Streik(Verbot): Ichkanndasnichtmehrhören
„Nie hört mensch in den Medien so viel von Gewerkschaften, wenn sie sich erdreisten zu streiken, vor allem, wenn sie da streiken, wo es sichtbar „weh tut“. (…) Es ist nicht nur in Deutschland so, aktuell auch in Frankreich, Großbritannien und in den USA – tendenziell weltweit und dies seit Jahren. (…) wir wissen aus Erfahrung: Wenn sich Hinterbänkler ins Gewagte vorstoßen, werden Grenzen ausgetestet, ausgeweitet und es bleibt immer was hängen… Das ist möglich, weil wir gerade in Streikzeiten von den Medien (ich kann nur über die öffentlichen reden, die ich in der Substanz grundsätzlich verteidige) damit regelrecht bombardiert werden. (…) Sind wir nicht alle PendlerInnen, die zur Arbeit müssen? Aber muss deshalb jede Anmoderation mit der Unterstellung beginnen, wir „alle“ seien vom Bahnstreik genervt? (…) Schon allein damit war all das nicht mehr täglich, ja stündlich hören müssen, gehören Streiks verboten, nicht wahr?…“ Artikel von Mag Wompel in der Graswurzelrevolution 489 vom Mai 2024:
Streik(Verbot): Ichkanndasnichtmehrhören
Nie hört mensch in den Medien so viel von Gewerkschaften, wenn sie sich erdreisten zu streiken, vor allem, wenn sie da streiken, wo es sichtbar „weh tut“. Und es ist jedes Mal mit langweiliger Regelmäßigkeit ein willkommener Anlass für diverse PolitikerInnen, nach juristischen Einschränkungen dieser Streiks zu rufen. Es ist nicht nur in Deutschland so, aktuell auch in Frankreich, Großbritannien und in den USA – tendenziell weltweit und dies seit Jahren.
Dabei ist im restriktiven Streikrecht gerade in Deutschland nicht wirklich viel zu verschärfen, der Aufschrei bezieht sich auf Ankündigungszeiten (gibt es), Notbesetzungen (gibt es natürlich) und Zwangsschlichtung (machen viele DGB-Gewerkschaften freiwillig). Dies gilt vor allem der plötzlich als systemrelevant bezeichneten Infrastruktur – deren Definition nur in diesem Fall systematisch erweitert wird, nicht wenn es um Privatisierung oder Schuldenbremse geht. Ja, derjenigen Infrastruktur, wo Brücken vermodern und vorbeugende Instandhaltung vor Jahrzehnten eingestellt wurde, nur zum Beispiel. Also, es geht nicht um viel, es ist ein eher symbolischer Aufschrei, mit dem sich gut Stimmung machen lässt gegen verbliebene Rechte der Gewerkschaften. Und wir wissen aus Erfahrung: Wenn sich Hinterbänkler ins Gewagte vorstoßen, werden Grenzen ausgetestet, ausgeweitet und es bleibt immer was hängen…
Das ist möglich, weil wir gerade in Streikzeiten von den Medien (ich kann nur über die öffentlichen reden, die ich in der Substanz grundsätzlich verteidige) damit regelrecht bombardiert werden. Ja, dieser Begriff passt hervorragend in die aktuell gewollte Militarisierung der Gesellschaft.
Ein Bahnstreik ist dabei für die Medien wie gemacht, kann hier der Anspruch der aktuellen Berichterstattung hervorragend mit dem der Dienstleistung der VerbraucherInnenberatung verbunden werden. Sind wir nicht alle PendlerInnen, die zur Arbeit müssen? Aber muss deshalb jede Anmoderation mit der Unterstellung beginnen, wir „alle“ seien vom Bahnstreik genervt? Wer sucht die KundInnen aus, die zu gefühlt 95% in die Kamera ihr Unverständnis für den Streik bekunden? War niemand am Gleis, die/der vom Bahnvorstand genervt war? Selbst nach der Tarifeinigung ließen sich offenbar schnell viele KundInnen finden, die besorgt waren, die Lohnerhöhung ganz persönlich bezahlen zu müssen – niemand die Boni des Bahnvorstands? Und woher hatten all die Menschen die Informationsgrundlage für ihre Empörung???
Schon allein damit war all das nicht mehr täglich, ja stündlich hören müssen, gehören Streiks verboten, nicht wahr? Das werden sie irgendwann auch, solange der DGB rituell protestiert, aber auch nur die Idee eines politischen Streiks von sich weist. Und die Medienschaffenden nicht gegen solche Berichterstattung streiken.
Artikel von Mag Wompel in der Graswurzelrevolution 489 vom Mai 2024
- Mag Wompel ist Labournet-Redakteurin, Industriesoziologin und freie Journalistin. Im November 2023 erschien in der GWR 483 ihr Artikel: „Arbeitsrechte für alle. Darf der Blick aus 2023 auf die Streiks von 1973 ein nostalgischer sein? Das Kapital hat daraus gelernt…“
- Wir danken für die Freigabe und empfehlen das gesamte Heft
Siehe zum aktuellen Hintergrund unser Dossier: Ein GDL-Streik kommt immer passend: CDU(Mittelstandsvereinigung) will allen wichtigen Berufen das Streikrecht rasieren und die Links zu weiteren Hintergründen darin