende des Tages das gesellschaftliche Gefüge als Ganzes belasten wird, braucht es einen gesamtgesellschaftlichen Widerstand, der es nicht bei reformistischen Vorschlägen belässt, sondern mit Entschiedenheit die Fallstricke der Debatte aufzeigt und in ihrer Gänze ablehnt.“ Beitrag vom 6. November 2024 bei Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost - Kritik an »Resolution zum Schutz jüdischen Lebens«: Ex-Justizministerin Däubler-Gmelin und weitere SPD-Politikerinnen stellen sich gegen die umstrittene Antisemismusresolution
Artikel von Pauline Jäckels vom 06.11.2024 in ND online - Diametral falsches Vorgehen. Wider die aktuelle „Antisemitismus-Resolution“ des Deutschen Bundestages.
„Der Anstieg des Antisemitismus in Deutschland bekümmert uns alle. Nach dem Schock des 7. Oktobers und Israels Krieg gegen Gaza kam es auch in Deutschland zu einem sprunghaften Anstieg antisemitischer Anschläge und Angriffe. Das geht nicht. Es ist gut, dass nicht nur Polizei und Gerichte hier massiv eingreifen, sondern dass auch Viele von uns klar einschreiten und in Demonstrationen und Stellungnahmen deutlich machen, dass wir das nicht dulden. Es ist auch verständlich, dass sich der Bundestag mit einem Entschließungsantrag einschalten will. Auch dabei sollte es darum gehen, klar gegen Antisemitismus Stellung zu beziehen und gegen Rassismus, insbesondere antimuslimischen und antipalästinensischen Rassismus vorzugehen. Was bisher über den geplanten Antrag zu lesen ist, der wohl noch in dieser Woche verabschiedet werden soll, ist jedoch im Hinblick auf Form und Inhalt mehr als problematisch. (…) In Deutschland eskalieren Debatten zum Nahostkonflikt oft in einseitige Schuldzuweisungen, die zu heftigen Vorwürfen führen: Wer Entscheidungen Benjamin Netanjahus mit seiner rechtsextremen Regierung, ihrer Besatzungspolitik und den immer gravierenderen Schritten gegen eine Zweistaatenlösung kritisiert, wird leider häufig und fälschlicherweise als Feind Israels und Gegner der besonderen Verantwortung Deutschlands als Konsequenz der Shoah „entlarvt“ – was für ein Elend. Wer in die Diskussion um Israels Selbstverteidigungsrecht und seine Verantwortung in der Kriegsführung Aspekte des Völkerrechts einbringt, wird ebenfalls oft fälschlich als Antisemit abgestempelt. Viele entscheiden sich dann, lieber zu schweigen oder sich anzupassen – eine fatale Haltung.
In der öffentlichen Debatte läuft einiges schief, und dazu gehören auch die schlimmen Jubelszenen am 7. Oktober und Aufrufe zur Zerstörung Israels. Nochmals: Antisemitische Angriffe und Hetze müssen selbstverständlich geahndet werden. (…)
Wer Vertrauen fördern will, muss gerade in Zeiten wie diesen eine offene und faire Auseinandersetzung suchen und fördern. Es darf auch nicht geduldet werden, dass im Zuge einseitiger Stellungnahmen ganze Gruppen von Einwanderern in eine falsche Ecke gestellt werden. Und es stünde uns in Deutschland gut an, schwerpunktmäßig unseren eigenen Antisemitismus zu bekämpfen – eine Aufgabe, die nicht nur Medien und Zivilgesellschaft, sondern auch die Politik, insbesondere die Bundesregierung und der Bundestag, übernehmen müssen. Diametral falsch indes ist das bisherige Vorgehen, das in dieser Woche wohl durch einen Bundestagsbeschluss bekräftigt werden soll. Wer meint mit einer nur kleinsten abgehobenen Zirkeln bekannten Festlegung durch einen Bundestagsbeschluss Verhalten und Meinung regulieren, ja mit finanziellen Sanktionen die Zivilgesellschaft disziplinieren zu sollen oder auch nur zu können, der tut das Gegenteil. Der sät Wind und wird – wieder einmal – Sturm ernten. Zum Nachteil aller, auch der Wissenschaftsfreiheit und den Teilen der Zivilgesellschaft, die sich für das Ende des Leidens und für eine friedliche Zukunft im Nahen Osten einsetzen…“ Beitrag von Herta Däubler-Gmelin bei medico international am 4.11. 2024 - Die Antisemitismus-Resolution des Bundestags ist ein Irrweg
„Die Antisemitismus-Resolution, auf die sich Ampelkoalition und Union verständigt haben, ist für zahlreiche Israelis ein Hohn. Politisch begründete Kritik am Handeln der israelischen Regierung soll als antisemitisch gebrandmarkt werden. (…) Der Text, der jetzt in die Öffentlichkeit gelangte, spaltet: Die Deutsch-Israelische Gesellschaft jubelt, weil Bund und Länder damit auf ein Verständnis deutscher Staatsräson eingeschworen würden, das Staat und Gesellschaft zu bedingungsloser Solidarität mit Israel verpflichtet. Grundlage einer staatlich gelenkten Antisemitismusbekämpfung in Wissenschaft, Kultur und Medien soll die sogenannte IHRA-Definition sein. Sie wird von der israelischen Regierung propagiert, weil sie vor allem dazu dient, Kritik an israelischer Kriegsführung und völkerrechtswidriger Besatzung zu delegitimieren.
