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100.000 Lkw-Fahrer könnten durch den Ukraine-Krieg fehlen: Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind in der Logistik äußerst vielschichtig
Dossier
„… Nun drohen auch massive Probleme für die Straßenlogistik. Dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) zufolge, könnte der Krieg dafür sorgen, dass mehr als 100.000 Lkw-Fahrer aus der Ukraine ausfallen und somit der internationale Warenverkehr erheblich gestört wird. Durch potenzielle Einberufungsbefehle der Fahrer in die ukrainische Armee stünden sie etwa polnischen oder auch litauischen Logistikdienstleistern als Arbeitskräfte nicht mehr zur Verfügung (…) In Transportunternehmen aus Polen oder Litauen betrage der Anteil ukrainischer Lkw-Fahrer laut Informationen des polnischen Logistikverbands BGL etwa ein Drittel. (…) In der Branche fehlen laut aktuellen Zahlen rund 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer…“ Beitrag von Tina Plewinski vom 10. März 2022 im logistik-watchblog zum Spezialfall des Lkw-Fahrermangels, siehe dazu:
- Neue Studie: So gravierend ist der FahrerInnenmangel
„Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer werden weiterhin händeringend gesucht. Eine neue wissenschaftliche Erhebung verdeutlicht nun erneut, wie brisant die Lage bereits ist. Derzeit sind hierzulande rund 565.000 Fahrerinnen und Fahrer für Lkw beschäftigt – doch es fehlen noch immer rund 10 Prozent Fachkräfte, wie die Untersuchung der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Würzburg, der Technischen Universität Dresden, der Universität St. Gallen sowie von 16 Logistikunternehmen jetzt bestätigte. Demnach konnten allein im vergangenen Jahr 36.000 Jobs nicht besetzt werden. Studienautor Thorsten Schmidt von der TU Dresden zufolge wird die Situation wegen des Renteneintritts älterer Beschäftigter in nächster Zeit noch prekärer: „Es scheiden mehr Personen aus dem Beruf aus, als nachkommen“, zitiert ihn die Wirtschaftswoche . Aus diesem Grund würden 20.000 weitere Stellen offen bleiben – insgesamt fehlen somit 56.000 Fachkräfte. Das sei mehr Personal, als Schätzungen zufolge in der Pflege fehlen, heißt es. In der Alten- und Krankenpflege brauche es den Berechnungen nach aktuell 35.000 weitere Fachkräfte. (…) Vergangene Woche ist eine EU-weite Informationskampagne der European Labour Authority (ELA) unter dem Motto #Road2FairTransport gestartet. Sie soll nach der Verabschiedung des Mobilitätspakets I über Arbeitsbedingungen im Beruf aufklären und das Fahrpersonal unter anderem über Lenk- und Ruhezeiten sowie Rechte und Pflichten aufklären, und so einen Beitrag zu mehr Fairness in der Branche leisten. „Das Fahrpersonal innerhalb der Europäischen Union leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Lieferketten und damit nicht zuletzt auch zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung und der Stabilisierung unserer Wirtschaft“, betont das Bundeswirtschaftsministerium zum Kampagnenstart…“ Beitrag von Hanna Behn vom 17. Oktober 2022 im Logistik-Watchblog - [Als Folge einer fatalen unökologischen Entwicklung] 3000 Euro Kopfprämie: Ein Bus mit 50 neuen Lkw-Fahrern? „Die würde ich wohl alle einstellen“
„Speditionen könnten mehr Aufträge übernehmen und Lkw mit Ware losschicken. Nur fehlen ihnen die Fahrer. Dabei wird der Transportbedarf über die Straße noch zunehmen. Der Fahrermangel ist so groß, dass sich die Firmen die Fahrer in einem ruinösen Wettlauf gegenseitig abspenstig machen. (…) Straßentransport hat in Deutschland mit einem Anteil von 72 Prozent eine übergroße Bedeutung. „Der Anteil wird in den kommenden Jahren auf 80 Prozent steigen, weil der private Konsum zunehmen wird und die Sendungen kleinteiliger werden“, sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher im Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Tatsächlich hat das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnet, dass