Elternschaft verstärkt Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in Deutschland – für Männer zeigt sich ein umgekehrter Trend

Tag der betrieblichen Entgeltgleichheit 2016 am 14. OktoberDie Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt zwischen Frauen und Männern ist in Deutschland am höchsten, wenn Kinder im Spiel sind. Das zeigen Auswertungen einer internationalen Forschungsgruppe, die die Entwicklung der Ungleichheit in 17 Ländern in Europa und Nordamerika über die vergangenen 50 Jahre untersucht hat. Unter den 30-Jährigen verdienen Mütter im Durchschnitt 70 bis 80% weniger als Väter. Bei kinderlosen Personen im selben Alter ist der Unterschied weitaus geringer und auf weniger als 5% gesunken. Für Männer in Deutschland zeigt sich ein umgekehrter Trend. „Väter auf dem Arbeitsmarkt werden durch eine Elternschaft nicht negativ beeinflusst. Vielmehr sind sie etwas häufiger erwerbstätig und verdienen etwas mehr als kinderlose Männer“…“ Meldung vom 4. April 2024 beim Ifo-Institut externer Link zur engl. Studie von ifo Institut / EconPol Europe externer Link und dazu die Klagen gegen die Stadt Hamburg und gegen Daimler:

  • Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg verkennt Equal Pay-Anspruch – GFF zieht gegen Daimler vors Bundesarbeitsgericht New
    „… In der Verhandlung bestätigt das Gericht zwar, dass es eine systematische Benachteiligung von Frauen bei Daimler gibt, da die weiblichen Beschäftigten im Mittelwert deutlich unter dem Gehalt der männlichen liegen. Dem Unternehmen fehle es zudem an klaren Kriterien, die diese Gehaltsunterschiede erklären könnten. Trotzdem spricht das Gericht der Klägerin nicht die Differenz zum Mittelwert der männlichen Vergleichskollegen oder zum Gehalt ihres direkten Kollegen zu, wie es der Grundsatz der Lohngleichheit und die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorsieht. Stattdessen soll Daimler der Klägerin lediglich die Differenz zwischen dem weiblichen und dem männlichen Median-Gehalt bezahlen. Das begründet das Gericht damit, dass die Klägerin auch weniger verdient als der Median ihrer weiblichen Vergleichsgruppe und daher insoweit keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vorliege…
    „Das Landesarbeitsgericht stellt sich hier in eklatanten Widerspruch zum Europarecht und den klaren Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts. Für den Equal Pay-Anspruch kommt es nur auf den Vergleich zu den männlichen Kollegen an. Ob es andere Frauen gibt, die mehr verdienen als die Klägerin, ist für den Anspruch auf gleichen Lohn irrelevant“, sagt Sarah Lincoln, Rechtsanwältin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF
    …“ Pressemitteilung vom 1. Oktober 2024 externer Link, siehe dazu auch:

