»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
»

Französische Gewerkschaften, Eltern und SchülerInnen mobilisieren zum Schulstreik gegen katastrophale Arbeitsbedingungen auch in 2022

Dossier

Sud in Frankreich: "Wir wollen keine Krümel, wir wollen das Baguette" - Schulstreik soll am 20. Januar 2022 fortgesetzt werden für Notfallplan für das Bildungswesen und Rücktritt von BlanquerEs kommt nicht aller Tage vor, dass ein Streik – noch bevor er beginnt – in bürgerlichen, info- und ideologieproduzierenden Leitmedien ebenso wie auf Anarcho-Webseite gleichzeitig als „historisch“ bezeichnet wird. So verhält es sich jedoch mit dem Ausstand im französischen öffentlichen Schulwesen am morgigen Donnerstag, den 13. Januar 22. Historisch, mindestens im Sinne von: außergewöhnlich und bemerkenswert, ist die Phalanx der Aufrufer/innen. (…) Im Schulwesen richtet sich der Arbeitskampf – bei dem dieses Mal Lohn- und ähnliche Fragen ausgespart bleiben – am morgigen Tag gegen die Chaosbedingungen, die seit Monaten herrschen, was die Pandemievorbeugung und -bekämpfung im Bildungsbereich betrifft, und er fordert einen besseren
Gesundheitsschutz für alle Betroffene in diesen Pandemie-Zeiten. Auf die Spitze trieb es seit der in weiten Bereichen seiner Amtsführung notorisch  inkompetente und unfähige Bildungsminister Jean-Michel Blanquer. (…) Konkret fordern die nunmehr zum Streik aufrufenden Gewerkschafen auch nicht schlicht die Schließung der Schulen, sondern rufen vielmehr zu viel konkreteren Lösungen im Einzelnen auf
…“ Artikel von Bernard Schmid vom 12.1.2022 – wir danken! Siehe im Beitrag auch weitere Informationen und nun Berichte sowie Fortsetzung der Auseinandersetzung:

  • Frankreich: Fortgesetzte Empörung und Streik gegen die „Pandemiebewältigung“ (u.a.) im öffentlichen Schulwesen. Lehrer/innen/demo in Paris verboten, doch toleriert New
    „… Auch am Donnerstag dieser Woche, den 20. Januar 22 rufen mehrere Gewerk-schaften erneut zum Ausstand im Bildungswesen auf, allerdings dieses Mal nicht zum landesweiten Streik, sondern zu Aktionen örtlicher Intensität, zu denen auf lokaler Ebene aufgerufen wird – das kann vom Anbringen eines Transparents bis zur Arbeitsniederlegung reichen. Dadurch versuchen die Gewerkschaften den Druck aufrecht zu erhalten, ohne die Unterstützung der Elternverbände zu verlieren. Letztere unterstützen den Ausstand am 13. Januar d.J., standen jenem am 20. jedoch skeptischer bis ablehnend gegenüber. Eine weitere Woche später werden die Lehrkräfte, dieses werden in Frankreich durchschnittlich rund halb so viel bezahl wie in Deutschland, am 27.01.22 zusammen mit anderen Staatsbediensteten für ihre Bezahlung streiken. Konkret fordern die Bildungsgewerkschafen in aller Regel nicht die Schließung der Schulen, sondern rufen vielmehr zu konkreten Lösungen für den Gesundheitsschutz auf. (…) Eine am heutigen Donnerstag, den 20. Januar 22 stattfindende Demonstration streikender Lehrer/innen wurde am Abend des gestrigen Mittwoch, den 19.01.22 für verboten erklärt. (…) Später fügten sie im Laufe des Abends hinzu, der Demozug werde jedoch „nicht ver/behindert werden“. Er wird demnach also toleriert.“ Aus dem Artikel von Bernard Schmid vom 20.1.2022  – wir danken! Darin umfangreiche Ausführungen zu den Hintergründen samt dem französischen „Ibizagate“ als Grund für die breite Empörung im Bildungswesen

