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Von wegen „Schutzwall gegen Rechts“: Macron mischt eine Dosis Le Pen in das neue Ausländergesetz in Frankreich. Doch massive Widerstände

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Nationalversammlung und Senat einigten sich in Frankreich diese Woche auf eine Novelle des Gesetzbuchs für Ausländerrecht (CESEDA). (…) Einschränkungen bei den sog. Sozialleistungen für nicht-französische Staatsangehörige sorgen für ein Triumphgeheul bei der extremen Rechten, die von einem „ideologischen Sieg“ spricht… auch wenn sie selbst zunächst im Senat gegen den Entwurf stimmte, den sie für unzureichend befand. (…) Zunächst ein Minister, seit dem frühen Donnerstag Abend nun zwei Minister/innen traten daraufhin aus der Regierung zurück. Unterdessen hoffen manche auf das Verfassungsgericht… darunter Teile der Regierung selbst. 32 von einhundert französischen Départements und die Stadt Paris kündigen an, bestimmte Bestimmungen des künftigen Ausländergesetzes nicht umzusetzen und eine der betroffenen Sozialleistungen weiterhin, notfalls „illegal“, auszuzahlen. Starke Widerstände auch im Gesundheitssektor und im Hochschulbereich. Gewerkschaften stehen ebenfalls vorne mit dabei, wo soziale und politische Kräfte sich der „Reform“ widersetzen. Die CGT-Spitze rief am Donnerstag zum „zivilen Ungehorsam“ auf. Die CFDT ist (anders als die CGT sowie FSU und Union syndicale Solidaires) nicht auf den Straßen mit dabei, veröffentlichte jedoch ebenfalls scharfe Kritik zum Gesetz…“ Artikel und Fotos von Bernard Schmid vom 22. Dezember 2023 – wir danken!

Von wegen „Schutzwall gegen Rechts“:
Macron mischt eine Dosis Le Pen in das neue Ausländergesetz. Doch massive Widerstände

 Nationalversammlung und Senat einigten sich in Frankreich diese Woche auf eine Novelle des Gesetzbuchs für Ausländerrecht (CESEDA). Es handelt sich ja auch erst um das dreißigste neue Ausländergesetz seit Anfang der 1980er Jahre… eines alle achtzehn Monate im Durchschnitt. Einschränkungen bei den sog. Sozialleistungen für nicht-französische Staatsangehörige sorgen für ein Triumphgeheul bei der extremen Rechten, die von einem „ideologischen Sieg“ spricht… auch wenn sie selbst zunächst im Senat gegen den Entwurf stimmte, den sie für unzureichend befand. Im Endeffekt stimmten das erweiterte Pro-Macron-Lager minus rund sechzig Abgeordnete (davon zwanzig Gegenstimmen und siebzehn Enthaltungen bei der Macron-Partei Renaissance), Konservative und Neofaschisten bei der definitiven Abstimmung für das künftige Gesetz. Zunächst ein Minister, seit dem frühen Donnerstag Abend nun zwei Minister/innen traten daraufhin aus der Regierung zurück. Unterdessen hoffen manche auf das Verfassungsgericht… darunter Teile der Regierung selbst. 32 von einhundert französischen Départements und die Stadt Paris kündigen an, bestimmte Bestimmungen des künftigen Ausländergesetzes nicht umzusetzen und eine der betroffenen Sozialleistungen weiterhin, notfalls „illegal“, auszuzahlen. Starke Widerstände auch im Gesundheitssektor und im Hochschulbereich. Gewerkschaften stehen ebenfalls vorne mit dabei, wo soziale und politische Kräfte sich der „Reform“ widersetzen. Die CGT-Spitze rief am Donnerstag zum „zivilen Ungehorsam“ auf. Die CFDT ist (anders als die CGT sowie FSU und Union syndicale Solidaires) nicht auf den Straßen mit dabei, veröffentlichte jedoch ebenfalls scharfe Kritik zum Gesetz.

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Wir hatten es  vor kurzem (https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2023/12/BernardSchmid131223.pdf ) richtig oder weitestgehend richtig vorausgesagt: Das Tauziehen um den jüngsten Entwurf für ein neues Ausländergesetz in Frankreich – seit 1981 wurde im Durchschnitt alle 18 Monate, also alle anderthalb Jahre ein neues verabschiedet – endet mit der Annahme der schärfst möglichen, der schlechtesten unter den derzeit denkbaren Varianten. Oder beinahe, nachdem einige Korrekturen kosmetischer Art noch kurzfristig aufgenommen wurden.

Am Abend des Montag, den 18. Dezember 23 einigte sich die commission mixte paritaire (CMP) parlementaire, also der gemeinsame Vermittlungsausschuss zwischen beiden Kammern des französischen Parlaments, Nationalversammlung und Senat, auf einen gemeinsamen Entwurf. Dieser wurde dann am Abend des Dienstag, 19. Dezember bzw. in der Nacht auch durch beide Parlamentskammern angenommen: durch den Senat am Spätnachmittag, durch die Nationalversammlung um punkt 23.20 Uhr. Die Abstimmung wurde bei manchen TV-Sendern live übertragen.

