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Frankreich: Nach dem Protest- und Streiktag in den öffentlichen Diensten, vor den Präsidentschaftswahlen

Streik- und Aktionstag am #27Janvier 22 in Frankreich: Kein Gehalt, Arbeitslosengeld, Rente unter 1700 € netto und 400 Euro mehr für alleZehntausende demonstrierten am gestrigen Donnerstag, den 27. Januar 22 auf Frankreichs Straßen gegen faktische Lohneinbußen, Mitteleinsparungen und Personalmangel in den öffentlichen Diensten. (…) In einer Reihe von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen fanden in den letzten Monaten in diesem Kontext Auseinandersetzungen fanden in den letzten Monaten in diesem Kontext Auseinandersetzungen (…) Dabei werden die Lohnkonflikte – die tatsächlich zunehmen – im privaten Wirtschaftssektor weitgehend Unternehmen für Unternehmen, im Prinzip getrennt voneinander, geführt. Hingegen trugen in den öffentlichen Diensten die Gewerkschaften nun, zum zweiten Mal seit dem Streik- und Aktionstag vom 05. Oktober 21, ihren Protest frankreichweit gleichzeitig und gemeinsam auf die Straße. In 170 französischen Städten fanden gestern gleichzeitig Protestzüge statt. Zu ihnen riefen alle bedeutenden Gewerkschaftsverbände (CGT, FO, Solidaires, FSU..) auf… mit Ausnahme der rechtssozialdemokratischen CFDT (…) An den Demonstrationen nahmen frankreichweit laut gewerkschaftlichen Angaben insgesamt 150.000 Menschen teil, laut den Zahlen des Innenministeriums waren es 89.000 (…) Es handelt sich durchaus um eine, begrenzte doch reale, Stärkedemonstration. Im derzeitigen Vorwahlkontext kommt dem potenziell zusätzliches Gewicht zu. (…) Einer der Schwerpunkte, neben dem seit Monaten gegen Kaputtsparpolitik mobilisierten Sektor der Sozialarbeit, bei der gestrigen Mobilisierung war auch das Bildungswesen…“ Artikel von Bernard Schmid vom 28.1.2022  – wir danken!

Frankreich: Nach dem Protest- und Streiktag in den öffentlichen Diensten, vor den Präsidentschaftswahlen

Zehntausende demonstrierten am gestrigen Donnerstag, den 27. Januar 22 auf Frankreichs Straßen gegen faktische Lohneinbußen, Mitteleinsparungen und Personalmangel in den öffentlichen Diensten. Seit zwanzig Jahren ist die Einkommensentwicklung in diesem Bereich de facto rückläufig (vgl. https://www.europe1.fr/societe/manifestation-pour-la-hausse-des-salaires-on-a-perdu-20-de-pouvoir-dachat-4090383 externer Link ), doch im derzeitigen Kontext einer Jahresinflation in Höhe von knapp 3 Prozent in Frankreich (doch 5,0 Prozent Inflationsrate im Durchschnitt der Eurozone für Dezember 21 lt. Eurostat) verschärft sich das Problem.

In einer Reihe von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen (vgl. https://www.lemonde.fr/economie/article/2021/11/22/la-tape-dans-le-dos-ne-paye-pas-le-loyer-dans-les-entreprises-la-tension-monte-sur-les-salaires_6103104_3234.html externer Link ) fanden in den letzten Monaten in diesem Kontext Auseinandersetzungen (vgl. https://www.latribune.fr/economie/la-hausse-de-l-inflation-va-t-elle-encourager-les-conflits-sociaux-897476.html externer Link ) über Löhne und Gehälter statt. Zuletzt etwa im November 21 bei der Möbelkette Leroy-Merlin (vgl. https://www.francebleu.fr/infos/economie-social/anglet-le-conflit-sur-les-salaires-se-durcit-chez-dassault-des-ouvriers-bloquent-l-entree-de-l-usine-1641397178 externer Link und https://www.bfmtv.com/economie/economie-social/social/conflit-chez-leroy-merlin-un-accord-salarial-trouve-entre-direction-et-syndicats_AD-202112010028.html externer Link ) und derzeit, im Januar 2022, beim Flugzeugbar Dassault, wo der Konflikt anhält. (Vgl. https://www.usinenouvelle.com/editorial/chez-dassault-sanofi-air-liquide-les-salaries-reclament-de-fortes-augmentations-salariales-pour-2022.N1775507 externer Link ) Auch bürgerliche Medien, vom konservativen Magazin Atlantico (vgl. https://www.atlantico.fr/article/decryptage/trop-de-dividendes-pas-assez-d-augmentations-en-2021—les-grandes-entreprises-europeennes-sous-estiment-elles-le-risque-politique-encouru-sebastien-laye externer Link ) bis zum (wirtschafts)liberalen Fernsehsender BFM TV, sorgen sich um eine zu zaghafte Lohnentwicklung und rufen zu Erhöhungen auf; sei es, dass sie sonst „unkontrollierte“ soziale Explosionen befürchten, sei es, dass sie sich um einen Absturz der Kaufkraft besorgt zeigen. Wobei bspw. BFM TV dem auch eine Warnung vor „wahlpolitisch motivierten Fantastereien“ etwa zum Thema Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns SMIC („würde Arbeitsplätze kosten“) hinzufügt.