  • „Wir wollen keine Krümel, wir wollen das Baguette“ – Schulstreik soll am 20. Januar fortgesetzt werden für Notfallplan für das Bildungswesen und Rücktritt von Blanquer
    • Wir wollen keine Krümel, wir wollen das Baguette.  Der Erfolg des Streiks zwang die Regierung zu mageren Ankündigungen. SUD Education ruft die Mitarbeiter dazu auf, am Donnerstag, den 20. Januar, zu streiken und sich an den Demonstrationen zu beteiligen. #Greve20janvierTweet von SUD éducation vom 15.1.22 externer Link
    • Im Aufruf auf deren Homepage externer Link heißt es: „Der Streik am Donnerstag, den 13. Januar, war ein unbestreitbarer Erfolg. SUD éducation ruft das Personal dazu auf, an allen lokal beschlossenen Initiativen in der nächsten Woche teilzunehmen, ab Dienstag, den 18. Juni. SUD éducation ruft das Personal auf, am Donnerstag, den 20. Januar zu streiken und an den Demonstrationen teilzunehmen.  
      Die Ankündigungen des Premierministers und des Ministers gehen nicht auf die Forderungen ein. SUD éducation fordert: Sofortige Einstellungen, um den Bedarf an Vertretungen zu decken (und nicht nur durch den Rückgriff auf Ergänzungslisten), Ausstattung mit Schutzkleidung in ausreichender Menge. Verschiebung der Fachprüfungen und Streichung der Halbzeitbewertungen, ein Haushaltskollektiv, um dem Bildungswesen Mittel zur Verfügung zu stellen, sowohl in Form von Neueinstellungen als auch in Form von Gehältern.
      Es ist nun dringend notwendig, Lohnerhöhungen für das Personal vorzunehmen, angefangen bei den am schlechtesten bezahlten Mitarbeitern. AEDs und AESHs werden angesichts der Krise an vorderster Front projekert. SUD unterstützt die Forderungen dieses Personals, sowohl in Bezug auf den Status als auch auf die Bezahlung. Kurzum, es bedarf unverzüglich eines echten Notfallplans für das Bildungswesen.
      Über diese Forderungen hinaus fordert SUD éducation den Rücktritt von Herrn Blanquer und hat dies am Donnerstag, den 13. Januar, in einer Sitzung gegenüber dem Premierminister erneut getan. Seine Inkonsequenz und sein Autoritarismus haben ihn in den Augen des Bildungspersonals endgültig diskreditiert.“
  • Schulstreik in Frankreich am 13.1.: Bis zu 75 Prozent aller LehrerInnen legten mit SchülerInnen und Eltern die Hälfte des Bildungswesen lahm – den Tasern der Polizei zum Trotz – und wollen weiter kämpfen
    • Vereint im Streik. Ausstand in Frankreichs Bildungswesen: Lehrer, Schüler und Eltern fordern Schutz vor Coronavirus. Fehlende Strategie der Regierung
      Frankreichs Lehrerinnen und Lehrer haben die Schnauze voll. Am Donnerstag legten sie die Schulen des Landes lahm, in allen großen und kleineren Städten des Landes demonstrierten Zehntausende gegen die chaotische Bildungspolitik im Angesicht der Coronapandemie. Bei Blockaden von Schulgebäuden war es bereits am Morgen teilweise zu Polizeigewalt gekommen. Im Internet veröffentlichte Videos zeigen beispielsweise den Einsatz von Tasern gegen Schüler in der Hauptstadt Paris. (…) Während das Bildungsministerium den Anteil der am Ausstand Teilnehmenden am Donnerstag mit 38,5 Prozent angab, erklärten die Gewerkschaften, in den Grundschulen hätten 75 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer gestreikt. In weiterführenden Schulen seien 62 Prozent der Lehrkräfte ihrer Arbeit ferngeblieben. Von den 48.950 Bildungseinrichtungen des Landes habe mindestens jede zweite geschlossen bleiben müssen…“ Artikel von Frederic Schnatterer in der jungen Welt vom 14.01.2022 externer Link
    • Ankündigungen, aber nicht ausreichend: Wir machen weiter!
      SUD éducation wurde heute Abend zusammen mit den anderen Gewerkschaftsorganisationen und der FCPE im Bildungsministerium von Castex, Véran und Blanquer empfangen. Dort haben wir die Forderungen des Personals externer Link vorgetragen:

      • Verschiebung der Prüfungen in den Spezialfächern von März auf Juni und Streichung der Beurteilungen zur Mitte des ersten Schuljahres. Das ist Sache eines Erlasses. Die Situation ist für die Lehrerinnen und Lehrer, die die Schülerinnen und Schüler auf diese Prüfungen vorbereiten sollen, objektiv unhaltbar.
      • Anschaffung der notwendigen Schutzausrüstung aus dem Staatshaushalt und Ankündigung eines klaren Zeitplans und Umfangs ab sofort: FFP2-Masken, CO2-Sensoren, Luftreiniger, Selbsttests.
      • Stellen Sie sofort ausreichend fest angestelltes Personal ein, um den Bedarf an Ersatz zu decken...“ Maschinenübersetzung der (fr.) Pressemitteilung der SUD éducation am 13.1.2022 externer Link
    • Neben den Schulblockaden in #Paris, kam es auch in #Nantes zu massiven Konflikten bei den Blockaden. Hier setzte die Polizei auch Tränengas ein. An einigen Orten wurde sogar die Polizeieinheit der BRAV-M (ist eine motorisierte Repressionsbrigade für gewalttätige Aktionen) eingesetzt…“ Thread von Révolution Permanente vom 13.1.22 externer Link
    • Siehe für Berichte und Videos u.a. die Twitter-Accounts von Union syndicale Solidaires externer Link, Révolution Permanente externer Link  und Blxck Flames Fox externer Link sowie unter #Greve13Janvier #JeSoutiensLaGreveDu13Janvier

____________

FRANKREICH: Schon vorab als „historisch“ bezeichneter Streik im Schulwesen gegen
unzumutbares Chaos bei der Pandemiebekämpfung und den Arbeitsbedingungen

Frankreich: SUD Education ruft auf zum Schulstreik am 13.1.2022Es kommt nicht aller Tage vor, dass ein Streik – noch bevor er beginnt – in bürgerlichen, info- und ideologieproduzierenden Leitmedien (etwa beim InfoTV-Sender BFM) ebenso wie auf Anarcho-Webseite, vgl. https://www.infolibertaire.net/13-janvier-une-mobilisation-historique-nen-restons-pas-la/ externer Link, gleichzeitig als „historisch“ bezeichnet wird. So verhält es sich jedoch mit dem Ausstand im französischen öffentlichen Schulwesen am morgigen Donnerstag, den 13. Januar 22.

Historisch, mindestens im Sinne von: außergewöhnlich und bemerkenswert, ist die Phalanx der Aufrufer/innen. Denn drei Gewerkschaften der leitenden Kräfte im staatlichen Bildungswesen, also der Schuldirektor/inn/en (proviseurs, bzw. in Grundschulen directeurs) und Bediensteten der Schulaufsichtsbehörde (inspecteurs), rufen dieses Mal mit zur Arbeitsniederlegung auf. Und dies passiert nur alle paar Schaltjahre. Die Hauptkraft unter den Aufrufer/inne/n bilden die Mitgliedgewerkschaften des Bildungs-Gewerkschaftszusammenschlusses FSU (d.i. die Fédération syndicale unitaire), wie der SNES-FSU (Mittelstufen -und Oberstufen-Lehrer/innen/gewerkschaft) und der SNUIPP-FSU (Grundschul-Lehrer/innen/gewerkschaft). Daneben rufen auf ihrer Linken die Basisgewerkschaften vom Zusammenschluss Solidaires, also SUD Education, sowie – auf ihrer Rechten – die sonst nicht streikfreudige CFDT im Bildungswesen (CFDT-SGEN) mit auf. Auch die vordergründig „unpolitisch-unabhängige“ UNSA im Bildungswesen, die in den letzten Jahren eher von der zu unkämpferischen CFDT aufgegebenes Terrain besetzt hat, ist mit dabei.

