Bautzener Baufirma klagt gegen VVN-BdA: Streichungen in Publikation zu Unternehmen und rechter Szene in Ostsachsen gefordert
Dossier
„»Vernetzt und etabliert« ist eine Publikation überschrieben, die das Else-Frenkel-Brunswick-Institut für Demokratieforschung (EFBI) an der Universität Leipzig Anfang 2023 veröffentlichte. In dem Papier wird auf 18 Seiten über »unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen« informiert. Das Material stammt von einem antifaschistischen Recherchekollektiv namens »15°«. Dessen Träger ist der Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Sachsen. Sowohl für diesen als auch für das EFBI hat die Publikation jetzt juristische Folgen. Eines der darin benannten Unternehmen und sein Chef fordern, dass einzelne Passagen nicht mehr veröffentlicht werden. Es geht um den Bautzener Traditionsbetrieb Hentschke-Bau und dessen Hauptgeschäftsführer Jörg Drews. Letzterer sei auch »politisch aktiv und prägt die politische Kultur in Bautzen«, heißt es in dem Papier...“ Artikel von Hendrik Lasch vom 19.06.2023 in ND online und Hintergründe:
- Die SLAPP-Klage gegen VVN-BdA Sachsen im Wesentlichen am Oberlandesgericht gescheitert: Herr Drews darf als Unterstützer rechter Netzwerke bezeichnet werden
„Ein Bauunternehmen in der Oberlausitz hat ein Recherchekollektiv wegen dessen Aussagen, dass in der Firma rechtsradikale Äußerungen getätigt und geduldet würden, verklagt. Das Landgericht Dresden hatte in erster Instanz zugunsten der Firma entschieden. Dagegen hat das Recherchekollektiv Berufung eingelegt. Am Dienstag wurde am Oberlandesgericht Dresden das Urteil verkündet. (…)
Laut dem Oberlandesgericht Dresden darf die Aussage einer anonymen Quelle über rechtsradikale Gespräche im Pausenraum der Firma nicht weiter veröffentlicht werden. Dafür habe das Recherchekollektiv – so die Richter – keine ausreichenden Beweise vorgetragen.
Künftig darf aber publiziert werden, dass die Baufirma durch eine AfD-Parteispende von 19.500 Euro und die Teilfinanzierung von medialen Auftritten extrem rechter Akteure rechte Strukturen in Ostsachsen befördert habe. „Die Schlussfolgerung daraus, der Kläger falle durch extrem rechtes Engagement auf – diese Äußerung ist im Sinne der Meinungsfreiheit zulässig“, sagte am Dienstag der Vorsitzende Richter Markus Schlüter. (…) Mit dem Richterspruch am heutigen Dienstag zeigten sich beide Seiten zunächst zufrieden: „Wir bewerten das Urteil grundsätzlich positiv“, sagte Silvio Lang vom VVN-BdA. Das Zentrale sei, dass man Herrn Drews als Unterstützer rechter Netzwerke bezeichnen darf. Auf den Pausenraumvorfall könne man gut verzichten, das sei nur ein ergänzender Sachverhalt gewesen, so Lang. 15 Grad Research will nun den entsprechend gekürzten Absatz über das Bauunternehmen wieder in seine Veröffentlichung hineinnehmen.
Auch Hentschke Bau sieht sich als Sieger der Auseinandersetzung: Das Gericht habe entschieden, dass die Lüge, in einem Pausenraum der Hentschke Bau GmbH sei es zu rechtsradikalen Äußerungen gekommen, verboten bleibt. Damit habe es „den für uns wichtigsten Punkt“ im Urteil des Landgerichts Dresden bestätigt, sagte Hentschke Bau-Sprecher Falk Al-Omary. Man erwäge nun eine Schadensersatzklage gegen den VVN-BdA. Auch wolle man die Klage gegen die Uni Leipzig weiterführen. Im Policy Paper der Uni Leipzig sind bisher alle Passagen lesbar (...)
