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Cleaners/Content Moderator*innen – „Menschliche Filter für das Grausamste, was es gibt“ – organisieren sich nun auch in Deutschland
Dossier
„Content Moderatoren filtern gewalttätige Posts, Bilder, Videos und Chats aus den Sozialen Medien. Sie machen die Plattformen sicher, aber arbeiten selbst unter unsicheren Bedingungen. Jetzt begehren sie auf. Am 9. und 10. März hatte ver.di zu einem Treffen von sogenannten Content Moderatoren eingeladen. Rund 50 von ihnen, die 24 Stunden sieben Tage die Woche sämtliche Inhalte auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen kontrollieren und gegebenenfalls löschen, wenn sie die Grenzen des Erlaubten überschreiten, waren aus ganz Deutschland nach Berlin gekommen. Sie arbeiten für TikTok, Facebook, Twitter und Co. Im Englischen werden sie auch „Cleaner“ genannt, Reinigungskräfte, die den Dreck aus dem Internet fegen. (…) In Berlin haben sie sich auf drei grundsätzliche Forderungen verständigt…“ Artikel von Petra Welzel vom 17.05.2023 bei der ver.di-IKT , siehe mehr daraus und dazu:
- Betriebsrat und Content Moderator Cengiz Haksöz hat gegen seine Kündigung und die Behinderung der Betriebsratswahl durch TELUS geklagt und doppelt gewonnen
„Erfolg vor dem Arbeitsgericht: Cengiz Haksöz hat gegen seine Kündigung durch das Unternehmen TELUS geklagt und einen bedeutenden Sieg errungen. Der Richter hat ihn gleich in zweierlei Hinsicht unterstützt.
Cengiz Haksöz hat erfolgreich gegen seine Kündigung durch TELUS und die Behinderung der Betriebsratswahl geklagt, dank des ver.di-Rechtsschutzes. Das Arbeitsgericht hat in seinem Sinne entschieden, es wird jedoch erwartet, dass der Arbeitgeber vor das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ziehen wird. Das Arbeitsgericht hat Cengiz in zweierlei Hinsicht unterstützt: Zum einen wurde er bei der geplanten Kündigung mangelhaft angehört, da der Betriebsrat bereits bestand, als die Klage zur Zustimmung zur Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, und der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert wurde. Zum anderen hat das Gericht den Kündigungsgrund nicht als so gravierend angesehen, dass er eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Cengiz Anwältin, Gerda Reichel, hat berichtet, dass der Richter in erster Linie die fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats moniert hat und dass der Inhalt der Kündigung nicht ausreichend schwerwiegend war, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen…“ Beitrag von Rita Schuhmacher vom 26.10.2023 bei ver.di mit den Hintergründen der Wahl („Bedeutender Erfolg für Content Moderator“) - Erfolgreiche BR-Wahlen bei TELUS am 7. Juli 2023 mit dem Sieg der ver.di-Liste
„Erfolgreiche BR-Wahlen bei TELUS: Am Freitag, den 7. Juli, fanden die mit Spannung erwarteten Betriebsratswahlen bei TELUS International statt. Trotz der zahlreichen Hindernisse seitens des Arbeitgebers wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht: Der Betriebsrat wurde implementiert, und das mit einem herausragenden Sieg der ver.di-Liste. Die Wahlbeteiligung am Freitag lag bei über 50 Prozent, was angesichts der Tatsache, dass die meisten Mitarbeitenden über wenig bis keine Deutschkenntnisse verfügen, eine beachtliche Teilnehmerzahl darstellt. Insgesamt nahmen 920 Beschäftigte an den Wahlen teil. Die ver.di-Liste erhielt dabei 666 Stimmen, was zu einem klaren Sieg führte. Als Ergebnis dieser beeindruckenden Leistung hat ver.di 14 von 17 Mandaten gewonnen, was 80 Prozent der Sitze entspricht. „Dies ist ein großer Erfolg für unsere Gewerkschaft und ein deutliches Signal der Unterstützung seitens der Beschäftigten,“ erklärt der zuständige Gewerkschaftssekretär Hikmat El-Hammouri.
