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Bereitet sich die PiS auf eine Streikwelle in Polen vor? Gesetzesänderungen sollen das Streikrecht unabhängiger Gewerkschaften massiv beschränken

Dossier

Grafik von IP: "Morawiecki und Maląg wie Thatcher und Reagen - sie wollen das Streikrecht einschränken!"Die PiS-Regierung wappnet sich für mögliche Arbeitskämpfe angesichts der gegenwärtigen Inflation und zu erwartenden sozialen Härten in Herbst und Winter – geplantes Gesetz enthält massive Schläge gegen Gewerkschaften und Streikrecht. Konkret: Aufnahme von Arbeitskämpfen untersagt, wenn mehr als eine Gewerkschaft im Betrieb, d.h. Gewerkschaften müssen Koalition bilden. Führt zur Einschränkung von von der Regierung unabhängigen Gewerkschaften. Kleinere kämpferische Gewerkschaften werden so ausgeschaltet. Bsp. die Basisgewerkschaft IP @pracownicza, die immer die wichtigen Kämpfe etwa bei VW vorangetrieben hat – das könnte sie dann nur noch im Bündnis mit der großen regierungsnahen Solidarność zusammen machen. Weitere Punkte: Zeitliches Limit für Tarifkonflikte, gerichtliche Kontrolle von Streik-Urabstimmungen, Soli-Streiks (mit anderen Branchen) verboten (gab es bisher auch schon nur mit Branchen, die kein eigenes Streikrecht besitzen)Thread von kapturak vom 10. Aug. 2022 externer Link – siehe weitere Informationen:

  • OZZ Inicjatywa Pracownicza: Nein zum neuen Arbeitskampf-Gesetz. Wir fordern ein echtes Streikrecht! New
    Die Regierung will das Organisieren von Streiks erschweren und die Zahl der Arbeitskämpfe reduzieren. Unsere Antwort muss der gemeinsame Kampf für die Freiheit zur Durchführung von Streikaktionen sein!
    Im Juli dieses Jahres veröffentlichte das Ministerium für Familie und Sozialpolitik ein Gesetzesprojekt zur Novellierung der Regeln zur Durchführung und Beendigung von Arbeitskämpfen. Die geplanten Änderungen sollen „in einem größeren Maße den sozialen Frieden sichern“, d.h. in der Praxis das Initiieren von Arbeitskämpfen und das Organisieren von Streiks erschweren. U.a. sieht der Entwurf des Ministeriums vor:

    • die Pflicht, eine gemeinsame Gewerkschaftsrepräsentation unter Beteiligung der auf Betriebsebene repräsentativen Organisationen zu berufen; ohne die Beteiligung letzterer ist es nicht möglich, einen Arbeitskampf durchzuführen;
    • Fristverlängerungen: die Mindestzahl der Tage zur Erfüllung der im den Arbeitskampf initiierenden Schriftstück enthaltenen Forderungen (von 3 auf 7 Tage) sowie die Mindestzahl der Tage von der Ankündigung bis zum Beginn des Streiks (von 5 auf 7 Tage);
    • automatische Beendigung des Arbeitskampfs nach Ablauf von 9 Monaten, wenn es zu keiner durch Unterschriften bestätigten Übereinkunft oder zu einem Abweichungsprotokoll (mit der Möglichkeit einer Verlängerung um 3 weitere Monate, sofern beide Seiten ihre Zustimmung geben) kommen sollte;
    • Einführung einer zusätzlichen Frist von 30 Tagen, die zwischen der Ausfertigung des Abweichungsprotokolls und der Organisation einer Urabstimmung zum Streik liegen müssen;
    • die Pflicht zur Beteiligung der gewerkschaftlichen Repräsentativorganisation auf Betriebsebene an der Urabstimmung zum Streik;
    • das Verbot von Solidaritäts-Streiks;
    • die Einführung einer gerichtlichen Kontrolle der Streikurabstimmung und das Verbot, einen Streik zu organisieren bevor das Urteil in diesem Fall rechtskräftig ist;
    • die Pflicht für die Gewerkschaft, die Dokumentation der Streikurabstimmung für einen Zeitraum von 12 Monaten aufzubewahren, sowie die Möglichkeit für die staatliche Arbeitsaufsichtsbehörde, diese zu kontrollieren;

    Diese Änderungen schränken für kleinere Gewerkschaften das Recht auf eine eigenständige Durchführung von Arbeitskämpfen und Organisation von Streiks erheblich ein, sie erweitern die staatliche Kontrolle über den Ablauf eines Arbeitskampfes und verlängern die Dauer der weiteren Etappen des Konflikts.
