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Abwackprämie 2.0: #Industriestrompreis – IG Metall u.a. fordern Rabatte für Stromfresser, aus Wettbewerbsgründen
Dossier
„… 2023 muss das Jahr des Aufbruchs in eine gelingende sozial-ökologische Transformation, in #Fairwandel, werden. Der “Inflation reduction act” erhöht den Druck auf Europa, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Leitmarkt für eine erfolgreiche Energie- und Mobilitätswende zu werden. Es geht da nicht zuallererst um Subventionen – es geht um Verlässlichkeit der langfristigen Rahmenbedingungen und es geht um einen Ausgleich der Wettbewerbsnachteile auf Grund der heute höheren Energiekosten in Europa. Wir brauchen für die energieintensive Industrie einen Industriestrompreis, der es erlaubt, im globalen Wettbewerb zu bestehen….“ Aus dem Statement von Jörg Hofmann bei der IG Metall-Jahrespressekonferenz am 26. Januar 2023 – daraus wurde eine Kampagne, weil „Standort- und Arbeitsplatzverluste“ drohten… Siehe dazu nun auch IG BCE, IG BAU und DGB…
- [Webinar am 18.12.2023] Scholz, Habeck, Lindner und der Industriestrompreis – Milliardengeschenke für ökologieschädliches Produzieren
„Monatelang war sich die Ampel-Regierung uneinig, welche Geschenke man der Industrie in Sachen Industriestrompreis machen kann. Schließlich haben sich SPD, Grüne und FDP geeinigt. Unternehmen der Chemiebranche, der Stahl- und Aluminiumindustrie, der Papier- und der Glasbranche sowie Zementproduzenten sowie zahllose Mittelständler werden mit Milliarden von Steuergeldern gepampert. Nach offizieller Lesart dienen die beschlossenen Maßnahmen dazu, die Abwanderung von (umweltverschmutzenden) Konzernen zu verhindern. Sie dürften trotz des Verfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds Bestand haben. In der Veranstaltung untersucht unser Referent die einzelnen Maßnahmen und fragt, wer die Nutznießer sind. Er geht der Frage nach: Gibt es Auflagen an die betroffenen Unternehmen zum ökologischen Umbau? Oder handelt es sich um ein milliardenschweres Förderprogramm für Konzerne zur Renditesteigerung mit beigehefteten Freibrief zur ungehemmten Klimazerstörung als freundlicher Beigabe? Unsere Referenten haben sich in vielen Veröffentlichungen mit dem ökologischen Umbau der Industrie auseinandergesetzt. Sie sehen den Industriestrompreis kritisch und entwerfen Alternativen, die auch dauerhafte Arbeitsplätze schaffen.“ Meldung vom 5. Dezember 2023 bei der VKG , dort die Zoom-Einwahldaten zur Veranstaltunf von Netzwerk Ökosozialismus, Internationale Sozialistische Organisation (ISO), ISW München mit Klaus Meier (Ingenieur und Autor) und Franz Garnreiter (Diplomvolkswirt, ISW München) | Montag, 18. Dezember 2023, Beginn: 19:00 Uhr | - Bundesregierung senkt Steuer auf Industriestrom auf ein Minimum – für alle Unternehmen: Ein Schritt zum Irrweg Brückenstrompreis als Geschenk für die Industrie
- Bundesregierung senkt Steuer auf Industriestrom auf ein Minimum
„Die Industrie zahlt in den kommenden fünf Jahren eine deutlich ermäßigte Stromsteuer. Energieintensive Unternehmen werden weiterhin zusätzlich entlastet.
Monate lang haben die Koalitionspartner um einen niedrigen Industriestrompreis gerungen. Jetzt haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu einem Kompromiss gefunden. Die Steuer für Industriestrom wird auf das europäische Mindestmaß abgesenkt. Das entspricht einem Aufschlag von nurmehr 0,05 Cent je kWh. Zum Vergleich: Bislang mussten Unternehmen 1,537 Cent/kWh dafür berappen.
