Die Friedrich-Schiller-Universität Jena erklärt den Arbeitsvertrag einer:m wissenschaftlichen Mitarbeiter:in wegen Klimaaktivismus-Vorstrafen für ungültig

Dossier

FAU Jena: Die Friedrich-Schiller-Universität Jena erklärt den Arbeitsvertrag einer:m wissenschaftlichen Mitarbeiter:in wegen Klimaaktivismus-Vorstrafen für ungültig„… Die FSU Jena legt zum Abschluss eines Arbeitsvertrages standardmäßig ein Dokument vor, in dem allgemein nach Vorstrafen gefragt wird. Der:die Wissenschaftler:in Eli unterschrieb das Dokument. Zeitgleich ließ Eli ein polizeiliches Führungszeugnis an die Universität schicken. Dort waren Einträge zu finden, weswegen die Universität Jena Eli nun arglistige Täuschung vorwirft und den Arbeitsvertrag juristisch anfechtet. (…) Nachdem die FAU Jena die Friedrich-Schiller-Universität Jena darauf hingewiesen hat, äußerte sich due Universität erneut. Sie wolle generell keine vorbestraften Menschen einstellen. Außerdem unterstellte sie Eli eine antidemokratische Grundhaltung und begründete so die fehlende Eignung von Eli als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in…“ Aus der Pressemitteilung der FAU Jena vom 27.2.2024 externer Link, die Eli nun juristisch vertritt – siehe mehr Informationen:

  • Gütetermin am 18.07.: Friedrich-Schiller-Universität muss (endlich) das Angebot von Eli prüfen, das Arbeitsverhältnis anzuerkennen, um es einvernehmlich zu beenden New
    Am 18.07.2024 fand am Arbeitsgericht Gera die Güteverhandlung zwischen Eli und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) statt. Ende letzten Jahres hatte die FSU den Arbeitsvertrag mit der:m wissenschaftlichen Mitarbeiter:in Eli aufgrund von Vorstrafen im Zusammenhang mit Klimaaktivismus für ungültig erklärt.
    Das öffentliche Interesse an dem Fall war außergewöhnlich groß. Zum Gütetermin fanden sich neben Pressevertreter:innen vom MDR und dem Akrützel mit über 15 Unterstützer:innen mehr Besucher:innen vor dem Gericht ein, als eingelassen werden konnten. Unter den Besucher:innen waren zahlreiche Kolleg:innen von der Universität Jena, Gewerkschafter:innen von ver.di, GEW und FAU sowie ein Mitglied des Personalrates und Senats der Universität Jena.
    In der Verhandlung legte Eli der FSU ein Angebot zur gütlichen Einigung vor. Nach diesem Vorschlag würde das Arbeitsverhältnis von der FSU anerkannt werden, könnte aber zeitnah einvernehmlich beendet werden kann. Der Vertreter vom Rechtsamt der FSU wollte sich vorerst nicht dazu äußern. Allerdings zeigte er sich „positiv überrascht, dass die Klägerseite ein Angebot zur Einigung vorlegt“. Die Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Jena (FAU Jena) ist über die Überraschung des Universitätsverträters verwundert. „Es gab mehrere Gesprächsangebote von unserer Seite an die Uni, die die Chefin des Personaldezernat jedoch abgelehnt hat. Dass die Uni sich über ein Einigungsangebot wundert, ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Leo Weis von der FAU Jena. Ob und wie die FSU auf das Einigungsangebot reagieren wird, ist derzeit nicht abzusehen. Wenn keine Einigung möglich ist, wird der Prozess beim Kammertermin fortgesetzt. Der leitende Richter deutete an, dass mit einem Termin am Kammergericht erst Anfang des nächsten Jahres zu rechnen sei. Am Ende der Güteverhandlung erklärte der Richter auf die Frage der Klägerseite nach einer groben rechtlichen Einschätzung: „Es ist nicht so, dass man sagen kann, Sie haben keine Chancen.“
    „Ich bin dankbar, dass so es eine so große Anteilnahme gab.“, freute sich Eli. „Die gewerkschaftliche Organisierung zeigt ihre Stärke.“ Leo Weis von der FAU fügte hinzu: „Unser Rechtsanwalt hat heute einen starken Rechtsvortrag hingelegt; das hat auch der Beklagtenvertreter einsehen müssen. Wenn die Universität sich nicht einigt, sehen wir uns gerne im Kammertermin wieder. Und selbstverständlich werden wir unsere betrieblichen und gewerkschaftlichen Maßnahmen fortsetzen.““ Pressemitteilung der FAU Jena vom 22.7.24 („Klima-Aktivist:in gegen Universität Jena: Gütetermin am Amtsgericht Gera“) (per e-mail)
  • Güteverhandlung (und solidarische Kundgebung) zwischen Klimaktivist:in Eli und Universität Jena am 18.07.2024
    Am 18.07.2024, um 13 Uhr findet die Güteverhandlung zwischen Eli und der Universität Jena am Arbeitsgericht Gera (Rudolf-Diener-Straße 1, 07545 Gera) statt. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) erklärte den Arbeitsvertrag mit der:m wissenschaftlichen Mitarbeiter:in Eli im letzten Dezember aufgrund von Vorstrafen im Zusammenhang mit Klimaaktivismus für ungültig. Die Gewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Jena (FAU Jena) vertritt die betroffene Person und geht nun auch juristisch dagegen vor. Die Universität Jena lehnte Gesprächsangebote ab, reagierte spärlich auf eine gemeinsame Erklärung verschiedener Gewerkschaften und ließ mehrmals den Termin der Güteverhandlung verschieben. Neben der FAU Jena, der betroffenen Person und dem Anwalt des:der Klimaaktivist:in, werden auch Gewerkschafter:innen der GEW, Mitglieder des Betriebsrates und weitere Klimaaktivist:innen, unter anderem von Fridays for Future, anwesend sein.“ Pressemitteilung vom 11.7.24 der FAU Jena (per e-mail)
  • Unterzeichner*innen eines offenen Briefes zur Wiedereinstellung von ‚Eli‘ kritisieren den Kurs der FSU scharf – Soli-Kundgebung zum Gütetermin am Mittwoch, 22. Mai 2024 (verschoben)
    • Offener Brief der Gewerkschafts- und Klimagruppen zur Wiedereinstellung von Eli
