- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Energiewirtschaft (und -politik)
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
- Holz, Papier, Glas und Kunststoffe
- Landwirtschaft und Gartenbau
- Lebens- und Genussmittelindustrie
- Maschinen- und Anlagenbau
- Medien und Informationstechnik
- Rüstungsindustrie und -exporte
- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Automobilindustrie
- Bauindustrie und Handwerk
- Chemische Industrie
- Dienstleistungen, privat und Öffentlicher Dienst
- Elektro- und Metall(-Zulieferer)
- Elektrotechnik
- Fahrzeugbau (Vom Fahrrad, über Trecker bis zum Flugzeug)
- Gewerkschaften als Arbeitgeber
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- Sonstige Branchen
- Stahl-Industrie
- Stoffe und Bekleidung
- Alltagswiderstand und Commons
- Bündnis Umfairteilen und Aktionen
- Die Occupy-Bewegung und Aktionstage
- Gewerkschaftliche Mobilisierung in der Krise
- Initiativen der Linken gegen den Kapitalismus und dessen Krisen
- Interventionen gegen die neoliberale EU
- Mobilisierungsdebatte: Wie kämpfen (gegen Kapitalismus)?
- Proteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21
Rückkehr der Konversionsbewegung? Potenziale und Grenzen der Konversionsbestrebungen sozial-ökologischer Bündnisse rund um Autozuliefererwerke
„Nur in der ökomarxistischen Theorie schien die Debatte rund um eine demokratische Konversion von Industriebetrieben hin zu ökologischer Produktion als Teil einer ökosozialistischen Strategie noch lebendig. Das änderte sich 2021, als zwei sehr unterschiedliche Konversionsbündnisse von Klimaaktivist*innen und von der Entlassung bedrohten Arbeiter*innen entstanden. Der Artikel beleuchtet, wie die Arbeiter*innen von Bosch in München Berg am Laim auf den Vorschlag linker Klimaaktivist*innen reagierten, für eine Konversion ihrer Fabrik zu kämpfen. Und er stellt dar, wie das Collettivo di Fabbrica GKN aus ihrem Kampf gegen die Schließung ihres Werkes eine italienweite Bewegung für eine ökologische Produktionsalternative in Campi Bisenzio machte…“ Artikel von Julia Kaiser in der PROKLA 210 vom März 2023 auch mit aktuellem Bezug zur Schließung des GKN-Werkes in Mosel (Zwickau) – wir danken Autorin und Verlag!
Rückkehr der Konversionsbewegung?
Potenziale und Grenzen der Konversionsbestrebungen sozial-ökologischer Bündnisse rund um Autozuliefererwerke
Zusammenfassung: Nur in der ökomarxistischen Theorie schien die Debatte rund um eine demokratische Konversion von Industriebetrieben hin zu ökologischer Produktion als Teil einer ökosozialistischen Strategie noch lebendig. Das änderte sich 2021, als zwei sehr unterschiedliche Konversionsbündnisse von Klimaaktivist*innen und von der Entlassung bedrohten Arbeiter*innen entstanden. Der Artikel beleuchtet, wie die Arbeiter*innen von Bosch in München Berg am Laim auf den Vorschlag linker Klimaaktivist*innen reagierten, für eine Konversion ihrer Fabrik zu kämpfen. Und er stellt dar, wie das Collettivo di Fabbrica GKN aus ihrem Kampf gegen die Schließung ihres Werkes eine italienweite Bewegung für eine ökologische Produktionsalternative in Campi Bisenzio machte.
In großen Teilen der Klimabewegung besteht Einigkeit darüber, dass die ökologische Krise nur im Rahmen eines System Change eingedämmt werden kann. Zunehmend verstehen Klimaaktivist*innen darunter auch einen Bruch mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Allerdings sind die Ausgangsbedingungen für eine solche ökosozialistische Alternative derzeit außerordentlich prekär. Statt eines massenhaften ökosozialistischen Aufbruchs von Klima- und Arbeiter*innenbewegung blockieren sich die politischen Kräfte, die soziale beziehungsweise ökologische Ziele verfolgen, diskursiv wie politisch-praktisch häufig gegenseitig. Exemplarisch wird das Unverständnis oder gar die Feindseligkeit insbesondere zwischen Industriearbeiter*innen und Klimaaktivist*innen sichtbar, wenn Klimaaktivist*innen rufen »Es gibt kein Recht auf Kohlebaggerfahren«, während sich Kohlearbeiter*innen als »Buhmänner der Nation« (Lütten 2019) behandelt fühlen. Hier wird eine Sackgasse augenfällig, die nach politischen Auswegen aus dem Gegeneinander von sozialen und ökologischen Anliegen sucht.
Unter dem Schlagwort »ökologische Klassenpolitik« werden mögliche Anknüpfungspunkte diskutiert, wie die ökologischen und sozialen Interessen der Lohnabhängigen zusammengeführt werden können (vgl. etwa Rackwitz 2022a: 118ff.; Autor*innenkollektiv Climate Labour Turn 2021: 56ff.; Röttger/Wissen 2017). In der ökomarxistischen Debatte wird argumentiert, dass die Klimabewegung die Sphäre der Arbeit »in das Zentrum ihrer Strategie rücken« sollte (Rackwitz 2022a: 117). Denn erstens läge in Arbeitskämpfen das Potenzial, die nach Profitmaximierung ausgerichtete und dadurch notwendigerweise ökologisch destruktive Produktion zu unterbrechen (vgl. Pye 2017: 532). Zweitens müsse »ein Recht auf gesellschaftlich nützliche und umweltverträgliche Arbeit […] erkämpf[t] werden« (Rackwitz 2022a: 118), um dem »jobs versus environment dilemma« (Räthzel/Uzzell 2011) eine soziale und ökologische Lösung entgegenzustellen.
Die Suche nach sozial-ökologischen Allianzen nimmt in Teilen der Klimabewegung zu. Viel diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die gemeinsame Kampagne TV N 2020 vom ver.di Fachbereich Busse und Bahnen und Fridays For Future (FFF) für bessere Arbeitsbedingungen und einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) (vgl. Autor*innenkollektiv Climate.Labour.Turn 2021). Die Vertreter*innen einer Konversionsstrategie argumentieren, dass auch zwischen der Klimabewegung und Arbeiter*innen aus ökologisch besonders destruktiven Branchen wie der Automobilindustrie Bündnisse möglich und notwendig sind. Die ökologische Krise verlangt innerhalb kürzester Zeit eine radikale Senkung der CO₂ -Emissionen und des Energie-, Rohstoff- und Flächenverbrauchs im Verkehrssektor. Dieser ist für rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich (vgl. Riexinger 2022: 255). Gemeinsames Ziel ökologischer und gewerkschaftlicher Akteur*innen müsse sein, die Autoindustrie in Richtung einer nachhaltigen (Verkehrs)Infrastruktur (etwa Bahn- und Schienenfahrzeugindustrie, E-Busindustrie, Fahrradindustrie) umzubauen und für eine »kurze[n] Vollzeit für alle« (Spitzley 2006, zitiert nach Candeias 2022: 394) einzutreten (vgl. ebd.). Hinter dieser Forderung könnten die Interessen von Arbeiter*innen, die vor der Entlassung stehen, und Klimaaktivist*innen vereint werden. Denn die Beschäftigungspotenziale, die in einer Produktion für eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur liegen, könnten die derzeit gefährdeten Arbeitsplätze dann sogar übersteigen (vgl. ebd. 2022: 395).