TELUS beschäftigt überwiegend Content Moderation im Auftrag von Digitalkonzernen wie Google, Meta oder Twitter und anderen. Nach einem Bericht über die extrem belastenden Arbeitsbedingungen für Content Moderatorinnen und -Moderatoren vor dem Bundestagsausschuss für Digitales war Wahlvorstandsvorsitzender Cengiz Haksöz von der Arbeit freigestellt und mit einem Betretungsverbot für die Firmenräume belegt worden. Als Wahlvorstandsvorsitzender war er jedoch auch für die Organisation und Durchführung der ersten Betriebsratswahl bei Telus International verantwortlich. (…)
Trotz der Erfolge gab es bedauerlicherweise Versuche des Arbeitgebers, die Wahl zu beeinflussen. Nur einen Tag vor der Wahl wurde eine E-Mail an die Beschäftigten versendet, in der der Arbeitgeber von der Wahl der ver.di-Liste warnte. In dieser zeigt sich deutlich die Verzweiflung und Angst des Arbeitgebers angesichts der möglichen Wahlniederlage. In der Mail ließ das Unternehmen verlautbaren, dass eine Stimme für die Gewerkschaft weitreichende Folgenden sowie den Verlust des Arbeitsplatzes und Lebensunterhaltes bedeuten würde. Bemerkenswert ist auch, dass bereits zwei Wochen zuvor eine ähnlich lautende Mail an die Beschäftigten verschickt wurde. Der Inhalt beider Mails war ähnlich und offenbart den offensichtlichen Versuch des Arbeitgebers, den Ausgang der Betriebsratswahlen zu beeinflussen…“ Bericht von Rita Schuhmacher vom 10.07.2023 bei ver.di („Aufatmen bei den Content Moderatoren“) - Cengiz Haksöz, Content-Moderator bei Telus für Meta, nach Aussagen über die Arbeitsbedingungen vor Bundestag und Medien von der Arbeit suspendiert – direkt vor der Wahl des Betriebsrates!
- Erster Erfolg gegen Union Busting bei Telus in Essen: Content Moderator erhält Zugang zum Arbeitsplatz
„… Das komplette Betretungsverbot für Firmenräume muss Telus nun zurücknehmen. Dies ergab das Arbeitsgerichtsverfahren am Donnerstag 29. Juni 2023, an dessen Ende ein Vergleich auf Empfehlung des Gerichts geschlossen wurde. „Wir freuen uns zusammen mit Cengiz Haksöz und seinen Telus-Kolleg*innen sowie mit den in ver.di organisierten Content Moderator*innen über seine Rückkehr in den Betrieb. Daran ändert auch nichts der aussichtslose Versuch von Telus, unseren Kollegen nun individualvertraglich kündigen zu wollen. Das ist ein verzweifelter Griff ins unterste Regal und hat tatsächlich wegen des besonderen Kündigungsschutzes für Wahlvorstands- und Betriebsratsmitglieder keine Chance auf Erfolg“, sagte Christoph Schmitz, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes…“ ver.di-Pressemitteilung vom 29.06.2023 - [Petition] Stoppt das Union-Busting gegen Facebook Content Moderator*innen – Solidarität mit Cengiz!