Eine Revision zum Urteil wird vom Oberlandesgericht nicht zugelassen. Beide Seiten, sowohl Hentschke Bau als auch der VVN-BdA, tragen die Kosten des Verfahrens.“ Meldung vom 23. Oktober 2024 von MDR SACHSEN („Urteil am Oberlandesgericht: Dresden Recherchekollektiv darf Text über Hentschke Bau teils wieder veröffentlichen“) - Hentschke Bau und Drews gewinnen vor dem Landgericht Dresden – VVN-BdA Sachsen legt Berufung ein
„In dem Rechtstreit Hentschke Bau/Drews gegen die VVN-BdA Sachsen wurden wir bekanntlich vom Landgericht Dresden erstinstanzlich zum Unterlassen verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, wir haben Berufung eingelegt, der Rechtsstreit wird also beim Oberlandesgericht Dresden neu verhandelt. Hentschke Bau und Drews haben nun jedoch durch Einzahlung einer Sicherheitsleitung von 66.000 Euro bei der Gerichtskasse die sofortige Vollstreckbarkeit des nicht rechtskräftigen Urteils ausgelöst. Diese juristische Möglichkeit steht ihnen zu. Das bedeutet, dass wir unseren Artikel und die darin enthaltenen Äußerungen bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung nicht weiter verbreiten dürfen. Wir bitten alle Einzelpersonen, Journalist*innen und Medien zur Kenntnis zu nehmen, dass wir wegen der sofortigen Vollstreckbarkeit des nicht rechtskräftigen Urteils die Berichterstattung über Hentschke Bau und Drews nicht weiter veröffentlichen und verbreiten dürfen. Die nun ergriffenen Maßnahmen der Klägerseite machen deutlich, wie stark Hentschke Bau und der Geschäftsführer Drews bemüht sind, Kritiker*innen mundtot zu machen…“ Stellungnahme vom 28. Juni 2024 der VVN-BdA Sachsen e.V. zum Rechtstreit gegen Hentschke Bau/Drews - VVN-BdA Sachsen auf der Anklagebank: Der Prozeß nach der Klage vom Hentschke Bau beginnt – „Wir lassen uns von Rechten nicht einschüchtern“
- VVN-BdA auf der Anklagebank
„… An diesem Freitag sitzt Silvio Lang auf der Anklagebank. Das sei ein »beklemmendes Gefühl«, sagt der Landeschef der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) in Sachsen. Der Verein ist Träger eines Recherchekollektivs namens »15°«, das 2023 ein 18-seitiges Dossier über »unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen« vorlegte. (…) Angestrengt wurde die Klage von dem Bautzener Unternehmen Hentschke Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews. Letzterer sei »politisch aktiv und prägt die politische Kultur in Bautzen«, heißt es im Dossier. (…) Drews´ Aktivitäten sorgen schon länger für Kontroversen. Im Februar 2019 kritisierten sechs Enkel des Firmengründers Ernst-Hans Hentschke in einem offenen Brief, Drews sei »zur Leitfigur einer Bewegung geworden, die die Bevölkerung polarisiert«. (…) Drews und seine Firma wollen die Darstellung in dem Dossier nicht hinnehmen und zogen vor Gericht. (…) Zu den grotesken Begleitumständen des Prozesses gehört, dass dieser mit Stefan Dreher von einem Richter geführt wird, der von 2013 bis 2018 Mitglied der AfD war und für diese auch im sächsischen Landtag saß. Einem Befangenheitsantrag wurden indes kaum Erfolgsaussichten eingeräumt. Lang sagt: »Wir müssen damit leben.«.“ Kommentar von Hendrik Lasch vom 17. Januar 2024 in Neues Deutschland online und die VVN-BdA dazu: - VVN-BdA: Wir lassen uns von Rechten nicht einschüchtern – volle Solidarität mit unserer sächsischen Landesvereinigung!
