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[Nicht nur in den USA] Kollaps der Billig-Airlines: Wie Fluggesellschaften Verbraucher:innen und Arbeitende im Niedriglohnsektor gegeneinander ausspielen

Dossier

USA: Plakat der Flug-Gewerkschaft TWU Local 556 "Unsere Passagiere sind frustriert. Wir auch."Die Southwest-Airlines war die erste Fluggesellschaft, die in den 1970er Jahren das Billigflugmodell in den USA einführte: Schlechte Löhne, Ansteuern kleinerer Flughäfen mit schlechter Infrastruktur, nur eine Klasse: Ein Bus mit Flügeln. Seither haben Ryanair, EasyJet, Germanwings und andere das Modell übernommen und konkurrieren um Marktanteile. Gewerkschafter:innen warnen seit Jahren, dass das früher oder später zum Zusammenbruch führen muss. Und sie hatten Recht: Um Weihnachten 2022 kollabierte das Modell Billigflug bei Southwest Airlines, 2/3 der Flüge wurden gestrichen. Aufgrund der systematischen Unterbesetzung gab es kaum Personal, das Tausenden gestrandeten Passagier:innen helfen konnte, was zu einer Spirale der Wut führte: Kolleg:innen im Niedriglohnsektor und ebenso prekäre Passagiere, die sich keine teureren Flüge leisten können, wurden gegeneinander ausgespielt – Gewinne aber maximiert: 2023 will Southwest 428 Millionen Dollar an Dividenden ausschütten… Wir haben dazu ein paar Hintergrundartikel zusammengestellt, denn wie bereits das Flugchaos im Sommer 2022 zeigte, ist das nur der Anfang der Flugkrise:

  • Es liegt wieder bei Biden: Pilot:innen der Southwest Airlines planen ersten Streik – restriktives US-Streikrecht könnte diesen wie bei der Bahn verhindern New
    • „Die SWAPA-Piloten waren noch nie gezwungen, ein SAV [Urabstimmung für Streik] abzuhalten, aber aufgrund des Mangels an Führung und Fortschritten bei den Verhandlungen befinden wir uns in einer traurigen historischen Zeit.“ Tweet der Southwest Airlines Pilots Association vom 18. Januar 2023 externer Link (engl.)
    • „… Die Gewerkschaft der Pilot:innen von Southwest Airlines plant eine Abstimmung, die ihr die Befugnis geben könnte, einen Streik auszurufen. Dieser Schritt kommt Wochen nach der Feiertagspleite der Fluggesellschaft, die die Beziehungen zu den Gewerkschaften der Arbeitenden weiter belastet hat. Selbst wenn die Pilot:innen von Southwest für die Ermächtigung der Gewerkschaft stimmen, einen Streik auszurufen, würde dieser nicht sofort stattfinden und müsste von der Nationalen Schlichtungsstelle genehmigt werden. Southwest und die Southwest Airlines Pilots Association verhandeln schon seit Jahren über einen neuen Vertrag. Die Gewerkschaftsführer haben sich auf bessere Arbeitsregeln und eine bessere Zeitplanung für die Arbeitenden von Southwest konzentriert. Während des Verkehrschaos im letzten Monat saßen viele Pilot:innen und Flugbegleiter:innen fest und mussten in der Warteschleife warten, um die Flugplaner oder den Hotelservice zu erreichen. Der Präsident:in der Gewerkschaft, Casey Murray, sagte, es sei das erste Mal, dass sie eine Urabstimmung über einen Streik durchführt. „Diese Entscheidung beruht nicht auf Emotionen, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht wütend bin“, schrieb Murray am Mittwoch an die Pilot:innen. Er sagte, die Gewerkschaft verhandle auch über „Entschädigungszahlungen, um unsere Pilot:innen zu entschädigen, die unter dem Zusammenbruch gelitten haben.