Solidarität mit der CSD-Community und allen Trans*Menschen: Der Kampf für das Recht auf Leben beginnt nicht erst beim Zeigen der Regenbogenfahne
Dossier
Am 27. August 2022 hat sich der trans Mann Malte C. in Münster am Rande der Pride Parade für Frauen eingesetzt, die von einem Mann homophob angegangen wurden. Er wurde daraufhin von dem Angreifer geschlagen bis er ohnmächtig auf den Asphalt aufschlug. Am Freitag, den 2. September 2022 verstarb Malte schließlich an seinen Verletzungen. Dieser Angriff reiht sich ein in eine Serie von Vorfällen in den letzten zwei Jahren, in denen queere und trans Menschen – nicht nur – am Rande von CSD [Christopher Street Day] bzw. Pride Paraden zunehmend attackiert werden. Laut Innenministerium hat sie die offizielle Zahl der Angriffe von 2019 bis 2022 verdoppelt. LabourNet Germany solidarisiert sich mit den Angehörigen und der CSD Community und dokumentiert weitere Berichte:
- Angriffe auf queere Menschen bei Pride Paraden und im Alltag nehmen zu – hoffentlich auch die Proteste dagegen
- Berlin: Jugendlicher greift trans Frau mit Pflasterstein an: „In Berlin kam es am Samstag zu einem transfeindlichen Angriff. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, soll ein Jugendlicher gegen 14 Uhr einen Friseursalon in der Seddiner Straße im Stadtteil Friedrichsfelde betreten haben, angeblich um sich bei einer Angestellten zu entschuldigen. Der 16-Jährige hatte die trans Frau in der Vergangenheit bereits mehrfach beleidigt und bedroht. Entsprechende Anzeigen wurden bei der Polizei erstattet und werden beim Polizeilichen Staatsschutz bearbeitet. Als die 49-Jährige ihren Peiniger aufforderte, das Geschäft zu verlassen, soll er sie abermals transfeindlich beleidigt haben. Anschließend soll er zudem versucht haben, in ihre Richtung zu schlagen, verfehlte sie jedoch, weil sie rechtzeitig auswich. Als die Angegriffene ankündigte, die Polizei zu rufen, verließ der 16-Jährige den Friseursalon. Kurz darauf soll der Jugendliche jedoch einen Pflasterstein aus seiner Kleidung genommen und in Richtung der Frau geworfen haben. Der Stein traf die Eingangstür des Geschäfts und beschädigte diese. Die Frau konnte zuvor zurück in den Salon flüchten und blieb deshalb körperlich unverletzt…“ Meldung von Queer.de vom 11. September 2022
- Bonn: Schwule Opfer über Dating-Plattform gesucht und verprügelt: Prozess beginnt – „Drei Teenager sollen schwule Männer angelockt, brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt haben. Eines der Opfer ist jetzt ein Pflegefall…“ Meldung von dpa/queer.de vom 9. September 2022
- Bremen: Verdächtiger bei Angriff auf trans Frau zu jung: Bremer Polizei startet keine Fotofahndung: „Die Bremer Polizei will zunächst intern nach der Jugendgruppe fahnden, die vor einer Woche eine Frau in der Straßenbahn offenbar aus transphober Motivation heraus attackierte und schwer verletzte. (…) Vor einer Woche war die 57 Jahre alte trans Frau von 10 bis 15 Jugendlichen angegriffen und schwer verletzt worden. Die Verdächtigen beschimpften die Frau zunächst als „Scheiß-Transe“, anschließend schlug ihr ein Jugendlicher mit der Faust ins Gesicht (…). Dabei erlitt die Frau schwere Verletzungen im Gesicht und musste im Krankenhaus behandelt werden. Erst als andere Fahrgäste eingriffen, ließen sie von der trans Frau ab und flüchteten. Der Angriff wurde offenbar von Videos der Überwachungskamera in der Bahn aufgezeichnet…“ Meldung von dpa/queer.de vom 9. September 2022
