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Spardiktat beim Gasverbrauch aus Brüssel verlangt europaweite Solidarität mit Deutschland – aber man sieht sich immer zweimal…
Dossier
„Die EU-Kommission präsentiert einen Notfallplan für die Gasversorgung – mit Sparzwang für alle 27 Mitgliedsstaaten. Damit greift die Behörde tief in nationale Kompetenzen ein. Bei ihrem Eingriff beruft sich Kommissionschefin von der Leyen auf die Coronakrise – und auf Solidarität mit Deutschland. (…) Konkret geht es darum, dass alle 27 EU-Staaten ihren Gasverbrauch um 15 Prozent senken sollen – auch jene, die kaum Gas nutzen oder schon gespart haben. (…) Falls Gazprom seine Lieferungen ganz einstellt oder es zu Engpässen kommt, will Brüssel den Gas-Alarm ausrufen und Einsparungen erzwingen – zur Not auch gegen den Willen der betroffenen Länder. (…) Sie schneidet ihren Notfallplan fürs Gas ganz auf Deutschland zu, selbst entfernte EU-Länder wie Portugal sollen helfen…“ Meldung vom 21. Juli 2022 auf Lost in EU („“Als Zeichen der Solidarität”: Neues Spardiktat aus Brüssel“), siehe die Antwort aus Spanien, Griechenland und Portugal:
- Die Koalition der „Südstaaten“ im EU-Energiestreit. Gemeinsam wollen Italien, Spanien, Portugal und Griechenland die Preisbestimmung für Gas durch die Börse aushebeln
„Im aktuellen EU-Streit um eine Deckelung der Einkaufspreise für Gas stehen sich die südeuropäischen Länder und Deutschland samt seiner Partner gegenüber. Italien, Griechenland, Spanien und Portugal versuchen seit Monaten in der aktuellen Energiekrise als „Südstaaten“ gemeinsam die Preisbestimmung für Gas durch die Börse auszuhebeln und einen gemeinsamen Gaseinkauf aller EU-Staaten durchzusetzen. Hinsichtlich der Klima- und Energiepolitik könnten die Südstaaten unterschiedlicher nicht sein. Zudem muss sich zeigen, wie sich der Regierungswechsel in Rom auf die bisherige Zusammenarbeit auswirkt. (…) Im Sommer rebellierten die Südstaaten gegen den Vorschlag der EU-Kommission, einen pauschalen Zwang zu Einsparungen von fünfzehn Prozent in allen EU Staaten verbindlich festzulegen. Spanien und Portugal wurde im Juni von der EU-Kommission ein Strompreisdeckel genehmigt. (…) Die Regierung in Athen lehnt derartige Steuersenkungen sowie generell jede Verbrauchssteuersenkung für Grundbedarfsmittel rigoros ab. (…) Tatsächlich hat Griechenland im europäischen Vergleich stabil die höchsten Strompreise. Die italienischen Verbraucher erleben im Oktober ein Preisschock. Sie müssen durchschnittlich 59 Prozent mehr für elektrischen Strom zahlen, als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Die neue, am 22. Oktober vereidigte, Regierungschefin in Italien, Giorgia Meloni, hat laut eigenem Wahlprogramm nicht den Ausbau der Nutzung Erneuerbarer Energiequellen im Fokus. Sie möchte vielmehr auf Kernenergie und Gas setzen. (…) Die sozialdemokratische Pasok kritisiert Mitsotakis Windkraftpolitik ebenso konsequent wie die größte Oppositionspartei Syriza. Varoufakis befürwortet Erneuerbare Energien ebenso wie die kommunistische Partei. Allen Oppositionsparteien gemeinsam ist, dass sie Mitsotakis vorwerfen, die energiepolitische Klimawende als Mittel zur Bereicherung der ihm genehmen Investoren und zu Lasten der Bürger durchzusetzen. (…) Konkret wirft Syriza der Regierung vor, europäisches Wettbewerbsrecht zu verletzten: „Ist dies der investitionsfreundliche Kontext, den ND vor den Wahlen gepredigt hat? Hunderte von Kleininvestoren und sogar große ausländische Unternehmen die nun ans Abwandern aus Griechenland denken, vom Stromnetz auszuschließen? Und für welche Gegenleistungen wird danach das Stromnetz an die an die Sponsoren von Herrn Mitsotakis verteilt?“, fragt die Partei. Die Regierung kontert, dass Syriza während der eigenen Regierungszeit durch Blockade von Windparks „Verbrechen begangen“ habe.“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 24. Oktober 2022 in Telepolis - Gaskrise: Alle sparen für Deutschland – aber freiwillig