Die Idee einer industriellen Konversion beansprucht damit, die bestehenden Lücken in den derzeit populären Lösungsansätzen für den Um- oder Rückbau des Automobilsektors in sozialer beziehungsweise ökologischer Hinsicht zu füllen. Die von der Bundesregierung, den Autokonzernen und Teilen der IG Metall aktiv vorangetriebene Strategie einer ökologischen Modernisierung des Sektors mittels einer Massenproduktion von Elektroautos (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2022) ist aus sozial-ökologischer Hinsicht keine Lösung, sondern Teil des Problems. Auch sie verursacht enorme CO2-Emissionen und Umweltzerstörung [1] und wird mit immensen Arbeitsplatzverlusten und einer Gefährdung der »hohen tariflichen Standards« in der Branche einhergehen (vgl. Boewe u.a. 2021: 5).[2] Degrowth-Ansätze lassen häufig offen, mit welchen Machtressourcen ein sozialer und ökologischer Umbau der Automobilindustrie gegen Kapitalinteressen erzwungen werden soll und wie der Umbau mit dem Interesse nach sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen der Industriearbeiter*innen in Einklang gebracht werden soll (vgl. z. B. Kliemann 2015).
Auch große Teile der Klimabewegung halten die strategische Perspektive einer industriellen Konversion nicht für umsetzbar oder gewinnbringend. So argumentiert beispielsweise der Klimaaktivist und Mitbegründer von Ende Gelände, Tadzio Müller: Die im Umfeld der LINKEN diskutierten Konzepte, wie das der industriellen Konversion, würden ausblenden, dass es reelle Widersprüche zwischen dem Erhalt von Jobs und ökologischen Notwendigkeiten gäbe, die durch ein »verquastes sowohl-als-auch, das Niemanden mobilisiert« lediglich diskursiv vertuscht werden würden (vgl. Müller 2022). Die öffentlichkeitswirksamen Positionen der zuständigen Gewerkschaft IG Metall geben durchaus Grund zu dieser Einschätzung. Als die Bundesregierung in ihrem Konjunkturpaket auf die Kaufprämie für Verbrennungsmotoren verzichtete, ertönte beispielsweise nicht nur vom Verband der Automobilindustrie, sondern auch aus der IG Metall lautstarke Kritik (vgl. Wissen 2020: 443).
Lange Zeit beschränkte sich die Konversionsdebatte auf theoretische Auseinandersetzungen.[3] Im vergangenen Jahr machten Klimaaktivist*innen aus München den Versuch, die theoretischen Überlegungen zum notwenigen »labour turn« (Pye 2017) der Klimabewegung im Kontext der Automobilindustrie in die Praxis zu übersetzen. Aktivist*innen des Antikapitalistischen Klimatreffens München traten im Sommer 2021 vor ein Bosch-Werk, in dem bis dato Kraftstoffpumpen und Einspritzventile für Pkw hergestellt wurden. Aus der Lokalpresse hatten sie erfahren, dass das Werk im Kontext der Elektrifizierung des Antriebsstrangs voraussichtlich nach Nürnberg, Tschechien oder Brasilien verlegt werde (vgl. Schmidtutz 2021). In Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Arbeiter*innen und Betriebsrät*innen setzten die Klimaaktivist*innen sich über einige Monate für einen Erhalt des Werkes und eine »Umstellung der Produktion hin zu klimafreundlichen Produkten« (Klimaschutz und Klassenkampf 2021) ein.
Gut 600 Kilometer weiter südlich entstand parallel dazu im Umland von Florenz ein – unvergleichlich größeres – Bündnis für den Erhalt und den Umbau eines von der Schließung bedrohten Autozulieferers. Nachdem den Arbeiter*innen von GKN Driveline im Juli 2021 per E-Mail mitgeteilt worden war, dass sie am kommenden Montag nicht mehr zur Arbeit erscheinen sollten, besetzten sie ihr Werk. Im Laufe der Monate bauten die Arbeiter*innen ein riesiges Netzwerk aus Klimaaktivist*innen, sozialen Bewegungen und Organisationen sowie Wissenschaftler*innen auf. Massendemonstrationen wurden organisiert und ein Konversionsplan für die Fabrik geschrieben. Die Akteur*innen vereint seither der Wille, die Fabrik zu erhalten und in ihr von nun an Produkte für die Verkehrswende herzustellen (vgl. Ferrari/Kaiser 2022).
Im vorliegenden Artikel wird diskutiert, welche Potenziale Konversionsbündnisse im Zuge einer anstehenden Schließung eines Autozulieferer-Betriebs entfalten können und an welche Grenzen sie unter gegebenen Kräfteverhältnissen stoßen. Dafür wird zunächst knapp in die Geschichte der Konversionsbewegungen und in Erklärungsansätze für ihr Scheitern eingeführt. Darauf aufbauend werden die Bündnisse rund um das Bosch-Werk in München Berg am Laim und das GKN-Werk bei Florenz in ihrer Entwicklung dargestellt. Als Grundlage dienen neben Presseberichten eigens geführte und transkribierte leitfadengestützte Interviews mit Kernaktiven der Bündnisse.[4] Ich argumentiere erstens, dass eine Konvergenz der Interessen von Klimaaktivist*innen und von Arbeiter*innen, die in Zuliefererunternehmen von Entlassung bedroht sind, genauso möglich ist, wie zwischen Klimaaktivist*innen und Beschäftigten im ÖPNV. Zweitens zeige ich, dass ein erfolgreicher Kampf für einen Umbau der Produktion selbst mit einer außerordentlich gut organisierten Belegschaft wie den Arbeiter*innen von GKN Campi Bisenzio unwahrscheinlich ist. Drittens zeigt insbesondere das Konversionsbündnis in der Toskana jedoch, dass der Kampf gegen die anstehende Entlassungswelle in der Automobilindustrie und für eine umfassende Verkehrswende zum Ausgangspunkt eines ökosozialistischen gegenhegemonialen Blocks werden kann, in dem die Interessen von Industriearbeiter*innen und ihren Familien, Klimaaktivist*innen, Bäuer*innen und Langzeitarbeitslosen konvergieren.
Geschichte der industriellen Konversion
Zentraler Bezugspunkt für die Konversionsdebatte bildete bis dato stets die Bewegung rund um die Entlassung der Arbeiter*innen von Lucas Aerospace in Großbritannien (vgl. Wissen 2020: 456; siehe auch Röttger 2010). Die Arbeiter*innen des britischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns produzierten komplexe Aggregate, wie zum Beispiel Nachbrenner für Düsentriebwerke oder Bordcomputer für Militärjets. In den 1970er-Jahren kündigte das Management des Unternehmens Massenentlassungen an. Nachdem die Forderung der Betriebsräte, das Unternehmen zu verstaatlichen, von der Labour Party abgelehnt wurde, begannen die Betriebsräte nach einer anderen Lösung zu suchen. Sie wendeten sich mit der Frage an Universitäten, welche gesellschaftlich notwenigen Produkte mit den Fähigkeiten ihrer Kolleg*innen produziert werden könnten. Kaum eine Universität reagierte auf die Anfrage. Daraufhin richteten sie sich an die Arbeiter*innen selbst, unter denen die Frage auf eine riesige Resonanz stieß: Die Arbeiter*innen und Ingenieur*innen entwickelten »Prototypen sozial und ökologisch sinnvoller Produkte in den Bereichen Medizin, Mobilität oder erneuerbare Energien« (Wissen 2020: 456). 1976 veröffentlichten die Betriebsräte einen vollständigen Alternativplan für die Zukunft des Unternehmens. Das Vorhaben scheiterte, da sowohl die Unternehmensleitung als auch die Labour Party und die Gewerkschaftsführungen diese alternative, nachhaltige und von den Arbeiter*innen selbst entwickelte Produktion unterbanden (vgl. Zeller 2020: 102).