    • Anwältin zur Klage gegen Daimler: „Das ist nicht das letzte Wort“
      Eine Abteilungsleiterin bei Daimler klagte auf das Gehalt ihres direkten Kollegen. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart sprach ihr dieses nicht zu…“ Interview von Patricia Hecht vom 1.10.2024 in der taz online externer Link mit Sarah Lincoln
  • Gleiche Rechte und soziale Teilhabe Art. 3 GG: Equal-Pay-Klage gegen Daimler: Wir kämpfen für gleiche Bezahlung
    „Gemeinsam mit einer Abteilungsleiterin der Daimler AG klagen wir auf gleiche Bezahlung. Mit ihrer Klage ist sie nicht allein: Sechs weitere Klägerinnen wenden sich gegen den Daimler-Konzern. Am 1. Oktober 2024 wird unser Fall in zweiter Instanz am Landesarbeitsgericht in Baden-Württemberg in Stuttgart verhandelt. (…) Die Klägerin arbeitet seit über 30 Jahren im Unternehmen – seit 15 als Abteilungsleiterin. Seit ihrer Rückkehr aus der Elternzeit in Teilzeit wird sie deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen auf der gleichen Ebene. Wir streiten für die wichtige Klarstellung, dass der Anspruch auf Lohngleichheit sich nicht auf das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe beschränkt und dass Gehaltsunterschiede zu männlichen Kollegen nur mit objektiven, durchschaubaren und gerichtlich überprüfbaren Kriterien begründet werden können – auch auf Leitungsebene. (…) Das Median-Monatsgehalt der Klägerin lag zwischen 2018 und 2022 um die 18 % unter der männlichen Vergleichsgruppe. Wenn man andere Gehaltsbestandteile hinzunimmt, waren es im Schnitt sogar über 23 %, mit Spitzenwerten bis zu 39 %. Die Zuteilungen virtueller Aktien an männliche E3-Leiter waren z.B. um bis zu 140 % höher als die für die Klägerin. Die Klägerin verdient außerdem etwa 30 % weniger als ihr direkter Kollege aus demselben Unternehmensbereich, obwohl sie beide gleich lang im Unternehmen sind, im gleichen Jahr befördert wurden und gleichermaßen qualifiziert sind. (…) Am 22. November 2023 hat das Arbeitsgericht Stuttgart Daimler in erster Instanz verurteilt, an die Klägerin die Differenz zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe in Höhe eines fünfstelligen Betrags für einen Zeitraum von 5 Jahren zu zahlen. Die Differenz zum Gehalt ihres direkten Kollegen sprach das Gericht ihr nicht zu. Das begründete das Gericht damit, dass von Lohndiskriminierung betroffene Frauen maximal eine Anpassung an den Mittelwert bzw. Median der männlichen Vergleichsgruppe fordern können. Dies ist mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des EuGH nicht vereinbar. Das Gebot der Entgeltgleichheit ist in Art. 157 AEUV sowie in § 3 Abs. 1 und 7 EntgTranspG geregelt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG liegt eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung bereits vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde. Für den Equal Pay-Grundsatz kommt es nur darauf an, ob die Vergleichsperson die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet und dafür mehr Geld bekommt. In dem Fall wird eine Lohndiskriminierung vermutet und der Arbeitgeber muss den Gehaltsunterschied begründen. Es ist irrelevant, ob sich der Kollege, mit dem eine Frau sich vergleicht, in der Mitte oder ganz oben auf der Gehaltsskala bewegt. (…) Das Verfahren gegen die Daimler AG ist bereits die dritte Equal-Pay-Klage, die die GFF unterstützt. Im Fall der ZDF-Journalistin Birte Meier stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass auch fest-freie Redakteur*innen einen Anspruch auf Auskünfte nach dem Entgelttransparenzgesetz haben. Unsere Klägerin Susanne Dumas, die bei einem sächsischen Metallunternehmen deutlich weniger verdiente als ihr direkter Kollege, bekam vor dem Bundesarbeitsgericht recht: Arbeitgeber*innen dürfen vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht abweichen, nur weil ein Mann höhere Gehaltsforderungen stellt als seine Kollegin.“ Beitrag von Sarah Lincoln vom September 2024 bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) externer Link
  • Wer im öffentlichen Dienst arbeitet und Elternzeit nimmt, muss die Zeit nacharbeiten, um eine höhere Lohngruppe zu erreichen. Britta J. klagt dagegen.
    Als Britta J. nach ihrer Elternzeit im Oktober 2021 zurück in ihren Job kehrt, erhält sie einen Brief, der sie sehr, sehr wütend macht. Normalerweise wäre sie in wenigen Monaten in eine höhere Entgeltstufe ihres Lohntarifs eingestuft worden. J. arbeitet bei der Hamburger Sozialbehörde, sie wird nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) bezahlt. Nach sechs Jahren als Angestellte müsste sie von Stufe drei auf Stufe vier befördert werden und 363 Euro mehr im Monat verdienen. Die Höherstufung verzögere sich um ein Jahr, teilt ihre Arbeitgeberin ihr mit. Der Grund dafür sei ihre Elternzeit. Schließlich habe J. in dieser Zeit ihren Erfahrungsschatz nicht vergrößern können und ihre Fähigkeiten nicht weiterentwickelt, wie dies in der Arbeitszeit der Fall gewesen wäre. J. fühlt sich als Frau und Mutter diskriminiert. (…) Auch der Personalrat muss feststellen: Da ist nichts zu machen. J. möchte das nicht hinnehmen und reicht Klage gegen die Stadt ein. (…) Im Januar dieses Jahres kommt es zu einem ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, der ergebnislos endet. Das sei erwartbar gewesen, sagt J.s Anwältin Friederike Boll. Hamburg könne nicht im Alleingang den Tarifvertrag der Länder ändern. Würde J. Recht bekommen, hätte das nicht nur Auswirkungen auf alle nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes in Hamburg Angestellten, sondern auch auf die in anderen Bundesländern. Der Tarifvertrag TV-L gilt für alle Bundesländer außer Hessen. Am Donnerstag steht der Kammertermin vor dem Arbeitsgericht an. Obwohl ein Urteil am gleichen Tag zu erwarten ist, wird das Thema damit nicht erledigt sein. Für J. und ihre Anwältin ist klar, dass sie durch alle Instanzen gehen wollen.
    Elternzeit erhöht Qualifikationen
    Und auch die Gegenseite wird eine Niederlage nicht hinnehmen. Der Leiter des Personalamts der Stadt, Volker Wiedemann, bestätigte gegenüber der taz, dass Hamburg nicht eigenständig den Tarifvertrag anpassen könne. Die Idee der Regelungen im Tarifvertrag sei zudem ausdrücklich ein diskriminierungsfreies Eingruppierungsrecht. „Es soll nicht die reine Dauer der Zugehörigkeit zu einer Dienststelle oder das Alter entscheidend sein, sondern die Erfahrungen und Entwicklungen, die im aktiven Arbeitsverhältnis erworben werden“, erklärt Wiedemann. J.s Anwältin Friederike Boll hält diese Argumentation nicht nur unter Aspekten der Gleichberechtigung für falsch, sondern auch inhaltlich. „Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Personen in der Elternzeit Qualifikationen erwerben, die ihnen im Job nützen“, sagt sie. So seien Eltern oft besonders gut im Multitasking, im Zeitmanagement und im Aufbringen von Geduld und Empathie.
    Mittlerweile ist J. in die nächste Gruppe des Tarifs aufgestiegen – nur eben mit einem Jahr Verspätung. Trotzdem – die Verzögerung wirkt sich auf die Rente aus und würde auch im Falle einer Arbeitslosigkeit ein geringeres Entgelt ergeben…“ Artikel von Katharina Schipkowski vom 24.4.2024 in der taz online externer Link („Diskriminierung im öffentlichen Dienst: Wie der Staat Mutterschaft bestraft“) – bei ver.di HH nix gefunden, die Urteilsverkündung wurde auf den 6.6. vertagt
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=219602
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