Dabei werden die Lohnkonflikte – die tatsächlich zunehmen – im privaten Wirtschaftssektor weitgehend Unternehmen für Unternehmen, im Prinzip getrennt voneinander, geführt. Hingegen trugen in den öffentlichen Diensten die Gewerkschaften nun, zum zweiten Mal seit dem Streik- und Aktionstag vom 05. Oktober 21, ihren Protest frankreichweit gleichzeitig und gemeinsam auf die Straße.

In 170 französischen Städten fanden gestern gleichzeitig Protestzüge statt. Zu ihnen riefen alle bedeutenden Gewerkschaftsverbände (CGT, FO, Solidaires, FSU..) auf… mit Ausnahme der rechtssozialdemokratischen CFDT, welche allerdings mittlerweile auf der Ebene der Wahlergebnisse in den Unternehmen der Privatwirtschaft wie in den öffentlichen Diensten an der CGT vorbeizog und quantitativ den ersten Platz besetzt. Ihr Chef Laurent Berger erklärte im Vorfeld, die CFDT wolle nicht teilnehmen, sondern „sektorenweise“ protestieren, was immer dies auch bedeuten mochte… (Vgl. https://www.francetvinfo.fr/economie/syndicats/mobilisation-du-27-janvier-la-cfdt-n-y-participera-pas-car-elle-privilegie-les-mobilisations-sectorielles-affirme-laurent-berger_4927907.html externer Link) Ihm dürfte vor allem daran gelegen sein, die Wiederwahlchancen des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron nicht zu schmälern, ihn versucht er in den letzten fünf Jahren stets „im sozialen Sinne positiv zu beeinflussen“. Dann viel Vergnügen dabei auch.

An den Demonstrationen nahmen frankreichweit laut gewerkschaftlichen Angaben insgesamt 150.000 Menschen teil, laut den Zahlen des Innenministeriums waren es 89.000 (vgl. https://www.lexpress.fr/actualites/1/societe/les-francais-en-greve-et-dans-la-rue-pour-reclamer-des-hausses-de-salaires_2166888.html externer Link); dies entspricht in den Zahlen des Innenministeriums einem leichten Zuwachs gegenüber dem vorausgegangenen Protesttag vom 05. Oktober 21 (damalige Angabe: „86.000“), hingegen in jenen der Gewerkschaften einer leichten Abnahme (damals lt. CGT: „160.000“).

In der Hauptstadt Paris demonstrierten am gestrigen Tag lt. Gewerkschaften „20.000“ und lt. dem französischen Innenministerium „8.800“ Menschen. Aus dem ostfranzösischen Nancy wurden rund 1.000 Demonstrierende vermeldet (vgl.: https://manif-est.info/Retour-sur-la-manif-du-27-janvier-2022-a-Nancy-1977.html externer Link ), aus Strasbourg um die 600 (vgl. https://la-feuille-de-chou.fr/archives/107849 externer Link ); in Lyon waren es rund 4.000 (vgl. https://rapportsdeforce.fr/classes-en-lutte/lyon-dans-la-manifestation-du-27-janvier-la-hausse-des-salaires-dans-toutes-les-tetes-012712601 externer Link) und 2.000 in Montpellier (vgl. https://lepoing.net/mobilisation-inter-pro-du-27-janvier-a-montpellier-le-changement-cest-laction/ externer Link ).