Entlastung beim Strompreis gilt für alle Unternehmen
Die FDP hat sich mit ihrer Forderung durchgesetzt, alle Unternehmen zu entlasten – und nicht nur die energieintensiven Industrien. Für 350 Unternehmen, die besonders von hohen Strompreisen belastet sind und dadurch Wettbewerbsnachteile gegenüber der ausländischen Konkurrenz erleiden, soll es über die kommenden fünf Jahre aber zusätzliche Hilfen geben. Das war ein Kernanliegen von Wirtschaftsminister Habeck…“ Artikel von André Weikard vom 09.11.2023 in den VDI-Nachrichten - Irrweg Brückenstrompreis: Warum billige Energie für die Industrie der ökologischen Transformation schadet
„… Ein politisch festgelegter Höchstpreis soll nach Meinung wichtiger politischer und industrieller Akteure nun sicherstellen, dass energieintensive Betriebe aus Branchen wie der Chemie-, Stahl-, Aluminium-, Glas- oder Papierindustrie bis 2030 in Deutschland nicht mehr als sechs Cent (Grünen-Vorschlag), fünf Cent (SPD-Vorschlag) oder vier Cent (Vorschlag vom Verband der Chemischen Industrie) pro Kilowattstunde zahlen müssen. Zum Vergleich: Die Strompreise für Privathaushalte liegen im Schnitt aktuell bei gut 40 Cent pro Kilowattstunde („Strompreisdeckel“), die für kleine und mittlere Industriebetriebe bei durchschnittlich 23 Cent. Der aktuelle Preis an der Großhandelsbörse für Strom, der für die energieintensive Industrie letzlich entscheidend ist, lag vor Steuern, Umlagen und Netzentgelten Mitte Oktober bei etwa zehn Cent/kWh. Geht es nach Grünen und SPD, sollen 80 Prozent der Differenz zwischen Börsenpreis und „Brückenstrompreis“ für die energieintensiven Grundstoffindustrien nun vom Steuerzahler finanziert werden. (…)
Der Brückenstrompreis verschleppt Zukunftsinvestitionen
Die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen liegen in Deutschland nach Angaben des Umweltbundesamtes bei jährlich rund 65 Mrd. Euro, wobei dieser Betrag eher als konservative Schätzung gelten muss. 40 Prozent dieser Subventionen entfallen auf den Energiebereich und hiervon wiederum ein erheblicher Teil auf Privilegien der energieintensiven Industrien, vor allem auf Steuer-, Abgaben- und Umlagebefreiungen. Mit dem Herunterdrücken der Strompreise für energieintensive Indus-trien im Umfang von etwa fünf Mrd. Euro jährlich würden die umweltschädlichen Subventionen im Energiebereich erheblich ansteigen – und das, obwohl von Teilen der Ampelkoalition immer wieder die Notwendigkeit des deutlichen Absenkens ebendieser problematischen Subventionen beschworen wird. Das ist nicht stimmig, auch wenn zugegebenermaßen momentan die Subventionen für fossile Energien weltweit steigen. Gegen diese fatale Tendenz, die weder mit den Pariser Klimazielen noch einer fairen Weltwirtschaftsordnung zu vereinbaren ist, abgestimmt vorzugehen, wäre eine wichtige Aufgabe der EU und anderer multilateraler Institutionen. Jedenfalls fehlt das zur Subventionierung der Industriestrompreise verwendete Geld für echte Investitionen in die ökologische Transformation und den Klimaschutz. (…)
Wenn der Staat garantiert, dass Energiepreise ein bestimmtes Niveau nicht übersteigen, verringert er den Anreiz, Energie einzusparen und effizient zu verwenden. Er bremst damit in einem zentralen Sektor das Streben nach einer systematischen Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Energieproduktivität, also des Verhältnisses des Bruttoinlandsprodukts zum Energieaufwand, mit dem es erzeugt wird. (…)
Insbesondere der Mittelstand sowie die Bürgerinnen und Bürger insgesamt zahlen für den subventionierten Industriestrompreis doppelt: Als Steuerzahler finanzieren sie die Subvention für die energieintensive Industrie mit, als Stromkunden zahlen sie selbst einen höheren Strompreis. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass diese doppelte Quersubventionierung von großen Teilen der Bevölkerung als ungerecht empfunden würde und Wasser auf die Mühlen der Populisten von links bis rechts wäre. (…) zum einen ist zu fragen, ob das Lamento der Lobbyisten der energieintensiven Industrien über angeblich existenzbedrohende Strompreise wirklich glaubwürdig ist. Übertriebene Horrorszenarien in die Welt zu setzen, gehörte nämlich schon in der Vergangenheit zu deren Geschäftsmodell, etwa bei der Torpedierung des Emissionshandels. Und zum anderen kann man über die Gerechtigkeitsfrage nicht einfach hinweggehen, denn sie ist für alle einfach zu stellen und zu verstehen: Ist es gerecht, wenn die Privilegien der einen ausgedehnt werden und die anderen dafür bezahlen? Wohl eher nicht…“ Artikel von Reinhard Loske in den Blättern vom November 2023 mit 5 Leitlinien für einen sozialökologischen Umbau der Industrie - Subventionierter Industriestrom: Habecks Geschenk für die Industrie
„… Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sei gefährdet, heißt es von den Befürwortern. Die hiesige Industrie habe viel höhere Energiekosten als in anderen Ländern, schallt es seit Monaten aus fast allen Kanälen. Mal dahingestellt, ob das mit den höheren Kosten überhaupt stimmt, muss man aus globaler Perspektive jedoch fragen, wo eigentlich das Problem wäre, wenn die hiesige Exportwirtschaft mal ein wenig im Wettbewerb zurückfallen würde. Schließlich hat Deutschland seit Jahrzehnten einen notorisch hohen Handelsbilanzüberschuss, der für allerlei Ungleichgewichte im Welthandel sorgt und unter anderem auch maßgeblich zu den großen Problemen der südeuropäischen Länder beiträgt. Aber natürlich verfängt hierzulande die Angstmacherei vor etwaigen Schwierigkeiten der Exportwirtschaft und das Gerede von der drohenden Abwanderung der Industrie nur zu gut. Fest, sehr fest ist der Standortnationalismus in die Köpfe eingebrannt und blockiert dort naheliegende Fragen nach weltwirtschaftlichen Gleichgewichten, nach Sinnhaftigkeit und Umweltverträglichkeit des Produzierten oder nach auch Arbeitszeitverkürzung als Alternative zu Entlassungen bei Absatzrückgang.
Auf Schnäppchenjagd
Doch all das nur am Rande. Hier soll es um Habecks Industriestrompläne gehen. Der Minister möchte gern für energieintensive Unternehmen einen sogenannten Brückenstrompreis einführen. Bis 2030 sollen sie Strom aus dem öffentlichen Netz für 6 Cent pro Kilowattstunde beziehen können. Danach würde es dann – vor dem Hintergrund eines beschleunigten Ausbaus von Solar- und Windenergie – diverse Erleichterungen und Regelungen geben, die den Verbrauch von Grünstrom in den Betrieben verbilligt und besonders attraktiv machen. (…)
Es ist Zeit, noch einmal daran zu erinnern, dass der Strom für Industriekunden und Großabnehmer ohnehin seit eh und je in unterschiedlichen Formen vergünstigt ist. Zum Beispiel dadurch, dass Privatkunden einen höheren Preis bezahlen müssen. Die diversen Steuern und Abgaben außer acht gelassen, zahlen Private bisher im Durchschnitt 33,8 Cent pro Kilowattstunde für Beschaffung, Vertrieb und Netzentgelte. Industriekunden müssen hingegen im Durchschnitt nur 23,64 Cent pro Kilowattstunde für diesen Teil des Strompreises hinlegen.
Ist das soviel mehr, als in anderen Ländern? »Exorbitant hohe Strompreise« zahle die deutsche Industrie im Vergleich zu ihrer Konkurrenz, meinte im Mai BDI-Präsident Siegfried Russwurm gegenüber der Tagesschau. Stimmt das? Das EU-Statistikamt gibt für das erste Halbjahr 2023 einen Preis für Nichthaushaltskunden von knapp 27 Cent pro Kilowattstunde an. Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft gibt für das erste Halbjahr 2023 einen durchschnittlichen Preis von 26,5 Cent pro Kilowattstunde an. Davon sind knapp 3 Cent Steuern und Abgaben. (Private Verbraucher zahlen in Deutschland derzeit pro Kilowattstunde Strom im Durchschnitt 12,47 Cent an Steuern und Abgaben.) In Italien, Belgien, den Niederlanden und in einigen osteuropäischen Ländern muss die Industrie laut Eurostat mehr bezahlen, andere Länder, wie etwa Frankreich, seit neuestem auch Dänemark, haben den Industriestrompreis zum Teil schon deutlich gedrückt. Nach Angaben der Plattform GlobalPetrolPrices.com mussten im März in China Gewerbekunden umgerechnet 8 und in den USA 13,1 Eurocent pro Kilowattstunde zahlen, aber das sind nur bedingt vergleichbare Momentaufnahmen. Von »exorbitant« kann also nicht die Rede sein, wohl aber, dass Deutschland sich mit seinen Industriestrompreisen im oberen Drittel bewegt, und dass es trotz EU offensichtlich einen Wettbewerb gibt, die heimische Industrie mit niedrigen Strompreisen zu begünstigen. Aber ist das ein Grund, auch hierzulande Großverbraucher noch mehr als ohnehin schon zu belohnen? Sollte man nicht eher Stromsparen stärker fördern?