„Kurz nachdem der Content Moderator Cengiz Haksöz den Mitgliedern des Digitalausschusses des Deutschen Bundestags von seinen Arbeitsbedingungen berichtet hat, hat ihn sein Arbeitgeber TELUS International (ein Dienstleister mit 1800 Beschäftigten für Meta/Facebook/Instagram) freigestellt und den Zutritt zum Betrieb verboten. Cengiz Haksöz ist gewählter Vorsitzender des Wahlvorstands für die bevorstehende Betriebsratswahl bei TELUS. „Mit diesem Vorgehen betreiben TELUS sowie der Auftraggeber Meta Union-Busting und behindern die für Anfang Juli vorgesehene Betriebsratswahl“, Christoph Schmitz, zuständiges Mitglied im ver.di Bundesvorstand. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die gemeinnützigen Organisationen Superrrr Lab und Foxglove fordern den sofortigen Stopp des Union-Bustings! Die Gründung des Betriebsrats bei TELUS International muss ohne Einschränkungen stattfinden. Der Wahlvorstand muss seine Arbeit zur Vorbereitung der Wahl ungehindert wieder aufnehmen können! Cengiz Haksöz muss seine Aufgaben als Vorsitzender des Wahlvorstands ungehindert im Betrieb erledigen können…“ Petition von ver.di bei openPetition an das Unternehmen Telus, siehe zum Hintergrund auch: - Betriebsrat für Content Moderation: Arbeitgeber will Wahlvorstand nicht ins Büro lassen
„Cengiz Haksöz ist ein engagierter Content-Moderator: Er ist im Bundestag aufgetreten, sollte die Wahl eines Betriebsrats organisieren. Jetzt sagt sein Arbeitgeber: Er darf die Firma nicht mehr betreten. Der Fall ist ein Frontalangriff auf die Demokratie. (…) Content-Moderator*innen schauen sich für Plattformen wie Facebook und Instagram die verstörendsten Inhalte an. Sie tun das, damit wir es nicht tun müssen. Sie halten uns allen den Rücken frei, damit wir im Internet eine möglichst gute Zeit haben. Oft sind sie bei Drittanbieter-Unternehmen beschäftigt, klagen über geringe Bezahlung und unzureichende psychologische Unterstützung . Ihre Arbeit wird oft unsichtbar gemacht. Die Autor*innen Mary Gray und Siddharth Suri beschreiben das in ihrem gleichnamigen Buch sogar als Ghost Work , Geisterarbeit. Diese Arbeit gilt als gering qualifiziert, dabei ist sie in Wahrheit kognitiv und psychisch anspruchsvoll: Sie erfordert eine enorme Auffassungsgabe und eine Menge Resilienz. In Deutschland arbeiten insgesamt etwa 5.000 Content-Moderator*innen, wie tagesschau.de berichtet . Einer von ihnen ist Cengiz Haksöz, der in Essen für die Firma Telus International Inhalte moderiert hat. (…) Zugleich ist Haksöz bei Telus International der gewählte Vorsitzende des Wahlvorstands. Das heißt: Die Angestellten haben ihm mit ihren Stimmen den Auftrag gegeben, die Wahl ihres Betriebsrats zu organisieren. Der Betriebsrat ist die demokratische Interessenvertretung von Arbeitnehmer*innen. Seiner Pflicht als Wahlvorstand kann Haksöz aktuell aber schwerlich nachgehen. Wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt, ist Haksöz bis auf Weiteres von der Arbeit freigestellt und ihm wurde verboten, die Firmenräume zu betreten. Das heißt, auch das Büro des Wahlvorstandes ist für ihn tabu.
Telus International schreibt auf unsere Presseanfrage, all das habe „nichts mit der Betriebsratswahl zu tun“. Die Wahlen hätten „die volle Unterstützung von Telus International und werden wie geplant stattfinden“. Was aber ist dann der Grund für die harten Maßnahmen gegen Haksöz? Hierzu schreibt das Unternehmen, der Angestellte habe Vereinbarungen gebrochen; deshalb habe man eine interne Untersuchung eingeleitet. Die von Haksöz erhobenen Vorwürfe hätten nicht korrekt die Realität des Unternehmens dargestellt, etwa, wie man sich um die Gesundheit der Angestellten kümmere. Eine Meta-Sprecherin schreibt auf Anfrage: Meta verlange von Sub-Unternehmen, dass sie Angestellte etwa durch geschulte Fachkräfte und Resilienz-Trainings unterstützen. Außerdem „glaube“ Meta, es sei wichtig, dass Sub-Unternehmen das Recht auf die Gründung von Betriebsräten nicht behindern. (…) Das Wort „Missachtung“ ist noch zu brav, um die Vorgänge zu beschreiben. Selbst wenn es tatsächlich keinen kausalen Zusammenhang zur Wahl gibt und Haksöz so oder so freigestellt worden wäre: Die Wirkung ist katastrophal. Einen gewählten Wahlvorstand aus dem eigenen Büro auszusperren, das ist ein Frontalangriff auf die Demokratie. (…)