Die Grundlage dafür bildet der in den Sitzungstagen vom 06. bis 14. November d.J. vom Senat angenommene Text; dieser fiel erheblich schärfer aus als der ursprüngliche Regierungsentwurf. In der Nationalversammlung, also im „Unterhaus“ des französischen Parlaments, gibt es seit ihrer letzten Wahl im Juni 2022 keine absolute Mehrheit, sondern nur noch relative Mehrheiten; im „Oberhaus“, also im Senat, gibt es eine klare rechte Mehrheit. Eine Mehrheit konservativer Natur, doch besonders in Sachen Immigrationspolitik kopiert die Programmatik der französischen Konservativen in den letzten Jahren zunehmend unverkennbar – und auch von ihnen selbst weitestgehend unbestritten – jene der Rechtsextremen, der französischen Neofaschisten.

Nicht erst, aber noch verstärkt, seitdem der Nizzaer Abgeordnete Eric Ciotti Anfang Dezember 2022 zum Vorsitzendern der stärksten konservativen Partei, LR (Les Républicains, bis 2015: UMP) gewählt worden ist. Also ein Herr, der seinen eigenen Worten vom September 2021 zufolge im Falle einer Präsidentschafts-Stichwahl zwischen Amtsinhaber Emmanuel Macron und dem rechtsextremen Ideologen Eric Zemmour erklärtermaßen für Zemmour gestimmt hätte. Die Annäherung einer Mehrheit innerhalb der Partei LR an die extreme Rechte, in Gestalt des Rassemblement national (RN) sowie der neu gegründeten doch aggressiven Kleinpartei Reconquête ! („Rückeroberung!“) von Herrn Zemmour, vor allem auf den Gebieten „Ausländerpolitik“ sowie „Innere Sicherheit“ ist ähnlich mit Händen zu greifen wie jene der österreichischen ÖVP an die rechtsextreme FPÖ in der Periode vor ihrer gemeinsamen Regierungsbildung im Zeitraum 2017 bis 2019. Lediglich auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialpolitik bestehen noch erhebliche Unterschiede, jedenfalls in der offiziellen Programmatik: Der RN (d.h. der frühere Front National) setzt strategisch eher auf soziale Demagogie, die Mehrheit der Partei LR und die Anhänger/innen von Eric Zemmour sind hingegen eher offen wirtschaftsliberal ausgerichtet, mit einer (bei LR in jüngster Zeit zunehmenden (vgl. https://www.lemonde.fr/politique/article/2023/10/12/le-parti-les-republicains-en-perte-de-reperes-sur-sa-ligne-economique_6194008_823448.html externer Link) Tendenz zum nationalökonomischen Protektionismus allerdings.

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Die jüngsten Pirouetten rund um den Entwurf für das künftige neue Ausländergesetz, die infolge eines gemeinsamen Geschäftsordnungsantrags von Links-, konservativer und rechtsextremer Opposition am 11. Dezember 23 zunächst von der Tagesordnung verbannt worden war, endet nun also mit der Annahme des schärferen der vorliegenden beiden Entwürfe (jenes des Senats bzw. der konservativen Senatsmehrheit) im Blitzverfahren. Die Entscheidung, nach dem Abbruch der Debatte in der Nationalversammlung vom 11.12.23 zu diesem Verfahren mittels Vermittlungsausschuss zu übergehen, wurde durch Staatspräsident Emmanuel Macron persönlich getroffen. Dazu gab er die explizite Parole aus, eine Verabschiedung solle noch vor Jahresende erfolgen, auf dass das Thema nicht noch die Weihnachts- und Jahresendferien belaste. Am Dienstag, den 12.12.23 und noch weitere zwei Male, das letzte Mal am Sonntag, den 17.12.23, empfing Macrons Premierministerin Elisabeth Borne daraufhin die Anführer der Rechtspartei LR – ihren Parteichef Ciotti und die Vorsitzenden ihrer Fraktionen in Nationalversammlung und Senat – an ihrem Amtssitz, dem Hôtel Matignon, für „Kompromiss“verhandlungen. Bei einem bereits zuvor geplanten Abendessen mit Vertreter/inne/n der Präsidentenpartei Renaissance am Abend des Mittwoch, den 13. Dezember ebendort und bei weiteren Treffen wurde das Regierungslager in diesem Sinne auf Linie gebracht. Dennoch blieben erhebliche Widerstände, insbesondere auf dem sozialliberalen Flügel der (2016/17 unter ihrem damaligen Namen, En marche ! oder EM, aus dem rechten Flügel der Sozialdemokratie und moderaten Konservativen zugleich zusammengepappten) Präsidentenpartei übrig. Und dies bis zuletzt.

Verfahrenstrick & Treppenwitz

Der (faule) Kompromiss basierte im Kern auf einem Verfahrenstrick, nämlich darauf, dass bei der Verhandlung zwischen beiden Parlamentskammern für die Nationalversammlung – die dem Nichtbefassungsantrag von Links- und Rechtsopposition mit knapper Mehrheit zugestimmt hatte – für diese Kammer ein leeres Blatt, doch für den Senat dessen gegenüber dem Regierungsentwurf verschärfte Textvariante eingereicht wurde. Dort, wo sich normalerweise beide Parlamentskammern bei abweichenden Positionen irgendwo in der Mitte zwischen zwei abweichenden Textvarianten treffen müssen, erfolgte die „Kompomiss“findung in diese Falle also ausschließlich auf der Basis eines einzigen Entwurfs, jenes des Senats. In Wirklichkeit stellte dieses Verfahren also keine Vermittlung zwischen zweierlei Positionen, sondern eine Anpassung einer Seite an die andere, an die rechtere von beiden dar.