Kritik soll als antisemitisch gebrandmarkt werden
Namhafte Holocaustforscher und selbst Autoren der IHRA-Definition haben sich davon distanziert und Alternativen dazu erarbeitet. Der Bundestag soll das schlicht ignorieren. Als Beispiel für einen besonders eklatanten Fall von Antisemitismus in Deutschland wird in dem Resolutionsentwurf auf die vergangene Berlinale verwiesen. Auf der Bühne des Festivals hatten ein israelischer und ein palästinensischer Filmemacher gemeinsam einen Waffenstillstand in Gaza gefordert und von Apartheid in den besetzten Gebieten gesprochen. Ein anderer Regisseur trug ein Palästinensertuch und sprach von einem Genozid in Gaza. Der Internationale Gerichtshof sieht dafür ernst zu nehmende Anzeichen. In Deutschland aber wäre eine sachliche Diskussion über den Nahen Osten selbst mit israelischen Kritikern der Netanjahu-Politik kaum noch möglich, wenn das Parlament schon solche Aussagen als Musterbeispiele für verdammenswerten Judenhass brandmarkt.
Resolution würde Juden nur mit Israel Netanjahus identifizieren
Der Bundestag würde sich mit dieser Resolution nicht mit Israel solidarisieren, sondern nur mit dem Teil des Landes, der durch Netanjahu, Ben Gvir und Smotrich repräsentiert wird.
Noch schlimmer: Die Resolution, die vorgibt, die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland wertzuschätzen, würde auch Jüdinnen und Juden im Namen einer selbstgerechten deutschen Staatsräson allein mit dem Israel identifizieren, gegen das zugleich Hundertausende in Tel Aviv, Haifa und Jerusalem auf die Straße gehen…“ Kommentar von Stephan Detjen vom 03.11.2024 im Deutschlandfunk - Breite Kritik am Resolutionsentwurf – Prominente Vertreter:innen der Zivilgesellschaft unterstützen Alternativen zur Resolution
„Als Reaktion auf den Resolutionsentwurf „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ und das intransparente und undemokratische Verfahren seiner Entstehung ist eine breit getragene zivilgesellschaftliche Initiative entstanden. Ihr Offener Brief mit konkreten Vorschlägen für einen inklusiven Minderheitenschutz kann hier unterstützt werden. Die seit Monaten geäußerte Kritik von Jurist:innen, Jüd:innen und Juden sowie israelischen Menschenrechtsorganisationen, Wissenschaft und Kultur wurde in konkrete Alternativvorschläge übersetzt, die nun breite Unterstützung erfahren. Diese sprechen sich für inklusive Wege, Jüdinnen und Juden zu schützen, aus und fordern eine öffentliche Debatte über den richtigen Umgang mit dem wichtigen Thema, anstelle einer schnellen und intransparenten Abstimmung…“ Pressemitteilung vom 2. November 2024 bei Medico zur Resolution - So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
„Die Kritik an der Resolution von Ampel und Union wird seit Monaten lauter. Über 600 Unterzeichner machen sich jetzt für einen Gegenentwurf stark.