Der Kampf der Lucas Aerospace-Arbeiter*innen inspirierte weltweit Strukturen von betrieblich Aktiven. Auch in der Bundesrepublik gründete sich im Zuge der Werftenkrise der Arbeitskreis Alternative Produktion, der von IG Metall-Vertrauensleuten bei Blohm & Voß Hamburg angestoßen wurde. Im Anschluss entstanden im Laufe der 1980er-Jahre etwa 40 weitere betriebliche Arbeitskreise, die die Umstellung der Produktion mit weiteren Forderungen wie der nach »demokratischen Entscheidungsstrukturen in der regionalen Wirtschaftspolitik und der Einführung von Branchenräten« verbanden (Röttger 2010). Laut Röttger entwickelten sich jedoch keine betriebsübergreifenden Arbeitskreise, was er auch darauf zurückführt, dass die IG Metall-Führung sich »auf die Tradition konventioneller Tarif- und korporatistischer Krisenpolitik [konzentrierte]« (ebd.).
Röttger leitet aus der Analyse vergangener Ansätze demokratischer Konversion[5] einige strategische Herausforderungen ab. Erstens gelinge es den Unternehmen häufig, die in den Arbeitskreisen entwickelten alternativen Produktions-Konzepte in den regulären Betrieb zu integrieren. Anstatt durch die Konversionsbestrebungen die Kontrolle über die eigene Arbeit zu erlangen, »verwandeln sie sich in Projekte kapitalistischer Modernisierung« (ebd.). Um eine demokratische Konversion zu erreichen, müssten also auch neue betriebliche Organisationsformen entstehen, da schlussendlich die Eigentumsverhältnisse ausgehebelt werden müssten.
Zweitens entstünden Konversionsbestrebungen meist im Zuge von Entlassungen, Rationalisierungsmaßnahmen oder ganzen Werksschließungen. Es handele sich also um eine defensive Ausgangssituation für die Arbeiter*innen. Bei der Konfliktführung müsse zunächst einmal »den unmittelbaren Interessen der Beschäftigten [nach Sicherung des Lebensunterhalts, Anm. J.K.] Rechnung getragen [werden]«. Daraufhin müssten sie »transformier[t] und in Konfliktfähigkeit […] überführ[t]« werden (ebd.). Der einzige Weg zu einer erfolgreichen Konversion läge also darin, eine weit über das Werk hinausgehende politische Strategie zu entwickeln, die auf eine Verstaatlichung oder eine genossenschaftliche Selbstorganisierung des Werkes abzielt.
Drittens bestehe ein Widerspruch zwischen der Entstehung der Konversionsbewegung in einem einzelnen Betrieb und der Notwenigkeit einer gesamtgesellschaftlichen und letztlich transnationalen Demokratisierung und Umstellung der Produktion. Beschränkten sich Arbeiter*innen auf die Umstellung ihres einen Werks, dann müssten sie sich »gegenüber dem sie umgebenden kapitalistischen Markt komplett abschotten […] was aber infolge der totalitären Tendenz kapitalistischer Vergesellschaftung nie wirklich realisierbar ist«. Oder man müsse sich »von hehren Ansprüchen […] verabschieden bzw. schlicht untergehen« (ebd.).
Schließlich würde ein gesamtgesellschaftlicher Produktionsumbau eine sozialverträgliche betriebs- und branchenübergreifende Re-Allokation von Arbeitskräften erforderlich machen, die ebenfalls auf die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen politischen Perspektive und auf die Grenzen der Marktsteuerung verweisen.
Abgesehen von den Schwierigkeiten, mit denen die Arbeiter*innen von Lucas Aerospace konfrontiert waren, spielte die Forderung nach einer Konversion weder bei akuten Abwehrkämpfen noch in strategischen Überlegungen von Betriebsräten oder der IG Metall in den vergangenen Jahrzehnten eine Rolle (vgl. Köncke/Maschke 2020). Wissen zufolge gibt es eine hegemonietheoretische Erklärung dafür, dass die Bestrebungen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung im globalen Norden ausblieben, die fossilistische Produktions- und Lebensweise durch eine gebrauchswertorientierte Produktion zu ersetzen. Das Festklammern am Status Quo sei begreifbar als »Nachwirkung vergangener Kämpfe um gute Arbeitsbedingungen, soziale Teilhabe und politische Rechte […], als Ausdruck tief sedimentierter Vorstellungen eines guten Lebens ebenso wie als Angewiesensein auf fossilistische Formen des Produzierens, Konsumierens und der Infrastrukturversorgung.« (Wissen 2020: 453) Die »gebrauchswertorientierten Elemente des Lohnarbeiter*innenbewusstseins« (ebd.: 456), die sich in Kämpfen wie dem der Arbeiter*innen von Lucas Aerospace Bahn brechen würden, seien also lange Zeit nicht zum Vorschein getreten, weil Arbeiter*innen mit dem fossilistischen Status Quo das gute Leben verbanden, das sie sich teils in harten Kämpfen erstritten hatten. Doch das Vertrauen in das Versprechen eines guten Lebens unter fossilistischen Vorzeichen scheint zunehmend zu bröckeln. Wissen argumentiert, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse, die die weit über Lohnfragen hinausgehenden Arbeitskämpfe von den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren hervorbrachten, der gegenwärtigen Situation gewissermaßen ähneln (vgl. ebd.: 457):
»Die Krise der 1970er Jahre wird aus regulationstheoretischer Perspektive übereinstimmend als Formationskrise der fordistischen Entwicklungsweise bezeichnet. Für eine abschließende Einschätzung der mit der Corona-Pandemie beschleunigten aktuellen Verwerfungen ist es noch zu früh. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass diese im Nachhinein als Formationskrise des neoliberalen finanzdominierten Akkumulationsregimes erscheinen […]« (ebd.: 457f.).
Die derzeitige Krisenhaftigkeit des Kapitalismus könnte also einen fruchtbaren Boden dafür bilden, die derzeitige Produktions- und Lebensweise infrage zu stellen. Allerdings sei der »Grad linker Politisierung« (ebd.: 458) unvergleichlich kleiner als in den 1970er-Jahren, die gesellschaftliche Rechte dagegen im Aufschwung. Wenn es Potenzial für eine Rückkehr der Gebrauchswertorientierung in Betrieb und Gewerkschaft gäbe, dann könnte es von der erstarkenden Klimabewegung ausgehen (ebd.: 459). Die Konversionsbewegungen rund um das Bündnis Klimaschutz und Klassenkampf in München Berg am Laim und das Collettivo di Fabbrica aus Campi Bisenzio bestärken Wissens These. Beide Bewegungen entstanden im Rahmen des Strukturwandels in der Automobil- und Zuliefererindustrie, die durch eine Fortsetzung des Status Quo den Glauben an das gute Leben von unzähligen Belegschaften infrage stellen könnte. Sie sind zudem Folge zunehmender gesellschaftlicher Debatten über den notwendigen grundlegenden Umbau der kapitalistischen Gesellschaften, die durch die Klimabewegung in den vergangenen Jahren forciert wurden.