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Es lief also ganz ähnlich, wie wir es vorausahnten. Gerne hätten wir dabei Unrecht behalten. Nur eine Fehlerchen hatte sich in unserem oben zitierten Artikel bei Labournet vom 13.12.23 noch eingeschlichen: Die CMP, also der Vermittlungsausschuss zwischen beiden Parlamentskammern, besteht nicht, wie fälschlich dort steht, aus „zwei mal acht“, sondern aus zwei mal sieben Mitgliedern beider Kammern. Diese Zusammensetzung soll dafür sorgen, dass die jeweilige Mehrheit einer Kammer auch in deren Delegation ein leichtes Übergewicht über die dortige Opposition hat: Von den je sieben Vertreter/inne/n beider Kammern sollen je vier die Mehrheit innerhalb der betreffenden Kammer, und je drei die dortige Opposition vertreten. Da es nun im Senat eine mehr oder minder satte konservative Mehrheit, doch in der Nationalversammlung keine Mehrheit gibt, resultierte daraus in der Quersumme eine Mehrheit für die Rechtspartei LR im Vermittlungsausschuss. Dies konnten sich Alle, die sich damit befasst hatten, selbstverständlich auch Staatspräsident Emmanuel Macron, zuvor ausrechnen.

Der Treppenwitz bei der Sache ist also quasi, dass eine heruntergekommene und abgehalfterte Partei wie LR, die bei der jüngsten Präsidentschaftswahl (in ihrem ersten Durchgang am 10. April 2022) unter fünf Prozent erhielt, genauer: nur noch 4,7 Prozent für ihre Bewerberin Valérie Pécresse, und die längst dem wesentlich stärkeren und derzeit noch stärker werdenden rechtsextremen Rassemblement national/RN hinterherhechelt und -japst, auf diesem Wege also die letztlich verabschiedete Textfassung zu 90 bis 95 Prozent diktieren durfte. Was nebenbei den Schönheitsfehler aufweist, dass die jüngste Programmatik von LR in der, ähemm, „Ausländerfrage“ wie beispielsweise ihr im Mai 2023 vorgelegter Grundsatzentwurf zur Thematik (vgl.: https://republicains.fr/actualites/2023/05/21/immigration-eric-ciotti-olivier-marleix-et-bruno-retailleau-devoilent-le-projet-des-lr/ externer Link) ihrerseits zum Großteil eine Blaupause der seit Jahrzehnten durch die Rechtsextremen vertretenen Grundsätze und Positionen abbildet. Dies wurde bspw. auch durch bürgerliche Kommentatoren wie den Politikredakteur des wirtschaftsliberalen Privatfernsehsenders BFM TV, Mathieu Croissandeau, unverblümt genau so benannt. Oben genannter Grundsatzentwurf der Partei LR geht unter anderem so weit, beim Ausländerrecht den grundsätzlichen Vorrang nationalen Rechts vor supranationalem – also gegenüber EU-Recht, aber auch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), welche nichts mit der Europäischen Union zu tun hat, sondern vom Europarat abhängt – zu fordern, was zwar derzeit ohne tiefgreifendere Veränderungen unter anderem an der EU juristisch nicht aufgeht, doch ein ideologisches Grundsatzstatement darstellt. Oder einen ideologischen Rülpser; einen, bei dem „Land mitkommt“.

Die extreme Rechte feiert sich (mit ein bisschen Akrobatik) als „Sieger“

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Als „wahren ideologischen Sieger“ feiert sich unterdessen die extreme Rechte in Gestalt des RN, also der Partei von Marine Le Pen – ihrer früheren und voraussichtlich künftigen Präsidentschaftskandidatin sowie jetzigen Vorsitzenden ihrer Parlamentsfraktion – sowie des 28jährigen Parteivorsitzenden Jordan Bardella.

Diese feiert nun, sie habe sich insbesondere in der wichtigsten Grundsatzfrage durchsetzen können, nämlich der Einführung eines (begrenzten) Inländervorrangs oder eine nationalen Bevorzugung, im Original préférence nationale respektive priorité nationale, beide Begriffe werden durch die Partei benutzt, bei Sozialleistungen. Dies stelle eine wichtigen ideologischen Dammbruch dar. Zwar würde man selbst erheblich weiter gehen, doch stelle man mit Genugtuung fest, dass man immerhin im Kern Recht bekommen habe.