    Das Regierungsprojekt ist außerdem in rechtlicher Hinsicht zweifelhaft: Das Vorbringen von Forderungen im Arbeitskampf ist das einzige ausnahmslos allen Gewerkschaften zugängliche Mittel, um die Arbeitgeber zur Aufnahme von Verhandlungen mit ihnen zu verpflichten. Eine Begrenzung dieses Rechts zur Einleitung eines Arbeitskampfs ausschließlich auf Repräsentativorganisationen auf Betriebsebene kann man somit als Einschränkung des verfassungsmäßig garantierten Rechts zu [Tarif-]Verhandlungen [quasi Tarifautonomie] sowie des in den Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verankerten „Zugangs der Arbeitnehmervertreter zur Betriebsleitung“ [Wortlaut in der Original-ILO-Empfehlung 143 leicht abweichend] angesehen werden.
    Es ist kein Zufall, dass der Entwurf zur Änderung der Regeln für Arbeitskämpfe gerade zum jetzigen Zeitpunkt kommt. Seit geraumer Zeit lässt sich eine verursachte Zunahme gesellschaftlicher Unzufriedenheit beobachten, ausgelöst von den Preissteigerungen, mit denen unsere Löhne nicht Schritt halten. Parallel dazu initiieren Gewerkschaften immer öfter Arbeitskämpfe und organisieren Streiks (in erster Linie vor dem Hintergrund von Lohnfragen). Die gewonnenen Streiks in den Solaris- und Paroc-Werken, der wilde Streik der Fahrer der Städtischen Verkehrsbetriebe (MZK) in Bydgoszcz, der mehrmonatige Streik in den Sozialhilfezentren (OPS) von Łódź, der Protest der Fluglotsen – das sind nur die bekanntesten Beispiele der bekannten Arbeitskämpfe, die größtenteils mit beträchtlichen Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu Ende gingen. In ihrem Windschatten initiierten Gewerkschaften in vielen Betrieben, sowohl im im öffentlichen Sektor als auch im privaten, Arbeitskämpfe und forderten vor allem höhere Löhne.
    Die PiS-Regierung und die Arbeitgeber wollen dieser Welle der Arbeiter*innen-Unzufriedenheit mit Hilfe einer Aufhäufung von formalen und bürokratischen Anforderungen Einhalt gebieten. Und das, wo doch das aktuell gültige Streikrecht in Polen schon jetzt das restriktivste in Europa ist: In keinem anderen Land muss eine Gewerkschaft eine derart komplizierte und mehrstufige Prozedur des Arbeitskampfs durchlaufen, um legal streiken zu können; in kaum einem Land ist praktisch die gesamte staatliche Verwaltung und [gebietskörperschaftliche] Selbstverwaltung gesetzlich vom Streikrecht ausgeschlossen. Diese Regeln sind der Grund dafür, dass Streiks in Polen außergewöhnlich selten sind und seit Jahren keinen Massencharakter haben. Das schlägt sich wiederum in niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und einer erhöhten Beschäftigungsinstabilität nieder.
    Die Strategie der Ministerin für Familie und Sozialpolitik, Marlena Maląg, und des ganzen Kabinetts von Premierminister Morawiecki kann man als „Krisenmanagement durch Befriedung der Gewerkschaftsbewegung“ zusammenfassen. Die Regierung will, dass die organisierte Arbeitswelt ganz der Gnade und Ungnade des Staates ausgeliefert ist, dass sie sich mit der von oben aufgepfropfte Erhöhung des Mindestlohns zufrieden gibt und absolut nicht dazu in der Lage ist, durch organisierte Arbeitsniederlegung selbständig für höhere Löhne zu kämpfen. Uns genügt die Gnade der gegenwärtigen Regierung in keiner Weise. Wir fordern die Freiheit zur Durchführung von Streiks und die Abschaffung der restriktiven Vorschriften, die die Möglichkeit einer organisierten Unterbrechung der Arbeit blockieren! Wir rufen alle Gewerkschaften zu einer gemeinsamen Diskussion auf und zur Mobilisierung, um das Projekt mit den Änderungen des Arbeitskampfprocederes zu blockieren, sowie zum Kampf für eine für die Welt der Arbeit bessere Regelung des Streikrechts.“ (polnische) Stellungnahme des Landeskomitees der OZZ Inicjatywa Pracownicza vom 7. August 2022 externer Link in der Übersetzung durch @kapturak externer Link – wir danken!

