Im Kalten sitzen gelassen. Kritik an Plänen der Regierung zu Heizkostenzuschuss
Dossier
„Die Bundesregierung will noch in diesem Monat einen Heizkostenzuschuss auf den Weg bringen. Dieser soll Haushalte mit niedrigen Einkommen angesichts der explodierenden Energiepreise entlasten. Für Sozialverbände und Verbraucherschützer greift der einmalige Zuschuss zu kurz [mit 135 Euro für eine Einzelperson]. Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte vergangene Woche, dass der Heizkostenzuschuss nicht allen Bedürftigen zugute kommt. Denn wer Leistungen der Grundsicherung beziehe, habe keinen Anspruch auf Wohngeld und falle einmal mehr durchs Raster. Der Referent für Arbeitslosen- und Sozialrecht Harald Thomé erklärte dagegen in seinem Newsletter vom Sonntag, dass bei Beziehern von Leistungen zur Grundsicherung die Heizkosten »im Regelfall in tatsächlicher Höhe übernommen werden« müssten…“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 18. Januar 2022 und weiter hieraus sowie dazu:
- Öffentliche Problemanzeige zu den KdU und Aufruf an die Ampel: Bruttokaltmiete aufgeben!
„Die Medien berichten darüber, dass die Grundsteuerbescheide explodieren. So berichtet der Spiegel vom 14.7.2024 beispielhaft davon, dass sich in einem Fall die Grundsteuer mehr als vervierzehnfacht hat (hier nachzulesen: https://t1p.de/j2cxd ).
Die Grundsteuer wird bei Mietobjekten anteilig auf die MieterInnen umgelegt. Es ist somit zu erwarten, dass nächstes Jahr die Mieten wegen Änderungen bei der Grundsteuer alleine deshalb deutlich steigen werden. Da die „angemessenen Unterkunftskosten“ im SGB II und SGB XII sich an den Bruttokaltmieten orientieren, werden spätestens nächstes Jahr eine Reihe von SGB II – und SGB XII-Leistungsbeziehenden in deutlich zu teuren Wohnungen leben und das Jobcenter/Sozialamt die zu übernehmenden Kosten kürzen. Für die, die sowieso schon „unangemessen wohnen“ wird die Kürzung unmittelbar durchschlagen.
Dies Problem geht einher mit den Plänen der Regierung, die SGB II – Ausgaben im Jahr 2025 um 600 Mio. EURO im Bereich der KdU zu kürzen. 400 Mio. EURO werden schon Jahr, für Jahr im Rahmen der sog. Wohnkostenlücke nicht übernommen. Gleichzeitig explodieren die Zahlen der wohnungs- und obdachlosen Menschen. Durch restriktives Handeln und Spardiktate wird das Problem nur verschärft.
Daher ist es Zeit, über ein neues KdU Konzept und weitere Änderungen nachzudenken. Dessen Basis kann, soll und muss nur die reine Grundmiete als Angemessenheitsgrundlage sein und das Konzept sollte noch verschiedene andere Änderungen beinhalten. Meine Vorschläge wären…“ Aus dem Thomé Newsletter 25/2024 vom 28.07.2024 - Bürgergeld: Jobcenter muss Nebenkostennachzahlung übernehmen
„… Wenn der Vermieter nach erfolgter Nebenkostenabrechnung eine Nachzahlung fordert, gehört dies grundsätzlich zu den vom Jobcenter zu übernehmenden Bedarfen für Unterkunft und Heizung. Einen solchen Bedarf muss das Jobcenter auch dann anerkennen, wenn die Nebenkostenabrechnung eine Wohnung betrifft, die von der hilfebedürftigen Person zum Zeitpunkt der Abrechnung nicht mehr bewohnt wird. So entschieden vom SG Karlsruhe, Urt. v. 08.12.2022 – S 3 AS 1456/22 – Berufung zugelassen. (…) Die Nicht – Übernahme gleicht einer Umzugssperre – Leistungsbezieher würden mit Schulden belastet! Ein Wegfall der Erstattung einer Nebenkostenforderung allein durch Umzug käme einem faktischen, erheblichen Umzugshindernis gleich (LSG BB – L 19 AS 2352/19 -). (…) Ausnahmsweise anders sind Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung zu behandeln, deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht und die erst fällig geworden sind, nachdem diese Wohnung nicht mehr bewohnt wird. Diese sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kein anzuerkennender Bedarf (BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 – B 14 AS 40/14 R – ). (…) Bürgergeldempfänger sollten darauf achten, dass wenn der Vermieter seine Nebenkostenabrechnung vorlegt, dies ein Bedarf der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II ist, selbst wenn aktuell diese Wohnung nicht mehr bewohnt wird, aber durchweg ALG II bezogen wurde und immer noch wird!…“ Beitrag von Detlef Brock vom 6. Juli 2024 bei gegen-hartz.de - Nachzahlungen aus Betriebs- und Heizkostenabrechnungen: Auch Nicht-Leistungsbeziehende können Ansprüche geltend machen
