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USA: In Minneapolis streiken Lehrer:innen und pädagogische Fachkräfte für kleinere Klassen, mehr Unterstützung und höhere Löhne

Dossier

Minneapolis-Lehrkräfte streiken für bessere Bedingungen und Löhne im März 2022In Minneapolis streiken Lehrer:innen seit Mitte Februar 2022 an den öffentlichen Schulen, über 30.000 Schüler:innen sind von dem Streik betroffen. „… Zu den Forderungen der Lehrkräfte aus Minneapolis gehören höhere Löhne, kleinere Klassen, psychologische Betreuung für Schüler:innen sowie die Unterstützung und Weiterbeschäftigung von BIPOC-Lehrer:innen. Eine zentrale Forderung ist die Erhöhung der Löhne für pädagogische Fachkräfte (Educational Support Professionals, ESPs), bei denen es sich zumeist um People of Colour handelt. In der Minneapolis Federation of Teachers sind sowohl Lehrkräfte als auch pädagogische Fachkräfte in derselben Gewerkschaft organisiert, und die Forderungen der ESPs stehen im Mittelpunkt. Ihre Aufgaben reichen von der Einzelbetreuung von Schüler:innen bis hin zur Bereitstellung von Lebensmitteln, Raumpflege, Transport, Gesundheit und Dolmetscherdiensten. Der derzeitige Einstiegslohn für ESPs liegt bei mageren 24.000 Dollar. Bei einer 40-Stunden-Woche sind das 11,54 Dollar pro Stunde, während die Inflation um die 7,5 Prozent liegt. Die derzeit streikenden Arbeitnehmer:innen fordern ein Gehalt von 35.000 Dollar für diese wichtigen Hilfskräfte…“, schreibt Tatiana Cozzarelli am 8. März 2022 bei Left Voice externer Link (engl.). Im Folgenden dokumentieren wir den Hintergrund des Streiks sowie Solidaritätsbekundungen und weitere Aktionen:

  • 76% stimmen für die vorläufige Vereinbarung – trotz Kritik an Ergebnis und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen New
    Steve Share veröffentlichte im Namen der AFL-CIO Minneapolis Regional Labor Federation am 28. März 2022 folgende Stellungnahme externer Link (engl): „MINNEAPOLIS – Die streikenden Mitglieder der Minneapolis Federation of Teachers stimmten am Wochenende für die Ratifizierung vorläufiger Vereinbarungen über neue Zweijahresverträge für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte und beendeten damit den Streik, der am 8. März begonnen hatte. Im Rahmen einer ausgehandelten Vereinbarung über die Rückkehr an den Arbeitsplatz kehrten heute 4 500 Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte an ihren Arbeitsplatz zurück, um sich einen Tag lang auf die Wiederaufnahme des Unterrichts vorzubereiten. Die 28.500 Schüler:innen der öffentlichen Schulen von Minneapolis werden morgen in die Klassenzimmer zurückkehren. Die Gewerkschaft gab gestern Abend die Abstimmungsergebnisse bekannt:
    – 76 Prozent der Lehrer:innen stimmten für die Annahme der vorläufigen Vereinbarung für den Vertrag.
    – 80 Prozent der ESPs stimmten für die Annahme der vorläufigen Vereinbarung für den ESP-Vertrag.
    In einer Erklärung zur Bekanntgabe der Ratifizierungsergebnisse sagte die MFT: ‚(…) Dieser Streik hat nicht nur die Lernbedingungen für unsere Schüler:innen verbessert, indem mehr Berater:innen, Sozialarbeiter:innen, Krankenpfleger:innen und Spezialist:innen eingestellt wurden, sondern auch dazu beigetragen, die Voraussetzungen für einen bedeutenden Wandel innerhalb der MPS und ihrer Arbeitsweise zu schaffen. Die Gewerkschaftsführer:innen sind sich darüber im Klaren, dass es noch viel zu tun gibt, und dass dies erst der Anfang einer Wende an den öffentlichen Schulen von Minneapolis ist, und sie sind entschlossen, diese Arbeit in den kommenden Monaten und Jahren fortzusetzen.“