“ Die Urabstimmung wird am 1. Mai stattfinden, sagte Murray. Dadurch können wir uns am besten vorbereiten und unseren Kund:innen Zeit geben, woanders zu buchen, damit sie sich auf ihre Sommerferien, Flitterwochen und Familienausflüge verlassen können“, schrieb er an die Mitglieder. „Die Forderung der Southwest Airlines Pilots Association nach einer Urabstimmung beeinträchtigt weder den Betrieb von Southwest noch unsere Fähigkeit, uns um unsere Kund:innen zu kümmern“, sagte Adam Carlisle, stellvertretender Präsident:in für Arbeitsbeziehungen bei Southwest, in einer Stellungnahme. „Wir werden uns weiterhin an das im Railway Labor Act festgelegte Verfahren halten und mit Unterstützung der nationalen Schlichtungsstelle auf eine Einigung hinarbeiten, die unsere Pilot:innen belohnt und sie in der Branche wettbewerbsfähig macht. Die Southwest-Pilotengewerkschaft hat im vergangenen Jahr eine Schlichtung auf Bundesebene in den Tarifverhandlungen beantragt. Carlisle sagte, dass die Schlichtung am 24. Januar fortgesetzt werden soll…“ Artikel von Leslie Josephs vom 18. Januar 2023 auf CNBC Online externer Link („Southwest pilots’ union calls vote to authorize potential strike as contract talks sour“)
  • „Es ist profitabler, schlechten Service zu haben als guten“
    „Das US-Verkehrsministerium will die Annullierungen und Verspätungen von Southwest Airlines untersuchen, nachdem die Fluggesellschaft seit einem Schneesturm an Weihnachten etwa zwei Drittel ihrer Flüge gestrichen hat. Die beispiellose Betriebsstörung ließ Tausende von Reisenden festsitzen und verursachte an den Flughäfen im ganzen Land während einer der verkehrsreichsten Reisezeiten des Jahres ein Chaos. Corliss King, stellvertretender Präsident der TWU Local 556, die die Flugbegleiter:innen von Southwest vertritt, sagt, dass die Gewerkschaft das Unternehmen schon seit Jahren vor den technischen Problemen gewarnt hat, die zu dem Chaos in dieser Woche geführt haben. Außerdem sprechen wir mit Paul Hudson von FlyersRights, der größten gemeinnützigen Organisation für Fluggastrechte in den USA, der jahrzehntelange Kostensenkungen und Gewinnstreben für den sich verschlechternden Service in der Airline-Branche verantwortlich macht. „Es ist profitabler, schlechten Service zu haben als guten“, sagt Hudson…“ Interview von Amy Godman von Democracy Now vom 28. Dezember 2022 externer Link („“Tired of the Apologies”: Workers, Flyers Say Southwest Airlines Meltdown Was Decades in the Making“)
  • Ausgründung, Automatisierung und Ausbeutung: Wie die Gig Economy im Flugwesen zur Entsolidarisierung in der Arbeiter:innenklasse beiträgt
    „Unser System ist so angelegt, dass sich die Mitglieder der Arbeiterklasse gegenseitig bekämpfen. In der Zwischenzeit bleiben gesichtslose Konzernchefs wie Mafiabosse geschützt. (…) Die jüngsten viralen Bilder von Southwest-Angestellten, die angeschrien werden und weinen, haben eine wertvolle Lektion über die Natur unseres Wirtschaftssystems wieder zum Vorschein gebracht, die es wert ist, in dieser Weihnachtszeit untersucht zu werden: die bewusste, eingebaute Art und Weise, wie der „Kundenservice“ in Unternehmen eingerichtet ist, um nicht nur diejenigen zu schützen, die ganz oben auf der Leiter stehen – Vorstände, Präsidenten:innen, Großaktionäre -, sondern auch, um die Arbeitenden im Niedriglohnsektor gegeneinander auszuspielen, und zwar in einer von Natur aus antagonistischen Beziehung, die von Machtlosigkeit und Frustration geprägt ist. (…)
    1. Verräterische Wirtschaft. (…) Unter dem Deckmantel der „Ermächtigung“ des Verbrauchers werden wir dazu angehalten, unsere schlecht bezahlten Dienstboten auszuspionieren und die Qualität ihrer Dienste mit Sternen, Tipps und Bewertungen zu bewerten. Uber, DoorDash, Fiver, Grubhub – eine neue „Gig Economy“ ist entstanden, in der Arbeitende nicht nur als Freiberufler eingestuft werden, um sie schlechter zu bezahlen, sondern in der auch die Zügel des Managements direkt an den Verbraucher übergeben werden. Dadurch wird die Feindschaft zwischen den Verbrauchenden aus der Arbeiter:innenklasse und den Arbeitenden, die sie verpfeifen, zwangsläufig verstärkt.