Zum ersten Mal überupt stimmt die rechtsextreme Partei bei einem ihrer Kernthemen, oder eher: „dem“ Kernthema, also l’immigration, gemeinsam mit bürgerlichen Parteien und dem Regierungslager ab. Bislang beruhte die Strategie der rechtsextremen Partei eher darauf, einerseits die anderen Parteien vor sich her zu treiben, was „die Anerkennung der Tatsachen“ betrifft, andererseits stets apokalyptische Szenarien eines durch eine „Invasion“ überfluteten und zunehmend zerstörten sowie sozial ausblutenden Frankreichs zu beschwören, was regelmäßig auf die Aussage hinauslief: Erst wenn wir an die Macht kommen, wird dem Unheil ein Ende bereitet werden können. Zum ersten Mal zeigt die extreme Rechte sich also sozusagen „konstruktiv“, im Sinne eines neofaschistischen Reformismus, welcher auch Zwischenschritte vor der angestrebten innenpolitischen Umwälzung – und nicht unter eigener Regierungsführung – akzeptiert und begrüßt.

Dazu musste er im Nachhinein noch ein paar Verrenkungen vollführen, was damit zusammenhängt, dass die beiden Senatoren (d.h. Mitglieder im parlamentarischen Oberhaus; dessen Angehörige werden in den Gebietskörperschaften per Mehrheitswahlrecht bestimmt, d.h. kommen aufgrund des Mehrheitswahlrechts nur in seltenen Fällen aus dem RN) der Partei noch bei der Senatsdebatte vom November dieses Jahres gegen den Entwurf der Senatsmehrheit gestimmt hatten. Und zwar deswegen, weil dieser bei weitem nicht genug gehe. In der Folgezeit redeten sich in den letzten Tagen zahlreich bei diversen Medien interviewten Vertreter/innen des RN stets auf die Sprachregelung hinaus, es handele sich um une petite loi („ein kleines Gesetz“), um eine schwache, blasse Verbesserung, doch „im Interesse des französischen Volkes“ habe mal halt vorläufig genommen, was man vorläufig kriegen könne. Und natürlich werde man noch viel mehr fordern, da bei weitem nicht alle Probleme gelöst seien. Ebenso selbstverständlich darf man darauf bauen, dass bei der nächsten und bei der übernächsten mehr oder minder spektakulären Straftat, über welche in den Medien berichtet wird und in die irgendein Ausländer verwickelt ist, die Kampagne „Höher! Schneller! Weiter!“ sofort anspringt…

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Innenminister Gérald Darmanin, in dessen Hause der ursprüngliche (durch den Senat noch erheblich verschärfte) Entwurf ausgearbeitet worden war, warf in seiner Parlamentsrede am Abend des 19. Dezember 23 – in den Stunden und Minuten vor der Annahme des Entwurfs durch die Nationalversammlung – deswegen folgerichtig dem RN seine vorherigen Verrenkungen vor. Um nämlich die rechtsextreme Partei nicht vor den Kameras als strahlende Siegerin darstehen zu lassen.

Darmanin schlug in dieser Rede gar vorübergehend deutlich linksliberal klingende Zungenschläge an, lobte die Integrationsbemühungen, die das künftige Gesetz seinen Wort zufolge doch auch enthält (in Wirklichkeit ziemlich wenig), und hielt Marine Le Pen entgegen, stimme sie der Vorlage zu, dann votiere sie auch für die Legalisierung in Frankreich arbeitender „illegaler Ausländer“, die der Entwurf ja auch in begrenztem Ausmaß erlaubt. Durch diesen Spott versuchte er, die extreme Rechte ein Stück weit zu blamieren für den Fall, dass sie sich kurz darauf als Gewinnerin aufplustere. Ihrerseits veräppelte Marine Le Pen den Minister von ihrem Sitz in der Nationalversammlung aus, simulierte vor den laufenden Kameras während seiner Rede Schwimmbewegungen und setzte ein verschmitztes, grinsendes Gesicht auf. Beide politischen Seiten versuchten also kurz schon vor der de facto dann doch gemeinsamen Abstimmung, sich gegenseitig den Erfolg abzusprechen bzw. die Urheberschaft streitig zu machen.

Zustimmungsverweigerung in Teilen des Regierungslagers

Doch im Endeffekt lässt sich dann doch eine relativ klare Handschrift erkennen: Konservative und Rechtsextremen stimmten dem Entwurf weitgehend geschlossen zu. Aus dem Regierungslager, dieses umfasst die Präsidentenpartei Renaissance sowie weitere, kleinere bürgerlich-liberale Parteien (v.a. den MoDem des langjährigen christdemokratischen Politikers François Bayrou und die Kleinpartei Horizons von Ex-Premierminister Edouard Philippe, d.h. Macrons Regierungschef in den Jahren 2017 bis 2020), fehlten dagegen rund sechzig Stimmen bei der Annahme, Nein-Stimmen und Enthaltungen zusammengezählt. Allein aus Emmanuel Macrons eigener Präsidentenpartei Renaissance kamen zwanzig Gegenstimmen und siebzehn Enthaltungen, fehlten also insgesamt 37 Stimmen.

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Alle Linksparteien stimmten gegen die Vorlage; wobei die – innerhalb des breiteren linken Lagers derzeit, trotz ihres Namens, derzeit eher am rechten denn am linken Rand positionierte – Französische kommunistische Partei (PCF) die Gunst der Stunde gleich nutzte, um dem widerstrebenden sozialliberalen Teilflügel des Macron-Lagers gleich neuartige Bündnisse anzubieten.

