„Folgsamkeit der Klienten als Ressource“: Jobcenter sollen zur Folgsamkeit erziehen, sagt die Soziologin Bettina Grimmer

Illustration zu Hartz IV: Ten Years after - Sechsteilige Bilanz von Rudolf Stumberger bei telepolis„Die Soziologin Dr. Bettina Grimmer kam in ihrer Doktorarbeit zu dem Ergebnis, dass Jobcenter Leistungsberechtigte zur Folgsamkeit ausrichten. Aus der Dissertation entstand ihr Buch “Folgsamkeit herstellen – Eine Ethnographie der Arbeitsvermittlung im Jobcenter”, das im transcript Verlag erschienen ist. Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung L.I.S.A interviewte die Autorin darüber, wie Jobcenter der Disziplinierung dienen. (…) Der Grund dafür, dass Jobcenter Leistungsberechtigte vor allem zum “Ja-Sagen” drängen, ist, laut Grimmer, strukturell. Im Arbeitsvermittlungsgespräch würden Daten erfasst und aktualisiert, und Informationen von den Leistungsberechtigten angefordert. Die Eigenbemühungen würden kontrolliert…“ Beitrag von Dr. Utz Anhalt vom 28. Mai 2024 bei gegen-hartz.de externer Link – siehe mehr daraus und dazu:

  • Weiter aus dem Beitrag von Dr. Utz Anhalt vom 28. Mai 2024 bei gegen-hartz.de externer Link: „… Faktisch verpflichteten sich die Leistungsberechtigten damit, jeden Monat eine Anzahl Bewerbungen nachzuweisen, um nicht sanktioniert zu werden. (…) Unterschwellig, so Grimmer, stünde immer der Verdacht im Raum, dass Leistungsberechtigte nicht arbeiten wollen. Die Betroffenen müssten gegen diesen Verdacht ankämpfen, und dies gelänge durch das Darstellen von Folgsamkeit. (…) Statt hoher sozialer Unterstützung und subventionierter Beschäftigung würde das Problem individualisiert. Im Jobcenter ginge es darum, “Vermittlungshemmnisse” zu bearbeiten “und die Klienten beschäftigungsfähig („employable“) zu machen.” (…) Grimmer selbst benutzt den Begriff nicht, doch was sie beschreibt, das ist “Gehirnwäsche”. Der “gute Leistungsberechtigte” ist demnach dejenige, der das Mantra der Jobcenter nachbetet (“jede Arbeit ist besser als keine Arbeit”, “Grund für meine Hilfebedürftigkeit sind individuelle Vermittlungshemmnisse” etcetera). Auf der schwarzen Listen stehen all die, die eigenständig denken, gesellschaftliche Verhältnisse reflektieren und sich ihres kritischen Verstandes bedienen. (…) Dr. Grimmers Fazit im Interview mit L.I.S.A lautet: “Sich gegen diese Ordnung aufzulehnen ist nicht einfach, denn ein Widerspruch wird meist als Unwilligkeit gedeutet und ist nicht nur ein Angriff auf die Ordnung des Jobcenters, sondern auch auf den Arbeitsvermittler, der mit seiner symbolischen Autorität diese Ordnung repräsentiert. Diese Konstellation macht die Gespräche letztendlich so konfliktträchtig.”
  • „Folgsamkeit der Klienten als Ressource“. Interview mit Bettina Grimmer über Jobcenter als Disziplinierungsinstitutionen
    Interview von Georgios Chatzoudis vom 4.12.2018 in L.I.S.A. – Das Wissenschaftsportal externer Link der Gerda Henkel Stiftung
  • Das Buch von Bettina Grimmer von 2018: „Folgsamkeit herstellen. Eine Ethnographie der Arbeitsvermittlung im Jobcenter“ im Transcript-Verlag externer Link, dort auch eine Leseprobe externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=220802
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