Sogar aus dem Bundestag bekommt Telus International jetzt Gegenwind. „Dass die Stellungnahme in einer Ausschusssitzung des Deutschen Bundestages zu beruflichen Nachteilen führt, ist ungeheuerlich“, sagte die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rößner (Grüne) laut RND. „Wer Erkenntnisgewinn und Beratungen des höchsten Verfassungsorgans Deutschlands behindert, missachtet die Demokratie“. Sie hat das Unternehmen in einem Schreiben aufgefordert, Stellung zu beziehen…“ Kommentar von Sebastian Meineck vom 23.06.2023 in Netzpolitik - Union-Busting nach Fachgespräch im Bundestag: ver.di kritisiert Freistellung von Wahlvorstand bei Telus International scharf und kündigt rechtliche Schritte an
„… In einem parlamentarischen Fachgespräch vor dem Bundestagsausschuss für Digitales am 14. Juni hatte Cengiz Haksöz über die Arbeitsbedingungen von Content-Moderator*innen berichtet. Daraufhin stellte sein Arbeitgeber Telus International ihn bis auf Weiteres von der Arbeit frei und erteilte ein Betretungsverbot für die Firmenräume und das Büro des Wahlvorstandes. Als dessen gewählter Vorsitzender ist es Cengiz Haksöz gesetzlich festgelegte Aufgabe, die für den Juli terminierte Wahl des ersten Betriebsrates für die rund 1800 Telus-Beschäftigten zu organisieren.
ver.di kündigte am Donnerstag (22. Juni) rechtliche Schritte gegen Telus International an. „Wir fordern die Rücknahme der Freistellung und das Zugangsrecht zum Betrieb und werden das zur Not auch einklagen. Und wir prüfen, ob wir die Behinderung der Betriebsratswahl gemäß § 20 Betriebsverfassungsgesetz anzeigen. Diese ist strafbar“, sagte ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz. „Was wir hier sehen, ist ein Fall von sogenanntem Union Busting“, die Be- oder Verhinderung von gewerkschaftlicher Betätigung der Beschäftigten in einem Betrieb.
Die Maßnahmen des Arbeitgebers gegen Haksöz seien „nicht nur illegal, sondern auch eine Missachtung der Demokratie“, so Schmitz weiter. Haksöz war vom Ausschuss für Digitales eingeladen worden, um über die Arbeitsbedingungen von Content-Moderat*innen zu berichten und hatte dafür hohe Anerkennung von den Bundestagsabgeordneten erfahren. „Telus International verletzt die demokratischen Rechte unseres Kollegen Cengiz Haksöz, wenn sein Erfahrungsbericht vor Abgeordneten des Bundestages zur Maßregelung führt“, sagte Schmitz. (…)
ver.di fordert zusammen mit den NGO Superrr Lab und Foxglove (aus UK) mehr Verantwortung von einem finanzkräftigen Tech-Unternehmen wie Meta und ein Ende des Outsourcings, also der Auslagerung der Arbeit. Beschäftigte in den Auftragsfirmen hätten oft deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen und geringere Bezahlung als direkt bei den Social-Media Unternehmen angestellte Content Moderator*innen. Oft arbeiten überdies Migrant*innen in der Branche deren Arbeitserlaubnis und damit auch deren Aufenthaltsstatus von der Beschäftigung abhängig ist. Auch das macht es für die Kolleg*innen schwer, gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. „Über Jahre wurde im Bereich der Content Moderation eine Kultur der Angst und Geheimhaltung etabliert“, sagt Julia Kloiber, Geschäftsführerin von Superrr Lab. Es seien große Konzerne wie Meta, die hinter diesen Praktiken stehen. „Der Fall von Cengiz Haksöz zeigt: Die Konzerne