„Spar-Appell statt Spardiktat: Die Energieminister haben den Vorschlag der EU-Kommission zur Gaskrise stark abgeschwächt. Deutschland ist trotzdem zufrieden – es hat seine Ziele erreicht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lobte den Kompromiss. Dies sei ein “starkes Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter” der EU. Auch sein Staatssekretär Sven Giegold jubelte. “Mitgliedsstaaten, die keinerlei russisches Gas importieren, zeigen sich solidarisch und verpflichten sich zum Konsumverzicht. Das gab es noch nie”, kommentierte der ehemalige EU-Abgeordnete. Damit ist eigentlich alles gesagt. Selbst Länder, die nicht an Nord Stream 1 hängen, sollen Gas sparen, damit Deutschland nicht allein im Regen steht. Allerdings haben sie sich nicht dazu verpflichtet. Die Maßnahme ist zunächst freiwillig. Gegen das ursprünglich geplante Spardiktat hatten sich Spanien, Portugal und Griechenland ausgeprochen, auch Frankreich und Belgien sperrten sich.
Dass es nun eine große Mehrheit gab und einzig Ungarn Nein sagte, ist keineswegs ein Zeichen der Solidarität. Es gibt so viele Ausnahmen und Extrawürste, dass jeder weiter machen kann, was er will. Solidarisch wäre es gewesen, wenn man nicht nur dem deutschen Drängen gefolgt wäre, sondern auch den Gasmarkt gebändigt hätte, wie dies viele EU-Staaten seit Monaten fordern. Ein Preisdeckel, eine Sondersteuer auf Extraprofite, eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis, gemeinsame Gaskäufe – das hätte ein “Game Changer” sein können., der auch den Bürgern zugute kommt…“ Meldung vom 26. Juli 2022 von Eric Bondse auf seinem Blog Lost in EU - Mehr Gas sparen? Nein danke! „Wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt“: Spanien und Portugal laufen Sturm gegen EU-Gas-Notfallplan
„Die iberischen Nachbarländer Spanien und Portugal widersetzen sich dem Vorschlag der EU-Kommission, die Staaten der Union im Falle eines Gasnotstandes während der Heizsaison zu einer Verbrauchsreduzierung um 15 Prozent zu zwingen. Die Regierung Portugals könne den Vorschlag überhaupt nicht akzeptieren, weil dieser „unhaltbar“ sei, erklärte der Staatssekretär für Umwelt und Energie, João Galamba, am Donnerstag im Gespräch mit der Zeitung „Público“. „Wir konsumieren Gas aus absoluter Notwendigkeit“, versicherte er. Bereits am Vortag hatte die spanische Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera, geklagt: „Wir können doch keine Opfer bringen, über die wir nicht gefragt worden sind.“ Sie betonte: „Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt.“ Die renommierte spanische Zeitung „El País“ sprach am Donnerstag von einer „iberischen Front“ gegen die Pläne der Brüsseler Behörde. Konkret schlug die EU-Kommission am Mittwoch vor, dass verbindliche Reduktionsziele möglich sein sollen, wenn nicht genug gespart wird. Die EU-Länder sollen zunächst auf freiwilliger Basis alles dafür tun, ihren Verbrauch in den kommenden Monaten um 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der vorangegangenen fünf Jahre zu verringern.“ Agenturmeldung vom 22. Juli 2022 beim RND , siehe dazu:- „… Dabei hängen Portugal, Spanien und die meisten anderen Mitgliedstaaten gar nicht an der deutsch-russischen Ostseepipeline Nord Stream 1, die nun Probleme bereitet. Finnland hat sich schon völlig von russischen Gaslieferungen unabhängig gemacht, die Niederlande haben ihren Verbrauch bereits um 20 Prozent gesenkt. Dennoch sollen alle solidarisch sein. Ob auch Deutschland seinen Gasverbrauch senken muss, um das 15-Prozent-Ziel zu erreichen, blieb zunächst unklar. In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrauch gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte…“ heißt es zudem im Artikel von Eric Bonse am 20.7.2022 in der taz online
