Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in Deutschland auf hohem Stand: 2021 starben dabei 585 Menschen
Dossier
„… Laut Gesetzlicher Unfallversicherung (DGUV) sind im vergangenen Jahr insgesamt 585 Menschen infolge eines Arbeitsunfalles gestorben. Knapp die Hälfte von ihnen (nämlich 285) sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. In den Jahren zuvor gab es, bis auf eine Ausnahme im Jahr 2020, jedes Jahr über 600 tödliche Arbeitsunfälle in Deutschland zu beklagen. Im Jahr 2016 lag die Zahl bei 654. So besehen lässt sich konstatieren, dass die Zahl der Menschen, die während der Arbeit tödlich verunglücken, seit einigen Jahren zumindest in kleinen Schritten zurückgeht. Und dass dies eine gute Nachricht ist. Andererseits: Es sind eben im vergangenem Jahr 585 Menschen bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. 585. Jeder einzelne von ihnen ist einer zu viel…“ IG Metall-Meldung vom 10. Oktober 2022 , siehe dazu:
- Ursache noch offen: Tod von Gleisarbeitern wirft erneut Fragen zum Arbeitsschutz auf. Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle nimmt zu
„Ein Bautrupp ist in der Nacht zum Freitag in der Nähe von Halle mit Gleisarbeiten beschäftigt, als sie von einer Lok erfasst werden. Ein Mann stirbt, drei andere erleiden zum Teil schwerste Verletzungen. Weshalb die Lok in die Baustelle fuhr, ermittelt die Bundespolizei noch. Zu klären, welchen Einfluss der Wintereinbruch hatte, ob es sich um menschliches Versagen handelte oder ob technische Ursachen zum Unfall führten, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Arbeitsunfälle sind an der Tagesordnung – und oft haben sie tödliche Folgen. Von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) werden sie registriert. Im Jahr 2021 waren es insgesamt 806.217 meldepflichtige Arbeitsunfälle. Konkret bedeutet das: Sie zogen eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen nach sich oder hatten den Tod zur Folge. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg von sechs Prozent. Zumindest bei den tödlichen Arbeitsunfällen war die Bundesrepublik bis dahin auf dem Weg der Besserung. In den zurückliegenden knapp drei Jahrzehnten konnte das Statistische Bundesamt einen Rückgang verzeichnen: Gab es im Jahr 1994 noch 3,7 tödliche Arbeitsunfälle auf 100.000 Beschäftigte, so wurden im Jahr 2018 noch 0,8 verzeichnet. Erfasst wurden dabei alle Unfälle, die innerhalb eines Jahres zum Tod des Opfers führten. Aber das Statistische Bundesamt kennt auch ganze Branchen mit erhöhten Unfallgefahren. Tödlich verunglücken Arbeiter demnach häufig in den Bereichen Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung, im Baugewerbe sowie im Bergbau. Und meistens sind Männer betroffen. Insgesamt gab es 2021 mit 510 tödlichen Arbeitsunfällen 111 mehr als im Vorjahr. Auch bei der Deutschen Bahn kam es in den letzten Jahren mehrmals zu Zugunfällen, bei denen Bahnarbeiter ums Leben kamen. (…) Im Arbeitsschutzkontrollgesetz ist festgehalten, dass mindestens fünf Prozent aller Betriebe pro Jahr überprüft werden müssen. Als Grund für das Verfehlen der Quote wurde Personalmangel angegeben.“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 6. Dezember 2022 , siehe aktuell auch:- Flughafen Hamburg Arbeiter stirbt auf Lufthansa-Werft
„Auf der Lufthansa-Werft am Flughafen Hamburg kam es zu einem tödlichen Arbeitsunfall. Ein 53-Jähriger wurde von einem Hangartor eingeklemmt und erlag seinen schweren Verletzungen. (…) Zwischen dem Tor und einem festen Element der Halle klemmte der 53-Jährige den Angaben zufolge fest und konnte sich nicht mehr befreien. Der Mann verletzte sich laut Polizei so schwer, dass der Notarzt an Ort und Stelle nur noch den Tod feststellen konnte. Ein Fremdverschulden sei zunächst auszuschließen, sagte die Polizei. Weitere Ermittlungen zu der Unfallursache laufen…“ Agenturmeldung vom 03.12.2022 im Spiegel online