Es handelt sich durchaus um eine, begrenzte doch reale, Stärkedemonstration. Im derzeitigen Vorwahlkontext kommt dem potenziell zusätzliches Gewicht zu. Nicht, dass wir ein Vertrauen auf politische Parteien oder gar Wahlkandidaturen und Wahlversprechen predigen würden – auf Dauer gilt: „Es kann die Befreiung der Lohnabhängigen nur das Werk der Lohnabhängigen sein“– -, doch stellt das Geschehen auf (partei-, wahl-)politischer Ebene und die dortige Themensetzung zumindest einen Gradmesser für soziale und gesellschaftspolitische Kräfteverhältnisse dar.

Mehrere Präsidentschaftskandidat/inn/en auf der (im engeren oder weiteren Sinne, egal) politischen Linken nahmen an der gestrigen Demonstration teil. Hingegen enthielt sich die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo, also die sozialdemokratische Präsidentschaftskandidatur, dieses Mal einer Teilnahme,… nachdem sie bei der Demonstration der protestierenden Lehrkräfte und Beschäftigten im Bildungswesens am 13. Januar d.J. ausgepfiffen worden war. (LabourNet berichtete) Auch die linksliberale Ex-Justizministerin Christiane Taubira – hinter ihr beginnt sich derzeit ein wachsender Teil der französischen Sozialdemokratie aufzureihen, angesichts des denkbar schlechten Verlaufs der bisherigen Wahlkampagne von Madame Hidalgo – kam nicht zur Demonstration. Hingegen waren etwa der grüne Kandidat Yannick Jadot, jener der linkspopulistischen Wahlplattform La France insoumise („Das unbeugsame Frankreich“) – Jean—Luc Mélenchon -, die Trotzkistin Nathalie Arthaud sowie KP-Parteichef und -Präsidentschaftskandidat Fabien Roussel an ihr teil.

(Unglücklicherweise nahm besagter Fabien Roussel auch am 19. Mai 2021 an der Kundgebung mehrerer Polizeigewerkschaften – in Anwesenheit und mit Unterstützung des amtierenden Innenministers, Gérald Darmanin – vor den Toren der Nationalversammlung in Paris teil. Dabei ging es auch um bessere Arbeitsbedingungen und Büromaterial für Polizist/inn/en, wogegen im Prinzip nicht zuwenden wäre; doch die Hauptstoßrichtung der aufrufenden Polizeiorganisationen ging gegen eine „zu lasche Justiz“, die die Arbeit der Polizei durch ihre Urteile zunichte mache, und forderte faktisch eine Einmischung in die Arbeit der Justiz, auf die Gefahr hin, dass deren Unabhängigkeit dann nicht mehr der Rede wert sei. Vgl. zu dieser beeindruckenden Mobilisierung von mehreren Zehntausenden Polizeibediensteten und ihren Hintergründen ausführlich: https://jungle.world/artikel/2021/19/die-autoritaere-versuchung externer Link – Also, die Unterstützung des französischen KP-Chefs durch seine Anwesenheit dabei kann nicht wirklich als sozial progressiver Akt gewertet werden, im Unterschied zu jener für die gestrige Demonstration…)

Einer der Schwerpunkte, neben dem seit Monaten gegen Kaputtsparpolitik mobilisierten Sektor der Sozialarbeit, bei der gestrigen Mobilisierung war auch das Bildungswesen. Dieses streikte bereits am 13. Januar dieses Jahres gegen den regierungsoffiziellen Umgang mit der Covid-19-Pandemie in den Schulen; wir berichteten. Dabei wurden am gestrigen Tag auf örtlicher Ebene auch Schüler/innen zur Unterstützung mobilisiert. In Rennes kam es dabei zu Auseinandersetzungen mit Polizeikräften vor einer Oberschule; vgl. dazu: https://france3-regions.francetvinfo.fr/bretagne/ille-et-vilaine/rennes/tensions-devant-le-lycee-brequigny-de-rennes-entre-eleves-et-forces-de-l-ordre-ce-matin-une-jeune-fille-legerement-blessee-2436898.html externer Link

Artikel von Bernard Schmid vom 28.1.2022  – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=197358
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