Frieren zum Wohl der Industrie?
Die Industrie ist nach Angaben des Umweltbundesamtes für 45 Prozent des hiesigen Stromverbrauchs verantwortlich, und dieser Anteil wird vermutlich weiter steigen, wenn zum Beispiel die Stahlproduktion und die Wasserstofferzeugung für die Chemieindustrie auf Strom umgestellt werden…“ Artikel von Wolfgang Pomrehn in der Soz Nr. 11/2023
- Bundesregierung senkt Steuer auf Industriestrom auf ein Minimum
- DGB, IG BCE… Neue Allianz aus Gewerkschaften und Verbänden fordert „Brückenstrompreis jetzt!“ – und erwartet dafür Entgegenkommen von der Kapitalseite
- Industriestrompreis: Neue Allianz aus Gewerkschaften und Verbänden fordert „Brückenstrompreis jetzt!“
„Deutschland braucht schnell die Entscheidung für einen wirksamen Brückenstrompreis. Das fordern die Verbände und Gewerkschaften der energieintensiven Industrien sowie der DGB. Diese Organisationen haben sich in dieser Woche zu einer Allianz pro Brückenstrompreis zusammengeschlossen. Die Mitglieder der Allianz vertreten insgesamt mehr als 1,1 Mio. Beschäftigte in über achttausend Unternehmen. Insgesamt hängen laut einer aktuellen Kurzstudie bis zu 2,4 Mio. Arbeitsplätze und gut 240 Mrd. Euro Wertschöpfung an den Unternehmen der energieintensiven Branchen. Sie sichern Bund, Ländern und Kommunen mit jährlich rund 90 Mrd. Euro Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen hohe Einnahmen. (…) Es sei „fünf vor zwölf“ für die energieintensiven Industrien. Längst drohten Verlagerungen, Standortschließungen und der Verlust von Arbeitsplätzen. Gemeinsam bekennen sie sich zum Industriestandort Deutschland und der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion. Strom werde dabei immer wichtiger. Bis dieser in ausreichenden Mengen aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehe, sei ein wettbewerbsfähiger, zeitlich begrenzter Brückenstrompreis dringend notwendig. Nach monatelangem Hickhack müsse nun eine Entscheidung für die Zukunft der Industrie in Deutschland getroffen werden. Vor allem der Bundeskanzler müsse klar Stellung beziehen. In gemeinsamen Schreiben an politisch Verantwortliche in Bund und Ländern kündigte die Allianz an, in den kommenden Tagen und Wochen das Gespräch mit Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, Mitgliedern des Kabinetts sowie Abgeordneten in Bund und Ländern zu führen…“ Pressemitteilung der IG BCE vom 18. August 2023 , siehe dazu weitere und einen Kommentar: - DGB: Brückenstrompreis jetzt!
„… Yasmin Fahimi, Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund: „Die Bundesregierung muss jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland ein erfolgreiches und klimaneutrales Industrieland wird. Hochwertige Industriearbeitsplätze und starke industrielle Wertschöpfung wird es auch in Zukunft geben müssen. Dafür braucht die Industrie endlich Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit beim Strompreis. Allerdings nicht ohne sich dabei auch zu Standort- und Tariftreue zu bekennen. Bei allen Anstrengungen der Bundesregierung: Wir dürfen jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Die Bundesregierung muss ihren Ankündigungen daher Taten folgen lassen und den Brückenstrompreis zügig umsetzen. Abwarten können wir uns schlicht nicht leisten.“ (…) Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall: „Die aktuell hohen Energiekosten, und die Tatsache, dass Deutschland mit die höchsten Industriestrompreise in Europa aufweist, verlangen faire Lösungen. Anderenfalls drohen die Stahlerzeugung, die Aluminiumindustrie und weitere energieintensive Branchen eher früher als später aus Deutschland zu verschwinden. Die Folgen dessen für die gesamte deutsche Industrie wären fatal. Aus Sicht der IG Metall muss ein Brückenstrompreis folgende Aspekte beinhalten: Eine Beschränkung auf die energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, eine zeitliche Befristung verbunden mit einer konkreten Transformationsperspektive zum Bezug günstiger regenerativer Energie, um Mitnahmeeffekte zu verhindern sowie – uns als Gewerkschaft besonders wichtig – Investitionen der geförderten Unternehmen in die Transformation, Standortgarantien und Verpflichtung zur Tariftreue.“ (…) Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG Bergbau, Chemie, Energie: „Die Energiekrise setzt den Standort Deutschland unter Handlungsdruck: Wir dürfen eine hochentwickelte Industrie mit Hunderttausenden gut bezahlten Arbeitsplätzen nicht einfach aufgeben – wir müssen sie intelligent weiterentwickeln. Einen Exodus der energieintensiven Betriebe können wir uns weder gesellschaftlich, noch volkswirtschaftlich oder klimapolitisch leisten. Zu entscheidend sind sie für die Transformation der Industrie insgesamt. Jetzt gilt es, unsere Stärken zu stärken und die Rahmenbedingungen für die energieintensive Industrie wieder auf Augenhöhe mit denen anderer Wirtschaftsnationen zu bringen. Dazu gehört zuallererst ein fairer Strompreis. Von starken Energieintensiven profitiert die komplette industrielle Wertschöpfungskette – und damit schlussendlich das gesamte Land.“ DGB-Pressemitteilung vom 18. August 2023 - [DGB Niedersachsen] Industriestrompreis: Brücke in die Dekarbonisierung