- Bremen protestiert: „Starkes Zeichen gegen transfeindliche Gewalt in Bremen. 250 Menschen gedenken spontan an den Angriff am Samstag in Bremen und an den Mord an Malte in Münster. Lasst uns Bremen zu einem sicheren Ort für alle queeren Menschen machen!“ Twitter-Post von Tagedieb vom 5. September 2022
- Dortmund: CSD-Organisator*innen berichten von Gewalt – „Auch in Dortmund ist es offenbar zu queerfeindlichen Übergriffen beim Pride gekommen. Im Umfeld des CSD Dortmund ist es vergangenen Samstag zu offenbar queerfeindlich motivierten Angriffen auf Teilnehmer*innen gekommen. Das meldet der queere Dortmunder Dachverband SLADO e.V., der den CSD veranstaltet…“ Meldung von queer.de vom 9. September 2022
- Dresden: Angriff auf CSD-Teilnehmer in Dresden – Polizei sucht Zeug*innen – „Drei maskierte Unbekannte hatten einen 18- und einen 27-Jährigen attackiert und verletzt. Zuvor war es bereits am Hauptbahnhof zu einer Gewalttat gekommen. (…) Danach flohen die Täter in unbekannte Richtung. Die Verletzten kamen zur Untersuchung in eine Klinik…“ Meldung von queer.de vom 6. September 2022
- Ulm: Störungen und Attacken auch beim Ulmer CSD – „… Wie erst jetzt bekannt wurde, ist es auch während des Pride-Marsches in Ulm am 27. August zu Störungen und Anfeindungen gegenüber den queeren Demonstrierenden gekommen. Es kam zu Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten – und einem sexuellen Übergriff. Antifaschist*innen aus Ulm machten lokale Aktivisten der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ als Verursacher*innen der Attacken aus. Doch auch zufällig anwesende Passant*innen und Teilnehmer eines Junggesellenabschieds sollen unter den Störenden gewesen sein…“ Meldung von queer.de vom 9. September 2022
- Gegenprotest am 17. September 2022 – siehe dazu unseren Beitrag: #noFundis in Berlin am 17. September 2022: Demo gegen den „Marsch für das Leben
- Gewalt gegen queere und trans Menschen hat sich zwischen 2019 und 2021 Jahren verdoppelt – Solidarität mit Malte
- „… Er ist leider einer von vielen. Denn die Gewalt gegen queere Menschen in Deutschland nimmt zu. Laut Bundeskriminalamt gab es im vergangenen Jahr 1051 Straftaten im Bereich sexuelle Orientierung und Identität. 2020 waren es 782, 2019 noch 576. Und das sind nur die bekannten Vorfälle. Nach Angaben des Innenministeriums gibt es „ein erhebliches Dunkelfeld“. Es ist gut, dass die Bundesregierung einen Queer-Beauftragten hat. Aber das reicht nicht, solange Queersein lebensgefährlich ist. Die strukturelle Missachtung, die wie in Münster zu tödlicher Gewalt führt, beginnt viel früher. Sie beginnt in den Blicken, in der Sprache. Sie beginnt im Klassenzimmer, in dem Homosexualität nur im Zusammenhang mit HIV vorkommt. Oder in der Familie, in der davon ausgegangen wird, dass die Kinder heterosexuell sind. Sie beginnt in Medien, in denen über trans Menschen diskutiert wird, als wäre ihre Existenz eine Meinungsfrage, und im Büro, wenn Menschen sich fragen, wie sichtbar sie wirklich sein können. Sie beginnt in der Bar, in der Queers sich lieber nicht küssen. Der junge Mann, der in Münster andere beschützen wollte, hat sich in einem Verein gegen Transfeindlichkeit eingesetzt. Er kannte also die Vorurteile, er wusste um die Gefahr. Er hat sich entschieden, trotzdem sichtbar zu sein. Er hat andere geschützt, damit sie es auch sein können. Es wird Zeit, Menschen wie ihn zu schützen.“ Kommentar von Simon Sales Prado, erschienen am 4. September 2022 in der Süddeutsche („ Schutzlos“).