„… Gerade zum Jahreswechsel trudeln häufig die Betriebs- und Heizkostenabrechnungen von Vermieter*innen und Energieversorgern ein. Nicht selten mit horrenden Nachforderungen. Menschen mit niedrigen Einkommen, wie Auszubildende, Rentner*innen, Geringverdienende oder Arbeitslose trifft eine solche Forderung besonders hart. Was viele nicht wissen: Sie können, auch wenn Sie sonst keine Sozialleistungen beziehen, einen Leistungsanspruch beim örtlichen Jobcenter bzw. Sozialamt geltend machen und so einen Zuschuss für die Nachzahlung erhalten. Dieser Anspruch kann auch trotz Wohngeld- und Kinderzuschlagsbezug geltend gemacht werden. Wichtig ist dabei rechtzeitig den Antrag zu stellen! Spätestens im Monat, in dem die Zahlung fällig ist, muss der Antrag bei Jobcenter oder Sozialamt gestellt werden. „Betriebskostenabrechnungen kommen häufig im Dezember bei den Mieterinnen und Mietern an und Nachzahlungen sind dann in der Regel im nächsten Monat, also im Januar, fällig. Anträge müssen dann spätestens bis zum 31. Januar gestellt werden,“ erklärt Harald Thomé vom Erwerbslosenverein Tacheles e.V., „Viele Menschen mit niedrigem Einkommen, versäumen es leider aus Unkenntnis ihre Ansprüche geltend zu machen. Hier wäre es eigentlich Aufgabe der Sozialleistungsträger, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren.“…“ Tacheles Pressemitteilung und Info vom 23. Januar 2024- Zu weiteren Details für (aufstockende) Sozialleistungen siehe die von Tacheles und dem Paritätischen betriebene Seite www.energie-hilfe.org , die neben detaillierten Infos für Betroffene und Berater*innen auch Musteranträge enthält
- Frieren oder Schulden: Heizkostenzuschuss eher symbolisch – Der einmalige Heizkostenzuschuss der Bundesregierung entlastet arme Haushalte kaum
„… Die Bundesregierung hatte kürzlich einen einmaligen Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht, um die Kostenexplosion halbwegs abzufedern. Doch der reiche nicht aus, monieren die Verbände. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stützt diese Haltung. Die Ökonomen verglichen dabei die ärmsten zehn Prozent der Haushalte mit denen, die über ein mittleres Einkommen verfügen. Die Ersten mussten 2015 etwa sechs Prozent des verfügbaren Einkommens fürs Heizen aufwenden – die anderen dagegen nur knapp drei Prozent. Inzwischen stiegen die Preise für Erdgas, Heizöl, Sprit und Strom aber deutlich an. Die ärmsten Haushalte müssen nun, so schätzt das DIW, etwa 14 Prozent ihres Einkommens für die Heizkosten aufwenden. Auch die Haushalte mit mittlerem Einkommen müssen jetzt mehr dafür ausgeben; bei ihnen steigt die Belastung aber nur auf etwa sechs Prozent des Haushaltseinkommens. Diese Durchschnittswerte geben allerdings nur ein ungenaues Bild wieder. Deshalb differenziert das DIW noch einmal nach dem Sanierungsstand der Gebäude. Ungedämmte Häuser verursachen in der Regel höhere Heizkosten. Gepaart mit den gestiegenen Energiepreisen entsteht noch einmal eine zusätzliche Belastung. Die durchschnittlichen Kosten könnten dann auf bis zu 203 Euro im Monat steigen, von zuletzt 119 Euro im Monat. (…) Die Crux an der Sache: Zwar sind nach einer Sanierung geringere Heizkosten zu erwarten; aber die Kosten für die Sanierung können auf die Miete aufgeschlagen werden. Immerhin bis zu acht Prozent der Sanierungskosten. Ob für Mieter, insbesondere für die einkommensschwachen Haushalte, dabei eine Ersparnis herauskommt, ist dabei fraglich. Brenzliger wird es durch die Klimaschutzpläne der Bundesregierung. (…) Einkommensschwache Personen und Familien können sich dann die Wohnungen wohl nicht mehr leisten. Insofern muss die Bundesregierung nach weiteren Möglichkeiten suchen, diesen Menschen in Zukunft das Wohnen in warmen Zimmern zu ermöglichen.