  • „Proteste werden erwartet, also eingeschränkt“ – auch der Solidaritätsstreik. Zwei Übersetzungen aus polnischen Medien geben Einblick in gewerkschaftliche Reaktionen
    • Die Behörden arbeiten an Änderungen des Gesetzes über Arbeitskonflikte
      Proteste werden erwartet, also eingeschränkt. Die Regierung, die befürchtet, dass die Gewerkschaften die Arbeitnehmer auf die Straße bringen werden, versucht, das Streikrecht einzuschränken.
      Proteste sind normalerweise das letzte Mittel der Gewerkschaften. Davor gibt es einen Streit. Ein solcher Streit wurde nun durch den Gesetzentwurf über kollektive Streitigkeiten ausgelöst.
      Dies sei ein skandalöser Versuch, das Streikrecht einzuschränken und potenzielle Proteste zu unterdrücken, sagte Jakub Grzegorczyk von der Gesamtpolnischen Gewerkschaftsinitiative für Arbeitnehmer. [Inicjatywa Pracownicza]
      „Es zeichnet sich ein heißer Herbst ab“.
      Die Gewerkschaften fragen, ob sich die Regierung angesichts einer Inflation von 15,5 Prozent auf eine Streikwelle vorbereitet.
      Es zeichnet sich ein heißer Herbst ab, denn die Lebensbedingungen verschlechtern sich, die Inflation steigt. Die Reallöhne im Haushaltssektor sinken, und Gewerkschaften wie die der Sozialversicherungsanstalt hätten im Falle der Verabschiedung dieses Änderungsantrags weder das Recht auf Streik noch auf Arbeitskampfmaßnahmen, so Piotr Szumlewicz von der Gewerkschaftsalternative.
      Der Einspruch richtet sich zum Beispiel gegen diese Bestimmung. Der Vorschlag, die Bildung einer Gewerkschaftskoalition in einem laufenden Konflikt verbindlich vorzuschreiben. Natürlich dort, wo es mehr als eine solche Organisation gibt.
      Damit soll das Verfahren zur Durchführung eines Arbeitskonflikts gestrafft werden – betonte Stanisław Szwed, stellvertretender Minister für Familie und Sozialpolitik.
      Für uns – für die Arbeitnehmerinitiative – ist das gefährlich, denn in vielen Betrieben, in denen wir nicht über das Statut einer repräsentativen Organisation verfügen, wird uns damit das Recht genommen, einen kollektiven Konflikt selbst zu führen“, so Grzegorczyk.
      Auch in der Allpolnischen Allianz der Gewerkschaften mit mehr als 700.000 Beschäftigten hören wir, dass die Änderungen keine Erleichterung, sondern ein Hindernis darstellen.
      Wer soll beurteilen, ob diese Gewerkschaften die Gelegenheit genutzt haben, eine gemeinsame Vertretung zu schaffen oder nicht? Und es gibt noch mehr solcher Bestimmungen in diesem Vorschlag, und wenn er angenommen werden sollte, ist das ein radikales Hindernis“, sagte Andrzej Radzikowski vom Gesamtpolnischen Gewerkschaftsbund.
      Die Möglichkeit, aus Solidarität mit anderen Berufsgruppen, die kein Streikrecht haben, zu streiken, sollte aus den Rechtsvorschriften gestrichen werden. Das ist nicht sehr häufig, aber in der Rechtfertigung steht, dass es trotzdem missbraucht wird.
      Und das in einer Situation, in der die Regierung immer wieder eine neue Gruppe von Arbeitnehmern vom Streikrecht ausschließen will, wie kürzlich die Fluglotsen“, so Radzikowski.
      In den 1980er Jahren gab es in Polen vor allem Solidaritätsstreiks, und mit diesem Gesetzentwurf wollen die Behörden sie buchstäblich einfach verbieten“, sagte Szumlewicz.
