[#IchBinHanna] Keine Zukunft an der Uni – Wenn WissenschaftlerInnen aussteigen müssen/sollten

Dossier

GEW: Dauerstellen für DaueraufgabenBis zur Berufung auf eine Professur ist die akademische Karriere in Deutschland geprägt von prekärer Beschäftigung, Ortswechseln und beruflicher Unsicherheit bei gleichzeitig hohem Leistungsdruck. Viele junge Wissenschaftler*innen haben unter #IchBinHanna die Ausbeutung im akademischen System beklagt. Doch ein Ausstieg aus der Wissenschaft ist nicht mit „Scheitern“ gleichzusetzen. Manche, die aussteigen, sind mit ihrem neuen Job zufriedener und fühlen sich weniger gestresst. Rund ein Drittel arbeitet weiterhin in einer wissenschaftsnahen Einrichtung.“ Manuskript und Audio der Sendung von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster am 6.5.2022 beim SWR2 externer Link Audio Datei („Keine Zukunft an der Uni – Wenn Wissenschaftler aussteigen müssen“), siehe dazu:

  • Arbeit in der Wissenschaft: Ist sie zu hart, bist Du zu schwach?! New
    „„ICH schaff das.“ Dieser Satz hängt mir seit einem Monat nach. Gesagt hat ihn Nele Matz-Lück in der ersten Folge externer Link Audio Datei des hörenswerten Podcast-Projekts Erschöpfte Wissenschaft externer Link Audio Datei, bei dem auch ich für eine #IchBinHanna-Folge externer Link Audio Datei zu Gast war. Nele Matz-Lück spricht in dieser Folge darüber, wie es zu ihrem Burnout kam. Gemeinsam mit Co-Host Marc Dechmann verfolgt sie den Weg zurück bis zu dem Punkt, als plötzlich nichts mehr ging. Wir hören von ihrer 82-Stunden-Woche, sie berichtet darüber, dass bei der Bewältigung ihres unglaublichen Arbeitspensums zunehmend diejenigen Punkte auf der Strecke blieben, die ihr Spaß machten — und erzählt, dass andere ihr gesagt haben: „Das kann man gar nicht schaffen!“ In diesem Kontext steht auch der Satz „Ich schaff das“: Für andere mag dieses Pensum tatsächlich unschaffbar sein. (…)
    Du bist was ganz Besonderes: Auserwählt zur Überarbeitung über alle Grenzen hinweg
    So intensiv wir uns im Rahmen von #IchBinHanna auch mit den Fallstricken, Fehlanreizen und Problemen des Wissenschaftssystems befasst haben: Wir sind dennoch selbst innerhalb dieses Systems sozialisiert und ich stelle immer wieder fest, dass all die Analysen und Auseinandersetzungen keineswegs automatisch die Muster durchbrechen, die auch mir über viele Jahre antrainiert wurden. Darunter ist auch das Muster, davon auszugehen, dass das Überschreiten eigener Grenzen, das Arbeiten am Limit der eigenen Kräfte, das Durchziehen bis zur Erschöpfung, das Sich-Zusammenreißen, das Sich-nicht-so-Anstellen, das gewaltsame Zu-Ende-Bringen von etwas auf Kosten des eigenen Wohlbefindens und nicht selten der eigenen Gesundheit zumindest eines verspricht: Anerkennung. (…)
    Es ist kein bisschen cool oder lobenswert, gesunde Grenzen zu überschreiten. Warum machen wir es dann aber dennoch? Die vorherrschenden Anerkennungsmechanismen und Erwartungshaltungen mögen ein Grund sein. Die pure Angst um die eigene berufliche Existenz, die den Großteil von uns Wissenschaftler_innen in Deutschland umtreibt, ist ein weiterer. Und dieser Grund hängt mit etwas zusammen, das mein Nachdenken über den oben genannten Satz erst nach und nach zutage gefördert hat: Der heimlichen Idee, man gehöre zu den wenigen Auserwählten, die das groteske Arbeitspensum im Wissenschaftsbetrieb nicht in die Knie zwingt. (…)
    Arbeit in der Wissenschaft: Ist sie zu hart, bist Du genau richtig — und sie das Problem