Klimaschutz und Klassenkampf in München Berg am Laim
Auch für Klimaaktivist*innen vom Antikapitalistischen Klimatreffen München bildete der Fall Lucas Aerospace einen Referenzpunkt ihres Vorhabens, mit den ca. 250 Arbeiter*innen des Bosch-Werkes über eine sozial-ökologische Alternative zur Schließung zu diskutieren (vgl. M_Klima_1). Vor dem Erscheinen der Klimaaktivist*innen planten beziehungsweise veranstalteten die Betriebsräte bereits eine Reihe von Aktionen, um auf die Schließung aufmerksam zu machen und sie zu verhindern. Es beteiligten sich einige, vornehmlich ältere, Beschäftigte. Viele der jüngeren suchten sich aber auch unmittelbar einen anderen Arbeitgeber (vgl. M_BR). Als die Klimaaktivist*innen zum ersten Mal vor dem Werk standen, wurden sie direkt an einen Betriebsrat verwiesen (vgl. M_Klima_1). Für ihn war es, als seien die Klimaaktivist*innen »wie die Engel vom Himmel gefallen« (M_BR). Die Petition Werk erhalten, Produktion umstellen war das Ergebnis mehrerer Treffen von einigen Aktivist*innen und dem Betriebsrat. Nachdem die anderen Betriebsräte und der Gewerkschaftssekretär dem Inhalt und Vorgehen zugestimmt hatten, begannen ca. 25 Klimaaktivist*innen systematisch unter Klimagruppen und vor dem Werk Unterschriften zu sammeln (vgl. M_Klima_1). Etwa 70 Prozent der Belegschaft unterschrieben in diesem Zeitraum die Petition für eine Konversion ihres Werks (vgl. BR). Das heißt den Aktivist*innen zufolge jedoch nicht, dass alle Kolleg*innen die Umstellung auf ökologische Güter zur Unterschrift bewegt habe:
»Aber man muss sagen, dass es gelogen wäre, zu sagen, die haben alle gesagt: ›Konversion, da haben wir immer schon von geträumt.‹ Sondern die meisten haben gesagt: ›Was wir hier herstellen ist total Banane, solange der Laden bleibt.‹ Und viele haben gesagt: ›Prima, Klima ist eine ganz gute Sache, wenn es nicht kaputt geht.‹ Die Zusammenhänge waren bei vielen eher was, was dann bei den Gesprächen aufkam.« (M_Klima_1)
Eine im Bündnis aktive Beschäftigte beschreibt, dass sie sich sehr über die Klimaaktivist*innen gefreut habe, denn »[d]ie Welt gehört ja uns allen, eigentlich« und es stelle sich durchaus die Frage: »Wer braucht schon so viele Autos?« Sie meint sogar, sie »denke, die [anderen Kolleg*innen, Anm. J.K.] waren alle fasziniert, darauf sind wir nicht gekommen … eine Umweltproduktion in München. […] [S]chon der Gedanke ist schön!« (M_Beschäft) Viele der Arbeiter*innen seien insbesondere beeindruckt davon gewesen, dass die Aktivist*innen wochenlang konstant vor dem Werk standen (vgl. M_Klima_2). Schließlich begegnete den Aktivist*innen auch ein Teil der Belegschaft mit einem »Ja, lass mich in Ruhe« (ebd.) und Ressentiments gegenüber der Klimabewegung. Denn sie sei für den Arbeitsplatzverlust verantwortlich (vgl. ebd.).
Das Interesse am Thema Klimawandel und Konversion nahm im Laufe der Wochen zu, was sich für die Aktivist*innen zum Beispiel in den Gesprächen vorm Werk zeigte (vgl. M_Klima_1). Zudem begannen Beschäftigte in der Werkstatt zu erforschen, ob sie mit ihren Maschinen etwas Umweltfreundlicheres produzieren könnten. Schließlich stellten sie fest, dass sie mit »ihren« Maschinen Ethanol herstellen könnten, das ihres Wissens nach ein weniger schädlicher Kraftstoff sei als Benzin (vgl. ebd.).
Für viele der Kolleg*innen war die Möglichkeit eines anderen Produkts für ihr Werk entweder neu und interessant oder neu und eher ohne große Bedeutung. Im Gegensatz dazu begannen der Gewerkschaftssekretär und der Betriebsrat bereits vor dem Auftreten der Klimaaktivist*innen Transformations- beziehungsweise Konversionsmöglichkeiten für das Werk auszuloten. Ziel des Gewerkschaftssekretärs war es, gemeinsam mit Bosch eine innovative neue Produktpalette zu entwickeln (M_IG M). Auch als Betriebsrat habe man »schon seit Jahren gefordert« (M_BR), etwas anderes zu produzieren, sollte die derzeitige Produktion beendet oder verlagert werden. In einem Workshop wurde festgestellt, dass man zum Beispiel Pumpen für Wasserstoff bauen könnte (vgl. M_BR). Diese Ideen wurden den Werkleitern vorgestellt, wofür man »natürlich kein Feedback« (ebd.) bekam.
Nachdem die Mehrheit der Beschäftigten die Petition unterzeichnet hatte, wurden öffentlichkeitswirksame Aktionen geplant, bei denen ein Entlassungsstopp und die Produktion von »Zukunftsprodukten«, etwa Medizingeräte, gefordert wurden (vgl. Bähr 2021). Bei den Aktiventreffen fanden sich einige Klimaaktivist*innen mit Betriebsratsmitgliedern und fünf bis 20 Beschäftigten zusammen (vgl. M_Klima_2). Auch die Beschäftigten, die zu den Treffen kamen, ließen sich jedoch eher von den Ideen der Klimaaktivist*innen leiten. Bei einem Treffen hätten die Klimaaktivist*innen zum Beispiel
»einen Demoaufruf vorgestellt, da haben dann alle geklatscht und gesagt, sie finden es gut. Aber es hat sich jetzt niemand hingesetzt und gesagt: ›Ich würde aber gern Satz 5 ändern.‹ Es hat auch nur so mittelgut geklappt, dass die Leute dann innerhalb des Betriebs eigenständig Unterschriften sammeln. Und wenn ich sage mittel, dann meine ich eigentlich gar nicht.« (M_Klima_1)
Das Bündnis organisierte mehrere gemeinsame Aktionen, unter anderem eine Demonstration am 3. September 2021 unter dem Motto »Es geht um unsere Zukunft – Werk erhalten, Produktion umstellen«. Anwesend waren rund 130 Demonstrant*innen aus der linken Szene und ca. zehn Bosch-Beschäftigte, was »auch das Maximum [gewesen sei], das sich in Bewegung setzt[e]« (M_Klima_1). Der IG Metall-Sekretär kam privat dazu, die Gewerkschaft rief jedoch aufgrund der derzeitigen Verhandlung mit dem Konzern nicht offiziell zur Demo auf (vgl. ebd.). Vor allem die aktiven Betriebsräte und andere Beschäftigte waren über diese geringe Beteiligung sehr frustriert und deuten sie als Ergebnis von wenig Kampferfahrung und als Folge davon, dass die jahrelange Angst vor Verlagerung und Schließung die »Nerven kaputt gemacht [habe]« (M_Beschäft).
