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»Grüner« Wasserstoff aus Namibia: Kolonialismus 2.0

Wie dreckig ist der „grüne“ Wasserstoff aus Namibia? - Attac DeutschlandDer Kampf um Zugang zu Rohstoffen und Energie zwischen den Machtblöcken verschärft sich. Ist es bei Rohstoffen zum Beispiel Lithium für die Batterieproduktion für E-Autos, wird auf dem Energiesektor der Import von Wasserstoff vorangetrieben. Dabei spielt für Bundesregierung und die EU Namibia eine bedeutende Rolle. Die Voraussetzungen dort sind ideal – denn sowohl Wind als auch Sonne sind reichlich vorhanden und die Regierung Namibias ist voller Optimismus. Sie sieht die Chance, dass der »grüne« Wasserstoff einen großen wirtschaftlichen Aufschwung und tausende Arbeitsplätze bringen wird. (…) Es gibt in Namibia massive Kritik an dem gesamten Vorhaben. Dies wurde auf einer Konferenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Herbst letzten Jahres deutlich formuliert. Als Ergebnis haben 19 dieser Organisationen einen Brief an den Präsidenten des Landes aufgesetzt…“ Beitrag von Törk Hansen für die Attac-Projektgruppe Energie im Rundbrief 2/2024 externer Link – siehe weitere Informationen:

  • Wie dreckig ist der „grüne“ Wasserstoff? Namibische Aktivist*innen kritisieren Global African Hydrogen Summit und geplantes Wasserstoff-Megaprojekt
    „Vom 3. bis 5. September lädt die namibische Regierung in Windhoek afrikanische Regierungen und europäische Partner – darunter die deutsche Bundesregierung – zu einem „Global African Hydrogen Summit“ ein. Die namibische Regierung erhofft sich eine neue Rolle Afrikas als Lieferant von „grünem Wasserstoff“ für die Energiewende in Europa. Für die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung spielt Namibia eine bedeutende Rolle. Bereits 2030 soll das Großprojekt „Hyphen“ zur Herstellung von grünem Wasserstoff im äußersten Süden Namibias nahe der Stadt Lüderitz 350.000 Tonnen Wasserstoff bzw. 2 Millionen Tonnen Ammoniak produzieren, hergestellt aus regenerativer Energie von Wind und Sonne. Getragen wird das Vorhaben von der deutschen Firma Enertrag und dem britischen Projektmanagement-Unternehmen Nicholas Holding. Lieferverträge mit dem deutschen Energieversorger RWE bestehen bereits. Neben dem Hyphen-Projekt werden aktuell weitere Projekte unter Beteiligung der deutschen und anderer europäischer Regierungen realisiert. Von Seiten der namibischen Zivilgesellschaft gibt es massive Kritik – insbesondere an dem geplanten „Hyphen“-Projekt. Der Vergabeprozess ist von Intransparenz und fehlender demokratischer Beteiligung gekennzeichnet. Schon jetzt werden die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen missachtet und zukünftig werden massive Umweltschäden erwartet. An Orten, an denen deutsche Kolonialsoldaten vor über 100 Jahren einen Völkermord an den Ovaherero und Nama verübten, soll nun die Infrastruktur zur grünen Wasserstoffproduktion aufgebaut werden. Paul Thomas, Sprecher der Nama Traditional Leaders Association (NTLA), erklärte am heutigen Montag vor Journalist*innen: „Anstatt sich mit der grundlegenden Frage einer Wiedergutmachung für den von Deutschland an den Nama und Ovaherero begangenen Völkermord zu befassen, nutzt Deutschland erneut seine privilegierte Stellung, um Ressourcen aus demselben Land zu gewinnen, das es dem Volk der Nama gewaltsam und in unrechtmäßiger Weise geraubt hat. Der Geist, der die Kolonialherr*innen dazu brachte, Länder für die Kolonialisierung ausfindig zu machen, ist derselbe, der die ehemalige Kolonialmacht heute antreibt, um den Energiebedarf der deutschen Bevölkerung zu decken. Die Geschichte wiederholt sich durch ausbeuterischen Kolonialismus, der als umweltfreundlich dargestellt wird, um der Öffentlichkeit die Vorstellung schmackhaft zu machen – doch für uns, die wir die generationsübergreifenden Auswirkungen der Landenteignung spüren, ist und bleibt es Greenwashing.“ (…) Die unterzeichnenden Organisationen unterstützen die Kritik aus der namibischen Zivilgesellschaft und werden sich dafür einsetzen, dass Energieprojekte mit Namibia Umweltschäden vermeiden, die Rechte aller Bevölkerungsgruppen achten und zuallererst der Energiesicherung der namibischen Bevölkerung dienen.“ Attac-Pressemiteilung vom 2. September 2024 externer Link
  • Namibia: Wasserstoff aus der Wüste – Postkoloniale Verhältnisse und die Mechanismen des Weltmarkts bedrohen die Rechte der Ovaherero und Nama in Namibia
    „Geordnete Reihen von Solarzellen oder vereinzelte Windkraftanlagen heben sich gegen den Sonnenuntergang ab: Die Werbevideos von Namibias größtem Wasserstoffprojekt zeigen aufgeräumte Industrieanlagen in einer menschenleeren, sanften Wüstenlandschaft und vermitteln gerade zu harmonische Eintracht zwischen den Produktionsanlagen, der Umwelt und den nur am Rande vorkommenden Menschen. Getragen von einem Joint Venture eines deutschen und eines englischen Unternehmens entsteht im namibischen Tsau-ǁKhaeb-Nationalpark, einem ehemaligen Diamantenabbaugebiet, südlich der Stadt Lüderitz das Projekt „Hyphen“. Seit eine Studie der Weltbank im Jahr 2020 Namibia ausgezeichnete Bedingungen für die Herstellung von grünem Wasserstoff attestierte, gibt es einen regelrechten Hype, denn auf der großangelegten Produktion von Wasserstoff aus Solar- und Windenergie liegen viele Hoffnungen für die Dekarbonisierung. (…) Auch Deutschland hat ein großes Interesse am Wasserstoff aus Namibia. Insbesondere nach der russischen Invasion in der Ukraine und dem beschlossenen und überfälligen Kohleausstieg sucht Deutschland neue und nachhaltige Energiequellen. Wasserstoff aus Namibia – zu dem die Beziehungen „vielfältig und eng“ sind, wie das Auswärtige Amt angesichts der deutschen Kolonialverbrechen euphemistisch schreibt – wird dabei als wichtiger Baustein betrachtet. 2021 haben Namibia und Deutschland deshalb eine Wasserstoff-Partnerschaft begonnen. Seitdem werden Infrastrukturprojekte, Bildungsinitiativen und diverses mehr in Zusammenhang mit der Wasserstoffwirtschaft mit deutschen Entwicklungshilfegeldern gefördert. (…) Deutschland will Wasserstoff importieren – unter anderem, um die eigene Stahlindustrie zu Dekarbonisieren. Namibia will den Wasserstoff perspektivisch nutzen, um vor Ort selbst Stahl zu produzieren. Dieser Interessenkonflikt deutet auf den Kern der Frage, welchen Weg die namibische Wasserstoffwirtschaft einschlagen wird. Wird Namibia in Zukunft lediglich Rohstoffe nach Europa transportieren oder eine eigene Industrie aufbauen können? Welche Abhängigkeiten für Länder entstehen, die allein Rohstoffe in die entwickelten „Zentren“ dieser Welt liefern, haben die Vertreter:innen der Dependenztheorie bereits vor über 50 Jahren benannt. Als Intellektuelle des Globalen Südens haben sie zunächst für Südamerika, später auch für die anderen „Peripherien“ beschrieben, wie auch nach der formalen Dekolonialisierung die Wirtschaften auf die Interessen der ehemaligen Kolonialmächte ausgerichtet blieben. Darauf, dass dies nun auch für Namibia nicht abwegig ist, gibt es einige Hinweise. (…) Obwohl teilweise traditionelles Land der Ovaherero und Nama betroffen ist, wurden diese bisher nicht einbezogen. Für die indigenen Gruppen eine sich wiederholende Erfahrung. Bereits bei dem sogenannten Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia kritisierten sie ihre fehlende Einbindung in die Verhandlungen und lehnten das Ergebnis ab. Um Platz für die Exportinfrastruktur zu schaffen, soll der Hafen in Lüderitz auf Teile von Shark Island erweitert werden – ausgerechnet dort, wo in einem deutschen Konzentrationslager mehrere tausend Ovaherero und Nama interniert waren und starben. Die Nachfahren der Überlebenden wehren sich gegen diesen Plan und fordern den Erhalt des Gedenkortes. Aber auch über Shark Island hinaus ist die Landfrage brisant: Im Ergebnis der Kolonialzeit ist Landbesitz in Namibia extrem ungleich verteilt, immer noch sind 70 Prozent des Landes im Besitz von Weißen. Für die Wasserstoffproduktion stellt der namibische Staat Hyphen nun in einem ersten Schritt 4.000 Quadratkilometer im Tsau-ǁKhaeb-Nationalpark zur Verfügung, während es für all das geraubte Land nie eine Entschädigung gab. (…) Damit Namibia als Rohstoff- und Energielieferant kein neuer Schauplatz von grünem Extraktivismus und Energiekolonialismus wird, bedürfte es einer grundsätzlichen Umorientierung. Wie eine andere Wasserstoffwirtschaft aussehen könnte, dafür gibt es bereits Ideen: Unter dem Schlagwort Hydrogen Justice – Wasserstoffgerechtigkeit – hat sich ein Konzept etabliert, dass verschiedene Dimensionen für eine gerechte Wasserstofftransformation identifiziert. Im Zentrum steht die gerechte Einbindung und Rücksichtnahme auf lokale Communities, die Anerkennung von vergangenen und aktuellen Machtdynamiken und Ungerechtigkeiten und selbstverständlich die Frage nach dem Zugang und der Verteilung: Des Landes, des Wassers, der Energie und den Vorteilen, die der Wasserstoff bringen kann. All das ist umkämpft und scheint aktuell in weiter Ferne. So geordnet und harmonisch wie die Anlagen im Werbevideo für Hyphen ist die Realität nicht.“ Kommentar von Henryk Joost vom 15. Juli 2024 bei medico international externer Link

Siehe dazu:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=222921
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