      „Wir sind entschieden dagegen“.
      Daher auch der heftige Protest. So wie Gewerkschaften und Gewerkschaftsdachverbände oft eine andere Meinung zu bestimmten Lösungen haben, sprechen wir in diesem Fall als Gewerkschaften mit einer Stimme und sind entschieden dagegen“, sagte Andrzej Jankowski vom Forum Związków Zawodowych [Gewerkschaftsforum].
      Nicht nur die Inicjatywa Pracownicza oder die Związkowa Alternatyw [„Gewerkschaftsalternative“] haben Zweifel, sondern auch die OPZZ, Forum Związków Zawodowych [„das Gewerkschaftsforum“] oder sogar die NSZZ Solidarność.
      Die Arbeit an diesem Projekt zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Zufall. Dies könnte dazu führen, dass die Rechte der Gewerkschaften zur Führung von Tarifkonflikten eingeschränkt werden“, sagte Jankowski.
      Das ist natürlich nicht wahr, denn die Arbeit an einem solchen Gesetz dauert drei Jahre, so der stellvertretende Minister Szwed.
      Unter dem Einfluss des Widerstands der Gewerkschaften, aber auch der Fragen von Journalisten, weicht das Ministerium für Familie und Sozialpolitik seine Position auf. Sie ändert ihre Meinung über den Solidaritätsstreik und ist offen für weitere Verhandlungen.
      Wir haben uns darauf geeinigt, den Entwurf weiter zu beraten, und diese Lösungen werden einige Änderungen erfahren“, sagte Szwed.
      Der Gesetzentwurf befindet sich im Stadium der Einigung und der Gespräche – auch im Rad Dialogu Społecznego [Rat für den sozialen Dialog].
      Es wird sicher nicht so sein, dass das Gesetz im Herbst in Kraft tritt, wie manche vielleicht denken. Ich denke, dass dies im nächsten Jahr der Fall sein wird, wenn das Gesetz in Kraft tritt“, fügte Szwed hinzu. [stellvertretender Minister für Familie und Sozialpolitik]“ Maschinenübersetzung des poln. Beitrags von Aleksandra Kąkol aus dem Magazin „Polen und die Welt“ auf TVN24 am 11.8.2022 externer Link
    • „Es wird ein Lohnsturz vorbereitet, und die Regierung tut das Unverschämteste“. Gewerkschaftler: Es wird einen Arbeiteraufstand geben!
      Das Lohnwachstum hält mit der galoppierenden Inflation nicht Schritt. – Das bedeutet, dass ein Lohneinbruch und radikale Proteste vorbereitet werden“, erklärte Piotr Szumlewicz gegenüber TOK FM. Wie er hinzufügte, bereitet sich die Regierung darauf vor, indem sie an überraschenden Änderungen des Gesetzes arbeitet. – Diese Änderung ist „skandalös und verfassungswidrig“. Wir haben ein solch mörderisches Gesetz nicht erwartet“. – erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaftsalternative.
      Die Inflation in Polen steigt schneller als die Löhne. Dies wird durch die jüngsten Daten des Statistischen Zentralamtes bestätigt. Im zweiten Quartal stiegen die Durchschnittslöhne um knapp 12 Prozent, während die Preise im Einzelhandel um 14 Prozent stiegen. – Die Regierung hat Angst, denn die Reallöhne sinken bereits in der gesamten Wirtschaft, im Haushaltssektor sogar um 10 Prozent. Das bedeutet, dass ein Lohneinbruch und radikale Proteste vorbereitet werden“, schätzte Piotr Szumlewicz, Vorsitzender der Gewerkschaft Trade Union Alternative, im „Politischen Interview“ auf TOK FM ein.
      Der Gesprächspartner von Nikolai Lizut sprach von der „größten Frechheit der letzten 30 Jahre“ der Regierung. – Wenn Politiker ihre Gehälter um 60 Prozent erhöht haben und sagen, dass eine 20-prozentige Gehaltserhöhung für Haushaltsangestellte zu einem Zusammenbruch, einer Inflation und einer Wirtschaftskrise führen wird, dann ist das eine große Unverschämtheit! – betonte Szumlewicz.
      „Dies ist ein Versuch, den Gewerkschaften den größten Schlag seit 1989 zu versetzen“.