Französische Gewerkschaften, Eltern und SchülerInnen mobilisieren zum Schulstreik am 13. Januar gegen katastrophale Arbeitsbedingungen auch in 2022Zunächst riefen in den ersten Januartagen Mitgliedsverbände von SUD Education, vor allem im nördlich an Paris angrenzenden Trabantenstadtraum (Départements 93 und 95), zu einem Streik der Lehrkräfte am gestrigen Dienstag, den 11. Januar 22 auf. Dieser fiel damit zeitlich zusammen mit dem Streik im Gesundheits- und Sozialwesen, der zwar auch in den Krankenhäusern stattfand, dort aber aufgrund der extrem angespannten Personalsituation – auch, aber nicht nur im Zusammenhang mit der aktuell wütenden Pandemie – nach außen hin nicht sehr stark auffiel, da unabkömmliche Gesundheitsbedienstete und Pflegekräfte erforderlichenfalls zwangsweise dienstverpflichtet werden können. Auch unter Sozialarbeiter/inne/n und in der Sozialarbeiter-Ausbildung wurde am gestrigen Dienstag gestreikt. Die Gründe für einen Arbeitskampf gegen die derzeit besonders im Krankenhauswesen (wo viele Arbeitskräfte nach dem Abflauen der Solidarisierungs- und Motivationswelle im Frühjahr 2020 zwischenzeitlich kündigten) oft wahnwitzigen Arbeitsbedingungen sowie gegen langjährige Tendenzen zur Mitteleinsparung liegen auf der Hand.

Im Schulwesen richtet sich der Arbeitskampf – bei dem dieses Mal Lohn- und ähnliche Fragen ausgespart bleiben – am morgigen Tag gegen die Chaosbedingungen, die seit Monaten herrschen, was die Pandemievorbeugung und -bekämpfung im Bildungsbereich betrifft, und er fordert einen besseren Gesundheitsschutz für alle Betroffene in diesen Pandemie-Zeiten.

Solidaire fordert mehr GesundheitsschutzAuf die Spitze trieb es seit der in weiten Bereichen seiner Amtsführung notorisch  inkompetente und unfähige Bildungsminister Jean-Michel Blanquer (konservativer Flügelmann in der Exekutive des Wirtschaftsliberalen Emmanuel Macron) zum Neubeginn des Schuljahres nach den Winterferien, ab Montag, den 03. Januar d.J. Das aufgrund der rapiden Ausbreitung der neuen Coronavirus-Variante Omikron erforderlich gewordene neue „Gesundheitsprotokoll“ im Schulwesen wurde dermaßen frühzeitig fertig, dass es den Betreffenden am Nachmittag des Sonntag, 02. Januar gegen 16 Uhr über Fernsehen und Internet bekannt wurde – wenn überhaupt -; es wären ja auch nur zwei Wochen Zeit gewesen, nachdem die Winterschulferien am Montag, den 19. Dezember begonnen hatten. (Und zu dem Zeitpunkt, eine knappe Woche vor Weihnachten, war das Omikron-Phänomen bereits bekannt.) Vorschläge der bürgerlich-konservativen Oppositionsführerin Valérie Pécresse, die Wiederaufnahme des Schuljahres um eine Woche aufzuschieben, hatte die Regierung zugleich zurückgewiesen.

Höhnisch kommentierten Betroffene, unter ihnen Vertreter/innen von Bildungsgewerkschaften, daraufhin, man könne ja noch dankbar sein. Hätte das „Gesundheitsprotokoll“ ja doch auch am Montag früh um 06 Uhr unmittelbar vor Schulbeginn vorgelegt werden können. Auch eine Lösung.