Emmanuel Macron und Innenminister Gérald Darmanin beriefen sich kurz nach der Abstimmung stolz darauf, die Annahme wäre auch „ohne die Stimmen des rechtsextremen RN“ erfolgt, die Mehrheit sei dafür breit genug gewesen, so dass es auf die Stimmen der extremen Rechten bei der Verabschiedung nicht angekommen sei. Kurz darauf behauptete bzw. belegte der liberale Privatfernsehender BFM TV allerdings das Gegenteil: Hätten dessen Abgeordnete mit Nein votiert, wäre der Gesetzestext durchgefallen. (Vgl. https://www.bfmtv.com/politique/parlement/la-loi-immigration-a-bien-ete-votee-grace-aux-voix-du-rn-contrairement-a-ce-qu-affirme-gerald-darmanin_AN-202312200038.html externer Link)

Konkret verfügt der RN derzeit über 88 Abgeordnetensitze (ursprünglich 89, einer von ihnen ging bei einer Teilwahl/Nachwahl in einem Wahlkreis zwischenzeitlich verloren), hinzu kommt noch ein Sitz für den ebenfalls weit rechts stehenden Nationalkonservativen sowie Anti-Impf-Schwurbler Nicolas Dupont-Aignan. Die Mehrheit in der 577 Sitze aufweisenden Nationalversamm-lung liegt bei 289, also die Hälfte plus x, wobei insgesamt 573 Abgeordnete real an der Abstimmung teilnahmen. Dem Entwurf stimmten insgesamt 349 Abgeordnete zu. Die Differenz zwischen der notwendigen Mehrheit und den real abgegeben Dafür-Stimmen liegt also bei sechzig (bzw., nimmt man die real an der Abstimmung Teilnehmenden zur Grundlage, 62) und damit unterhalb der Anzahl von 88 respektive 89 rechtsextremen Abgeordneten.

Laut ersten Meinungsumfragen begrüßen übrigens zwischen 70 und 80 Prozent der durch demoskopischen Institute befragten Französinnen und Franzosen das neue Gesetz im Grundsatz (keine Überraschung, seit Macrons erste Wahl im Frühjahr 2017 liegt der Anteil derer, die sich für eine härtere Gangart beim Ausländerrecht aussprechen, grundsätzlich ungefähr auf dieser Höhe), ohne notwendig zu wissen, was wirklich genau drinsteht. Doch lt. den Zahlen des Instituts Elabe beantworten zugleich 65 % die Frage nach dem politischen Gewinner damit, dass der RN den Sieger darstelle. Widersprüchlichkeit? Oder aber eine Beleg für die, tatsächlich auch sonst konstatierten, massiven Popularitätsgewinne der betreffenden Partei, die auch sonst zunehmend irgendwie als Bestandteil der politischen Normalität wahrgenommen wird? (Vgl. dazu auch: https://www.lefigaro.fr/politique/les-francais-sont-plus-nombreux-a-penser-que-le-rn-n-est-pas-un-danger-pour-la-democratie-une-premiere-depuis-1984-20231208 externer Link)

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)„Es hat sich echt gelohnt, ‚Schutzwall gegen die extreme Rechte‘ zu wählen. Da haben wir’s nun.“ Diese Reaktion einer Mandantin der Anwaltskanzlei des Verf.d.Z. – Restauratorin von Kunstwerken für Museen – steht stellvertretend für Viele. Hatte Staatspräsident Macron sich doch 2017 erstmals und 2022 wieder wählen lassen und dabei jeweils die Stichwahl in entscheidendem Ausmaß mit dem Argument gewonnen, dass den RN und Marine Le Pen aufhält, wer für ihn stimmte. Stichwort: barrage contre l’extrême droite! Am Abend nach seiner Wiederwahl am 24. April 2022 wandte Macron sich sogar ausdrücklich an die Linkswähler/innen/schaft mit den Worten, er wisse, „was ich Euch verdanke“. (Wobei im Falle einer Wiederholung der damaligen Wahl die Sache heute, spätestens nach der am 15. April 2023 in Gesetzesform gegossenen „Rentenreform“, heute mutmaßlich genau anders herum ausginge. Es wäre zu befürchten, dass Viele dann Le Pen wählten, „um Macron zu verhindern“, wo es bislang umgekehrt lief….)

Zu einzelnen Inhalten des verabschiedeten Gesetzestextes

Aber was steht denn nun genau drin in dem künftigen Gesetz? Das muss man sich derzeit mühselig herauspfriemeln, denn es enthält nicht einfach Bestimmungen der Art: „So und so läuft es künftig“, sondern jeder einzelne der insgesamt 25 (bzw. mit Sonderbestimmungen für die „Übersee“bezirke: 26) Artikel ändert eine Reihe von bestehenden Bestimmungen im Straf-, Sozial- und Ausländergesetzbuch ab. Das frisch verabschiedete, bislang noch nicht vom Staatspräsidenten unterzeichnete – dazu muss erst noch das Verfassungsgericht über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der neuen Bestimmungen entscheiden – enthält also keine lesbaren Bestimmungen, sondern zahlreiche Sätze und Absätze der Art: „Ändere Artikel L.613-3 im CESEDA (also im Ausländer- und Aysl-Gesetzbuch), ersetze dort ‚fünf Jahre‘ durch ‚drei Jahre‘… Streiche im Artikel … das Wort…“ usw.usf.

