Wie Fintech-Unternehmen Profite mit den Ärmsten machen

FIAN-Factsheet: „Mikrokredite menschenrechtlich beleuchtet – Zaubermittel oder Armutsfalle?“„Mikrofinanzierung und Fintech wurden als innovative Lösungen für die Armut im Globalen Süden verkauft. In der Regel haben sich stattdessen die Investoren auf Kosten der Armen bereichert“, sagt der Ökonom Milford Bateman im Interview von Fabio De Masi vom 8. Juni 2023 Jacobin.de externer Link: „… Es ist eine bizarre Geschichte. Eine Entwicklung, die mit einfachen Mikrokrediten begann, umfasste bald auch andere Finanzdienstleistungen – Sparen, Versicherungen, Leasing und so weiter – und wird heute als Mikrofinanzierung bezeichnet. (…) Die Mikrofinanzierung wurde erstmals in den 1980er Jahren in Bangladesch und Bolivien bekannt. In den späten 2000er Jahren wurde jedoch die bittere Realität sichtbar: Mikrofinanzierung funktioniert nicht wirklich. Trotz Hunderten Milliarden von Dollar an Mikrokrediten, die an die Armen in der Welt vergeben wurden, lässt sich keine nennenswerte positive Auswirkung auf die weltweite Armut feststellen…“ Siehe mehr aus dem Interview:

  • Weiter im Interview von Fabio De Masi vom 8. Juni 2023 Jacobin.de externer Link mit Milford Bateman: „… Mikrofinanzinstitutionen haben enorme wirtschaftliche Renten mit den Ärmsten erwirtschaftet. Es ist kein Zufall, dass wir die schädlichsten Auswirkungen der Mikrofinanzierung genau dort finden, wo sie am stärksten Fuß gefasst hat: unter anderem in Bosnien, Südafrika, Kambodscha, Indien, Bolivien, Kenia, Kolumbien, Peru und Sri Lanka. In diesen Ländern entwickelten sich die Mikrofinanzinstitute zu einigen der profitabelsten Unternehmen der Welt. Die meisten ihrer Kundinnen und Kunden lebten in Armut, doch in der Hoffnung auf Besserung stürzten sie sich nur allzu oft in noch tiefere Schulden. Sie verloren ihre Sicherheiten, die sie für ein Mikrodarlehen verpfändet hatten – Häuser, Grundstücke, Ausrüstung und so weiter – und mussten mit ansehen, wie ihre Gemeinden so ausgelaugt wurden, dass nur noch wenige produktivitätssteigernde Arbeitsplätze existierten. (…) Fintech wird oft als »Mikrofinanzierung auf Steroiden« beschrieben. Es handelt sich eindeutig um die nächste Phase in der Entwicklung des Mikrofinanzmodells. Seine Geschichte begann Ende der 2000er Jahre, als klar wurde, dass das System nicht funktioniert hatte und, was noch schlimmer war, dass es viele negative wirtschaftliche und soziale Folgen für die Armen hatte. Doch genau zu diesem Zeitpunkt kam eine Innovation namens Fintech auf, die das klassische Mikrofinanzmodell praktisch obsolet machte und die Mikrofinanzierung ins digitale Zeitalter katapultierte. Die Investorinnen und Investoren sahen eine unglaubliche Chance und ergriffen sie. Eine neue Runde der Gewinnmaximierung auf Kosten der Armen in der Welt hatte begonnen. (…) Das Ergebnis ist, wie beabsichtigt, eine wesentlich diszipliniertere, flexiblere und billigere Arbeitskraft, die am unteren Ende der Pyramide tätig ist. Es ist klar, dass dieser Trend gut für Investoren und Eliten ist, aber nicht für die einfachen Leute. (…) Die US-Regierung erwartet zweifelsohne Rückschläge. Fast seit ihrer Gründung hat die Weltbank hauptsächlich den Interessen der US-Regierung gedient. Das ist keine kontroverse Aussage. Heute gibt es wahrscheinlich keine bessere Person als Ajay Banga, um dieses Ziel weiter voranzutreiben, da der Fintech-Sektor eindeutig einer der wichtigsten Sektoren der digitalen Wirtschaft sein wird. (…) Von Banga wird erwartet, dass er lokalen Fintech-Projekten in öffentlicher Hand keine Chance gibt. Das wäre einfach zu sehr wie Sozialismus, wie man in der US-Regierung, der Weltbank und dem IWF komischerweise über jede noch so milde Politik zugunsten der Armen sagt. Das würde nämlich ausländischen Investorinnen und Investoren ihr »Recht« verweigern, sich in jedem Markt ihrer Wahl ungehindert zu betätigen. Das ist das Grundrecht, dass die derzeitige globale Wirtschaftsordnung ihnen garantiert.“

Siehe auch im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=212382
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