nur acht Prozent der in Deutschland transportierten Güter auf Strecken länger als 300 Kilometer unterwegs sind. Erst ab dieser Streckenlänge kann ein Transport mit dem Güterzug wirtschaftlich dargestellt werden. Unter dieser Distanz ist der Lkw deutlich günstiger und auch schneller. Doch wie lange das Transportgewerbe noch so funktionieren wird wie heute, ist offen. Denn in dem für die Lkw-Flotten so wichtigen Mittelstand türmen sich die Probleme gerade auf. Ganz oben steht der Fahrermangel: In Deutschland fehlen rund 80.000 Fahrer allein für schwere Lkw. (…) Lange Zeit half das Ausland. Doch Lkw-Fahrer etwa aus Polen zu bekommen, wird für die Mittelständler immer schwieriger. Das Nachbarland braucht die Fahrer selbst. (…)Etwa 60 Prozent der angestellten Berufskraftfahrer bei Bork sind Polen. Sie fahren drei Wochen für die Spedition durch Deutschland und sind danach für eine Woche in ihrem polnischen Zuhause. „Die Quelle aus Polen versiegt. Aufgrund der sich stetig angleichenden Lebens- und Arbeitsbedingungen wird das Heimatland für die Fahrer immer attraktiver“, sagt Juniorchef Steffen Bork, der einzige Sohn von Wolfgang Bork.“ [!] Artikel von Birger Nicolai vom 29.9.2022 in der Welt online - EU macht Weg frei für ukrainische Lkw-Fahrer
„Die EU-Kommission hat einen Verordnungsentwurf zur vorübergehenden Anerkennung von ukrainischen Führerscheinen und Berufskraftfahrerqualifikationen vorgelegt. Das bedeutet: Flüchtende aus der Ukraine müssen ihren Führerschein zunächst nicht umschreiben. Außerdem sollen ukrainische Berufskraftfahrerqualifikationen europaweit anerkannt werden. Insbesondere Deutschland hatte die gemeinsame europaweite Lösung vorangetrieben. (…) „Das ist ein wichtiges Signal für Flüchtende aus der Ukraine – und für die Logistik in Deutschland“, kommentierte Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr und Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, die Entwicklung. Durch die schnelle europaweite Lösung habe die Unsicherheit hinsichtlich der Anerkennung ukrainischer Führerscheine und Berufskraftfahrerqualifikationen bald ein Ende. „Mit der europaweiten Regelung setzen wir ein starkes, solidarisches Zeichen und wirken gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird sich im Rahmen des nun anstehenden europäischen Gesetzgebungsverfahrens für eine schnelle und pragmatische Verfahrensweise einsetzen“, so Luksic weiter. Für die Dauer ihres Schutzstatus‘ nach der Massenzustromrichtlinie der EU – das heißt zunächst bis zum 23. Februar 2023 – sollen ukrainische Führerscheine und bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auch ukrainische Berufskraftfahrerqualifikationen europaweit anerkannt werden. Ob der Schutzstatus nach der Massenzustromrichtlinie und damit die Anerkennung der ukrainischen Führerscheine verlängert wird, hängt von den weiteren Entwicklungen in der Ukraine ab. (…) Der Verordnungsentwurf regelt außerdem die Voraussetzungen für eine vorübergehende Anerkennung ukrainischer Berufskraftfahrerqualifikationen, um Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern den Zugang zum Beruf in der EU zu ermöglichen. Über die Anerkennungsvoraussetzungen (Schulung und Prüfung) wird im Laufe der Beratungen noch diskutiert. Da nicht sicher ist, ob die Verordnung im Wege eines Dringlichkeitsverfahrens schon Anfang Juli 2022 vom EU-Parlament verabschiedet werden kann, hat das BMDV die Bundesländer gebeten, im Vorgriff auf die Verordnung zumindest ukrainische Führerscheine bereits jetzt anzuerkennen. Die Verordnung soll 20 Tage nach Verkündung im EU Amtsblatt ohne nationale Umsetzungsakte unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft treten.“ DVZ-Artikel von Sven Bennühr vom 1. Juli 2022 - Mittellos und lahmgelegt. Eine sechsstellige Zahl an LKW-Fahrer_innen in der EU stammt aus der Ukraine. Was bedeutet der Krieg für sie? Und was für ihre russischen Kolleg_innen?