- „… Die Tat hatte in Münster und deutschlandweit für Entsetzen gesorgt. Zeug*innen zufolge soll C. Frauen zu Hilfe gekommen sein, die beim CSD-Ständefest von einem unbekannten Mann, der drohend auf sie zugegangen sein soll, mit den Worten „Lesbische Hure“ und „Verpisst euch“ beschimpft wurden. Laut Polizei habe der 25-Jährige diese Situation mitbekommen und den Störer gebeten, die Beleidigungen zu unterlassen. Unvermittelt habe der Unbekannte ihm daraufhin brutal ins Gesicht geschlagen. Der Helfer habe das Gleichgewicht verloren, bevor ihn ein weiterer Faustschlag im Gesicht traf. Dann habe der 25-Jährige das Bewusstsein verloren und sei mit dem Kopf auf den Asphalt aufgeschlagen (…). Seine letzten Tage verbrachte Malte C. im künstlichen Koma (…) Nur Minuten nach Bekanntwerden der Todesnachricht zeigten sich viele Menschen in sozialen Netzwerken schockiert und bekundeten ihr Beileid. Auch aus der Politik gab es erste Reaktionen…“ Meldung von Queer.de, erschienen am 2. September 2022 („25-jähriger trans Mann nach Attacke bei CSD in Münster gestorben“).
- Gedenken laut und sichtbar: über 6.000 Menschen gedenken in Münster Malte C.
„… In einer Zeit, in der queere und trans* Sichtbarkeit und Zivilcourage gegen LSBTI-feindliche Gewalt noch immer lebensgefährlich sein können, darf unser Gedenken kein stilles sein. Auch als Community müssen wir laut und sichtbar füreinander einstehen – ebenso selbstverständlich, wie Malte C. es getan hat. Zu viele von uns werden durch seinen Tod einmal mehr daran erinnert, dass es Teile der Gesellschaft gibt, die uns die Menschenwürde absprechen. Allen, die nach der Tat auch um ihre eigene Sicherheit fürchten, gilt unsere volle Solidarität…“ Alva Träbert/ Pressemitteilung des Lesben- und Schwulenverband vom 2. September 2022 („Trans* Mann Malte C. nach queerfeindlichem Angriff gestorben“) - „In Münster haben am frühen Freitagabend vor dem Historischen Rathaus nach einer ersten Polizeischätzung 6.500 Menschen an einer Kundgebung gegen Gewalt gegen queere Menschen teilgenommen. Örtliche queere Organisationen hatten diese Veranstaltung, die eine Schweigeminute, Musik und Redebeiträge umfasste, schon seit Tagen geplant, nachdem es beim CSD der Stadt am letzten Samstag zu queerfeindlicher Gewalt gekommen war. Am Freitagmorgen war bekannt geworden, dass der angegriffene trans Mann Malte C. im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen ist…“ Meldung von Queer.de, erschienen am 2. September 2022 („Münster: Tausende bei Gedenken an Malte C.“).
- Rheinmetall entwaffnen in Kassel und andere solidarisieren sich
„… Am Abend zuvor, dem 2. September, organisierte das Bündnis gemeinsam mit Frauen und Queers Streik* Kassel sowie ROSA eine Gedenkveranstaltung für Malte C. mit rund 400 Teilnehmenden. Der 25-jährige trans Mann war zuvor seinen Verletzungen nach einem transfeindlichen Angriff erlegen. „Es macht uns wahnsinnig wütend, dass die Warnungen aus der LSBTIAQ+-Community nicht ernstgenommen werden. Transfeindlichkeit tötet!“, prangert [Till] Gentner an. Malte C. war beim CSD in Münster am Samstag, dem 27. August, Frauen zu Hilfe gekommen, die homofeindlich angegangen wurden. Daraufhin wurde er brutal zusammengeschlagen.“ Pressemitteilung von Rheinmetall Entwaffnen per Mail am 2. September 2022 zugesandt.