Im Winter 2021/22 bewerten die Bündnisaktiven das Ergebnis ihrer Kampagne ambivalent. Das Ziel, in der Klima- und Gewerkschaftsbewegung zu zeigen, dass es im Rahmen der Umbrüche in der Automobilindustrie eine Alternative zum Jobs-oder-Klima-Dilemma gäbe, habe man ein stückweit erreicht (M_Klima_2). Eine bündnisaktive Beschäftigte betont, dass man auch in Zukunft »zusammenhalten [muss] für unsere Welt, für die Umwelt auch natürlich« und dass man »an die ganze Welt denken [muss], nicht nur an hier« (M_Beschäft). Eine Konversion des Werkes halten die Klimaaktivist*innen für »realistisch [gesehen, Anm. J.K.] jetzt nicht umsetzbar«. Das sei »auch den Beschäftigten irgendwie klar« (ebd.). Eine strukturelle Grenze bestehe darin, dass im Werk nur ein Teil und keine Endprodukte hergestellt werde. In der Annahme, dass ein Konzern wie Bosch seine Entscheidung ohnehin schon gefällt habe, wäre die derzeit einzige Möglichkeit, die Produktion umzustellen, eine Verstaatlichung des Werks. Aber »[e]ine Verstaatlichung von einem Werk, was nur ein Teil herstellt [sei] […] nicht realistisch« (M_Klima_1). Als zweiten, subjektiven, Grund nennen sie, dass der Betrieb allgemein »super demobilisiert« (ebd.) sei.
Im Mai 2022 wurde verkündet, dass sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter*innen auf die Verlagerung der Produktion geeinigt hätten. Der Bosch-Standort bliebe jedoch als Service- und Entwicklungsort erhalten (vgl. Kniepkamp 2022). Von dem Bündnis sind seither keine Aktionen mehr ausgegangen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine abstrakte Offenheit für die Idee einer Konversion durchaus vorhanden war. Soziale und ökologische Anliegen ließen sich in München Berg am Laim produktiv verbinden und bei der schon zuvor betrieblich aktiven Minderheit der Belegschaften bestand Interesse, teils sogar große Freude, über das Angebot der Zusammenarbeit. Es waren jedoch die Klimaaktivist*innen, die die Bündnisdynamik maßgeblich prägten; das betriebliche Mobilisierungspotenzial war enorm gering. Von einer wirklichen Bewegung oder einem Einfluss auf die Entscheidung des Unternehmens, die Produktion zu verlagern, kann nicht die Rede sein. Ob im Rahmen der drohenden Schließung eines Autozulieferers tatsächlich ein schlagkräftiges Bündnis entsteht, das gesellschaftliche Dynamik entfaltet, scheint maßgeblich davon abzuhängen, wie gut die Arbeiter*innen im Betrieb organisiert sind. Darauf deuten zumindest die Geschehnisse in Campi Bisenzio hin.
Der Kampf des Collettivo di Fabbrica GKN in Campi Bisenzio
Am 9. Juli 2021 wurde den 422 Festangestellten und ca. 80 Leiharbeiter*innen des Automobilzulieferers GKN Driveline[6] in der Toskana per E-Mail mitgeteilt, dass sie am kommenden Montag nicht mehr zur Arbeit erscheinen sollten. Unmittelbar danach besetzten die Beschäftigten das Werk in Campi Bisenzio, einem Vorort von Florenz. Die Besetzung hält bis heute (Stand Dezember 2022) an. Bis zu ihrer Entlassung produzierten die Arbeiter*innen hauptsächlich Achswellen für Fiat (Ducato), Maserati und Ferrari. Seit dem Sommer 2021 setzen sich die Arbeiter*innen für den Erhalt ihres Werkes und für eine ökologische Produktionsalternative ein. Zahlreiche Demonstrationen gegen die Entlassung der GKN-Arbeiter*innen und aller anderen Belegschaften, die von der Entlassung bedroht sind, fanden 2021 und 2022 statt (vgl. Cini u.a. 2022: 5). Eine der größten Demonstrationen wurde gemeinsam vom Fabrikkollektiv und FFF Italien organisiert. Bei der Demonstration am 26. März 2022 versammelten sich unter dem Motto »People not profit« bis zu 25.000 Menschen in Florenz (vgl. Chiari 2022). Die Interessen der Klimaaktivist*innen und der Fabrikarbeiter*innen konvergieren seither in der gemeinsamen Forderung nach einer Konversion der Produktion. Sie streben an, in Campi Bisenzio Teile für mit grünem Wasserstoff betriebene Busse zu produzieren.
Dass dies technisch möglich wäre, erarbeitete das Fabrikkollektiv gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität Pisa. Sie schauten sich die Maschinen in der Fabrik an und entwickelten aufbauend auf dem Wunsch der Arbeiter*innen, von nun an Teile für den öffentlichen Nahverkehr zu produzieren, zwei mögliche Produkte: In Campi Bisenzio könnten entweder weiterhin Achswellen, jedoch von nun an für Busse und Züge, oder Elektrolyseure für die Herstellung von grünem Wasserstoff hergestellt werden (vgl. Gruppe solidarischer Wissenschaftler*innen 2022: 5). Doch die Arbeiter*innen bezweifeln, dass sie den Plan erfolgreich umsetzen können: »Wir können unsere Vorschläge nicht voranbringen, weder im Landtag noch in der Regierung, weil es dort kein Interesse gibt.« (C_Beschäft_2)
Für die Ausstrahlungskraft des Abwehrkampfes der Arbeiter*innen von GKN scheint zentral, dass mit dem Collettivo di Fabbrica bereits vor der Besetzung eine autonome politische Struktur bestand, die die Besetzung organisieren konnte. Das Collettivo di Fabbrica GKN agiert autonom, aber eng verbunden mit den offiziellen Gewerkschaftsstrukturen. Die Mehrheit der gut 500 Arbeiter*innen inklusive der in der CGIL-FIOM (Federazione Impiegati Operai Metallurgici [Gewerkschaft der Metallarbeiter*innen]) organisierten Betriebsräte versteht sich als Teil des Fabrikkollektivs, das sich außerhalb der Arbeitszeiten trifft und eine organisatorisch flache und offene Struktur aufweist. Heute vereint sie ehemalige Betriebsräte, gewerkschaftlich Aktive, unorganisierte Arbeiter*innen und externe Unterstützer*innen (vgl. Cini u.a. 2022: 9). Diese Struktur ermöglichte es laut den Arbeiter*innen des Fabrikkollektivs, auf die plötzliche Werkschließung mit einer Besetzung zu reagieren, die von fast allen Arbeiter*innen getragen wird.
Zudem verfolgt das Fabrikkollektiv seit der Besetzung eine systematische Bündnispolitik, mit der es ihm gelingt, stetig weitere Teile der Klasse der Lohnabhängigen im Kampf für eine gebrauchswertorientierte Produktion zu vereinen. Das Kollektiv beschloss unmittelbar nach der Besetzung, die Fabriktore für Unterstützer*innen und Interessierte zu öffnen und politische Proteste zu organisieren. Dass ihnen zwischen Januar und November 2022 ein Transformationskurzarbeitergeld vom neuen Besitzer ausgezahlt wurde und regelmäßig Krisengespräche zwischen dem Fabrikkollektiv, dem Entwicklungsministerium, der Region Toskana, der Gemeinde Florenz und dem neuen Besitzer der Fabrik, Francesco Borgomeo, stattfanden, hielt sie nicht von der Bündnispolitik ab. Denn sie vertrauten dem Versprechen des neuen Besitzers Borgomeo, der die Fabrik am 23. Dezember 2021 gekauft hatte, nicht, dass er einen Konversionsplan für die Fabrik erarbeiten würde (vgl. C_Beschäft_1).