Ein gutes Jahr lang haben die Ampel-Fraktionen und die Union darüber verhandelt, wie eine gemeinsame Resolution gegen Antisemitismus aussehen könnte. Seit die ersten Entwürfe die Runde machten, wurde die Kritik an dem Vorhaben immer lauter. Ein Kreis von jüdischen und nichtjüdischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern formulierte deshalb jüngst einen Gegenentwurf zu der Resolution, auf die sich die Fraktionsspitzen von Regierung und Union nun am Freitagabend geeinigt haben. (…) Renommierte Juristinnen und Juristen warnen schon lange vor Gesinnungsprüfungen und Rechtsunsicherheit, sollte die umstrittene Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) in deutsches Recht einfließen und zur Grundlage von Gesetzen gemacht werden. Die israelischen Juristen Itamar Mann und Lihi Yona kritisieren jüngst zudem im Fachmedium Verfassungsblog, dass sich die Verfasser der Resolution anmaßen zu entscheiden, welche Juden schutzwürdig seien und welche nicht. Jüdinnen und Juden, die Israels Politik kritisch sähen, wären durch diese Resolution genau so gefährdet wie alle anderen, die der deutschen „Staatsräson“ einer bedingungslosen Solidarität mit dem jüdischen Staat kritisch gegenüber stehen. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Resolution konzentriere sich auf Bereiche, die von staatlicher Förderung abhängig sind – insbesondere auf Bildung, Wissenschaft und Kultur. Nicht, weil Antisemitismus dort virulenter sei als anderswo. Sondern, weil die staatlichen Sanktionsmöglichkeiten dort am größten sind.“ Artikel von Daniel Bax vom 2.11.2024 in der taz online - Der Antisemitismus der Antisemitismus-Bekämpfer
„In Deutschland werden jüdische Stimmen, die die Politik Israels kritisieren, immer wieder des Antisemitismus bezichtigt und diffamiert. Als antisemitisch gelten diese Ausgrenzungen aber nicht. Diese Verzerrung ist hochgefährlich – und bildet den Bodensatz für einen neuen deutschen Patriotismus…“ Artikel von Charlotte Misselwitz vom 15. Oktober 2024 in Jacobin.de - In Deutschland ist das jüdische politische Denken geregelt – oft ausgerechnet im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus
„Die jüdische politische Welt ist vielfältig. Diese politische Vielfalt ist nicht zufällig. Sie ist nicht nur ein Produkt von tausenden Jahren historischer Entwicklung. Die politische Vielfalt von Jüdinnen*Juden ist dem Judentum inhärent. (…) Die jüdische intellektuelle Tradition hat sich immer als eine gesehen, die sich durch Disput und Unstimmigkeiten, durch Spannung entwickelt. Entsprechend gab es keine politische Bewegung im Judentum, die nicht sofort eine Gegenbewegung erzeugt hätte. (…) In Deutschland aber ist das jüdische politische Denken geregelt. Es ist auf zwei Ebenen geregelt, der offiziellen und der inoffiziellen. Auf der offiziellen Ebene agiert der Zentralrat der Juden, der sich in den letzten Jahren politisiert hat und sich heute ganz aktiv in politische Fragen auf eine solche Weise einmischt, dass diese Körperschaft des öffentlichen Rechts wohl kaum ernsthaft behaupten kann, dass sie für alle in Deutschland lebenden Jüdinnen*Juden spricht. So wurde 2015 zum Beispiel eine Obergrenze für die Aufnahme von Kriegsgeflüchteten gefordert – zum großen Erstaunen vieler jüdischer Personen, deren Eltern und Großeltern selbst Geflüchtete waren. (…) Diese Diskrepanz betrifft indes nicht nur politische Repräsentation, sondern auch den praktischen Schutz von Jüdinnen*Juden. Wenn jüdische Personen physisch angegriffen werden, wie es leider zu oft passiert, verurteilt der Zentralrat der Juden den Angriff, solange eine solche Verurteilung seiner politischen Agenda dient. So wurden beispielsweise in den letzten Monaten mehrfach jüdische Aktivist*innen der linken Organisation Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost von der Polizei gewalttätig angegriffen, aber es war zu dem Thema kein Wort