- Flughafen Hamburg Arbeiter stirbt auf Lufthansa-Werft
- Arbeitsunfälle in Deutschland: Mehr als ein Toter pro Tag
„Am 17.10. dieses Jahres starb der bulgarische Arbeiter Refat S. unter bisher ungeklärten Umständen im Duisburger Stahlwerk von Thyssenkrupp. Er war 26 Jahre alt, es war sein zweiter Arbeitstag. Refat S. wurde im Schlackebecken gefunden, die Polizei ermittelt noch. In jeder Woche sterben durchschnittlich 10 Arbeiter auf Baustellen, in Stahlwerken, Chemiefabriken, Schlachthöfen. In der Regel sind es Männer. Oft Migranten, die unter besonders hohem Arbeitsdruck in besonders wenig gesicherten Bereichen arbeiten. Öffentlich interessiert das tägliche Sterben in der BRD nicht groß – jedenfalls deutlich weniger als der natürliche Tod einer uralten Monarchin. In Duisburg hat es einige durchaus beachtliche Demonstrationen gegeben, in denen Aufklärung und besserer Arbeitsschutz gefordert wurden – davon war in den Blättern der „Funke-Mediengruppe“, die das Ruhrgebiet geistig betreuen, nicht sonderlich viel zu lesen. In die überregionalen Nachrichten der Tagesschau oder des Heute-Journals bringt es ein solcher Protest natürlich erst recht nicht – kein Wunder, er greift ja nicht missliebige Potentaten in Russland, Iran oder China an… Im Normalfall sind jedenfalls mehr als ein paar Zeilen in der Lokalpresse nicht zu erwarten: „Mann stirbt bei Arbeitsunfall in 30 Meter tiefem Versorgungstunnel“ (22.7.22 Berlin); „Tödlicher Baustellen-Unfall: Arbeiter (47) von Betonbalken erschlagen (21.9.22 München) und so weiter. (…) Unternehmen gehen durchaus robust mit der Gesundheit ihrer Arbeitskräfte um, weil sie den Produktionsprozess zum Zweck der Gewinnerwirtschaftung einsetzen. Das, was die Betriebe mit der gezahlten Lohnsumme an Leistung – extensiv wie intensiv – aus ihren Beschäftigten herausholen können, ist das entscheidende Mittel, die Spanne zwischen investiertem und hergestelltem Eigentum zu vergrößern. Wie sehr es ihnen gelingt, die in ihrem Betrieb geleistete Arbeit produktiv zu machen, ist die Größe unter all ihren Ausgaben, auf die sie direkten Einfluss haben. Mit ihrer Direktionsgewalt über den Betriebsablauf machen sie Vorgaben für den Arbeitsprozess und können diese durch Geschwindigkeit, Taktung oder die Menge der erteilten Aufträge objektivieren; so steigern sie kontinuierlich die Anstrengung, die der einzelne Arbeitnehmer an „seinem“ Arbeitsplatz zu erbringen hat. Arbeitsunfälle, unmittelbare Gefahren und systematische Gesundheitsgefährdungen für die Arbeitskräfte gehören insofern in der Marktwirtschaft ebenso zum Arbeitsalltag wie der systematische körperliche und mentale Verschleiß, der seine Spuren in Form chronischer Krankheiten hinterlässt (…). Kurz: Unternehmen verschwenden Physis und Psyche ihrer Beschäftigten und sparen an Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. (…) Mit der Arbeit der Leute soll Gewinn erwirtschaftet werden – und das bedeutet unter den Bedingungen der globalen Standortkonkurrenz nichts Gutes für die Beschäftigten. Die wiederum müssen sich angesichts des brutalen Unterbietungswettbewerbs, in dem sie „normal“ und erst recht als migrantische Wanderarbeiter stehen, auf alle Bedingungen einlassen und schauen, wie sie damit klarkommen. Für Refat S. ist das nicht aufgegangen. Es ist schon ein ziemlich robustes Verhältnis zur fremden wie eigenen Gesundheit, wozu die marktwirtschaftliche Konkurrenz ihre Subjekte nötigt…“ Beitrag von Renate Dillmann vom 15. November 2022 beim gewerkschaftsforum.de
Siehe auch: Dossier: Bis September 2021 sind in Deutschland 69 Beschäftigte auf dem Bau tödlich verunglückt – 2022 geht es so weiter