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Kopfschuss wegen 20 Euro: Junger Rom in Thessaloniki von Polizei lebensgefährlich verletzt – „pünktlich“ zum Gedenken an den Mord an Alexandros Grigoropoulos

Dossier

PAME zum Polizeimord an Kostas Fragoulis: Wir werden uns nicht der BARBAREI anpassen Keine TOLERANZ gegenüber staatlicher Gewalt und UnterdrückungAm Montag wurde ein 16jähriger Rom in Thessaloniki von einem Polizisten in den Kopf geschossen. Nach einer langwierigen Operation zur Entfernung der Kugel liegt er in kritischem Zustand auf der Intensivstation. Sein Vergehen: Er soll ein Auto mit Benzin im Wert von 20 Euro betankt haben und dann weggefahren sein, ohne zu bezahlen. Dabei habe er nach Angaben des Beamten der Spezialeinheit DIAS, der daraufhin die Waffe gegen ihn richtete, ein Polizeimotorrad zu rammen versucht. Lokalen Medienberichten zufolge gab der 34jährige – der bis zum Abschluss der Ermittlungen zu seiner Tat suspendiert wurde – in seiner ersten Erklärung an, er habe das Feuer eröffnet, weil er sein Leben und das seiner Kollegen in Gefahr sah. Faktisch schoss er dem Jungen von hinten durchs Fenster und die Kopfstütze in den Kopf…“ Artikel von Ina Sembdner in der jungen Welt vom 07.12.2022 externer Link („Wegen 20 Euro“), siehe mehr zu den sofortigen und andauernden Protesten sowie historischen Hintergründen:

  • Ministerpräsident Mitsotakis: Kein Wort des Beistands für die Familie, aber steuerfreie Bonuszahlung in Höhe von 600 Euro für alle Polizist:innen zu Weihnachten New
    „… Wie im Fall der tödlichen Polizeischüsse auf den 18jährigen Rom Nikos Sambanis in Perama bei Athen vor etwas mehr als einem Jahr (Jungle World 46/2021) versucht die griechische Polizei, dem Opfer die Schuld in die Schuhe zu schieben. Von »ständigen gefährlichen Manövern« und dem »versuchten Frontalzusammenstoß mit einem Dias-Motorrad« ist im Polizeibericht die Rede. Theofilos Alexopoulos, der Anwalt der Familie Fragoulis, spricht dagegen von einem »kaltblütigen Mordversuch der Polizei« durch einen »geraden Schuss von hinten in den Kopf« und betont, dass es »von Seiten des Jungen keinerlei Angriff gegen die Polizeibeamten« gegeben habe.
    Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis von der rechten Partei Nea Dimokratia (ND) fand kein Wort des Beistands für die Familie, verkündete aber ebenfalls am Montag vergangener Woche eine steuerfreie Bonuszahlung in Höhe von 600 Euro für alle Polizist:innen zu Weihnachten. Am Nachmittag desselben Tags wurde der Dias-Beamte, der dem 16jährigen in den Kopf geschossen hatte, vom Dienst suspendiert. Inzwischen wird gegen ihn wegen Mord mit bedingtem Vorsatz ermittelt. Am Freitag wurde der Schütze dann vorerst unter Hausarrest gestellt. Vor Gericht sagte er, der Jugendliche habe versucht, ein Polizeimotorrad zu rammen, und er habe geglaubt, seine Kollegen seien in Gefahr und deshalb zwei Schüsse abgegeben, »einen Warnschuss in die Luft und einen auf die Reifen des Wagens«. Die Kugel des »Warnschusses« wurde in der Eingangstür eines Hotels am Tatort gefunden. Bekannt wurde mittlerweile auch, dass die Polizei die Schüsse stundenlang verschwiegen und nur von einem »Verkehrsunfall« berichtet hatte.
    Zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen Roma und der Polizei kam es bereits gegen Montagmittag vergangener Woche vor dem Hippokration-Krankenhaus in Thessaloniki. Während Ärzt:innen in einer Notoperation die Kugel aus dem Kopf des 16jährigen entfernten, hatten sich Dutzende Ange­hörige und Freund:innen zur Unterstützung und Anteilnahme versammelt. Sie griffen die martialisch aufmarschierende Spezialeinheit MAT der Bereitschaftspolizei mit Flaschen, Steinen und Stühlen an, die wiederum Tränengas und Schlagstöcke einsetzte. Die Auseinandersetzung beruhigte sich erst, als sich die MAT nach der Intervention von Ärzt:innen zurückzog.