  • Vorläufige Vereinbarung wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt
    „… m Freitag erzielten sowohl die Minneapolis Federation of Teachers (MFT) als auch das Chapter, das die Educational Support Professionals (ESP) vertritt, eine vorläufige Vereinbarung (TA), mit der weite Teile der Lehrkräfte und des pädagogischen Hilfspersonals unzufrieden sind, obwohl sie als „historische“ Errungenschaft dargestellt wird. Die Frustration beschränkt sich nicht nur auf das Ergebnis der Verhandlungen, sondern umfasst auch die Art und Weise, wie die vorläufige Vereinbarung präsentiert wurde. Eine der wichtigsten Fragen, die sich stellt, ist, ob es genügend Kraft gibt, um für mehr zu kämpfen oder nicht.
    Einige der Hauptschwächen der vorläufigen Vereinbarung sind:
    Die Lehrkräfte erhalten im ersten Jahr 2 Prozent und im zweiten Jahr des Zweijahresvertrags 3 Prozent mehr Geld. Nach dem Verbraucherpreisindex für alle städtischen Verbraucher:innen stieg die Inflation im Februar saisonbereinigt um 0,8 Prozent und in den letzten 12 Monaten um 7,9 Prozent. Diese Erhöhungen können einfach nicht mit der Inflation Schritt halten.
    Das Grundgehalt von 35.000 Dollar für alle ESPs wurde nicht erreicht. Stattdessen wird laut der TA-Zusammenfassung der ESP nur ‚eine beträchtliche Anzahl von ESP die Möglichkeit haben, 35k bei 40 Stunden pro Woche zu verdienen‘.
    Co-teaching-Modelle werden als Alternative zu niedrigeren Klassengrößen vorgeschlagen
    Die Verlängerung des Schuljahres
    Die Akzeptanz von Entlassungen als gegeben, anstatt sich dagegen zu wehren (…)
    Die Verhandlungen fanden hinter verschlossenen Türen statt, und es gab keine Struktur, die es Lehrkräften und pädagogischem Personal ermöglichte, sich an dem Prozess zu beteiligen. Erst in den letzten Tagen konnten sich die Mitglieder einen besseren Überblick über den Stand der Verhandlungen verschaffen. Und jetzt wird die Abstimmung überstürzt, ohne dass Zeit für eine gründliche Prüfung bleibt, was den Prozess noch komplizierter macht und ihn noch mehr zu einer Eilaktion werden lässt.“ schreibt Luigi Morris am 27. März 2022 in Left Voice externer Link (engl.).

    • Socialist Alternative fordern am 25. März 2022 „Keine Kompromisse bei dem, was Lehrkräften und Schüler:innen in Minneapolis zusteht!“ externer Link (engl.) Sie schreiben: „… Diese vorläufige Einigung liegt weit unter den ursprünglichen Forderungen nach einer 20-prozentigen Gehaltserhöhung für Lehrkräfte und einem Anfangsgehalt von 35.000 Dollar für die ESPs und spiegelt die Schwächen des ursprünglich starken Streiks wider. Lehrkräfte, Schüler:innen und Eltern haben etwas Besseres verdient als eine dreiprozentige Gehaltserhöhungen für Lehrkräfte und einmalige Prämien für ESPs. Eine dreiprozentige Erhöhung wird durch weniger als ein Jahr Inflation wieder zunichte gemacht. Diese Vereinbarung würde eine reale Lohnkürzung bedeuten, die zu den seit Jahrzehnten sinkenden Löhnen hinzukommt. Eine Job sollte zum Leben ausreichen, und das ist es, was notwendig ist, um die Schüler:innen im Bezirk zu halten und ihnen die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdienen. Wir unterstützen ein ‚Nein‘ zu dieser vorläufigen Vereinbarung und schließen uns den MFT-Mitgliedern an, die die breitere Öffentlichkeit dazu aufrufen, sich sofort für eine Eskalation und eine Neuorganisation des Streiks zu organisieren.  Das Geld ist noch da! Der Staatshaushalt weist einen Überschuss von 9 Milliarden Dollar auf, und in den Twin Cities sind zahlreiche Fortune-500-Unternehmen ansässig, die Rekordgewinne einfahren. Wir können unsere Forderungen durchsetzen, viel besser als das, was in dieser schwachen vorläufigen Vereinbarung angeboten wird, wenn wir für das kämpfen, was wir brauchen, und eine echte Eskalation organisieren, um zu gewinnen…“
  • Finanzielle Unterstützung der Gewerkschaft reicht nicht aus
    In Minneapolis findet seit drei Wochen ein Streik der Lehrer:innen sowie professionellen Schulpersonal statt. Langsam wird das Geld knapp und weitere Unterstützung ist daher dringend notwendig. Mitch Reed schreibt dazu am 24. März 2022 auf Left Voice externer Link (engl.): „…Während ihres Kampfes haben die Lehrerkräfte dem Schnee und dem Regen getrotzt, aber am 25. März stehen sie vor einer noch größeren Herausforderung: ihrem ersten reduzierten Gehaltsscheck. (…) Wir brauchen eine landesweite Mobilisierung von Arbeitnehmer:innen aus allen Sektoren, um den Kampf zur Verteidigung des öffentlichen Bildungssystems auszuweiten, und vor allem eine aktive Solidarität von Pädagog:innen auf nationaler Ebene. Ein Sieg in Minneapolis ist ein wichtiger Präzedenzfall für künftige Kämpfe von Lehrkräften. Am 8. März sprach die Präsidentin der American Federation of Teachers, Randi Weingarten, zu den Lehrkräften in Minneapolis am Streikposten. ‚Ihr steht jetzt an vorderster Front‘, sagte sie ihnen. Sie kündigte an, dass die AFT 100.000 Dollar für den Streikfonds bereitstellen würde, und fügte hinzu, dass man so die Macht der Solidarität nutzen könne. Einige Lehrer:innen und Mitarbeiter:innen bedankten sich zwar für die nationale Unterstützung, wissen aber, dass sie nicht ausreicht.  Die AFT nimmt jedes Jahr Hunderte von Millionen Dollar ein, gedacht für Kämpfe wie diesem. Ihr derzeitiger Beitrag beläuft sich auf etwa 30,00 Dollar pro Lehrkraft, und wenn man das professionelle Schulpersonal mit einbezieht, die in diesem Kampf eine zentrale Rolle spielen, wird dieses Geld noch weiter strapaziert. Das ist inakzeptabel…“