So viel sei schon einmal vorgestellt:

Sozialleistungen: Ab dem Inkrafttreten des Gesetzes bzw. gegebenenfalls der notwendigen, konkreteren Ausführungsverordnungen werden eine Reihe von Sozialleistungen für ausländische Staatsbürger/innen anderen Regeln als den für französische Staatsangehörige unterworfen.

Demo in Paris im Dezember 2023 gegen das neue Ausländergesetz in Frankreich (Foto: Bernard Schmid)Dies war bislang bereits bei der Sozialhilfe (französisch: RSA, bzw. früher: RMI) der Fall. Diese ist seit ihrer Einführung im Jahr 1988 an einen mindestens fünfjährigen gesetzmäßigen Aufenthalt in Frankreich geknüpft. Ausgenommen sind dabei anerkannte Asylsuchende, die unmittelbar nach ihrer Anerkennung als Asylberechtigte sozialhilfeberechtigt werden, bis sie eine Erwerbsarbeit finden. Allerdings stellte dies bei der Einführung des damaligen RMI – Vorläufer des heutigen RSA, also der an Einkommenslose ausgezahlten Sozialhilfe – im Jahr 1988 unter der sozialliberalen Regierung von Michel Rocard eher einen Fortschritt gegenüber dem zuvor Dagewesenen dar: Vorher konnten Ausländer/innen überhaupt keine vergleichbaren, nicht an vorausgehende Beitragszahlungen geknüpfte Sozialleistungen solcher Art beziehen, ab 1988 dann erstmals.

Bei anderen nicht beitragsgebundenen, aber an die Einkommenshöhe geknüpften Sozialleistungen, also beim Wohngeld/Mietzuschuss für Einkommensschwache (APL) sowie bei den Kindergeldzahlungen (allocations familiales) gilt bislang, dass gesetzeskonform sich in Frankreich aufhaltende Ausländer/innen nach sechsmonatigem legalem Aufenthalt einen Anspruch aufweisen. Diese Sechs-Monats-Frist könnte daran geknüpft sein, dass jede Person eine Steuererklärung abgeben muss, die sich seit mindestens sechs Monaten, übrigens ob „legal“ oder nicht, in Frankreich aufhält und auf diese Weise ihre Einkünfte offenlegt.

Künftig gilt, dass sich entweder seit fünf Jahren legal in Frankreich aufhalten oder (alternativ) mindestens dreißig Monate lang sozialbeitragspflichtig in Frankreich gearbeitet haben muss, wer als ausländische/r Staatsbürger/in Familienbeihilfe, also Kindergeld beziehen möchte.

Ausgenommen davon bleibt das Wohngeld, also der Mietzuschuss, den zahlreiche Haushalte in Frankreich beziehen; eine drastische Einschränkung auf dieser Ebene hätte hier gar zu drastische Auswirkungen in Form von „Ghettobildung“ zeitigen müssen, da viele Mitgegenden ohne Mietzuschuss für die betreffenden Personenkreise unerschwinglich geworden wären. Bei diesem Mietzuschuss oder APL gilt, dass, wer beitragspflichtig arbeitet, ihn künftig bereits nach drei Monaten beziehen kann; diese Dauer ist dieselbe wie jene für französische Staatsangehörige, die im Ausland lebten und sich neu (erneut) in Frankreich niederlassen, also den Regeln für französische expatriés angeglichen. Doch diejenigen ausländischen Staatsangehörigen, die nicht beitragspflichtig arbeiten, müssen auch hier wiederum fünf Jahre warten.

Nun war der erste Gedanke des Verf.d.Z., dass der Personenkreis, dem französische Behörden ohne Erwerbstätigkeit einen Aufenthaltstitel geben, ohnehin überschaubar sein dürfte. Allerdings sind konkret betroffen: Mütter mit französischen Kindern – oder deren Kinder einen Flüchtlingsstatus unabhängig von ihren Eltern aufweisen, was oftmals bei potenziellen Opfern von Mädchenbeschneidung (hauptsächlich in Westafrika) der Fall ist -, insbesondere solche, die von ihren Partnern verlassen wurden und aufgrund etwa fehlender Kitaplätze konkret nicht arbeiten können.

Nicht betroffen von diesen Regelungen sind anerkannten Asylberechtigte sowie ausländische Studierende.