„Die hohen Strompreise belasten die energieintensive Industrie. Um Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft zu unterstützen, wäre ein gedeckelter Industriestrompreis für eine Übergangsphase ein geeignetes Mittel. Unterstützung darf es aber nur tarifgebundene und standorttreue Betriebe geben (…) Die ökonomische Dynamik in der Bundesrepublik kommt nicht in Schwung. Nach einer leichten Rezession im ersten Quartal hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen April und Juni nur stagniert. Neben der auf die Kaufkraft drückenden Inflation und einem durch starke Zinsanstiege eingetrübten Bausektor, schwächelt auch die energieintensive Industrie. Dazu gehören bekannte Schwergewichte wie die Herstellung von chemischen Erzeugnissen, die Stahlbranche oder auch die Glas- und Nahrungsmittelproduktion. (…) Ursache für diesen Rückgang sind insbesondere die stark gestiegenen Strompreise. (…) Allerdings muss ein Industriestrompreis an klare Bedingungen geknüpft sein. Eine Unterstützung dürfen nur tarifgebundene und standorttreue Betriebe erhalten, die sich zur Beschäftigungssicherung und zum klimaneutralen Umbau ihrer Produktion verpflichten. Bedingungsloses Geld vom Staat gilt es auszuschließen. Nur damit wäre ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung geleistet.“ #schlaglicht 26/2023 vom 17. August 2023 vom DGB Niedersachsen - Kommentar von Armin Kammrad vom 19. August 2023
„Hier wurden bewusst nur die Positionen der Vertreter der DGB-Gewerkschaften zitiert, da eine Werbung für genau jene Unternehmen verfehlt erscheint, die sich bei jeder Tarifauseinandersetzung sonst eher gewerkschaftsfeindlich verhalten. Oder hat schon jemals jemand erlebt, dass die Kapitalseite die aus der gesamt- und betriebswirtschaftlichen Sicht völlig berechtigten Forderungen der Gewerkschaften ohne Streikandrohung oder gar Streik ohne Widerrede verständnisvoll akzeptiert? Umgekehrt stellt sich nun leider heraus, dass DGB-Gewerkschaften da viel eher kapitalfreundlich agieren, was mit diesem sozialpartnerschaftlichen verbalen Bündnis bereits realisiert wurde. Gegenüber der regierenden Politik können nun die Unternehmen beim Brückenstrompreis auf Einheit mit zumindest den DGB-Gewerkschaften verweisen. Auch wenn vom DGB einiges Entgegenkommen von der Kapitalseite erwartet wird (Tariftreue, Standortsicherheit, Klimaneutralität), glaubt da wirklich ernsthaft jemand noch an den Weihnachtsmann? Was ist z.B. mit den Gewinnen (inkl. Dividenden), die ja beispielsweise genauso wegen Inflation geringer ausfallen könnten, analog den privaten Haushalten, die ja wegen Inflation auch mehr ausgeben müssen – aber nicht mehr als Ausgleich bekommen? Dass es letztlich beim industriellen Strompreis nur darum geht, wer die höchsten Gewinne einstreicht, zeigt anschaulich der RWE-Konzern, der in seiner Bilanz nicht nur – trotz Ukraine-Krieg – einen Gewinnsprung auf über 6.000 Mio. Euro für 2022 gegenüber 3.000 Mio. Euro für 2021 bilanzierte, sondern damit sogar seine Prognose für 2030 bereits jetzt deutlich überschritt. Es geht beim Kapital also darum, wer hier die höchsten Gewinne bzw. geringsten Verluste einfährt. Aber sind die Gewerkschaften nicht ausschließlich den Interessen ihrer abhängig Beschäftigten verpflichtet? Natürlich geht es hierbei vor allem um eine Machtfrage. Deren gewerkschaftliche Lösung besteht jedoch sicher nicht darin, dass man/frau sich erpressen lässt. Allerdings ist das noch recht zahm und entgegenkommend formuliert. Diese fragwürdige Allianz lässt sich nämlich auch als bewusster Schritt bestimmter Kreise in den Gewerkschaften verstehen (vgl. zitierte Begründungen). Doch das Kapital tut nicht mehr für seine bei ihm abhängig beschäftigten Arbeitkräfte, wenn man dessen Gewinnstrebungen unterstützt und möglichst lieb zu ihm ist. Es ist Zeit für das Gegenteil – nun leider auch innerhalb der Gewerkschaften für völlig verfehlte Unterordnung unter die Kapitalmacht.“ – wir danken!