      Dem Aktivisten zufolge sehen die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes über Arbeitskonflikte so aus, als ob sich die Regierung auf diese große Welle sozialer Unzufriedenheit vorbereiten würde. Wie die „Gazeta Wyborcza“ berichtet, sollen nach den vorgeschlagenen neuen Rechtsvorschriften nur „repräsentative“ Gewerkschaften in einem bestimmten Betrieb das Recht haben, einen Streik zu organisieren. Und zwar nicht alle, wie es bisher der Fall war. Der Entwurf sieht unter anderem auch ein Verbot der Organisation von Solidaritätsstreiks vor.
      Diese Regierung ist auf vielen Ebenen autoritär, aber mit einem derart mörderischen Gesetz haben wir nicht gerechnet. Dies ist ein Versuch, den Gewerkschaften den größten Schlag seit 1989 zu versetzen“, bewertete Szumlewicz. Er fügte hinzu, dass diese Änderung „skandalös ist, im Widerspruch zur Verfassung und zu vielen Bestimmungen des Arbeitsrechts steht“.
      Nach Einschätzung des TOK FM-Gastes wird das Inkrafttreten dieser Regelungen für einige Gewerkschaften im Grunde ein Streikverbot bedeuten. Es scheint, dass die Regierung vor allem befürchtet, dass die Haushaltsangestellten und die Beschäftigten der staatlichen Unternehmen verärgert sind und gemeinsam protestieren werden. Und das ist eine Vorbereitung auf diesen Arbeitsangriff“, so Szumlewicz abschließend.“ Maschinenübersetzung des poln. Textes zum Radiobeitrag von Marta Zdanowska am 11.08.2022 auf TOK FM externer Link (dort auch als Audio)
    • Siehe z.B. die vorsichtige Distanzierung der OPZZ im poln. Thread vom 10.8.22 externer Link: „… Es löst nicht nur die in der Praxis wahrgenommenen grundlegenden Probleme des Funktionierens des derzeit verbindlichen Rechtsakts nicht, sondern enthält auch viele Lösungen, die ernsthafte Bedenken hervorrufen. Das bedeutet, dass wir das Projekt in seiner jetzigen Form für nicht akzeptabel halten…“
    • Bei den anderen Gewerkschaften bisher noch keine Stellungnahme gefunden…
    • Erneut vielen Dank an kapturak externer Link (Twitter)!
  • Eine Streikwelle steht bevor und die Regierung will den Gewerkschaften das Rückgrat brechen
    Es ist Aufgabe der Gewerkschaft, die Arbeitnehmer davon zu überzeugen, dass es sich lohnt zu streiken, und nicht, den nachfolgenden Institutionen zu beweisen, dass dies überhaupt möglich ist – und darauf zielt die von der Regierung vorgeschlagene Änderung des Streikgesetzes ab. Interview mit Katarzyna Rakowska, Gewerkschafterin und Forscherin für Arbeitskonflikte.
    Katarzyna Przyborska: Warum hat die Regierung gerade jetzt eine Änderung des Gesetzes über Arbeitskampfmaßnahmen und Streiks vorgenommen?