- Blamage für Robert Habeck: Niemand will ihm beim Energiesparen helfen
„Der Plan der EU-Kommission, die Mitgliedsstaaten zum Energiesparen zu zwingen, erweist sich schon wenige Stunden nach der Bekanntgabe als unrealistisch. Mehrere EU-Staaten sind kategorisch gegen die von Deutschland forcierte Idee: Griechenland, Portugal, Polen, Zypern, Ungarn und Spanien lehnen den Plan einer kollektiven Reduktion des Energieverbrauchs um 15 Prozent kategorisch ab. (…) Frankreichs Ministerin für Energie-Transformation, Agnès Pannier-Runacher, hielt sich zwar bedeckt, sagte aber, pauschale Einsparungen könnten von der EU-Kommission nicht zentral und ohne vorherige Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten verordnet werden. Polens Energie-Beauftragter Piotr Naimski lehnte den Plan als Eingriff in die Souveränität ab. Polens Gasspeicher sind laut Reuters zu 98 Prozent gefüllt, man sei für den Winter gerüstet. Energieministerin Anna Moskwa sagte, Warschau sei zwar für Solidarität, aber die Energiesicherheit des eigenen Landes habe absoluten Vorrang. Ungarns Außenminister Peter Szijjártó war am Donnerstag gar nach Moskau gereist und bat dort den russischen Außenminister Sergej Lawrow, Russland möge mehr Gas liefern, weil Ungarn sonst seine Wirtschaft nicht aufrechterhalten könne. Ungarn hatte kürzlich den Energie-Notstand ausgerufen mit der Folge, dass das Land kein Gas mehr in andere Länder exportieren darf. Ungarn bezieht 85 Prozent seines Erdgases aus Russland, kämpft gegen eine Inflation von zehn Prozent und einen rapiden Wertverfall des Forint. Gemäß den EU-Vorschriften muss der Vorschlag bei dem Dringlichkeitstreffen der Energieminister nächste Woche entweder von 55 Prozent der EU-Länder oder von Regierungen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten, gebilligt werden. Allerdings herrscht sogar bei den EU-Beamten Skepsis, dass der Plan umgesetzt werden könne: Es fehle die rechtliche Grundlage für die EU-Kommission, in dieser Weise in die Belange der Mitgliedsstaaten einzugreifen, zitieren Brüsseler Korrespondenten von mehreren Medien Insider aus der Kommission…“ Artikel von Michael Maier vom 22. Juli 2022 in der Berliner Zeitung online - (engl.) Tweet von Javier Blas vom 21. Juli 2022 : „Spanien, Griechenland und Portugal lehnen die Forderung der EU ab, den Erdgasverbrauch um 15 % zu senken, um Deutschland zu helfen. Spanischer Energieminister (deutlich auf Berlin gerichtet): „Spanien lebt im Gegensatz zu anderen Ländern energetisch nicht über seine Verhältnisse“ und dazu aus dem Thread von UnionWatch am 21. Juli 2022 : „Jetzt jammern die selben Leute über #Spanien und Co, die #Schäuble dafür gefeiert haben, als der Großkotz mehrfach den südeuropäischen Ländern gesagt hat, sie sollen erst einmal ihre Hausaufgaben machen. Die Suizide, Massenjugendflucht & Co wurden ganz fix vergessen. (…) Es gibt den Gedanken, Europa könne Gas sparen, um Deutschland durch die selbst zugefügte Krise zu helfen. Da habe sich Länder wie Spanien schnell an das Diktat von Merkel und Schäuble erinnert und dankend abgelehnt.“
Siehe zum Hintergrund:
- Dossier: [Folgen der Deregulierung in den EU-Ländern] Der Preis der Energie
- Und wir erinnern (durchaus mit etwas Häme) an unsere Rubrik EU-Krise und Demokratie oder Euro-Krise und Griechenland