Entscheidung zu Überstundenzuschlägen in Urlaubszeiten: EuGH stärkt Rechte von Leiharbeitern
„… Kein Tarifvertrag dürfe einen Arbeitnehmer davon abhalten, seinen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub geltend zu machen, entschied das höchste EU-Gericht. (…) Das Bundesarbeitsgericht hatte den EuGH zuvor gefragt, ob es mit EU-Recht vereinbar sei, wenn ein Arbeitgeber bei der Berechnung der Überstundenzuschläge die gesetzlichen Urlaubszeiten eines Arbeitnehmers außen vor lässt. Geklagt hatte ein Leiharbeiter: Der Manteltarifvertrag für Zeitarbeit garantierte ihm 25 Prozent Überstundenzuschlag, wenn er mit 23 Arbeitstagen im Monat über 184 geleistete Stunden hinauskam. Geleistete Stunden sollten dabei nur tatsächlich gearbeitete Stunden sein – Urlaubszeiten sollten nicht mitzählen. (…) Der EuGH urteilte nun, dass eine solche Beschneidung der Überstundenzuschläge nicht gehe. Denn eine solche Regelung halte Arbeitnehmer davon ab, Urlaub zu nehmen, den sie aber für ihre Sicherheit und Gesundheit bräuchten. Zwei deutsche Arbeitsgerichte hatten der Leiharbeitsfirma aus NRW recht gegeben – nach dem EuGH-Urteil muss nun das Bundesarbeitsgericht entscheiden…“ Meldung zu EuGH (Urt. v. 13.1.2022, Rs. C-514/20) von Bernd Wolf vom 13. Januar 2022 bei tagesschau.de , siehe eine weitere dazu:
- EuGH zur Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen: Auch der Urlaub zählt
„Nimmt man bezahlten Urlaub, darf sich das nicht negativ auf Mehrarbeitszuschläge auswirken. Das könnte Arbeitnehmer abschrecken, sich den Urlaub überhaupt zu nehmen, so der EuGH in einem deutschen Fall. Den muss nun das BAG entscheiden. (…) Der EuGH bezieht sich dabei auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Darin ist geregelt, dass die Mitgliedstaaten erforderliche Maßnahmen treffen müssen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Jahresmindesturlaub von vier Wochen erhält. Diese Regelung sei im Lichte von Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta (GrCh) auszulegen, der jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin ein Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub zuspricht.“ Meldung vom 13. Januar 2022 bei LTO Legal Tribune Online - EuGH zur Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen
„… Problematisch war aus Sicht des BAG jedoch, dass die Bestimmungen des MTV einen Anreiz für Arbeitnehmer begründen könnten, den bezahlten Mindestjahresurlaub nicht in Anspruch zu nehmen, um stattdessen den Zuschlag von 25 Prozent zu erhalten.
Das BAG stellte dem EuGH daher die Frage, ob Art. 31 Abs. 2 der Charta und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegenstehen, nach der für die Berechnung, ob die Schwelle der zu einem Mehrarbeitszuschlag berechtigten Arbeitszeit erreicht ist, die Stunden, die dem vom AN in Anspruch genommenen Jahresurlaub entsprechen, nicht als geleistete Arbeitsstunden berücksichtigt werden. (…)
Aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Ausübung seines Urlaubsanspruchs im Monat August 2017 ein niedrigeres Entgelt erhalten hatte, als es der Fall gewesen wäre, wenn er in diesem Monat keinen Urlaub genommen hätte. Somit könnten die Regelungen des MTV Beschäftigte davon abhalten, in dem Monat, in dem Überstunden erbracht wurden, von ihrem Recht auf bezahlten Jahresurlaub Gebrauch zu machen.
Die genannten Regelungen des MTV können daher dem unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entgegenstehen. Es sei nun Sache des BAG, dies im vorliegenden Fall konkret zu prüfen. (…)
Der EuGH hat die Rechte von Leiharbeitnehmerinnen bei der Berechnung von Zuschlägen für Mehrarbeit gestärkt. Regelungen in Tarifverträgen, nach denen genommener bezahlter Jahresurlaub bei der Kalkulation von Mehrarbeitszuschlägen nicht berücksichtigt wird, verstoßen gegen EU-Recht.
Nun muss man abwarten, wie das BAG den Fall letztlich entscheidet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das BAG Tarifklauseln wie die hier beschriebenen, die beim Mehrarbeitszuschlag einen Anreiz schaffen, auf Urlaubstage zu verzichten, für unzulässig erklären wird.“ Aus der Meldung vom 14. Januar 2022 beim Bund Verlag- Diese Ausführungen machen das Urteil evtl. interessant für unsere Kampagne: [Die Anstalt, Prof. Wolfgang Däubler und LabourNet Germany] Gesucht: LeiharbeiterInnen für eine Klage für gleichen Lohn und gleiche Bedingungen auch in Deutschland …