    Katarzyna Rakowska: Der Zeitpunkt ist entscheidend. Wir haben sehr hohe Lohnforderungen, die wahrscheinlich in Protesten enden werden. Diese haben zwei Quellen. Dank der Schutzmaßnahmen der Regierung verlief die Pandemie für die Arbeitgeber glimpflich, so dass im Jahr 2021 Rekordgewinne erzielt wurden, die sich jedoch nicht in den Löhnen der Arbeitnehmer niederschlugen. Hinzu kommt, dass wir seit zwei Jahrzehnten eine Rekordinflation haben, was bedeutet, dass unsere Löhne bereits 14-15 Prozent weniger wert sind als noch vor einem Jahr, dass wir uns damit weniger kaufen können. (…)
    Die Gewerkschaften treten immer häufiger in kollektive Auseinandersetzungen ein, Proteste sind geplant, die Unzufriedenheit ist groß. Und es sind die öffentliche Verwaltung und die staatlichen Unternehmen, die den höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad aufweisen. Gleichzeitig ist es hier für die Regierung am einfachsten, nach Einsparungen zu suchen, da sie die Gehälter im Haushaltssektor einfach einfrieren kann, wie es nach der Krise 2008 geschah, als die Gehälter im Haushaltssektor fast 10 Jahre lang eingefroren wurden. Dieses Einfrieren könnte uns im nächsten Jahr aufgrund der prognostizierten Inflation von 18 % erwarten. Aber die Unzufriedenheit beschränkt sich nicht auf die so genannten Budgetarbeiter. In diesem Jahr gab es auch Streiks in der Privatwirtschaft, und eine neue Schlüsselindustrie – die Automobilindustrie – wird seit mehreren Jahren immer häufiger bestreikt. Deshalb ist die Einschränkung der gewerkschaftlichen Möglichkeiten jetzt eine Priorität für die Regierung. (…)
    Seit 30 Jahren führt der Staat einen Kampf gegen die Gewerkschaften. Die Logik ist seit 1982, als das erste Streikgesetz nach dem Kriegsrecht eingeführt wurde, immer noch dieselbe. Im Jahr 1991 wurde es fast vollständig umgeschrieben, um eine beschleunigte Privatisierung durchzuführen und den Balcerowicz-Plan einzuführen. Und wir bewegen uns weiterhin in einer Logik, in der das Kapital und die Arbeitgeber an erster Stelle stehen und die Arbeitnehmerorganisationen an zweiter. (…)
    Die vorgeschlagene Änderung besteht darin, dass eine repräsentative Organisation an einem Arbeitskonflikt beteiligt sein muss. Dies bedeutet, dass kleinere Gewerkschaften, sofern sie sich nicht mit einer repräsentativen Organisation einigen, nicht in der Lage sein werden, diesen Streit selbst zu führen. Kleinere Gewerkschaften sind in Polen oft radikaler, sie werden als Reaktion auf die Unzufriedenheit mit den Aktionen der großen Gewerkschaften gegründet, sie nehmen eher Kämpfe in den Betrieben auf, und es geht darum, sie einfach „niederzumachen“. Dieser Trend wurde 2019 eingeleitet, als die Schwelle für die Repräsentativität im Gewerkschaftsgesetz angehoben wurde, und viele Rechte der Arbeitnehmerorganisationen hängen davon ab. Nun folgt der nächste Schritt: Eine repräsentative Organisation muss sich an kollektiven Konflikten und Streiks beteiligen. (…)
    Eine Gewerkschaft, die einem landesweiten Zentrum wie OPZZ, Solidarność oder FZZ angeschlossen ist, hat mehr Rechte als eine Gewerkschaft, die diesem Zentrum nicht angehört. Die Gewerkschaften, die der Zentrale in einem bestimmten Betrieb angehören, müssen weniger Personen vereinen, um als repräsentativ zu gelten – 8 Prozent der Belegschaft sind ausreichend. Die Arbeitnehmerinitiative, die Gewerkschaftsalternative oder der August ’80 müssen mehr, nämlich 15 % der Arbeitnehmerschaft, vereinen. (…)
    Bisher war die Repräsentativität z.B. bei der Festlegung von Lohnregelungen von Bedeutung, aber ein Arbeitskampf, d.h. ein Protest gegen die Arbeitsbedingungen, konnte von jeder Gewerkschaft geführt werden. Nach dem neuen Entwurf kann der Arbeitgeber eine Vereinbarung zur Beendigung des Konflikts mit der repräsentativen Organisation unterzeichnen, und Organisationen, die damit nicht einverstanden sind, können nichts dagegen unternehmen, sondern müssen sich den repräsentativen Gewerkschaften unterwerfen. (…)
    Der Arbeitgeber wird dank solcher Änderungen über einen kleineren Pool von Gewerkschaften verfügen, mit denen er verhandeln kann, und es kommt tatsächlich vor, dass einige Gewerkschaften gelbe Gewerkschaften sind. (…)