halten weiter an dieser Kultur fest und versuchen, Content Moderator*innen einzuschüchtern und vom Gebrauch ihrer Rechte abzuhalten“, so Kloiber…“ ver.di-Pressemitteilung vom 22.06.2023 - „Unfassbar! Cengiz, Content Moderator bei Telus, wird plötzlich freigestellt, nur weil er mutig seine Bedenken zu den Arbeitsbedingungen im Bundestag und den Medien geäußert hat. Lasst uns diese Ungerechtigkeit lautstark verbreiten. Solidarität mit #Cengiz! #Telus erteilte #Cengiz ein Betretungsverbot für die Firmenräume u das Büro des Wahlvorstandes. Als dessen gewählter Vorsitzender ist es seine gesetzlich festgelegte Aufgabe, die für den Juli terminierte Wahl des 1. Betriebsrates für die rund 1800 #Telus-Beschäftigten zu organisieren. Wir werden rechtliche Schritte gegen Telus einleiten. #UnionBusting“ Tweet von ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vom 22.6.23
- #Cengiz
- Erster Erfolg gegen Union Busting bei Telus in Essen: Content Moderator erhält Zugang zum Arbeitsplatz
- Manifest der Content Moderator*innen
„Dieses Manifest wurde in enger Zusammenarbeit mit Content-Moderatorinnen auf dem Content Moderators Summit in Berlin am 9. und 10. März 2023 erstellt. Das Manifest fordert ein Ende der Ausbeutung im Bereich der Social Media Content-Moderation. Der Summit wurde von den Non-Profit-Organisationen Foxglove, SUPERRR Lab, Aspiration sowie der deutschen Gewerkschaft ver.di organisiert. Das Manifest wurde im Rahmen eines Fachgespräches im Ausschuss für Digitales zu den Arbeitsbedingungen von Content- Moderatorinnen am 14. Juni veröffentlicht.
Wir, die Content-Moderator*innen von Facebook, TikTok, Majorel und Telus, sorgen für die Sicherheit der Menschen online. Ohne uns würden die Social Media-Unternehmen über Nacht zusammenbrechen. Trotzdem werden wir von diesen Unternehmen ausgebeutet und schikaniert. Doch wir werden nicht länger schweigen. Wir fordern einen branchenweiten Wandel. Soziale Medien können niemals sicher sein, solange unsere eigenen Arbeitsplätze nicht sicher sind…“ Manifest am 16. Juni 2023 dokumentiert bei callcenteraktiv.de – Plattform von ver.di für alle Beschäftigten in den NRW-Call Centern - Content Moderatoren: Zum Abschied wünschen sie sich „Gute Besserung” / Video: „Drecksarbeit“ im Netz
- Video: „Drecksarbeit“ im Netz
„Wer als Content Moderator für große Social-Media-Plattformen arbeitet, muss sich nicht nur täglich mit furchtbaren Posts auseinandersetzen, sondern bekommt auch eine schlechte Bezahlung und kaum psychologische Betreuung. Einige in der Branche wollen das nun ändern.“ Video des Beitrags am 14.06.23 im ARD-Mittagsmagazin (03:14 Min. | Verfügbar bis 14.06.2024), dazu - der Tweet von ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft vom 15. Juni 2023 : „Sie sehen grausame Dinge, damit wir sie nicht sehen müssen: Content Moderator:innen. Jetzt organisieren sie sich in ver.di, denn ihre Arbeit muss sicherer werden. Nicht nur AG auch Politik sind gefragt. #Digitalausschuss“ und der Artikel:
- Content Moderatoren: Zum Abschied wünschen sie sich „Gute Besserung”
„Sie sind menschliche Filter. Gemeint sind Content Moderator*innen, die gefährliche Inhalte, wie etwa Kinderpornographie oder extreme Gewalt, aus den Sozialen Medien filtern, um die Plattformen für die Nutzer*innen sicher zu machen. Sie bilden ein relativ neues Berufsfeld – am 14. Juni fand nun zum ersten Mal überhaupt ein Fachgespräch im Ausschuss für Digitales des Bundestages zum Thema „Arbeitsbedingungen für Content Moderatorinnen und Moderatoren“ statt, in dem die prekären Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten ausgiebig betrachtet wurden. In der Anhörung wurde deutlich, dass sich die Privatwirtschaft bislang aus der Verantwortung zieht und nicht angemessen auf die Herausforderungen dieses neuen Berufsfelds reagiert.