- Industriestrompreis: Neue Allianz aus Gewerkschaften und Verbänden fordert „Brückenstrompreis jetzt!“
- Wenn Sozialpartnerschaft zu Lasten des eigenen Klientels geht: Nun auch der DGB für #Industriestrompreis – natürlich nur mit „Tarif- und Standorttreue“
„Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat heute in Berlin Eckpunkte für einen Industriestrompreis vorgelegt. Hierzu sagt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi: „Wir begrüßen, dass der Bundeswirtschaftsminister einen diskussionsfähigen Vorschlag auf den Tisch gelegt hat. Wir brauchen jetzt schnell planungssichere Energiepreise, um wesentliche Industrien in Deutschland zu halten. Die energieintensiven Industrien im internationalen Wettbewerb können ohnehin mit anderen Weltregionen kaum mehr Schritt halten, da die Strompreise als größter Ausgabenposten das Geschäft und damit den Standort bestimmen. Mit den gewollten und richtigen Umbauanforderungen für Klimaneutralität sind zusätzlich gewaltige Investitionen notwendig, für die dann aber kein Spielraum mehr bliebe. Ein für Wirtschaft und Wohlstand erfolgreicher Weg in die Klimaneutralität braucht jetzt eine Brücke bis 2030. Andernfalls würde das Strompreisniveau auf absehbare Zeit in problematische Höhen fliegen. Ein Niveau von 6 Cent für 80 Prozent des Bedarfs ist angemessen und ausgewogen. Die Finanzierung durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WFS) ist sinnvoll. Diese Preisgarantie muss aber an Bedingungen geknüpft sein, Mitnahmeeffekte ausgeschlossen werden. Deswegen ist es ein wichtiges politisches Signal, dass Robert Habeck die Inanspruchnahme des staatlichen Industriestrompreises an die Tarif- und Standorttreue und Transformationsverpflichtungen der Unternehmen binden will. Da darf es keine Schlupflöcher geben.
Jetzt ist die Ampel-Koalition in der Pflicht, den Vorschlag des BMWK in einem gemeinsamen Gesetzentwurf zu konkretisieren – Ziel muss Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen sein. Auch die Unternehmen müssen ihren Beitrag zum Gelingen der Transformation leisten und nun mehr in die Entwicklung hiesiger Standorte investieren. Mit einer Monitoring-Klausel sollten deshalb auch bei gravierenden Änderungen des Marktumfelds schnelle Anpassungen möglich sein.“ DGB-Pressemitteilung vom 05.05.2023 („DGB begrüßt Habeck-Vorschlag für einen Industriestrompreis“), siehe zum Hintergrund:- Habeck plant neue Subventionen für Industriestrom.
„Die Industrie soll bis 2030 vergünstigten Strom erhalten. Umweltschützer:innen fordern ein Ressourcenschutzgesetz. Warum das notwendig ist, zeigt allein ein Konzern.