Zehn Tage nach der Besetzung rief die zuständige Gewerkschaft FIOM zu einem vierstündigen Streik in der Metallindustrie in der Provinz Florenz auf. Streikende Arbeiter*innen in der Logistikbranche (Text-Sprint, Fedex) und im Textilbereich (Prato), soziale Zentren und ökologische Landwirtschaftsverbände sowie tausende Bürger*innen solidarisierten sich mit der Besetzung (vgl. Cini u.a. 2022: 11ff.). Es folgten eine Reihe großer Demonstrationen, wie etwa am 11. August, dem Tag der Befreiung vom Faschismus in Florenz.[7] Als FFF Italien anlässlich des G20-Gipfels in Rom am 30. Oktober 2021 zum Gegenprotest aufrief, bespielte das Fabrikkollektiv von GKN einen ganzen Block des Demozuges (vgl. FFF Italia 2021).
Das Kollektiv thematisierte schon vor der geplanten Entlassung ökologische Fragestellungen. Für sie war es »schon länger ein Widerspruch, dass [sie] Achswellen herstellen, sprich ein Produkt, das in Luxusautos und Nutzfahrzeuge eingebaut wird und somit Teil eines Entwicklungsmodells [ist], das wir nicht vertreten können.« (Salvetti 2021) Sie befanden sich stets im Dilemma, ihre Beschäftigung und ihre Löhne erhalten, aber gleichzeitig ihren Kindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen zu wollen. Die Arbeiter*innen von GKN gingen deshalb aktiv auf die FFF-Aktivist*innen zu:
»Man muss sagen, dass die Leute von GKN auf uns zugegangen sind, auch weil sie von Anfang an den eigenen Kampf nicht getrennt betrachten wollten und nicht allein führen wollten […] Das liegt daran, dass GKN sich auch als ökologische Belegschaft begreift. […] Die Konvergenz kam zu Beginn über persönliche Kontakte zustande […], Stück für Stück haben die Demonstrationen dann die Gelegenheit geboten, um auch mit der gesamten Bewegung diese Konvergenz aufzubauen.« (C_FFF_1)
Im Laufe der Zusammenarbeit wurde aus den programmatischen Bekenntnissen einer notwendigen Verbindung von Klassenkämpfen und ökologischer Wende, die es bei FFF Italien stets gab, eine gemeinsame Praxis (vgl. C_FFF_1). Die Klimaaktivist*innen aus Rom beschreiben, dass zu den FFF-Demonstrationen seither auch GKN-Beschäftigte kommen. Dies verschaffe FFF mehr Glaubwürdigkeit unter Arbeiter*innen und Angestellten. Zugleich hätten die Klima-Aktivist*innen zunehmend begonnen, sich betrieblichen Themen und Strategien zuzuwenden: »Die Frage einer Produktion von unten – wer entscheidet, was wird produziert und wie – das ist jetzt keine leere Hülse mehr, sondern sehr konkret!« (ebd.) Ziel der Arbeiter*innen und Klimaaktivist*innen ist es, in gemeinsamen Aktionen, Positionen und kulturell eine Konvergenz der Bewegungen, nicht nur eine punktuelle Zusammenarbeit zu schaffen (vgl. Salvetti 2021).
Natürlich gab es zwischen den GKN-Arbeitern und den sozialen Bewegungen auch inhaltliche Kontroversen, die FFF und das Fabrikkollektiv jedoch produktiv auflösten:
»GKN sind Männer, sie machen eine sehr praktische Tätigkeit, sie sind Industriearbeiter. Deren politische Orientierung entsteht aus dieser Welt. […] FFF, Ni Una Menos und Co. haben andere Referenzen und schenken zum Beispiel der Pflegearbeit, weiblicher Arbeit […] auch große Aufmerksamkeit. […] Deswegen ist das so eine Spaltung und das hat auch dazu geführt, dass die feministischen Bewegungen sich von GKN gerade eher entfernt haben. […] Für uns ist das Thema von Degrowth natürlich auch ein schwierigerer Punkt in diesem Zusammenhang, weil das oft eine Bedrohung für die Arbeiter darstellt. Aber mit GKN haben wir eine gemeinsame Forderung aufgestellt, die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit bei gleichem Lohn.« (C_FFF_2)
Die Arbeiter*innen sind seit Beginn der Besetzung auf der Suche nach anderen von der Entlassung bedrohten Belegschaften, um sich entlang der Lieferkette für mit grünem Wasserstoff betriebene Busse zu organisieren. Parallel vernetzten sie sich jedoch auch mit Bäuerinnen in der Gegend, da sie sich auch vorstellen könnten, vorübergehend andere Dienstleistungen für die Arbeiter*innen in der Umgebung anzubieten, wie etwa eine Kinderbetreuung oder eine Mensa in der Fabrik (vgl. C_Beschäft_3). Kontinuierlich führte das Fabrikkollektiv zudem die Bündnisarbeit italienweit mit anderen Bewegungen und Organisationen fort, um die Ausbeutung von Menschen und Natur zu skandalisieren.[8]
Trotz des wissenschaftlich fundierten Konversionsplans, der anhaltenden Besetzung und der gesellschaftlichen Mobilisierungen deutet derzeit nichts auf einen Erfolg der Konversionsbestrebung hin. Bis zum Herbst 2022 zeigte weder der italienische Staat noch der neue Besitzer Interesse an den Überlegungen einer alternativen Produktion, wie ein Arbeiter aus dem Kollektiv erzählt:
»Ich stehe in Kontakt mit FFF, der Initiative gegen die Müllverbrennung hier in Florenz und ganz verschiedenen Umweltorganisationen italienweit. Bei jedem Treffen, egal ob es um Windenergie, um E-Mobilität und so weiter geht, ist das Problem, dass es an Interesse seitens des Staates mangelt, der noch nicht mal Anreize schafft, um private Investoren anzulocken. Weil alles noch an fossilen Brennstoffen hängt. An Gas, an allen alten Kraftstoffen. Dabei gibt es viele Vorschläge, von diesen unterschiedlichen Akteuren, unter anderem auch unseren Vorschlag des grünen Wasserstoffs. Diese Projekte werden einfach nicht ernst genommen« (C_Beschäft_2).
Stattdessen hat die neue Unternehmensleitung Qf unter der Leitung von Franscesco Borgomeo am 4. November 2022 angekündigt, dass die Maschinen am darauffolgenden Montag aus dem Werk geholt werden sollen. Die angekündigte Räumung wurde bis zum Dezember 2022 noch nicht realisiert. Allerdings wurde die Überweisung des Kurzarbeitergelds seit dem 8. November 2022 eingestellt, wodurch die Arbeiter*innen materiell gezwungen werden (sollen), sich alternative Einkommensquellen zu suchen. Die Reaktion des Kollektivs ist jedoch erneut offensiv. Anfang Dezember führten sie in Campi Bisenzio, Florenz und Umgebung eine autonome Volksabstimmung durch, in der sie die Frage stellen: »Bist du für eine staatliche Übernahme des Werks sowie für die Billigung des Kurzarbeitergelds unter der Bedingung, dass die Konversion einen ›öffentlichen Nutzen‹ verfolgt und dass dabei Konversionsvorschläge sowohl von privaten Investoren als auch von öffentlichen Akteuren inklusive der von den Arbeitern selbst gegründeten Genossenschaft berücksichtigt werden?« (Arci.it 2022) Innerhalb von zehn Tagen sammelten sie 16.500 Stimmen für ihr Vorhaben. Noch ist unklar, wie der italienische Staat oder der neue Besitzer auf diese politische Intervention reagieren wird.