Beschäftigte, Organisationsvertreter*innen von Superrr Lab und ein Whistleblower waren eingeladen, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu präsentieren. Die Anhörung bot einen tiefen Einblick in die Herausforderungen, mit denen Content Moderator*innen konfrontiert sind sowie in die Forderungen der Beschäftigten selbst.
„Content Moderator zu sein ist so, als würde man im Amazon-Lager und auf einer Giftmüllhalde zugleich arbeiten“, erklärt Daniel Motaung, Whistleblower und ehemaliger Content Moderator aus Kenia. Er war live aus Afrika zugeschaltet zur Anhörung. Überwachung und strenge Zielvorgaben der Unternehmen, aber auch die expliziten gewalttätigen Inhalte, die die Moderator*innen tagtäglich sichten, sind enorm belastend. Moderator*innen berichten über lebenslange gesundheitliche Folgen der Arbeit, wie posttraumatische Belastungsstörungen und Medikamentenmissbrauch. Die fehlende angemessene Unterstützung für die mentale Gesundheit, insbesondere in den Outsourcing-Unternehmen, verstärkt diese Belastung.
Content Moderator Cengiz Haksöz arbeitet für den Dienstleister Telus, ein Subunternehmen, das Inhalte für Metas Plattformen (Facebook, Instagram & Co.) filtert. Auch er hat sich nicht von Facebook und seinen übermäßig restriktiven Geheimhaltungsvereinbarungen einschüchtern lassen. Stattdessen nimmt er mit Unterstützung von ver.di seine Rechte als Arbeitnehmer in Deutschland wahr und informiert den Ausschuss über die unsicheren, unfairen und inakzeptablen Geschäftspraktiken seines Arbeitgebers. Er moderiert Inhalte, die als gefährlich eingestuft wurden und wird für den türkischen und englischen Markt eingesetzt.
Seit November 2018 arbeitet er für Telus International. Nach fünf Jahren sei sein Gehirn, sein Körper und sein Herz über 4.000 Stunden gewalttätigsten Materials ausgesetzt worden. Zum Abschied sagen er und seine Kolleg*innen nicht „Tschüss“, sondern wünschen sich „Gute Besserung“. Besonders dramatisch: Zwei seiner Kollegen werden aufgrund der Arbeit aktuell im Krankenhaus psychiatrisch behandelt. Seine Forderungen sind deshalb einfach wie notwendig: Jedem Beschäftigten soll eine psychologische Betreuung zur Verfügung stehen. (…)
Hikmat El-Hammouri, ver.di-Gewerkschaftssekretär und Mitorganisator des ersten deutschlandweiten Content Moderators Summit, betont: „Content Moderatoren sind ein menschlicher Filter für das Grausamste, was es gibt.“
Gewerkschaften spielen entscheidende Rolle
Eine der zentralen Herausforderungen, die bei der Anhörung zur Sprache kamen, ist die starke betriebliche Abhängigkeit vieler Content Moderator*innen. Deswegen ist es ratsam die Hilfe von Gewerkschaften in Anspruch zu nehmen. (…) Die Arbeitsverträge sind befristet, undurchsichtig und rechtsunsicher, was zu Unsicherheiten und Unklarheiten für die Moderator*innen führt. Gewerkschaften können an dieser Stelle nicht nur über Rechte aufklären, führt Kloiber aus, darüber hinaus spielen sie, wie am Beispiel von der Betriebsratssgründung bei TikTok deutlich wurde, eine entscheidende Rolle bei der betrieblichen Organisation. Eine zentrale Forderung der Content Moderator*innen betrifft die gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung des Berufs. Obwohl diese Beschäftigten extremen Belastungen und hohem Arbeitstempo ausgesetzt sind und über umfangreiches Kulturwissen und hohe Sprachkompetenz verfügen müssen, werden sie oft nur mit dem Mindestlohn entlohnt. Der Beruf des „Internet Cleaners“ hat einen schlechten Ruf, während die Social-Media-Konzerne hohe Gewinne einfahren und Millionen von Nutzern täglich ihre Produkte nutzen. (…)