    Ich gebe es zu: Ich habe mir eine Menge darauf eingebildet, ständig an der Grenze der Erschöpfung unterwegs zu sein. Auch ich höre oft die Frage „wie schaffst Du das nur?“ und sage darauf in der Regel, wahrheitsgemäß: „Das weiß ich selber nicht“. Viel zu selten sage ich aber dies: Ich schaffe es ganz oft auch nicht. Zu meiner Sozialisierung in einem Wissenschaftssystem mit toxischen Leistungsidealen gehört, dass ich kaum über all das spreche, was in der Erfolgsgeschichte meiner sogenannten Karriere, wie auch ich sie gezwungen bin zu erzählen, keinen Platz hat. Dazu zählt das Scheitern. Die Verzweiflung. Der innere Widerwillen, schon wieder etwas durchzuziehen, für das ich eigentlich keine Kraft mehr habe. Und dazu zählen auch die Tränen, die Erschöpfung und die Wut darauf, mit 38 immer noch im Befristungs-Limbus festzuhängen. (…)
    Es ist nichts falsch mit uns, wenn wir uns nicht ständig selbst überschlagen wollen und können, um ein übertriebenes Pensum zu absolvieren. Aber sind wir dann nicht ungeeignet für die Arbeit in der Wissenschaft, sieht sie doch genau das vor? Dass das so ist, ist kein Naturgesetz, das wir als gegeben hinnehmen müssen. Wir sind der toxischen Arbeitskultur im Wissenschaftssystem nicht ohnmächtig ausgeliefert. Die Standards dafür, Wissenschaft als Beruf auszuüben, gestalten wir. Aber wer ist dieses „wir“ und was braucht es, um die Standards zu verändern?
    …“ In Gänze lesenswerter Beitrag von Amrei Bahr vom 26.3.2024 externer Link auf ihrem Blog „Arbeit in der Wissenschaft“
  • Ohne Mittelbau läuft nichts. Unbefristete Stellen an den Hochschulen sind Mangelware, Forschende wandern bereits ab, Institute drohen auszubluten
    „»Am Ende gelangen wir in die absurde Situation, in der wissenschaftliches Arbeiten nur noch als Hobby neben dem Brotjob möglich wäre. Das sagt einiges über diese Gesellschaft aus«, meint Jakob Birken. Der promovierte Kulturhistoriker und Medientheoretiker hat den »typischen Lebenslauf« eines Akademikers in Deutschland: insgesamt elf Verträge an vier Hochschulen in drei Bundesländern. Seine düstere Prognose bezieht sich aktuell auf den im Juli von der Hochschulrektor*innenkonferenz (HRK), also den Arbeitgeber*innen des Universitätsbetriebs, veröffentlichten Vorschlag zur Reform des Zeitvertragsgesetzes in der Wissenschaft. Ein Kernelement dieses »Diskussionsvorschlags«, wie die Rektor*innen ihn bezeichnen, ist ein maximaler Qualifizierungszeitraum von zehn Jahren.»Spätestens danach«, heißt es in dem Papier, »folgen planbare Karrierewege entweder auf einer Juniorprofessur, einer Dauerstelle neben der Professur oder – was der weitaus häufigste Fall ist – außerhalb der Wissenschaft«. Von den genannten zehn Jahren dürfen nach dem Willen der HRK maximal sechs zum Abschluss der Promotion dienen. Für die sogenannte Postdoc-Phase bliebe noch ein Zeitraum von mindestens vier Jahren mit vielen Unsicherheiten. Die HRK nennt es »Flexibilität«, die den unterschiedlichen Fachkulturen und individuellen Bedarfen Rechnung trage. Der Vorschlag lässt allerdings das Problem außen vor, dass es viel zu wenige unbefristete Stellen im universitären Mittelbau gibt und auch die Professuren rar sind. »Insofern finde ich die Aussage der HRK, dass mit der kürzeren Qualifikationsphase die ›Karriereentscheidung‹ vorverlegt werde, unfassbar zynisch«, sagt Birken. (…) Wer in Deutschland nicht in einer gewissen Zeit eine unbefristete Professur ergattern kann, hat kaum mehr nennenswerte Chancen auf eine Anstellung in der akademischen Forschung. »Als Wissenschaftler sehe ich für mich keine Perspektive in Deutschland«, meint Fritzler. Viele seiner Kolleg*innen und Bekannten seien bereits ins Ausland gegangen und wollten auch nicht zurückkehren. Der Wissenschaftsstandort Deutschland ist mit seinen prekären Arbeitsbedingungen offenbar alles andere als attraktiv und scheint derzeit einen regelrechten Brain Drain zu erleben. Viele Forschende wandern ab…“ Artikel von Martin Höfig vom 19.10.2022 im ND online externer Link

Siehe zu #IchBinHanna unter anderen Aspekten im LabourNet Germany u.a.:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=200665
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