    Die Vereinigung griechischer Roma, Ellan Passe, schrieb in einer Pressemitteilung, Politik und Gesellschaft trügen eine Mitverantwortung »an den blutigen Vorfällen mit Vorankündigung«, und von einer Tatenlosigkeit der Regierung »was das Anstreben von Chancengleichheit für junge benachteiligte Roma betrifft, gekoppelt an die durchgängige Straflosigkeit für Polizeibeamte, die in solche Fälle verwickelt sind«. (…) Die Roma-Siedlung Agia Sofia im Stadtteil Delta in Thessaloniki, in der Fragoulis lebte, wurde Anfang der nuller Jahre für 100 Familien aus Containern errichtet. »Inzwischen leben dort 4 000 Menschen unter fürchterlichen Bedingungen« (…) Die 600-Euro-Bonuszahlung wird allgemein als Belohnung für die unter dem Vorwand der Durchsetzung von Recht und Ordnung stattfindende und immer mehr ausufernde Polizeigewalt gesehen. Vor den geplanten Parlamentswahlen im April scheint die ND mit Unterstützung der ihr freundlich gesinnten Fernsehkanäle entschlossen, ganz auf autoritäre Propaganda und Repression zu bauen…“ Artikel von Ralf Dreis vom 15.12.2022 in der Jungle World externer Link („Immer wieder tödliche Schüsse“)
  • Trauer in Thessaloniki. Familie trägt 16jährigen Rom Kostas zu Grabe. Tausende junge Griechen klagen Polizeigewalt an 
    Die Familie des im Alter von nur 16 Jahren von der griechischen Polizei in der Nacht zum 6. Dezember erschossenen Kostas Frangoulis hat ihren Sohn am Donnerstag unter großer Beteiligung der Bevölkerung in Thessaloniki zu Grabe getragen. Der junge Rom war am Montag an seiner schweren, durch ein Projektil verursachten Kopfverletzung gestorben. Seinem Sarg folgten Hunderte zum Friedhof in Evosmos im Norden der Hafenstadt. Tausende vor allem junge Menschen hatten am Mittwoch nach Veröffentlichung der Obduktionsergebnisse erneut in den Straßen von Athen und Thessaloniki gegen die zunehmend den Alltag der Griechen beherrschende Polizeigewalt protestiert. Für einen wachsenden Teil der Bevölkerung ist sie das Ergebnis einer von der rechten Regierung des Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis propagierten und realisierten »Politik der Unterdrückung«…“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 16.12.2022 externer Link
  • Kostas Fragoulis ist nach acht Tagen am 13. Dezember seinen Verletzungen erlegen – der Mörder steht unter Hausarrest. Proteste in ganz Griechenland angekündigt 
    Der 16-jährige Kostas Fragoulis, der von einem Polizisten in den Kopf geschossen wurde, starb heute. Er hatte acht Tage lang im Hippokrates-Krankenhaus um sein Leben gekämpft, nachdem er operiert worden war, um die Kugel zu entfernen, die ein Polizist abgefeuert hatte. Der Fall hat explosive Zustände in Roma-Gemeinden geschaffen, ihre Lager sind in Aufruhr. Linke Organisationen und antiautoritäre Gruppen riefen für heute Abend zu einer Versamlung an den Propyläen (Platz vor der Uni) in Athen auf. Ähnliche Mobilisierungen werden in Thessaloniki und an anderen Orten erwartet. Der 34-Jährige Polizist, der Kostas Frangoulis erschoss, steht weiterhin unter Hausarrest. Gestern wurde jedoch bekannt, dass der Staatsanwalt seine Untersuchungshaft beantragt hat und darauf hingewiesen hat, dass der Polizist in diesem Fall nicht hätte feuern dürfen. Die endgültige Entscheidung wird in den kommenden Tagen vom Rat der Richter von Thessaloniki getroffen.“ Meldung von Georg Brzoska vom  13. Dezember 2022 bei griechenlandsolidarität externer Link („Der 16jährige Rom Kostas Fragoulis starb heute“), siehe auch:

    • Kostas Fragoulis ist verstorben. Der 16-jährige Roma-Teenager wurde von der griechischen Polizei in den Kopf geschossen, weil er 20 Euro für Benzin nicht bezahlt hatte. #JusticeforKostasFragoulis #16χρονος #Κώστας_Φραγκουλης #Ρομα #thessaloniki“ engl. Tweet von @TheBrakeNet vom 13. Dez. 2022 externer Link mit Foto
    • Was wir seit so vielen Tagen wissen, wurde heute bekannt gegeben. Kostas Fragoulis starb, #16χρονος Roma, der in den Kopf geschossen wurde, weil er 20 Euro für Benzin nicht bezahlt hatte. Der Killer-Cop steht unter Hausarrest. Unter Hausarrest wegen kaltblütigen Mordes!“ gr. Tweet von Iasonas Apostolopoulos vom 13. Dez. 2022 externer Link
    • Es gibt im Griechenland breite Mobilisierung, PAME ruft externer Link zur Demo am 13.12. in Athen, in Thessaloniki ist eine Versammlung für den 16-jährigen Roma am 14.12. geplant
    • Siehe #JusticeforKostasFragoulis
  • Roma-Gemeinschaft weiter in Aufruhr. Nach Schuss auf 16jährigen in Griechenland: Polizist im Hausarrest, Proteste dauern an 
    „Etwa 200 Freunde, Verwandte und andere Demonstranten aus der Roma-Gemeinschaft haben sich am Freitag vor dem Gerichtsgebäude in Thessaloniki versammelt. Sie hielten Fotos des 16jährigen Rom Kostas Fragoulis in die Höhe, der am Montag von einer Polizeikugel in den Kopf getroffen wurde. Er befindet sich weiterhin in kritischem Zustand. Der verantwortliche Beamte, der angegeben hatte, aus Angst um seine und die Sicherheit seiner Kollegen geschossen zu haben, wurde währenddessen vom Gericht in den Hausarrest entlassen, wie die griechische Zeitung Ekathimerini online berichtete. Quellen zufolge waren sich der Ermittlungsrichter und der Staatsanwalt uneinig darüber, ob der Verdächtige in Untersuchungshaft gehalten werden sollte. Er bleibt suspendiert und muss sich wegen versuchten Totschlags mit möglichem Vorsatz und unerlaubtem Abfeuern seiner Waffe verantworten. Die Menschen vor dem Gebäude skandierten mit 20-Euro-Scheinen in der Hand: »Es war nicht das Benzin, es war nicht das Geld, die Polizisten haben geschossen, weil er ein Rom ist.« Fragoulis war auf der Flucht vor der Polizei angeschossen worden, nachdem er eine Tankrechnung von 20 Euro nicht bezahlt haben soll. »Wir wollen Gerechtigkeit. Das Verbrechen war rassistisch«, sagte Panagiotis Sabanis, Vorsitzender der Roma-Föderation von Zentral- und Westmazedonien. »Es ist nicht der erste Vorfall, bei dem die Polizei auf einen Rom geschossen hat, nur weil er ein Rom ist.« Die Tat hat in den vergangenen Tagen teils heftige Proteste von Angehörigen der Roma-Gemeinschaft und sich mit ihnen solidarisierenden Menschen ausgelöst. Der staatliche griechische Rundfunk ERT berichtete am Freitag, dass ein Polizeibeamter bei nächtlichen Unruhen westlich von Athen durch Gewehrkugeln leicht verletzt worden sei. Der Präsident des griechischen Roma-Verbandes Ellan Passe, Vassilis Pantzos, distanzierte sich am Freitag gegenüber ERT von den Ausschreitungen, kritisierte jedoch gleichzeitig, dass die Gewalt seitens der Polizei gegenüber den Roma in den vergangenen Jahren zugenommen habe. Dagegen müsse der Staat vorgehen, forderte er.“ Artikel von Ina Sembdner in der jungen Welt vom 10. Dezember 2022 externer Link, siehe auch:

    • Die Umstände des diesjährigen Einzelfall-Mordes bleiben ungeklärt
      Grafik und ein Gedicht von Yorgos Konstantinou in dt. Übersetzung durch Georg Brzoska am 7. Dezember 2022 in griechenlandsolidarität externer Link