vom Zentralrat oder den offiziellen jüdischen Gemeinden in Deutschland zu hören. (…) Im Mai dieses Jahres hatte ich eine Lesung aus meinem Roman »Birobidschan«, der mit dem Thema Naher Osten nichts zu tun hat. Die Moderatorin rief mich zwei Wochen zuvor an, um mir zu erzählen, dass eine andere jüdische Schriftstellerin in Deutschland versuche, die Moderatorin davon zu überzeugen, mich auszuladen. Das war nicht das erste Mal. Als die Moderatorin die besagte Schriftstellerin fragte, aus welchem Grund sie mir ausladungswerten Antisemitismus vorwirft, war die Autorin überrascht – aus ihrer Sicht leitete sich das aus meinen Posts in den Sozialen Medien wie selbstverständlich ab. Was poste ich? Meine Kritik an der israelischen Regierung. Kein einziger Aufruf zur Auflösung des Staats Israel ist bei mir zu finden. Kritik an der Regierung, Kritik an der Kriegsführung, und eine Bitte, nämlich unsere Geschichte als Israelis richtig aufzuarbeiten und also auch die historische Realität der Nakba anzuerkennen. Ich habe nie gepostet, dass Jüdinnen*Juden Israel verlassen sollten oder ähnliches. Glücklicherweise erschienen meine Posts der Moderatorin nicht als antisemitisch, und ich durfte mit meinem Buch auftreten. Wer weiß, wie viele Moderator*innen da draußen stark genug sind, um sich von einem solchen Anruf nicht aus der Bahn werfen zu lassen. (…) Jüdische Künstler*innen und Akademiker*innen waren beteiligt an 25 Prozent der in Deutschland seit dem 7. Oktober aus politischen Gründen abgesagten Veranstaltungen – abgesagt aufgrund ihrer Kritik am Krieg und an der Besatzung. Ein pro-israelischer jüdischer Aktivist wurde am Rosenthaler Platz verprügelt – berichtet wurde von diesem Fall in vielen Zeitungen. Wenn wiederum andere jüdische Aktivist*innen in Deutschland nahezu wöchentlich verprügelt werden, wird diesen Taten nicht nur der Antisemitismus-Stempel verweigert, sondern es wird nicht einmal breit darüber berichtet – weil die Betroffenen Solidarität mit Palästinenser*innen zeigten. (…) Es geht hier aber um mehr als nur das Zulassen verschiedener Stimmen. Es geht um den Status des Grundrechts, von der Mehrheitsgesellschaft abweichende Meinungen zu haben, anders als die große Mehrheit der Politiker*innen und der Zeitungen zu denken, sogar die Staatsräson zu kritisieren – und sich dennoch auf den Schutz unserer Grundrechte verlassen zu können. Niemand soll Angst haben, sich gegen Kriegsverbrechen zu positionieren; und niemand soll Angst davor haben, dass sich eine andere Person, die mit ihm auf Grund einer gemeinsamen Identitätszugehörigkeit assoziiert ist, gegen Kriegsverbrechen positioniert. Und ich benutze das Wort »Kriegsverbrechen«, weil es, im Gegensatz zu den anderen Begriffen, nun wirklich unumstritten ist.“ Artikel von Tomer Dotan-Dreyfus im ak vom 9. Oktober 2024 - Am Ziel vorbei
„Der Bundestag arbeitet an einer Resolution zur Bekämpfung von Antisemitismus. Doch israelische Menschenrechtsorganisationen warnen vor dem Entwurf…“ Artikel von Jessica Montell vom 24.09.2024 im IPG-Journal der FES - Für eine freie Kunst, eine unabhängige Wissenschaft und eine lebendige Zivilgesellschaft
„Der RAV schließt sich der breiten Kritik am Inhalt der Resolution des Bundestags zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland an. CDU/CSU und die Ampelfraktionen haben im Juli 2024 einen gemeinsamen Entwurf für eine „Resolution zum Schutz jüdischen Lebens“ in Deutschland vorgelegt, die nach der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden soll. Der RAV schließt sich der Kritik, die von verschiedenen Seiten, etwa den bürgerrechtlichen Organisationen wie der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und der Humanistischen Union , der Hilfsorganisation medico international , einem breiten Bündnis jüdischer Intellektueller und vieler mehr, an diesem Resolutionsentwurf geübt wird, (grundsätzlich) an…“ Pressemitteilung vom 05. September 2024 - Zur geplanten Resolution zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland – Ein Appell