Die Social-Media-Konzerne sollten stärker in die Verantwortung genommen werden, da sie teilweise den Outsourcing-Unternehmen die sehr schlechten Arbeitsbedingungen, hohe und stressige Arbeitsanforderungen, wenig Pausen und Leistungskontrollen über Performance Reviews vorgeben, ohne selbst dafür einzustehen. Die Anerkennung des Berufs und seiner Belastungen sowie das Recht, grundsätzlich über die Arbeitsbedingungen sprechen zu dürfen, werden ebenfalls als wichtige Forderungen an die Politik genannt. Der Gewerkschaftsgipfel, der Anfang März dieses Jahres in Zusammenarbeit mit ver.di, Foxglove London, Superrr Berlin und Aspiration USA stattfand, diente als Ausgangspunkt für die Debatte. Die Veranstaltung führte zu einem deutschlandweiten Content Moderators Summit, bei dem über 50 Moderatorinnen aus verschiedenen Unternehmen zusammenkamen, um gemeinsam ein Manifesto zu entwickeln.“ Artikel von Rita Schuhmacher vom 15.06.2023 bei ver.di
- Video: „Drecksarbeit“ im Netz
- Weiter aus dem Artikel von Petra Welzel vom 17.05.2023 bei der ver.di-Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) („„Menschliche Filter für das Grausamste, was es gibt““): „… Sie fordern gleiche Bezahlung, denn viele von ihnen arbeiten für Subunternehmen der großen Plattformen zu deutlich schlechteren Bedingungen. Sie fordern das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Betriebsräte zu gründen. Bei TikTok konnten die Beschäftigten im vergangenen Jahr mit Unterstützung von ver.di bereits einen Betriebsrat gründen. Und vor allem fordern sie einen regulären Gesundheitsschutz für ihre Psyche. Hikmat El-Hammouri, ver.di-Gewerkschaftssekretär und Mitorganisator dieses ersten Treffens von Content Moderatoren in Deutschland betont: „Content Moderatoren sind ein menschlicher Filter für das Grausamste, was es gibt.“...“ Siehe auch:
- Im Schatten der Netzwelt – The Cleaners – die dunklen Seiten des Internets
„Tausende externe Mitarbeiter sichten für Facebook, Youtube, Twitter und weitere Social Media Angebote Fotos und Videos. Der Film erzählt von ihrer belastenden Arbeit, bei der sie im Sekundentakt über das Löschen oder Veröffentlichen entscheiden. Die Kriterien und Vorgaben dieser Arbeit sind eines der am besten geschützten Geheimnisse der Internet Giganten. Wer kontrolliert, was wir sehen und was wir denken?…“ Informationen und Video des Dokumentarfilms von H. Block und M. Riesewieck bei der Bundeszentrale für politische Bildung
Siehe zum Thema auch im LabourNet Germany:
- Dossier: Bei TikTok in Berlin ist – nach juristischem Widerstand – der Weg frei für Betriebsratswahlen, Kritik am niedrigen Gehalt und toxischer Arbeitsatmosphäre
- Dosssier: Gründung der Content Moderators Union in Afrika: Hinter ChatGPT, Facebook und Co. stecken prekäre und traumatisierende Arbeitsbedingungen
- [Dokumentarfilm „The Cleaners“] So lagert Facebook den Hass im Netz in Billiglohnländer aus
- Beitrag: Globaler Süden: Prekäre Klickarbeit hinter den Kulissen des Text-Generators ChatGPT
- Dossier: [Vom ADM-Manifest zum KI-Gesetz] Was entscheiden Algorithmen – und wer kontrolliert das?
- Dossier: Arbeiten und Organisieren in der Plattformökonomie. Über digitale Tagelöhner, algorithmisches Management und die Folgen für die Arbeitswelt
- Digitaler Kolonialismus – eine Reihe bei Netzpolitik
- [Dokumentarfilm „The Cleaners“] So lagert Facebook den Hass im Netz in Billiglohnländer aus
- [Facebook Lösch-Team] Drei Monate Hölle
- Facebook-Moderatoren in Manila: Acht Stunden Gewalt, Pornos und Perversion täglich