“ Beitrag von Bernd Müller vom 16. Februar 2022 bei Telepolis - Heizkostenzuschuss beschlossen – Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema
„Haushalte mit niedrigem Einkommen sollen einmalig 135 bis 175 Euro bekommen. Wem wird das helfen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Die Bundesregierung hat Pläne für einen einmaligen Heizkostenzuschuss für über 2,1 Millionen Bedürftige auf den Weg gebracht. Das Kabinett verabschiedete dazu am Mittwoch eine sogenannte Formulierungshilfe, mit der die Fraktionen der Ampel-Koalition nun ein Gesetz im Bundestag einbringen sollen. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte in Berlin, ab Juni komme der Zuschuss. Als nächster Schritt solle dann der CO2-Preis zwischen Mietern und Vermietern aufgeteilt werden. „Das machen wir bis zum 1. Juni.“
Mit der einmaligen Finanzspritze sollen die explodierten Preise für Heizöl und Gas etwas abgefedert werden – denn vielen Verbraucher*innen droht im Sommer eine saftige Nachzahlung.
Unterstützung soll es für Wohngeldbezieher, für Studierende mit Bafög, Bezieher*innen von Aufstiegs-Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe geben. Wohngeldbezieher*innen, die alleine leben, bekommen 135 Euro, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro. Für jeden weiteren Mitbewohner sind noch einmal 35 Euro vorgesehen. Studierende, Auszubildende und andere Berechtigte erhalten pauschal 115 Euro.
Laut Bauministerium profitieren von dem Zuschuss voraussichtlich 1,6 Millionen Menschen in 710 000 Haushalten mit Wohngeld, außerdem 370.000 Studierende, rund 50.000 Bezieher*innen von Aufstiegs-Bafög und rund 65.000 Bürger*innen, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld bekommen. Die Hilfe kostet den Bund fast 190 Millionen Euro. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema…“ Beitrag vom 2.2.2022 in der taz online - Zudem im Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 18. Januar 2022 : „… Die Prognose von Verivox geht bei Gas von einem Anstieg von durchschnittlich 54 Prozent aus. Haushalte, die noch mit Öl heizen, müssen demnach etwa 99 Prozent mehr ausgeben. Das Portal Check 24 geht von 71,2 Prozent Preiserhöhungen aus, die gut 3,6 Millionen Haushalte treffen. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden bedeute das »zusätzliche Kosten von durchschnittlich 1.078 Euro pro Jahr«. Für arme Haushalte bedeutet ein solcher Anstieg, öfter im Kalten sitzen oder an anderer Stelle sparen zu müssen. Doch letzteres dürfte kaum möglich sein, denn auch Strom- und Lebenshaltungskosten ziehen deutlich an. Check 24 hatte zum Beispiel kürzlich von monatlichen Stromkosten in Höhe von 50 Euro berichtet, die damit 30 Prozent über dem Satz liegen, der von der Grundsicherung abgedeckt ist. Thomé verwies in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das dem Gesetzgeber für solche Fälle eine kurzfristige Anpassung der Grundsicherung vorgeschrieben habe. (…) Nach Auffassung von Thomé könnte die Bundesregierung diesem Auftrag gerecht werden, wenn sie zeitnah einen Sofortzuschlag von 100 Euro im Monat gewährt. (…) Nach Plänen von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sollen Wohngeldempfänger, die allein leben, einen einmaligen Heizkostenzuschuss von 135 Euro bekommen. Für Zweipersonenhaushalte soll er 175 Euro betragen, und für jede weitere Person im Haushalt sollen weitere 35 Euro hinzukommen.“