    • Die Roma-Gemeinschaft protestierte in #Thessaloniki erneut vor Gericht. Sie skandierten „Es war nicht das Benzin, es war nicht das Geld, die Bullen haben erschossen, weil er #ρομα ist“ und deuteten damit auf ein rassistisches Motiv für den Mordanschlag auf den 16-jährigen Kostas Fragoulis hin. #16χρονος #16χρονος_Θεσσαλονικη“ engl Tweet von @TheBrakeNet vom 9.12. externer Link mit Video
  • Siehe weiter im Artikel von Ina Sembdner in der jungen Welt vom 07.12.2022 externer Link: „… Am Montag abend organisierten dann linke und anarchistische Gruppen einen Protestmarsch mit etwa 1.500 Teilnehmenden im Zentrum von Thessaloniki. Auch dieser Zug, bei dem Geschäfte angegriffen und Molotowcocktails geflogen sein sollen, wurde mit Tränengas und Blendgranaten auseinandergetrieben. Sechs Personen wurden im Anschluss festgenommen. Im Zentrum Athens nahmen ebenfalls mehrere hundert Menschen an einer Demonstration teil. Dort wurde auch an den Tod eines 20jährigen Rom vor etwas mehr als einem Jahr nahe dem Hafen von Piräus erinnert. Er war nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen worden. Auf Transparenten stand: »Sie haben sie erschossen, weil sie Roma waren.« In Griechenland leben geschätzt etwa 265.000 Roma. Nach der jüngsten sogenannten Roma-Erhebung der EU vom Oktober sind 96 Prozent der Minderheit armutsgefährdet, insgesamt trifft das auf etwa 20 Prozent der griechischen Bevölkerung zu. Ein Hintergrund, der nicht nur im vorliegenden Fall von Relevanz ist. In den vergangenen Jahren wurden bereits mehrere Roma bei Auseinandersetzungen mit der Polizei tödlich angeschossen oder verletzt, weil sie versucht haben sollen, sich der Festnahme wegen Gesetzesverstößen zu entziehen. Zudem gibt es in dem Land schon seit langem ein ausgewachsenes Problem mit Polizeigewalt, die immer wieder auch tödlich endet. (…) Der Polizeibeamte wurde am Dienstag vormittag dem Staatsanwalt vorgeführt und wegen versuchten Totschlags angeklagt. Auch hier wurden protestierende Roma, die Steine und Stöcke warfen, von der Polizei auseinandergetrieben, wie Videobilder in griechischen Medien zeigten. Athen bereitete sich unterdessen auf die am Abend zu erwartenden Proteste im Gedenken an Grigoropoulos vor – die Tat in Thessaloniki dürfte die Wut noch einmal um ein Vielfaches gesteigert haben. Schon am Nachmittag zogen Tausende durchs Zentrum der griechischen Hauptstadt.“
  • Der 16 Jährige Kostas Frangoulis wurde heute wegen einem 20 € Ladendiebstahl von Bullen in Thessaloniki in den Hinterkopf geschosen. Er kämpft aktuell um sein Leben. Heute Abend sind schwere Ausschreitungen zu erwarten…“ Thread von Rési vom 5. Dez. 2022 externer Link
  • Die Situation in Thessaloniki ist außer Kontrolle geraten. Es gibt nur Sirenen, Schüsse, Blitze, und die Atmosphäre im Zentrum ist rotglühend von Tränengas und Staatsterrorismus.“ Tweet von @punex161 vom 6. Dez. 2022 externer Link mit Foto, auf seinem Account weitere
  • Der Mann der von den Bullen hier misshandelt wird, ist der Vater (!) des 16jährigen Roma Jungen, der, nachdem ihm das Projektil aus der Bullenknarre aus dem Kopf entfernt wurde, in sehr kritischen Zustand im Koma liegt…“ Tweet von RiotPrime2022 vom 6. Dez. 2022 externer Link mit Video – auch auf seinem Account weitere Berichte, auch aus Athen
  • Videos von Ausschreitungen bei der Demonstration in Thessaloniki im Thread von désertions vom 5.12. externer Link und auch auf dem Twitter-Account @karanfilli_adam externer Link
  • Siehe auch #6Dgr
  • Zur Erinnerung an Alexandros Grigoropoulos siehe beispielhaft den engl. Thread von The WannabeWonk vom 5.12. externer Link

Siehe auch im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=206735
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