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MB-Tarifverhandlungen mit der Charité für mehr Gehalt und weniger Bereitschaftsdienste könnten im Oktober 2022 im Ärztestreik münden

Dossier

berlin baer charite„An der Berliner Charité droht Anfang Oktober ein Ärztestreik. Das erfuhr der Tagesspiegel von Medizinern der landeseigenen Universitätsklinik. Demnach wollen gewerkschaftlich organisierte Ärzte an allen Charité-Standorten in Wedding, Mitte und Steglitz für einen Tag die Arbeit niederlegen. Notfälle und schlecht aufschiebbare Behandlungen würden, wie im Gesundheitswesen üblich, trotz des Warnstreiks versorgt. Der Marburger Bund (MB) führt derzeit Tarifverhandlungen für die 2700 Charité-Mediziner. Der MB fordert neben 6,9 Prozent mehr Gehalt, weniger Bereitschaftsdienste und verlässlichere Dienstpläne. (…) liegt dem Tagesspiegel eine 40-seitige Auswertung einer Charité-Mitarbeiterbefragung vor, an der sich fast 8500 Beschäftigte beteiligten. Demnach empfehlen 44 Prozent der Befragten die Charité als Arbeitgeber weiter – bei Ärzten unter 40 Jahre waren es allerdings bloß 15 Prozent. In der Umfrage hieß es unter anderem, wegen voller Stationen und verpflichtender Bürokratie bleibe „zu wenig Zeit für Forschung und Lehre“…“ Artikel von Hannes Heine vom 23. September 2022 beim Tagesspiegel online externer Link („Der Charité droht im Oktober ein Ärztestreik“) – siehe dazu:

  • Warnstreik der Ärzt:innen an der Charité am 5. Oktober: 1.000 Ärztinnen und Ärzte bei zentraler Warnstreikkundgebung New
    Rund 1.000 Ärztinnen und Ärzte sind dem Warnstreikaufruf des Marburger Bundes gefolgt und haben sich bei der zentralen Kundgebung am Robert-Koch-Platz eingefunden und ein starkes sowie unmissverständliches Zeichen an die Charité gesetzt: „Nicht mit uns!Meldung mit Fotos vom 05.Oktober 2022 beim Marburger Bund, Landesverband Berlin / Brandenburg externer Link – siehe auch:

    • Mehr als »Klein-Klein«. Streik von 1.000 Ärztinnen und Ärzten an Berliner Charité. Neue Initiative stellt politische Forderungen
      Der Applaus war ihr sicher. Im Mai hätte sie bei der Charité gekündigt, weil es nicht mehr anders ging. Überstunden aufzuschreiben oder den Arbeitsbereich zu wechseln halfen nicht weiter. Die Arbeitsbedingungen waren überall schlecht, sagt eine Rednerin auf der Kundgebung der Ärztinnen und Ärzte der Berliner Charité am Mittwoch morgen auf dem Robert-Koch-Platz. Kollegen seien sogar neidisch gewesen, weil sie den »Absprung geschafft hatte«. Nicht nur für sie gehe es in dieser Auseinandersetzung um mehr als das »Klein-Klein« eines Tarifvertrags.
      Es war der erste Streik der Ärzte an der Charité seit mehr als 15 Jahren, und etwa 1.000 Ärztinnen und Ärzte beteiligten sich. Hintergrund ist die Auseinandersetzung um einen neuen Haustarifvertrag an der Berliner Klinik, in deren Rahmen der Marburger Bund für die insgesamt 2.700 Ärztinnen und Ärzte unter anderem verlässliche Ruhezeiten, weniger Belastung und 6,9 Prozent mehr Gehalt fordert. Tatsächlich geht es aber um mehr. Das machte die »Berliner Ärzt:inneninitiative«, die den Streik, die Kundgebung und anschließende Demonstration wesentlich organisiert hat, deutlich. »Uns geht es zum Beispiel um eine Reform des Fallpauschalensystems«, sagte Julian Gabrysch, Assistenzarzt im dritten Jahr, am Mittwoch gegenüber jW. Das Prinzip eines »hohen Durchsatzes bei geringen Liegezeiten« müsse abgeschafft werden. Was die Bundesregierung derzeit an Reformen plant, seien nur kleine Pflaster und wären mitnichten ein Abschied von der Ökonomisierung im Gesundheitsbereich. (…)
      Die »Berliner Ärzt:inneninitiative« wurde in den letzten neun Monaten »aus dem Boden gestampft« und an diesem Streikmittwoch offiziell gegründet. Der Marburger Bund setze mehr auf Gremienarbeit, so Gabrysch. »Dafür haben wir bei einer 80-Stunden-Woche keine Zeit.« Die Initiative wolle Druck von unten machen und habe nach eigenen Angaben den Zuspruch von 80 bis 90 Prozent der Ärzteschaft. Sie eint, dass sie die Arbeitsbedingungen mitbestimmen wollen, um sie erträglicher zu gestalten…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 06.10.2022 externer Link
    • Ärzt:innen zum Charité-Streik: „Bräuchten ein großes Investment“
      Am Mittwoch legen Ärzt:innen an der Charité die Arbeit nieder. Zwei Mediziner:innen erklären, was sie in ihrem Job unzufrieden macht.
      Wir Ärzt:innen sind schon seit vielen Jahren unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen. Trotz der großen Unzufriedenheit hat sich die Ärzt:innenschaft bislang noch nicht wirklich organisiert, um bessere Arbeitsbedingungen einzufordern. Das liegt auch daran, dass der Job so stressig ist, dass man sich neben der Arbeit kaum noch engagieren kann. Seit der Beginn der Covid-Pandemie wurde es nochmal schlimmer. Die Arbeitsbelastung ist gestiegen. Und kleine Corona-Prämien für Pflegende oder Ärzt:innen sind für uns wertlos, wenn langfristig nichts an den Arbeitsbedingungen verändert wird. (…) Wir fordern eine Begrenzung der Bereitschaftsdienste. Zur Zeit übernehmen Kolleg:innen teilweise acht bis zehn Bereitschaftsdienste pro Monat. Dazu kommt, dass diese Dienste gar nicht für das Arbeitszeitkonto zählen. Die Nachtdienste werden als „Ruhezeit auf Abruf“ verbucht, tatsächlich ist es aber so, dass man in der Nacht oft überhaupt nicht schläft, maximal ein bis zwei Stunden. Wir bestreiken jetzt auch die Entgeldtabelle, aber uns liegt viel mehr daran, gleichzeitig bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und eine bessere Planbarkeit, damit wir nicht ständig einspringen müssen. (…)
      [Sie wollen sich nun in der neu gegründeten Berliner Ärzt:inneninitiative zusammenschließen. Warum braucht es diese Ebene der Vernetzung?]
      Gabrysch: Einerseits erleben wir, dass sich der Marburger Bund weit entfernt hat von den „einfachen Klinikärzt:innen“, die Rückkopplung zwischen Charité und dem ärztlichen Personal ist über die Gremien des Marburger Bundes nicht mehr gut gegeben. Wir haben den Bedarf für eine Art Grassrootsbewegung gesehen, damit wir direkt in den Austausch gehen können. Außerdem hat der Marburger Bund zwar in den letzten Jahren ganz ordentliche Tarifabschlüsse durchgesetzt, aber mit Blick auf die Arbeitsbedingungen hat er seine Aufgabe als Gewerkschaft nicht wirklich gut erfüllt. Wir gründen deshalb eine Art progressiven Flügel in der Hoffnung, den Marburger Bund auf einen Kurs zu bringen, der die Arbeitsbedingungen aktiver angeht. (…) Wir hoffen, dass wir mit dem einen Streiktag mit praktisch 100 Prozent Streikbeteiligung ein so starkes Zeichen setzen, dass sich niemand traut, schlechte Angebote in die Tarifverhandlungen einzubringen. Wir haben das Gefühl, dass der Vorstand an konstruktiven Lösungen interessiert ist und hoffen, dass ein guter Tarifabschluss möglich ist. Als Berliner Ärzt:inneninitiative werden wir uns darauf fokussieren, politisch unsere eigene Lobby zu bilden. Weil nicht alles im Tarifvertrag geregelt werden kann, sondern durchaus auch politische Dimensionen hat, die wir innerhalb der Tarifverhandlungen nicht adressieren können…“ Interview von Hanna Fath am 5.10.2022 in der taz online externer Link
    • Berliner Ärzt:inneninitiative externer Link ist auf Instagram
  • Warnstreik der Ärzt:innen an der Charité am 5. Oktober für Entlastung beginnt mit hoher Streikbereitschaft  Hunderte Ärzte der Berliner Charité legen an diesem Mittwoch die Arbeit nieder, vor dem Bettenturm am Campus in Mitte wollen sie sich um 10 Uhr zur einer Kundgebung sammeln. Mit dem angekündigten Warnstreik erhöht der Marburger Bund in der Tarifrunde den Druck auf den Charité-Vorstand. Die Ärztegewerkschaft sprach von einer „hohen Streikbereitschaft“, ein Notdienst sei wie bei Arbeitskämpfen im Gesundheitswesen üblich sichergestellt. (…)
    Der Marburger Bund verhandelt über den Haustarifvertrag. Im Zentrum stehen Schichtmodalitäten und Arbeitszeiten, zudem wird 6,9 Prozent mehr Lohn gefordert. Ein Charité-Sprecher bezeichnete die Tarifrunde wegen der vielen Themen als „komplex“, aber „konstruktiv“. Man habe ein „Paket mit Angeboten zu Arbeitszeit und Entlastung, Fort- und Weiterbildung, Entbürokratisierung und Gleichstellung“ vorgelegt. Dahingehend möchte der Marburger Bund mehr. Ihm gehören mindestens 50 Prozent der Charité-Ärzte an. Insbesondere junge Mediziner kritisierten vor einigen Wochen in einer intern Umfrage die Arbeitsbedingungen an der Charité. „Was neu war bei diesen Verhandlungen, dass wir es geschafft haben, dass so viele Ärzte das mitverfolgen und dabei sind“, wird Assistenzärztin Jana Reichardt, die Mitglied der Tarifkommission ist, in der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Die Tarifkommission sei größer und diverser als zuvor. Das habe auf den Stationen viel Rückhalt eingebracht: „Damit beugen wir auch dem Argument vor, dass es die jungen, lauten Stimmen sind, aber Einzelmeinungen. Das kann man diesmal wirklich nicht sagen.“…“ Die Dienstpläne seien ein Problem. „Wir müssen halt immer wieder kurzfristig einspringen, Lücken füllen“, sagte Reichardt. Das sei körperlich belastend und mache den Alltag schwer planbar. „Dafür sollte es einen extra Zuschlag geben. Mit Geld allein ist das zwar nicht aufzuwiegen, aber es ist ein Element der Steuerung.“…“ Artikel von Hannes Heine vom 5.10.2022 im Tagesspiegel online externer Link („Kundgebung statt Krankenhaus: Diesen Mittwoch streiken Ärzte der Charité in Berlin“). Siehe für laufende Meldungen und Videos auf Twitter:

  • Eintägiger Ärzte-Warnstreik an der Charité am 5. Oktober: „Steht auf bevor ihr komplett zusammenbrecht“
    • Warnstreik an der Charité am 5. Oktober – zentrale Kundgebung in Berlin Mitte
      Marburger Bund ruft Ärztinnen und Ärzte an der Charité zum eintägigen Warnstreik auf. In drei Verhandlungsrunden und insgesamt sieben Sondierungsgesprächen hat der Marburger Bund Landesverband Berlin/Brandenburg versucht, eine Einigung mit der Charité zu erreichen. Aber immer dann, wenn es konkret wurde, hat die Charité versucht die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Das nun vorgelegte Angebot ist völlig unzureichend.
      „Das Verhalten der Charité braucht eine unmissverständliche Antwort unserer Mitglieder. Die Ärztinnen und Ärzte an der Charité erwarten, dass ihrer Arbeit mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben sie unter schwierigsten Pandemie-Bedingungen den Krankenhausbetrieb aufrechterhalten. Eine Überstunde reihte sich an die andere. Ständig mussten Personalausfälle kompensiert werden, dabei sind viele Abteilungen schon im Regelbetrieb hoffnungslos unterbesetzt. Diese Mehrbelastung muss ein Ende haben. Unsere Mitglieder an der Charité erwarten eine substanzielle Verbesserung ihrer Arbeitssituation und eine ihren Leistungen entsprechende Vergütung. Wenn die Arbeitgeber partout nicht bereit sind, diesen Forderungen gerecht zu werden, müssen wir darauf entsprechend reagieren“, sagte PD Dr. Peter Bobbert, Vorstandsvorsitzender des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg.
      Der Warnstreikaufruf erstreckt sich auf die rund 2.700 Ärztinnen und Ärzten an der Charité aller drei Standorte. Die zentrale Kundgebung wird am 5. Oktober 2022 um 9:30 Uhr am Bettenhochhaus der Charité/Robert-Koch-Platz stattfinden. Es handelt sich um den ersten Streik von Ärztinnen und Ärzten seit mehr als 15 Jahren an der Charité. Ein Notdienst wird sichergestellt.“ Pressemitteilung vom 26.September 2022 beim MB Berlin/Brandenburg externer Link
    • siehe dort die Sonderseite zur Charité Tarifrunde 2022 externer Link samt FAQ
    • Es ist offiziell: wir streiken! Bitte teilen, Kolleg:innen ansprechen und selbst aktiv mitgestalten…“ Thread mit Mobi-Video von Jana Reichardt vom 26. Sep. 2022 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=204662
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