Grenzen und Potenziale der Konversionsbestrebungen im Kontext sozial-ökologischer Transformationskonflikte
Die historischen Verweise auf die Konversionsbestrebungen der 1970er- und 1980er-Jahre im ökomarxistischen Diskurs erschienen bisweilen weitestgehend losgelöst von den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen. Der Kampf der Arbeiter*innen von Lucas Aerospace fungierte stets als Beispiel für eine abstrakte Beweisführung, dass auch die Arbeiter*innen in der Automobilindustrie für ein ökologisches Projekt zu gewinnen seien. Allerdings ließ die betriebliche und gesellschaftliche Realität daran zweifeln, dass es in näherer Zukunft offensive Kämpfe für eine demokratische Konversion von Fabriken, zumindest in Deutschland, geben werde. Die Beispiele der Bündnisse rund um das Bosch Werk in München Berg am Laim und das GKN-Werk in Campi Bisenzio sind Anzeichen dafür, dass die Konversionsdebatten und -bewegungen wieder an Aktualität gewinnen könnten.
Das zunehmende Krisenbewusstsein der Beschäftigten in Automobilzuliefererbetrieben und die erstarkende Klimabewegung könnten den Nährboden für weitere »zarte Pflänzchen ökologischer Klassenpolitik« (Kaiser 2020: 267) bilden. Auch vor fünfzig Jahren waren es globale Krisentendenzen des Kapitalismus sowie »feministische, ökologische, internationalistische und friedenspolitische Bewegungen«, die »Resonanzen in den Betrieben [erzeugten].« (Wissen 2020: 458) Heute wirkt insbesondere die Klimabewegung in Teile der Belegschaften hinein, und das Bewusstsein darüber, dass es derzeitigen Kämpfen »um die nächste Generation, um die Zukunft« (M_BR) geht, wie es in München hieß, beziehungsweise »per questo, per altro, per tutto« (deutsch: für dies, für jenes, für alles), wie derzeit in Italien, nimmt in progressiven Teilen der Belegschaften zu.
Die Geschehnisse in München Berg am Laim legen nahe, dass im Rahmen einer drohenden Entlassung die Zusammenarbeit mit Klimaaktivist*innen für eine soziale und ökologische Lösung von Teilen der Belegschaften in der deutschen Automobil- und Zuliefererindustrie als gewinnbringend angesehen werden könnte. Das Interesse an einer industriellen Konversion des eigenen Werks als Alternative zur Werksschließung kann zudem innerhalb kurzer Zeit in einer Belegschaft anwachsen. Allein dies ist in Anbetracht der Tendenz hin zum sogenannten »Lausitz-Dilemma«, also zu einem teils feindseligen Gegeneinander von Klima- und Arbeiter*innenbewegung, ein beachtenswerter Befund (vgl. Köster u.a. 2020: 124). Das Beispiel zeigt aber auch, dass ohne eine kämpferische und mehrheitlich organisierte Belegschaft lediglich symbolische Aktionen mit kleinen betrieblichen Kernen denkbar sind, die diskursiv auf die Existenz einer grün-roten Alternative hinweisen und dadurch vielleicht andere Kämpfe anstoßen können. Das Beispiel des Collettivo di Fabbrica GKN verdeutlicht, dass der Abwehrkampf einer außergewöhnlich gut organisierten Belegschaft Ankerpunkt eines ökosozialistischen Pols werden kann, der bedeutende Teile einer ganzen Region politisiert.
Nach Bernd Röttgers Ausführungen zu den strategischen Herausforderungen einer demokratischen Konversion scheint das Ziel einer Konversion bei dem Abwehrkampf einer Belegschaft dennoch unerreichbar. In keinem der Beispiele regt sich auch nur ein Hauch von unternehmerischem oder staatlichem Interesse, die Produktion unter nachhaltigen Vorzeichen wiederaufzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass der Umbau ohne eine Entprivatisierung der Autokonzerne und ihre Überführung in öffentliche Institutionen nicht erreichbar sein wird. An der Eigentumsfrage werden auch heutige Konversionsbestrebungen nicht vorbeikommen. Es bedarf einer überbetrieblichen gesamtgesellschaftlichen Konversionsperspektive und einer ökosozialistischen Gesamtstrategie, die die aufkommenden Kämpfe für ein Recht auf ökologische Arbeit und die Vergesellschaftung der Produktion vereint und antagonistisch zu den Kapitalinteressen durchzusetzen versucht (vgl. Rackwitz 2022b). Im Rahmen einer öffentlichen Mobilitätsanstalt wäre es möglich, »die vielfältigen erforderlichen Maßnahmen miteinander zu koordinieren: Paralleler Ausbau der Bus- und Bahnnetze bei gleichzeitigem Abbau der Kapazitäten in der Autoindustrie.« (Michel 2020)
Um diesem ökosozialistischen Pol einen Schritt näher zu kommen, besteht zunächst die Notwendigkeit, dass sich die Debatte um das Was und Wie der Produktion in den Betrieben ausbreitet. Für Haupt- und Ehrenamt in der IG Metall hieße das, die Debatten aus den 1980er-Jahren wiederaufzunehmen. Dass während Wochenendschulungen von Vertrauensleuten der IG Metall Esslingen damals Ingenieure und Arbeiter*innen aus Gießerei, Werkzeugbau und Achsenproduktion über die Möglichkeiten sozial-ökologischer Alternativen zum Pkw diskutierten, ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar (vgl. ebd.) und doch nicht unerreichbar.
Die Fehler von damals, etwa das Scheitern von betriebsübergreifenden IG-Arbeitskreisen, dürften nicht wiederholt werden. Stattdessen wäre es an der Zeit, progressive Betriebsräte aus Deutschland mit den Arbeiter*innen in Florenz zusammenzubringen und die Debatte über eine offensive Gegenstrategie zur Entlassungswelle und zu der Tag für Tag voranschreitenden ökologischen Krise zu entwickeln. Klimaaktivist*innen wären von Beginn an einzubeziehen, um die betrieblichen Kämpfe zu gesellschaftlichen werden zu lassen. Eine Aufarbeitung der Lehren von damals, die Energie und die Strategiesuche der heutigen Klimabewegung sowie die objektiven Bedingungen könnten die Grundlage für schlagkräftige zukünftige betriebliche und gesellschaftliche Kämpfe für eine gebrauchswertorientierte Produktion bilden. Die angekündigte Schließung des GKN-Werkes in Mosel (Zwickau) und die unmittelbare Solidaritätsbekundung der Ex-GKN-Arbeiter aus Campi Bisenzio stellen eine Steilvorlage dar. Die IG Metall in der Region und bundesweit sowie die Klimabewegung sollten gemeinsam eine Strategie entwickeln und sich lautstark für eine ökologische Produktion in Mosel einsetzen (vgl. IG Metall 2023).
Artikel von Julia Kaiser in der PROKLA 210 vom März 2023 – wir danken Autorin und Verlag!
- Julia Kaiser arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsbereich für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
- Die PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft Nr. 210 hat den Themenschwerpunkt: Sozial-ökologische Transformationskonflikte und linke Strategien – siehe Infos, Inhaltsverzeichnis und Bestellung beim Verlag Bertz + Fischer – wir empfehlen das ganze Heft!