Am Freitag hat Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck ein Konzept für einen gedeckelten Industriestrompreis vorgelegt. Demnach soll für bestimmt energieintensive Unternehmen der Strompreis in den nächsten Jahren auf sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) begrenzt werden. Überschreitet der durchschnittliche Börsenstrompreis eines Jahres diesen Wert, bekämen die Unternehmen die Differenz erstattet. Damit möchte Habeck die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Unternehmen in diesem Jahrzehnt, Arbeitsplätze und Standorte sichern. (…)
In Bezug auf den gedeckelten Industriestrompreis ist auch von einem „Brückenstrompreis“ die Rede. Davon sollten „ausschließlich energieintensive Industrieunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, inklusive neuer energieintensiver Transformationsindustrien“ profitieren und der Deckel sollte maximal bis 2030 gelten. Ab dann soll nämlich (mit einem Anteil von 80 Prozent) ausreichend günstiger erneuerbarer Strom im Netz vorhanden sein. Damit die Unternehmen auch bei einem subventionierten Strompreis noch sparsam mit der Energie umgehen, soll der vergünstigte Tarif nur für 80 Prozent ihres Verbrauchs gelten. In den Vorschlägen enthalten ist auch ein Konzept für Industriestrompreise über 2030 hinaus. Über einen langfristigen „Transformationsstrompreis“ sollen die energieintensiven Unternehmen preisgünstigen Strom aus erneuerbaren Energien beziehen können. (…)
Robert Habeck hat das Konzept für einen gedeckelten Industriestrompreis vergangene Woche fast pünktlich zum Erdüberlastungstag vorgelegt. „Deutschlands Wohlstand basiert auch auf seiner starken industriellen Basis und wir brauchen diese starke Basis auch in Zukunft“, erklärte der Bundeswirtschaftsminister. Der Wohlstand in Deutschland und die starke Industrie sorgen aber auch dafür, dass hierzulande die natürlichen Ressourcen noch schneller überlastet sind als in vielen anderen Ländern. Umso genauer müsste eigentlich hingeschaut werden, welche Industrien mit günstigen Strompreisen subventioniert werden sollen. (…)
Wird nun mit günstigen Strompreisen die industrielle Produktion gefördert, zieht das wiederum Ressourcenverbrauch nach sich. Besonders ressourcenintensiv ist beispielsweise die Automobilbranche, und sie wird es auch bleiben, selbst wenn sie sich eines Tages endlich aus der Produktion von Verbrenner-Pkw verabschiedet. Der BUND führt ein Zukunftsszenario der Organisation PowerShift an, wonach Volkswagen 2030 allein für die Batterien seiner Fahrzeuge knapp 800.000 Tonnen Aluminium und 250.000 Tonnen Nickel benötigen würde. Das ist zehnmal so viel Nickel und Aluminium wie der gesamte geplante Ausbau der Windkraft in Deutschland (bis 2030) – bei nur einem Konzern. Besonders ungünstig wäre es daher, wenn Elektroautos in Konkurrenz zur Herstellung von Windrädern treten, denn deren Strom wird am Ende wieder benötigt, um die Autos auch zu laden. Abgesehen davon, dass für den Bau von Straßen für noch mehr Autos weitere Natur zerstört und Ressourcen verbraucht werden.“ Beitrag von Jutta Blume vom 09. Mai 2023
- Habeck plant neue Subventionen für Industriestrom.
- Industriestrompreis: Wer rettet das Kapital? Die Preise sind zu hoch – wer wüsste das nicht? Dazu ein Lehrstück aus der deutschen Sozialpartnerschaft
„… Es wird der Standpunkt der Industrie eingenommen, so viel ist deutlich. Diese großen Betriebe sind offenbar einer Gefahr ausgesetzt. Sie besteht in zu hohen Strompreisen. Damit könnten sie im „globalen Wettbewerb“ nicht bestehen. Was dann zur Folge hätte, dass sie das Weite suchen – also ihre Produktion in Länder verlagern, wo die Energiekosten nicht so hoch ausfallen. Und das darf nicht passieren, weil Deutschland die Industrie ja braucht, für „die Arbeitsplätze der Zukunft“.
Politiker, Unternehmer, Gewerkschafter in Sorge vereint
Irgendwie kommen wir da nicht weiter. Diese Sorgen könnte ein grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck geäußert haben, ebenso der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer Peter Adrian, ein aufrechter Sozialdemokrat und Bundestagsabgeordneter wie Bernd Westphal, der CSU-Ministerpräsident Markus Söder oder ein Gewerkschaftschef wie Jörg Hofmann von der IG Metall.