      Sehr geehrte Universitätsleitung, wir sind Gewerkschaftsgruppen an der Universität Jena und Organisationen aus der Umwelt- und Klima-Bewegung von Jena. Wir möchten Sie auffordern, die Anfechtung des Arbeitsvertrags des Klima-Aktivisten bzw. der Klima-Aktivistin Eli (Name geändert) vom Dezember 2023 zu überdenken und Eli wiedereinzustellen. (…) Wir halten diesen Vorgang aus mehreren Gründen für sehr bedenklich: Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wird man von Gerichten bereits für sehr niedrigschwellige Formen des zivilen Ungehorsams verurteilt. So wurden zuletzt Aktivist:innen der Letzten Generation für vollkommen friedliche Sitzblockaden wegen „gewaltsamen Widerstands“ verurteilt. Es reicht aus, sich von der Polizei von einer Blockade wegtragen zu lassen oder den Arm schützend vor den Kopf zu halten, um nicht direkt von einem Polizeiknüppel getroffen zu werden, um des Widerstands beschuldigt und verurteilt zu werden. Eine Vorstrafe wegen Widerstands lässt also nicht auf die Gewaltbereitschaft, den Charakter oder die Einstellung zur Verfassung schließen. Zu beachten ist hierbei auch, dass der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB einen milderen Tatbestand darstellt als der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte nach § 114 StGB.
      Unserer Ansicht nach ist es unstrittig, dass der zivile Ungehorsam für eine lebendige Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt unerlässlich ist – denken wir nur an die Bürgerrechtsbewegung für die Rechte der Schwarzen in den USA, die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland oder das Engagement gegen Rechts in Jena –, auch wenn Aktionen des zivilen Ungehorsams staatlich geahndet werden. (…) Wir möchten die Aufforderung vom Beginn unseres offenen Briefes wiederholen. Überdenken Sie Ihre Entscheidung und stellen Sie Eli wieder ein. Wir hoffen, Sie betrachten ein Umdenken nicht als Schwäche. Vielmehr wäre es Ausdruck eines lebhaften demokratischen Austauschs und einer tatsächlich gelebten Fehlerkultur an der Universität Jena.“ Offener Brief vom 10. Mai 2024 bei der FAU Jena externer Link
    • Der Gütetermin wurde bereits zweimal verschoben und soll nun erst im Juli 2024 stattfinden: Die FAU Jena ruft zur Soli-Kundgebung auf: Mittwoch, 22. Mai 2024, 11.45 Uhr vor dem Hauptgebäude der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Eingang Schlossgasse – siehe den Aufruf bei der FAU Jena externer Link : Die Uni Jena hat eine:n Klima-Aktivist:in rausgeschmissen. Das lassen wir nicht zu – Wiedereinstellung von Eli! Kundgebung am Mittwoch, 22. Mai, 11:45 vor dem Uni-Hauptgebäude (UHG), Eingang Schlossgasse
  • FSU feuert Klimaaktivist:in
    Wegen Klimaaktivismus wurde Eli von der FSU gefeuert. Während die Uni auf Ordnung pocht, kämpft die FAU für Elis Zukunft.
    Mehrere Blockaden und Besetzungen gegen die deutsche Klimapolitik könnten Eli langfristig zum Verhängnis werden. Zumindest wenn es nach dem Wunsch der Uni geht. Vor mehreren Jahren sah sich Eli veranlasst, mit zivilem Ungehorsam gegen das Handeln der Regierung zu protestieren, um auf das Scheitern im Umgang mit der Klimakrise aufmerksam zu machen. Nach einer Werksblockade wurde Eli unter anderem wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt. Insgesamt kam es zu zwei Verurteilungen aufgrund dieser Aktionen. Heute würde Eli einige Dinge rückblickend anders machen.
    Zwei Jahre nach der aktivistischen Hochphase wollte Eli als wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in am Institut für Mathematik und Informatik der FSU anfangen, um sich eine Promotion zu finanzieren. Im Vorfeld musste Eli versichern, nicht vorbestraft zu sein, und später als Nachweis noch ein makelloses Führungszeugnis einreichen. Im Dezember 2023 nahm Eli dann zunächst die Arbeit auf. Zwei Wochen nach Beschäftigungsbeginn teilte die Personaldezernentin allerdings mit, die Anstellung könne nicht fortbestehen. Grund dafür seien die besagten Vorstrafen, von denen die Dezernentin erst nach Vertragsschluss erfuhr. Die Uni wirft Eli vor, sie durch das Verschweigen absichtlich getäuscht zu haben. Daher sei der Arbeitsvertrag aus ihrer Sicht rückwirkend nicht mehr gültig und Eli müsse ab sofort den Arbeitsplatz räumen. (…) Eli könnte davon profitieren, dass der Vertrag bereits abgeschlossen war, bevor die Uni von den Straftaten erfahren hatte. Einen Arbeitsplatz für sich einzuklagen, wenn noch nichts unterschrieben wurde, ist sehr schwierig.
    Elis Fall könnte grundsätzliche rechtliche Fragen beantworten und hat zugleich das Potential, das Vorgehen der Uni politisch in Frage zu stellen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung bleibt aber auch Eli im Ungewissen, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht. Eli darf die Promotion immerhin fortsetzen, ist aber nicht mehr im Forschungsbetrieb des Instituts eingebunden. Elis Kolleg:innen aus dem Fachbereich wären bereit, wieder mit Eli zusammenzuarbeiten, sofern es die Uni zulässt. Dazu wird sich diese kaum aus freien Stücken durchringen.“ Artikel von Moritz Weiß vom 22. Februar 2024 in der Jenaer Hochschulzeitschrift Akrützel externer Link

Siehe auch unser Dossier: Wachsende Repression gegen die Klimabewegung: Immer neue Prozesse – nun auch gegen die Presse

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=218471
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