Fussnoten
1) Grund dafür sind zum Beispiel höhere CO2-Emissionen während der Produktion als bei Benzin- oder Dieselfahrzeugen und ein steigender Bedarf an Kohle- und Atomstrom, solange die erneuerbaren Energien nicht ausreichend ausgebaut sind (vgl. Wolf 2019). Hinzu kommt, dass Elektroautos meist als Zweitwagen genutzt werden und der Ressourcenverbrauch von Kupfer, Lithium, Kobalt und Seltenen Erden zunehmen wird (vgl. ebd.). Auch der Wasserverbrauch bei der Batterieherstellung ist enorm: Für 20 neue Tesla- Autos werden in Regionen mit Wasserknappheit circa 1,9 Millionen Liter Wasser verbraucht (vgl. Wolf 2020).
2) Dadurch, dass ca. 200.000 Beschäftigte der Industrie in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen werden, könnte der Wandel »rein quantitativ, sozialverträglich« (Candeias 2022: 386, Herv. im Original) ablaufen. Allerdings ist neben den individuellen Herausforderungen für die Beschäftigten bei einer Werksschließung auch die gewerkschaftliche Organisationsmacht insgesamt bedroht.
3) In jüngeren theoretischen Publikationen wurde beispielsweise argumentiert, dass eine industrielle Konversion aus ökologsicher Hinsicht eines der zentralen Ansatzpunkt der ökosozialistischen Linken sein müsste (vgl. Zeller 2020, 100ff.). Darüber hinaus erfragten arbeitssoziologische Studien die Offenheit der Beschäftigten der Automobil- und Zuliefererindustrie für eine Produktion anderer Güter (Blöcker 2020; Sittel u.a. 2020; Wissen u.a. 2020; Boewe u.a. 2021).
4) Die Interviews mit den Aktiven der Initiative Klimaschutz und Klassenkampf führte ich im Rahmen meiner unveröffentlichten Masterarbeit zwischen Oktober 2021 und Januar 2022. Darunter waren zwei Klimaaktivist*innen des Antikapitalistischen Klimatreffens München, ein Stadtverordneter der LINKEN, ein IG Metall Sekretär, eine Beschäftigte und ein Betriebsrat (benannt mit M (für München)_Funktion_Nummer). Im Fall des Collettivo di Fabbrica führte ich gemeinsam mit Lukas Ferrari zwischen April und Oktober 2022 Interviews mit zwei Klimaaktivist*innen von FFF Italien, zwei GKN-Beschäftigten und Mitgliedern des Fabrikkollektivs sowie einem der Wissenschaftler, die den Konversionsplan verfassten (benannt mit I (für Italien)_Funktion_Nummer).
5) Gemeint ist ein »transformatorische[r] Prozess, in dem die Kooperation der Arbeitenden seine kapitalistische Formbestimmung abstreift und seinen emanzipatorischen Charakter entfaltet.« (Röttger 2010) Die demokratische Konversion lässt sich abgrenzen von einer staatsgetriebenen, weltwirtschaftlich getriebenen oder wettbewerbskorporatistischen Form der Konversion (vgl. ebd.).
6) GKN ist ein Automobilzulieferer mit mehr als 50 Produktionsstätten auf der ganzen Welt. Die Inhaber des Werkes haben in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewechselt. Einst im Besitz von Fiat wurde das Werk im Jahr 1994 von dem Unternehmen GKN erworben, das wiederum 2018 vom britischen Investmentfonds Melrose Industries aufgekauft wurde. Nur drei Jahre später verkündete die Geschäftsführung nun die Schließung des Werks in Campi Bisenzio und die Entlassung der gesamten Belegschaft.
7) Das Motto der Demonstrationen der letzten Monate Insorgiamo con i lavoratori GKN (»Wir erheben uns mit den GKN-Arbeitern«) verweist auf den florentinischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus.
8) Im Oktober 2022 organisiere das Kollektiv gemeinsam mit FFF eine Demonstration gegen den Ausbau einer Autobahn in Bologna (vgl. Caresana 2022). Im November rief es gemeinsam mit einer Arbeitsloseninitiativen in Neapel und FFF zu einer Demonstration unter dem Motto »Steigende Lebenskosten, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, Krieg, Umweltverschmutzung, Repression: jetzt reicht’s«! auf. 20.000 Menschen folgten dem Aufruf (vgl. infoaut.org 2022).
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Siehe für Hintergründe im LabourNet Germany:
- Speziell Autoindustrie:
- Dossier: [Erklärung] “Die Autoindustrie vor und nach „Corona“: Konversion statt Rezepte von gestern!“ und die Debatte
- Dossier: Autozulieferer GKN schliesst Florentiner Werk und setzt 450 Familien auf die Strasse – per e-mail – Besetzung!
- Dossier: Von Bosch über Continental bis ZF: In der Zulieferer-Branche steht ein massiver Jobabbau an, Fabriken droht die Schließung. Gegen die Krise werden klassische Rezepte nichts helfen (dort auch GKN Mosel)
- Dossier: “Transformation” bei Bosch?
- Dossier: E-Mobilität: Unterwegs zu mehr Ressourcengerechtigkeit?
- Dossier: [IG Metall und ihre Auto-Partner] Elektrifizierung des Antriebsstrangs und Beschäftigung
- vom März 2020: Produkt-Konversion auf kapitalistisch: General Motors kann Beatmungsgeräte herstellen. Vorausgesetzt, die Regierung der USA schiebt dem Konzern schon mal 1,5 Milliarden Dollar rüber… oder
- [Konversion geht doch!] Aus dem 3D-Drucker: VW richtet sich auf Bau von Medizintechnik ein
- vom Oktober 2019: Blick zurück nach vorn. Auto, Umwelt, Verkehr – Produktionskonversion revisited
- Januar 2017: Wege zu einer Konversion der Autoindustrie. Die Vernunft muss bewaffnet werden
- und viele weitere Einzelmeldungen
- Und branchenübergreifend:
- Dossier: Klima-Klassenkampf: Internationale Debatten für eine gemeinsame Front gegen Umweltzerstörung und Angriffe auf Arbeits- und Menschenrechte
- Dossier: Soziale und ökologische Ziele zusammendenken – Arbeitskämpfe und Umweltaktivismus sind kein Widerspruch
- Dossier: Debatte über die Haltung der großen Industriegewerkschaften zum Thema Klimagerechtigkeit
- vom August 2012: Den Betrieb übernehmen – Von der Krisenbearbeitung zu gesellschaftlicher Transformation
- Aber auch in anderen Branchen:
- Dossier: Luftindustrie am Boden: Weltweite Arbeitskämpfe als Reaktion auf die „Cost-Cutting Crazyness“
- Dossier: Strukturwandel nutzen! Konversion von Rüstungsbetrieben ist kein Selbstläufer
- Dossier: 40 Jahre Rüstungskonversion bei Lucas Aerospace: Wie die britische Gewerkschaftsbewegung (einst?) eine globale Perspektive aufzeigte
- Dossier: Drohnenprogramm könnte 1500 Arbeitsplätze sichern [„Lichtblick“ für die IG Metall]
- vom August 2018: Neu gegründet: Gewerkschaftliche Friedensinitiative in Niedersachsen für aktive Friedenspolitik und Militär- und Rüstungskonversion
- vom Juni 2017: Wiederbelebung notwendig. Gewerkschaftliche Initiativen setzen Rüstungskonversion wieder auf Tagesordnung
- und viele weitere Einzelmeldungen