Und siehe da: Tatsächlich haben sich alle Genannten in der letzten Zeit für einen niedrigeren Strompreis, der der energieintensiven Industrie zugute kommt, stark gemacht. Aber wer hat denn nicht nur geredet, sondern am 9. März in einem Aktionstag dafür demonstriert? Die Gewerkschaften waren es, und sie sind die Urheber der Zitate. In der Reihenfolge ihres Auftretens: Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall, Torsten Falke, Bezirksleiter der IGBCE Augsburg, und Ralf Goller, Geschäftsführer der IG Metall Gelsenkirchen. (…) Damit gehen die Gewerkschaften ihren Weg konsequent weiter: Wer hierzulande Arbeit vom „Arbeitgeber“ bekommt, soll sich als Arbeit-Nehmer glücklich schätzen. Dafür muss natürlich der Arbeit-Geber auch Arbeit zu vergeben haben, sprich, er muss etwas produzieren. Und das muss sich selbstverständlich lohnen, sonst findet es nicht statt. Zu hohe Kosten, zum Beispiel für Energie, gefährden den Gewinn. Dann ist es nur zu verständlich, dass der Arbeitgeber woanders, im billigeren Ausland, seine Arbeit vergibt. Also müssen die gefährlichen Kosten gesenkt werden. Wem das verdächtig nach einer Art Klippschule für Wirtschaftsanfänger klingt, der liegt nicht ganz falsch – dies ist aber der Kern der Gewerkschaftslogik. Menschen, die keine Produktionsmittel und kein Kapital besitzen, können nur an das lebensnotwendige Geld kommen, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen – so viel ist richtig. Dieser für die Mehrheit des Volkes unausweichliche Zwang, auf das Benutztwerden von Unternehmen angewiesen zu sein, nehmen ihre Interessenvertreter aber nicht einfach zähneknirschend oder fatalistisch hin. Sie halten dieses Verhältnis sogar für das Normalste der Welt. So geht für die Gewerkschaften halt „Wirtschaft“. Aber: unter einer Bedingung! „Beschäftigung“ soll ausreichend zustandekommen für ihre Klientel – so als ob dies der Zweck der Veranstaltung wäre. (…) Eine neue Qualität stellt nun das gewerkschaftliche Engagement für niedrigere Industriestrompreise dar. IG Metall und Co. machen sich die Kostenprobleme der Unternehmen noch umfassender zu eigen. Sie gehen auf die Straße, damit das deutsche Kapital gegenüber der ausländischen Konkurrenz – übrigens mitsamt den ausländischen Kollegen, aber das tangiert eine deutsche Gewerkschaft nicht – weiter überlegen bleibt. Dafür soll der Staat sorgen, indem er den Preis subventioniert, also künstlich senkt. Dass er sich das Geld dafür auf dem Finanzmarkt leiht und damit die ehedem hohe Inflation, unter der gerade die Arbeitnehmer leiden, noch mehr anschiebt, ist hier nicht von Interesse. Man möchte sich gar nicht weiter ausmalen, für welche anderen Kostensenkungen die Gewerkschaften ihre Mitglieder demnächst noch antreten lassen: zu teure Maschinen und Rohstoffe, zu aufwendige Transportwege und Transportmittel, zu hohe Steuern und Abgaben, zu strenge Umweltauflagen usw…“ Artikel von Björn Hendrig am 20.4.2023 in gewerkschaftsforum.de - Industriegewerkschaften fordern bezahlbaren Strom für energieintensive Branche
„Angesichts der hohen Strompreise in Deutschland rufen die Industriegewerkschaften zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Insbesondere in den energieintensiven Branchen wie der Stahl-, Chemie- oder Baustoffindustrie drohen Arbeitsplatzverluste und Standortschließungen, warnen die drei Industriegewerkschaften IG Metall, IGBCE und IG BAU. Sie fordern die Bundesregierung auf, für die energieintensiven Branchen einen speziellen Industriestrompreis einzuführen, der dem europäischen Vergleich standhält, international wettbewerbsfähig ist und langfristige Planbarkeit gewährleistet. Nur so ließen sich Arbeitsplätze und Produktionsstandorte langfristig sichern. Mit einem bundesweiten Aktionstag am kommenden Donnerstag, 9. März, wollen sie dieser Forderung öffentlich Nachdruck verleihen…“ Gemeinsame Pressemitteilung von IG Metall, IGBCE und IG BAU vom 7. März 2023 bei der IG Metall
Siehe zum Thema auchim LabourNet Germany:
- Siehe den Vorstoss der IG Metall („Arbeitsplätze in Gefahr: Industriestrom muss bezahlbar sein“) in unserem Beitrag IG Metall-Jahreskonferenz: „2023 muss zum Jahr des fairen Wandels werden!“ – wohl auch in der Gewerkschaftsspitze
- Dossier: [Folgen der Deregulierung in den EU-Ländern] Der Preis der Energie
- Dossier: [Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)] Energiewende retour: Wie Sigmar Gabriel die Konzerne bedient
- Und das Dossier: Nur europäischer Stahl ist sexy: Die Pläne der EU, sich vor chinesischen Exporten zu schützen – und die IG Metall