[Buch] Spuren der Solidarität. Betriebliche Organisierung am Beispiel der Industrial Workers of the World (IWW)

[Buch] Spuren der Solidarität. Betriebliche Organisierung am Beispiel der Industrial Workers of the World (IWW)Betriebliche Organisierung ist schwer. Wir verbringen Stunden und Stunden in Gesprächen mit Kolleg*innen, führen Aktionen durch und scheitern in den meisten Fällen. Wir fallen hin, stehen wieder auf und probieren es aufs Neue. Dieser Prozess wird selten so verstanden als das, was er ist: ein Teil dessen, was Arbeiter*innen tun, um ihr Stellung im Kapitalismus zu verstehen und zu verbessern. „Spuren der Solidarität“ bietet einen seltenen Einblick in den Lern- und Diskussionsprozess aktiver Gewerkschafter*innen und betrieblich Aktiver. Die Texte sind überwiegend im Umfeld der weltweiten Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) entstanden und beinhalten Geschichten, Analysen und Strategiedebatten aus einer Handvoll verschiedener Länder. Darin beschreiben sie vergangene und aktuelle Organisierungskampagnen…“ Aus dem Klappentext des von Ada Amhang, Levke Asyr, Montel Nickelberry und Mark Richter herausgegebenen Buches im Verlag Die Buchmacherei – siehe mehr Infos zum Buch und als Leseprobe im LabourNet die Einleitung:

  • Das Buch: Spuren der Solidarität. Betriebliche Organisierung am Beispiel der Industrial Workers of the World (IWW)
    • Seiten: 374
    • ISBN 978-3-9825440-3-8
    • 18,00 €
    • Infos und Berstellung bei Die Buchmacherei externer Link
  • KLASSENSOLIDARITÄT ALS AUSGANGSPUNKT UND ZIEL GEWERKSCHAFTLICHER PRAXIS. EINE EINLEITUNG
    Unser Alltag als Arbeiter*innenklasse ist überwiegend anstrengend, nervig und voller Fremdkontrolle. In den allermeisten Fällen produzieren wir Dinge, erbringen Dienstleistungen oder arbeiten mit Menschen, jedoch mit Zielen, die wir selbst nicht gewählt haben, und unter Bedingungen, auf die wir kaum Einfluss haben. Und selbst wenn wir die Ziele überzeugend finden, würden wir die Arbeit wahrscheinlich anders organisieren, als unsere Chef*innen das tun. Denn bekanntlich geht es in kapitalistisch organisierten Gesellschaften nicht um unsere Bedürfnisse als einzelne Arbeiter*innen und auch nicht um jene als Gesamtgesellschaft. Nur wenige Privilegierte können einer Arbeitstätigkeit nachgehen, die sie erfüllt und ihnen sinnvoll erscheint, und schließlich kommt hinzu, dass wir unsere Arbeit mit Menschen verrichten, die wir uns in den meisten Fällen nicht ausgesucht haben: Einige von den Kolleg*innen werden Freund*innen, die meisten werden es aber nicht. Dennoch sind wir im Arbeitsprozess auf sie angewiesen. Alleine können wir nichts herstellen, nichts organisieren und uns um niemanden kümmern. Aber die Kontrolle darüber, mit wem wir arbeiten, liegt meist bei unseren Chef*innen. Sie setzen uns zu Teams zusammen, können uns jederzeit wieder trennen, neu zusammensetzen oder auch „Spitzel“ einsetzen. Das verändert unseren Arbeitsprozess direkt, manchmal erschwert es ihn, auf jeden Fall aber kann das soziale Umfeld auf der Arbeit unseren Alltag auf indirekte Art noch mehr erschweren – oder erleichtern.
    Was uns in solchen Situationen zugutekommt ist, dass diese notwendigen, wenn auch fremd hergestellten Beziehungen in den meisten Fällen auch solidarische Anteile beinhalten. Wenn wir krank sind, gießen unsere Kolleg*innen unsere Büropflanze, sie freuen sich, wenn es uns besser geht und sie mit uns wieder die gleichen Witze machen können wie vor der Krankheit, oder sie halten uns den Rücken frei, damit unser*e Chef*in uns nicht ersetzt. Das Kuriose ist, dass aber auch diese Kolleg*innen, die in einer Minute freundlich und solidarisch handeln, im nächsten Moment ihre Ellenbogen gegeneinander ausfahren oder von gewerkschaftlicher, also kollektiver Organisierung wenig wissen wollen.
    Von solchen Widersprüchen und Erfahrungen handelt dieses Buch: Wir verfolgen die Spuren der Solidarität, die sich an jedem Arbeitsplatz zeigen und schauen nach Möglichkeiten, diese in größerem Maße auszubauen. Gewerkschaftlich wird solches Handeln für uns dann, wenn sich zwei oder mehr Kolleg*innen zusammentun, um die Machtverhältnisse am Arbeitsplatz zu ändern. Dem vorangehen muss nicht im- mer die bewusste Entscheidung, gewerkschaftlich handeln zu wollen. Es braucht auch keine theoretische Auseinandersetzung mit der Rolle von Gewerkschaft, sondern allein das geteilte Verständnis von sich selbst in einem Machtgefüge, das auch andere betrifft, sowie die Fähigkeit zur Solidarität. Denn die Auseinandersetzung mit unserer Subjektivität und unserem Eigensinn auf der Arbeit ist sowieso im Gange.
    Möglicherweise klingt die Widersprüchlichkeit in unserem Bewusstsein banal, sie hat aber analytische und strategisch praktische Konsequenzen: Wenn wir davon ausgehen, dass solidarische Momente wie ein Hintergrundrauschen am Arbeitsplatz vorhanden sind, dann können wir diese Solidarität verstärken und als Ausgangspunkt nehmen. Zudem stellt sich dann die Frage: Wieso ist das so? Warum handeln Kolleg*innen in dem einen Moment so und nicht anders? Warum sagen wir manchmal das eine und handeln dann doch wieder ganz anders? Welche Macht habe ich am Arbeitsplatz und wie hängt sie mit jener meiner Kolleg*innen im eigenen und in anderen Betrieben zusammen? Welche Möglichkeiten haben wir, um auf die Situation am Arbeitsplatz Einfluss zu nehmen, und wie können wir uns als Organisation und Betriebsaktive so entwickeln, dass wir die Macht der Arbeiter*innenklasse stärken?
    Diese und weitere Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch…“ So beginnt die 22seitige Einleitung von Ada Amhang und Mark Richter 

Siehe auch von 2022: [Buch und Lesereise] Spuren der Arbeit – Geschichten von Jobs und Widerstand

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=221334
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