    Es gibt Urteile, insbesondere solche, die Streiks in erster Instanz verbieten, wenn die Gerichte über den Schutz von Privateigentumsrechten und den Schutz des Profits sprechen. Die gerichtliche Überprüfung stellt die Einführung einer weiteren, fünften Stufe des Arbeitskampfes dar, deren Ausgang für die Gewerkschaften ungewiss ist. (…)
    Wir sehen eine fortschreitende Bürokratisierung des Arbeitskampfprozesses. Es werden immer mehr Dokumente benötigt, die Gewerkschaften müssen alle Beweise für das Referendum ein Jahr lang aufbewahren – so steht es in diesem Gesetzentwurf. Vor dem Referendum müssen sie die Referendumsordnung an den Arbeitgeber schicken, damit dieser sie vor Gericht anfechten kann. Es ist eine Logik, bei der wir Rechte beantragen, sie nachweisen und dokumentieren müssen, dass wir das Recht haben zu streiken, und dies auch noch vor Gericht beweisen müssen. (…)
    Es ist Aufgabe der Gewerkschaft, die Arbeitnehmer davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, zu streiken, und nicht, einer Reihe von Institutionen zu beweisen, dass dies überhaupt möglich ist…“ Maschinenübersetzung aus dem poln. Interview von Katarzyna Przyborska am 21. Juli 2022 in KrytykaPolityczna.pl externer Link
  • Die Organisation eines Streiks in Polen ist eine monatelange Tortur
    Es gibt Unternehmen, in denen Gewerkschafter mit Wahlurnen nicht in den Betrieb gelassen werden, Volksabstimmungen finden bei Regen und Schnee auf Parkplätzen statt. Die Arbeitgeber reißen Plakate ab, streuen Fehlinformationen und verbreiten zum Beispiel Gerüchte über das Privatleben von Gewerkschaftsführerinnen. Ein Arbeitskonflikt ist ein Schlachtfeld, sagt Katarzyna Rakowska, Gewerkschafterin und Soziologin, die Arbeitskonflikte in Polen untersucht
    [Kacper Leśniewicz: Die Entlassungen von Gewerkschaftsführern und weiblichen Führungskräften bei Amazon, der mBank, der Pädagogischen Universität Krakau und einem Dutzend anderer Einrichtungen sind bereits eine echte gewerkschaftsfeindliche Welle. Als ob das nicht genug wäre, ist laut einer CBOS-Umfrage der Prozentsatz der Arbeitnehmer, die ein Problem mit der Gewerkschaftsbeteiligung in ihrem Betrieb sehen, von 25 auf 40 Prozent gestiegen. Die letzten Wochen waren für die bei Solaris beschäftigten Gewerkschafter ein wahrer Kraftakt. Was ist hier los?]
    Katarzyna Rakowska: Die Pandemie hat sich nicht wie erwartet auf die Wirtschaft ausgewirkt, nicht zuletzt wegen der umfangreichen Transfers öffentlicher Mittel an Unternehmen, die sich jedoch nicht in Löhnen niedergeschlagen haben. (…) wenn wir über Streiks sprechen, ist es wichtig, daran zu denken, wie begrenzt unser Streikrecht in Polen ist. Warum können wir z. B. nicht gegen die PiS streiken? Denn wir können in Polen nicht politisch streiken. In den 1990er Jahren, als das Gesetz über Gewerkschaften und die Beilegung von Arbeitskonflikten ausgearbeitet wurde, wollten die damaligen Eliten, dass das Streikrecht nur für den Arbeitsplatz gilt. (…) Sie ist von großer Bedeutung, weil es heute nicht möglich ist, einen Streik z.B. für die Renten zu organisieren. (…) Fangen wir damit an, dass wir kein Gesetz zur Beilegung von Arbeitskonflikten haben, sondern ein Gesetz zum Verbot von Streiks. Für einen legalen Streik brauchen wir einen Arbeitskampf, der nach meinen Recherchen von einigen Monaten bis zu sieben oder acht Jahren dauern kann. Um einen legalen Streik zu organisieren, muss man alle vier Schritte durchlaufen. Die Arbeitgeber tun wirklich viel, um das ganze Verfahren zu erschweren. Wenn in Polen jemand einen Streik organisiert hat, bedeutet das, dass er monatelang durch die Hölle gegangen ist. (…) Wir haben eine solche Situation bei Amazon, das während des Referendums weitere Lagerhäuser eröffnete, so dass die Gewerkschaft das Referendum auf Tausende von Menschen in entlegenen Gebieten hätte ausweiten müssen…“ poln. Interview von Kacper Leśniewicz vom 09. Februar 2022 in OKO.press externer Link (maschinenübersetzt)

Bei OZZ Inicjatywa Pracownicza bisher nichts gefunden… Der Solidarnosz dürften die Pläne gefallen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=203509
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