Straftat „illegaler Aufenthalt“ wieder eingerichtet: In der Vergangenheit existierte in Frankreich ein Straftat des illegalen Aufenthalts, welcher, wurde er zweimal festgestellt, mitunter zur Verhängung von dreimonatigen Gefängnisstrafen (ohne Bewährung, da aufgrund fehlenden legalen Aufenthaltsstatus das Risiko der Haftentziehung bestehe) führte. Dieses Vergehen musste zum Jahresende 2012 abgeschafft werden, weil es nicht mit dem geltenden EU-Recht in Einklang stand: Die „Rückkehr-Richtlinie“, verabschiedet auf dem EU-Gipfel in Stockholm vom Dezember 2008, sieht vor, grundsätzlich der, erforderlichenfalls zwangsweise durchgesetzten, Rückführung von illegal sich aufhaltenden Ausländer/inne/n in ihre Herkunftsländer gegenüber Strafverfolgung und Haftstraften den Vorrang einzuräumen. Aus Sicht des EU-Rechts verhinderte solche Freiheitsentziehung die vorrangige schnelle Rückführung dort, wo diese rechtskonform sei.  Frankreich hatte Zeit bis vor dem 01.01.2013 zur Umsetzung dieser EU-Richtlinie. Deswegen, also nicht (wie damals durch die Rechtsopposition dargestellt und seither oft wiederholt) aus humanistischen oder „linksideologischen“ Gründen, musste damals die Entkriminalisierung erfolgen, unter Staatspräsident François Hollande.

Nun wird der Straftatbestand des „illegalen Aufenthalts“ neuerlich eingeführt. Allerdings nicht mit der Androhung von Haftstrafen verbunden, um dem oben geschilderten Risiko einer Unvereinbarkeit mit höherrangigem EU-Recht zu entgehen, sondern mit jener einer Geldstrafe i.H.v. 3.750 Euro.

Verschärfung der Kriterien bei mehreren Arten von Aufenthaltstiteln: Generell wird das Niveau der eingeforderten Nachweise französischer Sprachkenntnisse/Sprachtests auf den meisten Ebenen (bei mehrjährigen Aufenthaltstiteln, bei unbefristeten Aufenthaltstiteln, bei der Einbürgerung) je um eine Stufe hochgesetzt. Bei schwerkranken Ausländer/inne/n wird die bisherige gesetzliche Erfordernis für die Ausstellung eines Aufenthaltstitel – die Krankheit muss lebensbedrohlich sein oder den Verlust einer wichtigen Körperfunktion auslösen können, und eine Behandlungsmöglichkeit darf nicht im Herkunftsland real zugänglich sei, wobei das Kriterium der geographischen Herkunftsregion für die Bestimmung der konkreten Zugänglichkeit herangezogen wird – abgeändert. Das Medikament oder die Behandlung muss im Herkunftsland „nicht zugänglich“ sein, die konkrete Abschätzung mittels geographischer Kriterien innerhalb des Herkunftsstaats entfällt. (Dies war bereits einmal die Gesetzeslage zwischen 2011 und 2016, davor und danach wurde die konkrete Erreichbarkeit aufgrund geographischer Elemente mit berücksichtigt. Es ging bzw. geht jeweils darum, den jeweils betroffenen Personenkreis rein mathematisch zu verkleinern oder nicht.)

Verzögerung beim Erwerb der Staatsbürgerschaft qua Geburt in Frankreich: Seit 1998 gilt, dass jedes in Frankreich geborene Kind aufgrund des „Bodenrechts“ ein Anrecht auf die französische Staatsangehörigkeit hat (sofern ferner ein mindestens fünfjähriger Schulbesuch in Frankreich vor dem Erwerb vorliegt, d.h. die Regel gilt nicht bspw. für unmittelbar oder kurz nach der Geburt ausgereiste und erst für den Antrag zurückkehrende) Kinder bzw. Heranwachsende. Vor 1993 existierte dafür kein Mindestalter. Diese Regel wurde 1993 durch die damalige Rechtsregierung verschärft.

Seit einem sozialdemokratischen Gesetz vom 12. Juni 1998 gilt die derzeitige Regel: ab dreizehn Jahren auf Antrag eines Elternteils, ab sechzehn Jahren auf Antrag der/s Heranwachsenden selbst, ab achtzehn Jahren automatisch mit Einspruchsmöglichkeit (zwischen dem Lebensalter von 17,5 und 19) für diejenigen, die explizit nicht die französische Staatsbürgerschaft annehmen bzw. behalten möchte. Das künftige Gesetz ändert diese Regel ab und kehrt dadurch im Prinzip zu der zwischen 1993 und 1998 geltenden Regelung zurück: Es wird keinen automatischen Erwerb geben, ebenfalls keinen auf Antrag der (eventuell an einem Aufenthaltstitel durch französische Kinder interessierten…) Eltern, sondern ausschließlich auf Antrag des oder der Jugendlichen zwischen dem Alter von 16 und 18 hin. Dadurch soll verhindert werden, dass man „Franzose ohne eigenen Willen werden“ könne. Diese Maßnahme hat eher symbolpolitischen Charakter. Hinzu kommt, dass vom Zugang der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen wird, wer eines Verbrechens (d.h. einer Straftat mit mindestens zehnjähriger Haft-Strafandrohung) schuldig befunden wurde. Wer die französische Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erworben hat und sich der Tötung einer/s Polizeibediensteten schuldig machte, dem/r kann die Staatsbürgerschaft nachträglich entzog werden; bislang standen bereits „Terrorismus“, mit oder ohne Anführungsstriche, und internationaler Drogenhandel auf der Liste.

