Chef der Arbeitsagentur stellt bei Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht Ungeimpften Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld für abgelehnte Bewerber in Aussicht

"AufRECHT bestehen - kein Sonderrecht in den Jobcentern"„Falls eine Impfpflicht gegen Corona kommt, könnten Arbeitgeber fortan ungeimpfte Bewerber ablehnen, sagt Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit. Auch Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld seien möglich. (…) Das sei jedoch erst möglich, »wenn es eine allgemeine Impfpflicht gibt und Verstöße auch mit Rechtsfolgen verbunden sind«, wie Scheele den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. »Auch wir als Bundesagentur müssen dann prüfen, ob eine fehlende Impfung zu einer Sperrzeit führt.« Eine Sperrzeit bedeutet, dass ein Arbeitsloser oder eine Arbeitslose für eine bestimmte Zeit kein Arbeitslosengeld bekommt. Momentan habe der Impfstatus von Beschäftigten faktisch keine Auswirkung auf den Arbeitsmarkt, »denn es gibt gegenwärtig keine entsprechende Rechtsgrundlage«, so Scheele weiter. Mit Einführung einer allgemeinen Impfpflicht werde sich die Lage allerdings ändern: »So wie aktuell der 3G-Status am Arbeitsplatz abgefragt werden muss, bekommen Arbeitgeber dann das Recht, den 2G-Status zu prüfen. Diese Möglichkeit gibt es gegenwärtig nicht.« „ Meldung vom 30. Januar 2022 im Spiegel online externer Link („Chef der Arbeitsagentur: Für Ungeimpfte könnte das Arbeitslosengeld wegfallen“) und ein Kommentar:

  • [„Ein Fall für den Verfassungsschutz?“] Die Würde des arbeitenden, geimpften Menschen ist unantastbar New
    Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, will ungeimpften Arbeitslosen die Leistungen sperren. Ein Fall für den Verfassungsschutz?
    Es gab eine Zeit, da wurde ernsthaft darüber diskutiert, die Hartz-IV-Sanktionen abzuschaffen. Zugegeben, sie dauerte nicht lang und die Debatte war nicht sehr laut, aber: Die Grünen wollten sie abschaffen und das Bundesverfassungsgericht dachte auch sehr laut darüber nach, ob sie überhaupt verfassungskonform seien. Das war 2019, als Karlsruhe zu einem sehr abwägenden Ergebnis kam: Manche der Sanktionen seien durchaus verfassungswidrig, und zwar jene, die den Bürger*innen das Existenzminimum gänzlich entzögen. Das heißt: Sanktionen von 100 Prozent sind verfassungswidrig. Wenn jetzt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, darüber sinniert, Ungeimpften nach Einführung einer Impfpflicht die Auszahlung von des Arbeitslosengeldes eine Zeitlang gänzlich zu sperren – dann sinniert er damit öffentlich über einen Verfassungsbruch. (…) Scheeles Begründung spricht genau diese Sprache der Agenda 2010: Wenn eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht eingeführt würde, und wenn Arbeitgeber dann gesetzlich in der Lage seien, ungeimpfte Bewerber abzulehnen – dann müssten „auch wir als Bundesagentur (…) prüfen, ob eine fehlende Impfung zu einer Sperrzeit führt.“ Ob sich diese Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I oder auf Hartz IV bezieht, führt Scheele nicht aus. Doch genau genommen handelt es sich bei einer ausgebliebenen Impfung um eine ausbleibende „Mitwirkung“ an der Jobsuche – ein Grund für eine Sanktionierung vor allem bei ALG-II-Empfängern. Nun ist ja bekannt, dass der Verfassungsschutz sich nur jene Verfassungsfeinde genauer ansieht, die der Apparat gerade für solche hält. Das waren jahrelang Linksradikale inklusive einiger Mitglieder der Linkspartei, nach mehreren rechten Anschlägen wurden es dann auch mal Rechtsextreme, aber die Verantwortlichen für die Auszahlung des Existenzminimums gehören wohl bis heute nicht dazu.
    Vielleicht sollte sich der Verfassungsschutz aber auch mal mit dem Bundesverfassungsgericht selber befassen. Denn warum die Verfassungsrichter*innen zu dem Ergebnis kommen, dass Hartz IV zwar das Existenzminimum darstellt – eine Annahme, die von Sozialverbänden seit Jahren angezweifelt wird, und die mit den derzeit steigenden Preisen erst recht fragwürdig wird –, wenn also der Regelsatz von 449 Euro dazu führt, dass ein Mensch in Würde existieren kann, dann folgt daraus unweigerlich, dass er von weniger Geld nicht mehr in Würde leben kann. Jede Sanktion, wenn auch nur in Höhe von fünf Euro, müsste damit doch logischerweise gegen die Verfassung verstoßen. Aber dass die Würde des Menschen nur dann wirklich schützenswert ist, wenn dieser Mensch sich darum bemüht, seine Arbeitskraft gegen Geld zu verkaufen, damit scheint sich diese Gesellschaft mitsamt ihrer Verfassung schon abgefunden zu haben…“ Artikel von Elsa Koester vom 30 01.02.2022 aus der Freitag Ausgabe 05/2022 externer Link
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