    • Unterschiedliche Streikfonds wurden daraufhin aufgesetzt. Unter anderem von Mara Martinson, die auf der go fund me Seite externer Link (engl.) schreibt: „… Mit diesem Fonds sollen die Lehrkräfte der öffentlichen Schulen von Minneapolis während des Streiks unterstützt werden. Während wir für einen existenzsichernden Lohn und sichere/stabile Schulen streiken, stehen unsere Mitarbeiter vor echten finanziellen Schwierigkeiten. Ihre Spende wird dazu beitragen, Unterkunft, Verpflegung, Kinderbetreuung und möglicherweise eine Krankenversicherung für die Lehrkräfte der Erwachsenenbildung zu sichern …“
  • Solidarität von Busfahrer:innen, Schüler:innen und Kolleg:innen weltweit
    • Am März 2022 veröffentlichte Left Voice externer Link (engl.) internationale Solibotschaften: „… Wir haben Lehrkräfte und andere Beschäftigte aus unseren Schwesterstandorten in Argentinien, Brasilien und Mexiko gebeten, ihre Solidarität mit den streikenden Lehrer:innen und anderen Arbeiter:innen im Bildungswesen in Minneapolis zu bekunden. Die Beschäftigten des Bildungswesens in Minneapolis streiken für höhere Löhne, kleinere Klassengrößen, psychologische Unterstützung für Schüler:innen und die Unterstützung und Einbindung von BIPOC-Lehrkräften…“
    • Fahrer:innen in Schulbussen solidarisieren sich: Unter einem auf Twitter geposteten Video von Luigi Morris vom 21. März 2022 externer Link (engl.) steht: „Schulbusse hupen zur Unterstützung der Lehrer in Minneapolis, die sich derzeit im Tag 10 des Streiks befinden.“
    • Schüler:innen besetzen Verwaltungsgebäude der öffentlichen Schulen von Minneapolis: Am 23. März 2022, abends, „… besetzten Oberschüler:innen das Davis Center, das Verwaltungsgebäude der öffentlichen Schulen von Minneapolis (MPS), und forderten die Erfüllung der Forderungen der streikenden Lehrer:innen. Die Lehrkräfte der Minneapolis Federation of Teachers and Educational Support Professionals (MFT59) …“ streikten zu dem Zeitpunkt seit 13 Tagen. „… Die Streikposten stehen weiterhin in der ganzen Stadt, und die Lehrkräfte halten an ihrer Forderung nach ‚sicheren und stabilen Schulen‘ fest. Während die Lehrer:innen gestern vor dem Davis Center Streikposten bildeten, begannen die Schüler:innen innerhalb des Gebäudes ein Sit-in zur Unterstützung der Lehrerkräfte…“ schreiben Akičita Šuŋka-Wakaŋ Ska und Niko Georgiades von Unicorn Riot am 24. März 2022 externer Link (engl.).
  • Siehe auch #SafeAndStableSchoolsMPS

Siehe zum Hintergrund im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199212
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