Ausgespart von den Neuregelungen ist vorläufig noch die Krankenversorgung für „illegal“ sich in Frankreich aufhaltende nichtfranzösische Staatsangehörige, die AME (Aide médicale d’Etat): Diese wird laut Vereinbarung zwischen Nationalversammlung und Senat nun Anfang 2024 Gegenstand eines eigenen, spezifischen Gesetzentwurfs werden. Dabei wird es um ihre Einschränkung gegenüber dem bisherigen Zustand gehen.

Widerstände… und demnächst viel Ausführlicheres!

Auf weitere Bestimmungen  im Einzelnen sowie die derzeit laut werdenden Widerstände dagegen werden wir, aus Zeit- wie Platzgründen, bei der kommenden Aktualisierung der Inhalte im Labournet.de, also Anfang Januar 24 eingehen. Doch zu den Widerständen bereits so viel: Am Montag, den 18. Dezember fanden in mehreren Dutzend französischen Städten, darunter Paris mit 5. bis 10.000 Teilnehmenden (reale Zahl; Veranstalter/innen: „20.000“), Protestversammlungen und Demonstrationen dagegen statt. Erneut wird am heutigen Freitag Nachmittag….nach Redaktionsschluss in Paris dazu demonstriert.

Im Gesundheitsbereich und im Hochschulsektor, besonders betroffen von der drohenden Einschränkung der Krankenversorgung sowie der nunmehr von ausländischen Studierenden eingeforderten „Kaution als Rückkehrgarantie“ (ihre Höhe wird später durch Regierungsdekret näher bestimmt werden müssen), machen sich massive Widerstände breit. Auch aus den Institutionen in diesen Sektoren kommen stark kritische Erklärungen.

Die Gewerkschaften sind an vorderer Front bei Protesten gegen die Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse zum Thema mit dabei. Am Montag, den 18.12.23 beteiligten sich etwa in Paris die Gewerskchaftsvereinigungen CGT, FSU und Union syndicale Solidaires an der Demonstration (vgl. auch Photos des Verfassers). Die CFDT demonstrierte nicht, publizierte aber eine eigene, inhaltlich klare Erklärung gegen den „skandalösen“ Gesetzestext. CFDT-Generalsekretärin Sophie Binnet forderte am gestrigen Donnerstag, den 21.12.23 zum „zivilen Ungehorsam“ gegen das künftige Gesetz auf.

32 durch eine der Linksparteien (in aller Regel die Sozialdemokratie mit oder ohne Bündnispartner/innen) regierte französische Départements von insgesamt 100 erklärten ihrerseits, die neuen Regelungen nicht anzuwenden und zumindest eine der betroffenen Sozialleistungen auch künftig nach den bisherigen Regeln weiterhin auszuzahlen. Es handelt sich um die Pflegebeihilfe für Hilfsdienste bei über sechzigjährigen Personen, die ihre Bewegungsfreiheit verlieren und auf häusliche Pflege angewiesen werden. Auch diese Leistung wird künftig unter die 2,5- bzw. Fünf-Jahres-Regelung des neuen Gesetzes fallen.

Ihrerseits drohte Konservativen-Chef Eric Ciotti damit, man werde keine „autonome Republik Seine-Saint-Denis“ (unter Bezugnahme auf das zweitärmste französische Département, das mit dem höchsten Migrations-Anteil in Frankreich) in der Französischen Republik dulden. Und sollte die Regierung ihrerseits nach Ausflüchten suchen und sich der Anwendung der neuen Regeln entziehen, dann sei Schluss mit konstruktiv: Dann werde man mit allen Mitteln vorgehen, und es werde „kein Terrain für Vereinbarungen mehr geben“. Dass Konservative dann Autos abfackeln dürften, ist eher nicht zu erwarten, doch ist an dann auch immer explizitere Bündnisse von Konservativen und Neofaschisten zu denken. Teile des Regierungslagers hoffen unterdessen mehr oder inständig darauf, dass Verfassungsgericht könnte noch Teile des Gesetzeswerks kassieren, etwa Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivat, die in der Nationalversammlung selbst dem Entwuf zustimmte, doch daraufhin im Frühstücksinterview bei RMC und BFM TV ihr „Unwohlsein“ im Umgang mit Grundwerten betonte und darauf insistiere, da gebe es ja noch den Verfassungsgerichtshof, den Conseil Constitutionnel. Ihn rief Staatspräsident Macron nun am Mittwoch selbst an, nicht, um einen Artikel konkret zu attackieren (wie sonst bei Verfassungsbeschwerden), sondern um ihn zur Überprüfung der Bestimmungen aufzufordern. Im weit über einstündigen TV-Interview am Abend beim Sender France 5 verteidigte Macron den Text grundsätzlich, hielt es aber laut eigenem Bekunden für „keine gute Idee“, eine Rückkehr-Kaution von ausländischen Studierenden einzufordern; wolle man doch auch künftig für internationalen Eliten attraktiv bleiben.

Fortsetzung zu all dem folgt garantiert… im nächsten Jahr…

Artikel und Fotos von Bernard Schmid vom 22. Dezember 2023 – wir danken!

(Stand: Nacht vom Donnerstag, den 21. Dezember auf Freitag, den 22. Dezember 23)

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