„Kulturverbände, zivilgesellschaftliche Organisationen und zahlreiche Vertreter:innen aus Kunst und Wissenschaft appellieren an den Deutschen Bundestag: Ja zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland, Nein zur geplanten Resolution in der öffentlich gewordenen Fassung. Zahlreiche Organisationen, wie auch die Humanistische Union haben sich einem Appell an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages angeschlossen, in dem ein Dialogprozess unter Einbeziehung von Betroffenen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Kulturverbänden, -institutionen und Einzelakteur:innen gefordert wird, bevor eine Resolution zum Schutz jüdischen Lebens finalisiert und verabschiedet wird…“ Gemeinsame Erklärung vom 29. August 2024 bei der Humanistischen Union zum vollständigen Appell - Gemeinsamer Appell: Drohender Schaden für die Demokratie – Zur geplanten Resolution zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland
„Kunst und Wissenschaft, Kulturinstitutionen und Hochschulen sind wesentliche Diskursräume der Demokratie und damit auch Orte zur Vorbeugung und Bekämpfung von Antisemitismus und jeder Form von Diskriminierung. Zahlreiche Institutionen, Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Einzelakteur:innen haben durch künstlerische, zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Projekte Brücken gebaut und Räume für Verhandlung und Meinungsbildung geschaffen. Strukturen und Arbeitsprozesse im Kultur- und Wissenschaftsbereich wurden in den vergangenen Jahren zunehmend selbstkritisch analysiert und diversitätsorientiert weiterentwickelt. In diesem Sinne begrüßen wir die Initiative, demokratische Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie gegen jede Form von Diskriminierung auf den Weg zu bringen. Die öffentlich gewordene Fassung der geplanten Resolution „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ erfüllt uns jedoch mit großer Sorge. Nach ersten juristischen Einschätzungen kollidiert sie mit dem Grundgesetz, bringt eine mannigfaltige Rechtsunsicherheit, zweifelhafte Praktikabilität und die Gefahr der Diskriminierung mit sich. Durch die autoritative Verwendung der sehr weitreichenden und gleichzeitig unscharfen IHRA-Arbeitsdefinition als Regulierungsinstrument, sowie durch die unklare Frage faktischer Bindung einer Bundestags-Resolution, droht sie enorme Verunsicherung mit sich zu bringen und zum Verstummen jener Stimmen zu führen, die durch entsprechende Ansätze geschützt werden sollen. Ein immenser Schaden für unsere Demokratie wäre die Folge. Doch der Bekämpfung von Antisemitismus gebührt eine Resolution, die mit der demokratisch freiheitlichen Grundordnung in Einklang steht. (…) Indem zahlreiche Expert:innenstimmen, darunter die namenhafter Jurist:innen, Antisemitismusforscher:innen und Diversitätsexpert:innen, offensichtlich übergangen oder ignoriert werden und zum bisherigen Entstehungsprozess der Resolution wenig Transparenz herrscht, entstehen zusätzliche Irritationen. Außerdem resultieren, wie auch bei möglichen Klauseln, nicht absehbare Konsequenzen: Wenn ein Schutz entstehen soll, muss transparent sein, in genau welchem Fall die Resolution greift, wer dies kontrolliert und entsprechende Konsequenzen zieht. (…) Gerade bei einem solch immens wichtigen Thema muss eine fundierte, tragfähige und zielführende Strategie in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, mit Kunst und Wissenschaft und aufbauend auf die vorhandene Sachkenntnis angestrebt werden. Wir rufen daher die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien dazu auf, die Resolution im gemeinsamen Dialog mit Vertreter:innen aus Kunst, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu überarbeiten und ihre Verabschiedung zumindest zu vertagen – um zeitnah gemeinsam und öffentlich zielführende Ansätze zu entwickeln, die unsere wertebasierte und freiheitliche Demokratie festigen und Deutschland als Kunst- und Wissenschaftsstandort stärken. Wir möchten die Vertreter:innen aller Parteien aufrufen, einen entsprechenden Dialog zu initiieren, um gemeinsam mit Expert:innen und Verbänden in aller Offenheit zielführendere Lösungen zum Schutz der Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland zu entwickeln…“ Gemeinsamer Appell diverser Organisationen bei medico am 29. August 2024 - Protestbrief (in Deutsch und Englisch): „Ablenkung von der größten Gefahr“ – Jüdische Intellektuelle kritisieren den Entwurf für eine Antisemitismus-Resolution des Bundestags
„Wir, die unterzeichnenden, in Deutschland lebenden jüdischen Künstler*innen, Autor*innen und Wissenschaftler*innen, möchten mit diesem Schreiben unsere tiefe Besorgnis über die geplante Bundestagsresolution „Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ zum Ausdruck bringen – wie sie derzeit von SPD, CDU/CSU, FDP und Grünen verfasst wird. Diese Resolution beansprucht jüdisches Leben in Deutschland schützen zu wollen. Stattdessen stellt sie jedoch in Aussicht, dieses zu gefährden. Der aktuelle Resolutionsentwurf ist gefährlich. Er wird die freie Meinungsäußerung abwürgen, Deutschland vom Rest der demokratischen Welt isolieren und ethnische und religiöse Minderheiten weiter gefährden, insbesondere unsere arabischen und muslimischen Nachbar*innen, die bereits zur Zielscheibe brutaler Polizeigewalt geworden sind. Selbst wenn diese Folgen irgendwie abgemildert werden würden, erreicht die Resolution ihre eigenen erklärten Ziele nicht. Im Gegenteil, sie wird die Vielfalt des jüdischen Lebens in Deutschland eher schwächen als stärken, indem sie alle Juden mit den Handlungen der israelischen Regierung in Verbindung bringt – eine notorische antisemitische Trope. Sie wird jüdische Stimmen zum Schweigen und jüdische Wissenschaftler*innen, Schriftsteller*innen und Künstler*innen, die innerhalb und außerhalb Deutschlands arbeiten, in Gefahr bringen. Solche Bedenken werden in der deutschen und internationalen Öffentlichkeit immer lauter geäußert. Jurist*innen haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs geäußert. Anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Jerzy Montag und Michael Barenboim haben kritisiert, dass der Entwurf jüdisches Leben in Deutschland mit den Interessen Israels vermengt. Diese Engführung und ihre Instrumentalisierung durch Behörden, um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken, schließt genau die Vielfalt jüdischen Lebens aus, die sie zu bewahren vorgibt, und gefährdet jene Rechte, für die sie zu kämpfen vorgibt. (…) Sollte er verabschiedet werden, werden Tausende von israelischen und anderen jüdischen Akademiker*innen und Künstler*innen unter den Generalverdacht des deutschen Staates gestellt. Wenn sich die deutsche Politik wirklich für eine pluralistische und offene Gesellschaft einsetzen will, die auch jüdische Menschen einschließt, muss sie sich ihren eigenen autoritären Tendenzen stellen. (…) Wir fordern, dass eine Vielzahl jüdischer Perspektiven und nicht nur solche, die den deutschen Gefühlen schmeicheln, zur Beteiligung an der Ausarbeitung einer in unserem Namen verabschiedeten Resolution eingeladen werden. Wir bestehen darauf, dass der deutsche Staat jüdisches Leben nicht allein durch repressive Maßnahmen schützen kann. Wir schreiben in der Überzeugung, dass der einzige Weg, jüdisches Leben in Deutschland zu „schützen, zu erhalten und zu stärken“, darin besteht, die Rechte aller Minderheiten zu schützen, zu erhalten und zu stärken. Wenn es eine Lehre aus der Katastrophe des Holocausts gibt, dann ist es diese: „Nie wieder“ bedeutet „nie wieder für alle“…“ Aus dem Protestbrief jüdischer Intellektueller dokumentiert in der taz online vom 26. August 2024 - Antisemitismus-Resolution ist zu vage: Eine Zensur kommt vielleicht doch