„In der vergangenen Woche wurde wieder einmal deutlich, wie wichtig antifaschistische Recherche ist. Während die Veröffentlichung von Correctiv – glücklicherweise – viel Aufmerksamkeit und Zuspruch erhält, droht an anderer Stelle die Kriminalisierung ähnlicher Recherche. Unsere Landesvereinigung Sachsen muss sich am kommenden Freitag vor Gericht verantworten, weil sie als Trägerverein des Recherche-Kollektivs 15 Research gemeinsam mit dem Else-Frenkel-Brunswik-Institut für Demokratieforschung in Sachsen der Universität Leipzig im März 2023 das Policy Paper „Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen“ herausgegeben hat. (…) Das in dem Paper genannte Bautzner Unternehmen Hentschke Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews verklagen unsere Landesvereinigung mit der Behauptung, der Artikel würde „unwahre Tatsachenbehauptungen“ und eine unzulässige Verdachtsberichterstattung enthalten. Zugleich klagt Jörg Drews auch gegen die Uni Leipzig, denn seitens Hentschke Bau wird bezweifelt, „ob eine Hochschule, die mit öffentlichen Geldern hantiert, überhaupt eine Studie herausgeben darf, die Unternehmer diskreditiert“, so Firmensprecher Al-Omary gegenüber dem MDR. „Mit der Klage folgen Hentschke Bau und Jörg Drews einer sattsam bekannten Praxis der Rechten, Gegner*innen unter Druck zu setzen und einzuschüchtern, in diesem Fall durch die Kosten eines Klageverfahrens.“, so Cornelia Kerth, Bundesvorsitzende der VVN-BdA. „Doch wir stehen hinter der wichtigen Recherche und drücken der Landesvereinigung Sachsen unsere volle Solidarität aus.“ (…) Das Unternehmen Hentschke Bau und sein Geschäftsführer sind nicht unbekannt. Bereits 2018 berichtete der Deutschlandfunk über den „bekanntesten Unternehmer“ der Stadt Bautzen und seine Verbindungen zu Reichsbürger*innen. Im Bundestagswahlkampf 2017 spendete Hentschke Bau der AfD 19.500 Euro, außerdem finanzierte er den Sender Ostsachsen-TV mit, in dem schon der Reichsbürger Peter Fitzek und Compact-Chef Jürgen Elsässer auftauchten. Auch die Kampagne „Wir sind Deutschland“ und deren Webseite wurden von dem Unternehmen finanziell unterstützt. Nach Drews‘ Erwähnung in einer Reportage über extrem rechte Proteste, hat Hentschke Bau auch vom Tagesspiegel schon einmal Unterlassung und Schadenersatz gefordert.“ Pressemitteilung des VVN-BdA-Bundesvorstands vom 16. Januar 2024
- VVN-BdA auf der Anklagebank
- Die VVN-BdA Sachsen wird verklagt! Juristische Auseinandersetzung durch unseren gemeinsamen Artikel mit dem EFBI „Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement…“
„… Zu Beginn des Jahres 2023 haben 15°Research und das renommierte Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Uni Leipzig zusammen und nach langer Recherche einen Artikel zum Einfluss reicher Unternehmer auf die rechte Szene in Ostsachsen veröffentlicht. Darin kommt unter anderen auch das Unternehmen Hentschke Bau und dessen Geschäftsführer Jörg Drews vor. Beide verklagen uns und das EFBI nun wegen diesem Artikel mit dem Argument, er würde unwahre Tatsachenbehauptungen und unzulässige Verdachtsberichterstattung enthalten.
Was sagen wir dazu?
Wir stehen zu den Aussagen im Artikel. Sie treffen zu. Deshalb werden wir sie auch nicht zurücknehmen. Wir haben uns deshalb anwaltlichen Beistand genommen und gehen nun in die Klageauseinandersetzung, die uns Hentschke Bau und Drews aufzwingen.
Was bedeutet das für unsere VVN-BdA?
Es ist klar zu benennen: wir stehen vor einem monatelangen Rechtsverfahren, das für uns mit hohen Kosten verbunden sein wird. Es ist unseriös, heute darüber zu spekulieren, wie das Verfahren ausgeht, weswegen wir damit rechnen müssen, dass diese Kosten bei uns hängen bleiben könnten…“ 15°Research am 20. Juni 2023 mit Spendenaufruf des Trägervereins VVN BdA Sachsen e.V.: Wer uns unterstützen will, spendet gern an IBAN: DE90 8508 0000 0528 2111 02 mit dem Verwendungszweck: Spende Klage (Wer eine Spendenquittung haben will muss im Betreff auch Name, Vorname, Str., PLZ und Ort angeben) - „Vernetzt und etabliert: Unternehmerisches Engagement für die extreme Rechte in Ostsachsen“
Text vom 13. März 2023 von JOHANNES KIESS, AMELIE FEUERER & 15 GRAD RESEARCH in Zusammenarbeit mit dem Else Frenkel-Brunswik Institut (EFBI) aus Leipzig