    2. Automatisierung. Es wird immer schwieriger, auch nur den untersten Angestellten zu erreichen, um ihn anzuschreien. Unter dem fadenscheinigen Vorwand von Covid hat die zunehmende Arbeitskraft den Einsatz von automatisierter Technologie explodieren lassen, die ein frustrierendes Labyrinth schafft, um ein einfaches Problem zu lösen oder eine Aufgabe zu erledigen. Geh nicht an die Kasse, sondern lade die App herunter und bestelle. Scanne den QR-Code, warte nicht in der Warteschleife, geh auf unsere Website und lass dich auf eine Reihe automatisierter Aufforderungen ein, vielleicht kannst du dein Problem lösen. Immer mehr Verbraucher:innen werden von Menschen zu automatisierten Systemen gedrängt, von denen uns gesagt wird, dass sie uns „Zeit sparen“, die aber nur dazu da sind, den Unternehmen Arbeitskosten zu sparen. Wenn der Durchschnittsverbraucher dann endlich einen Menschen zu Gesicht bekommt, ist er verärgert, frustriert und wütend auf dieses gesichtslose Wesen und lässt das am liebsten an jemandem aus, der 13 Dollar pro Stunde verdient. (…)
    3. Vorsätzliche Unterbesetzung. Dies ist einer der Hauptgründe für den Zusammenbruch von Southwest Airlines in dieser Woche. Parallel zum verstärkten Einsatz von Zwangsautomatisierung bauen Unternehmen, die ihre Kosten senken wollen, angesichts der gestiegenen Arbeitskräftezahl das Personal bis auf die Knochen ab und hoffen, dass ihre Konkurrent:innen das Gleiche tun, damit die Verbraucher:innen bereit sind, minderwertigen Service und miserable Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. „Wir entschuldigen uns für die Wartezeit“, heißt es in der automatischen Telefonansage. Natürlich kann eine Maschine nicht zerknirscht sein, also ist der Effekt sowohl surreal als auch nervtötend: Es tut dir verdammt noch mal nicht leid, du existierst nicht. Du bist eine Aufzeichnung. Aber wen schreie ich jetzt an?…“
    engl. Artikel von Adam Johnson vom 28. Dezember 2022 auf The Real News Network externer Link („Southwest Airlines’ Christmas Meltdown Shows How Corporations Deliberately Pit Consumers Against Low-Wage Workers“)
  • Siehe dazu auch den engl. Bericht der ITF vom 28. August 2022 externer Link („Airlines used pandemic to erode working conditions for thousands of staff, report finds“)
  • Trotz Chaos will Southwest-Airlines 2023 eine Dividende vom 425 Millionen Dollar ausschütten
    „Southwest Airlines hat sich eine Krise selbst eingebrockt, die dazu geführt hat, dass Tausende von Reisenden über die Feiertage gestrandet sind. Auch wenn das schlechte Wetter einen Teil der Schuld für das Chaos trägt, sind die schlechte Planung und die Kommunikationssysteme von Southwest der Kern des Problems. Ein Gewerkschaftsvertreter sagt, dass die Fluggesellschaft aufgrund des Einsatzes „veralteter Systeme“ nicht weiß, wo sich ihre eigenen Besatzungen befinden. „Das Telefonsystem, das das Unternehmen benutzt, funktioniert einfach nicht. Sie haben einfach nicht genug Personal, um den Flugbegleitern die Flugplanänderungen mitzuteilen.“ Das @USDOT von Minister Buttigieg sagt, dass es eine Untersuchung durchführt. Wir haben diesen Sommer berichtet, dass eine Krise wie diese unvermeidlich war, weil die Fluglinienmonopole Betrug begehen. Sie haben gewusst, dass sie nicht über das entsprechende Personal verfügen. @SenMarkey & @SenBlumenthal sagten: „Southwest plant, im nächsten Jahr eine Dividende von 428 Millionen Dollar auszuschütten – das Unternehmen kann es sich leisten, den Verbrauchern, denen es geschadet hat, gerecht zu werden.“ Southwest und andere Fluggesellschaften müssen von der Biden-Administration bestraft werden, wenn sie sich jemals ändern sollen.“ Thread von More Perfect Union vom 27 Dezember 2022 externer Link (engl.)

Siehe dazu auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=207507
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