„Nach Schätzungen des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) stammen rund 100.000 in Deutschland eingesetzte LKW-Fahrer_innen aus der Ukraine. Die meisten arbeiten bei polnischen und litauischen Speditionen und sind in ganz Europa unterwegs. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft glaubt, dass viele der Männer der Generalmobilmachung Folge leisten. Kurz nach Kriegsbeginn warnte der Verband deshalb davor, dass rund 100.000 Fahrer_innen den Transportunternehmen schon bald nicht mehr zur Verfügung stehen könnten. „Ganz so schnell geht es nicht“, sagt Anna Weirich, Branchenkoordinatorin Internationaler Straßentransport bei der DGB Beratungsstelle Faire Mobilität in Frankfurt. Schon seit Monaten würden Arbeitgeberverbände und Speditionen sich über Fahrermangel beklagen. „Sehr viele Presseerklärungen dazu nehmen jetzt Bezug auf den Ukraine-Krieg.“ Gleichwohl seien die Auswirkungen des Krieges auf viele der Fahrer_innen erheblich. (…) Viele der Fahrer_innen wüssten nicht, wie es jetzt für sie weitergeht. „Manche sitzen fest, weil wegen des Krieges keine neuen Aufträge reinkommen“, sagt Weirich. Betroffen seien auch Fahrer_innen aus Russland, die wegen der Sanktionen ihre geladenen Güter nicht ausliefern oder nicht weiterfahren können, weil wirtschaftliche Aktivitäten in Russland und in der Ukraine stillstehen. In Deutschland sei die Zahl der „Gestrandeten“ aber bislang „eher noch nicht so hoch“, so Weirich. Viele Fahrer_innen bekämen Zahlungsprobleme zu spüren, etwa weil russische Unternehmen Rechnungen nicht mehr begleichen können oder vom Zahlungsverkehr abgeschnitten sind. Das betreffe vor allem russische und belarussische Fahrer_innen. „Deren Bankkarten funktionieren teils nicht“, sagt Weirich. „Aber auch die ukrainische Währung verfällt, der Kurs geht den Bach runter. Wenn die ihr Gehalt nicht in Zloty oder Euro bekommen, ist ihr Lohn nichts mehr wert.“…“ (…) Insgesamt sei jedoch die verbreitete Lesart, der Krieg führe zu einem Mangel an LKW-Fahrer_innen eine „sehr reduzierte Sichtweise“, so Weirich. „Die Arbeitsbedingungen in dem Bereich sind extrem schlecht. Die Frage ist doch: Warum will keiner den Job machen? Warum können die Speditionen so wenige motivieren bei ihnen zu arbeiten, die ihren Wohnsitz hier haben?“ sagt sie. Warum könnten die Ukrainer_innen nicht an ihrem Arbeitsort auch formal angestellt zu sein und zwar zu den dort gültigen arbeitsrechtlichen Bedingungen?“ fragt sie. „Das sollte man im Blick behalten.“ Bericht aus Forum Migration vom April 2022 beim DGB Bildungswerk - Auf Achse für den Klassenkampf: In Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg gab es Proteste von LKW Fahrer:innen und für die Branche sehr kleine Speditionen gegen die massiven Steigerungen der Spritpreise
„… Um die lohnabhängigen Menschen von den Fesseln der überteuerten Kraftstoffpreise zu befreien und den verheerenden Auswirkungen der Wucher auf die gesamten vom Transportsektor abhängigen Produktionsketten entgegenzuwirken, haben LKW-Fahrer:innen und kleinere Spediteur:innen in NRW und Berlin-Brandenburg versucht, von ihrem Widerstandsrecht Gebrauch zu machen und diesem durch das sehr effektive Blockieren von Autobahnen mittels ihrer motorisierten Straßenkreuzer Ausdruck zu verleihen. Doch die reaktionäre Staatsgewalt schaltete relativ schnell ihre Repressions-Apparate ein, um dem solidarischen Protest ihren Riegel vorzuschieben. Zudem wurden die legitimen und nachvollziehbaren Aktionen im Anschluss von Arbeitgeberverbänden kriminalisiert. Hier zeigt sich, wie Staat und Kapital Hand in Hand arbeiten, um ihre Interessen durchsetzen. Doch das rigorose Vorgehen der Reaktion zeigt noch etwas anderes und das sollte unser aller Interesse wecken: Es offenbart die Angst vor der schlummernden unterdrückten Macht der Arbeiterklasse. (…) Doch das können auch die Brummi-Fahrer:innen nicht alleine stemmen, denn das Ausbeutungssystem hat ein immanentes, ausgefeiltes bürokratisches Abwehrsystem, mit verschiedenen Eskalationsstufen: Anzeigen, Geld- und Haftstrafen, Kriminalisierung, mediales Anprangern oder auch Führerscheinentzug und damit Entzug der Lebensgrundlage sowie natürlich fristloser Kündigung. Nur wenn die Gewerkschaften hinter den Kraftfahrer:innen stehen, kann der Kampf geführt werden. Doch dazu Bedarf es kämpferischer und nicht bürokratischer Gewerkschaften, die bereit sind, die heuchlerische Sozial-Partnerschaft aufzugeben und den Klassenkampf zu proklamieren. Es bedarf Solidaritätsstreiks und Massendemonstrationen. Auch repressive Gesetze sind letztlich durch die Solidarität der arbeitenden Massen überwindbar.“ Kommentar von Alexander Campanella und Manuel Sanchez de la Cruz vom 1. April 2022 bei Klasse gegen Klasse - Wenn Lieferketten unerwartet reißen
„Die Corona-Krise und Sonderereignisse wie die kurzfristige Blockade des Suezkanals zeigten, wie fragil die globalen Lieferketten geworden sind. Der Krieg in Europa bringt weitere, bislang wenig bekannte Risiken…“ Beitrag von Christoph Jehle vom 15. März 2022 in Telepolis - siehe zuvor das Dossier: Zeit zum Umlenken. Tarifflucht und Dumpinglöhne: Droht auch bei uns ein Lkw-Fahrermangel wie in England?