„… Narrativ ist ein Modewort, das gleichermaßen bedeutsam und vage klingt. Zum Narrativ gehört immer etwas Unscharfes. Das deutsche Wort – Erzählung – meint Fiktionales. Um nachzuweisen, dass ein Text oder eine Parole hasserfüllt, rassistisch oder judenfeindlich ist, muss man konkrete Beweise vorlegen. Beim Narrativ mit seinen flirrenden Bedeutungshorizonten mag das leichter gehen. Es ist kein Zufall, dass das Wort Narrativ im Kern der geplanten Resolution des Bundestages „Nie wieder ist jetzt“ steht. Union und SPD, Grüne und FDP fordern, dass „antisemitische Narrative“ dingfest gemacht werden sollen. Wer überführt wird, soll nicht mehr vom Staat gefördert werden. Das betrifft KünstlerInnen und NGOs. Das ist wahrscheinlich gut gemeint, aber nicht gut gemacht, ja schädlich. Gerade die Mixtur aus Vagheit und konkreten Aufforderungen, Verdächtiges wenn nicht zu verbieten, so doch faktisch aus dem Kulturbetrieb zu verbannen, öffnet die Tür für eine zensurartige Praxis. Denn wer entscheidet, was ein antisemitisches Narrativ ist? Der Resolutionsentwurf schweigt dazu. Schon jetzt gilt bei Antisemitismusvorwürfen oft „Schuldig bei Verdacht“. Das wird, wenn diese Resolution kommt, zunehmen. Auf die Ängstlichkeit deutscher Kulturbürokratie ist immer Verlass. Die Berliner Justizsenatorin fordert, dass der Verfassungsschutz künftig antisemitische Narrative amtlich entschlüsseln soll. Das wäre der direkte Weg zum Gesinnungs-TÜV für KünstlerInnen. Dieser TÜV soll auch noch mithilfe der luftigen Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) vorgenommen werden, die scharfe Kritik an Israel in die Nähe von Antisemitismus rückt. Eine Zensur findet vielleicht doch statt. Kurzum: Diese Resolution dient nicht dem Schutz jüdischen Lebens. Sie zwängt eine schwierige, affektgeladene Debatte in ein viel zu enges Korsett. Wo aber, wenn nicht in der Kultur, soll offener Diskurs stattfinden?…“ Kommentar von Stefan Reinecke vom 27. August 2024 in der taz online - Grundrechtsverletzung durch die Hintertür
„Mit der geplanten Antisemitismus-Resolution von Ampel und CDU könnten Gesinnungsprüfungen in Kunst und Wissenschaft zur Norm werden…“ Artikel von Pauline Jäckels vom 19.07.2024 in ND online - Kunst- und Wissenschaftsfreiheit adé!
„Kommt die geplante Bundestagsresolution gegen Antisemitismus, entscheidet demnächst womöglich der Verfassungsschutz, wer Förderungen bekommt…“ Artikel von Pauline Jäckels vom 19.07.2024 in ND online - Die Implementation der IHRA-Arbeitsdefinition Antisemitismus ins deutsche Recht – eine rechtliche Beurteilung
„Diese Stellungnahme wurde am 5. Dezember 2023 an die Fraktionsvorsitzenden, an die Mitglieder der Ausschüsse Inneres und Recht sowie an die Ausschussbüros der anderen beteiligten Ausschüsse des Bundestags versandt. Nachdem in der Presse über diese Stellungnahme berichtet wurde, haben wir uns entschieden, sie zu veröffentlichen.
Die Nationale Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben (NASAS ) und ein Entschließungsantrag der Ampelkoalition im Bundestag sehen eine weitreichende rechtliche Implementation der sogenannten IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus als Regulierungsinstrument vor; Landtagsfraktionen planen offenbar ähnliches. Aus juristischer Sicht ist eine Implementierung der IHRA-Arbeitsdefinition als Regulierungsinstrument aus folgenden Gründen problematisch, die unten ausgeführt werden…“ Beitrag vom 18. Dezember 2023 im Verfassungsblog von Ambos, Kai, Barskanmaz, Cengiz, Bönnemann, Maxim, Fischer-Lescano, Andreas, Goldmann, Matthias, Mangold, Anna Katharina, Markard, Nora, Michaels, Ralf, Montag, Jerzy, Steinbeis, Maximilian, Tabbara, Tarik, Wihl, Tim; Zechlin, Lothar
Siehe auch unser Dossier: Jerusalemer Deklaration zu Antisemitismus und ihre Folgen für die Kritik an der Politik Israels