Selbst ein regelmäßiger Kommentar beim (wirtschafts)liberalen, tendenziell Macron-nahen Privatfernsehsender BFM TV kommentierte u.a. dazu  am heutigen Morgen Blanquer sei offensichtlich „stärker mit seiner Vereinigung zur Förderung laizistischer Werte“, also seinem ideologischen Hobby beschäftigt gewesen. Längst geht es dabei natürlich nicht mehr um die in Frankreich seit 1905 per Gesetz festgeschrieben „Laizität“ als säkulare Ausrichtung des Schulwesens (…mit Ausnahme der meist katholischen Privatschulen!) und Trennung von Staat und Religion(en), sondern um eine Hexenjagd auf vermeintliche islamische Einflüsse im Bildungssektor, die wiederum längst auf alle Formen von Antirassismus und Kolonialismuskritik ausgedehnt wird, ohne etwa auf Nuancen zwischen ihnen Rücksicht zu nehmen. Diese ideologische Kampagne, die an manchen Stellen laut Dafürhalten der linksliberalen Pariser Abendzeitung Le Monde mittlerweile „maccarthystische Züge“ anzunehmen beginnt, gipfelte in der zweiten Hälfte voriger Woche in einem durch Blanquer geförderten Inquisitionskongress, ähmm: Kolloquium an der als altehrwürdig geltenden Sorbonne-Universität. Ordnerdienste der zwischen Konservativen und Rechtsextremen fluktuierenden Studierendenorganisation UNI sorgten für den Saalschutz, Gewerkschaften (FSU, CGT, Solidaires…) demonstrierten vor dem Saal. Monsieur Blanquer, man sieht es, ist also beschäftigt.

Kritik der SUD am Gesundheitsschutz in SchulenZum „Gesundheitsprotokoll“ selbst: Dieses sah vom Montag voriger Woche (03. Januar 22) bis zum gestrigen Dienstag, den 11. Januar vor, dass im Falle des Auftauchens von Covid-19-Fällen in einer Schulklasse diese nicht länger geschlossen werden soll (wie es bis dahin galt, woraufhin in aller Regel Distanzunterricht angeordnet wurde), sondern alle nicht anfänglich betroffenen Schüler/innen eine Abfolge von mehreren Tests absolvieren sollen. Zunächst galt die Regel, der/die Schüler/in solle am Tag selbst einen PCR-Test in einer Apotheke oder einem Testzentrum – unter Aufsicht – absolvieren, und danach am zweiten und am vierten Tag dann einen Selbsttest zu Hause. Dessen (negatives) Resultat wiederum soll Gegenstand einer Art eidesstaatlicher Erklärung durch den jeweiligen gesetzlichen Vormund oder, sofern vorhanden, die beiden Eltern sein. Dies erwies sich allerdings als komplex. Denn Corona-Fälle werden derzeit sehr viele vermeldet – am heutigen Tage etwa ihrer vier allein in der Vorschulklasse, die den Verfasser dieser Zeilen als Elternteil indirekt betrifft; insgesamt sind derzeit rund 10.200 von insgesamt 527.000 Schulklassen in Frankreich wegen Covidfällen geschlossen  -, und die Anzahl von Tests und Selbsttests explodiert förmlich. Vergangene Woche wurden 1,5 Millionen Tests täglich absolviert. Eltern(teile) standen folglich bis zu drei Stunden Echtzeit Schlange. Und Selbsttests waren jedenfalls bis am gestrigen Tag in den Apotheken nicht oder nicht ausreichend verfügbar, jedenfalls nicht die Gratistests, die Schüler/inne/n zur Verfügung stehen sollten. (Zwischenzeitlich kam nun die Ankündigung, in der laufenden Woche würden elf Millionen Selbsttests in die Apotheken ausgeliefert.)

Als Antwort auf das Kopfzerbrechen, das den Eltern ziemlich real dadurch bereitet wurde, kündigte Premierminister Jean Castex vorgestern Abend (10.01.22) in de Abendnachrichten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens eine Kurskorrektur an: Ab jetzt sind NUR NOCH Selbsttests erforderlich, drei hintereinander an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Allerdings zeichnet sich zugleich ab, dass manche Eltern – insbesondere aber alleinerziehende berufstätige Mütter, die entweder nicht im Home Office arbeiten (können), was ja nicht in allen Berufen möglich ist, und/oder deren Unternehmen wenig Verständnis für langes Ausbleiben aufgrund von Wartens auf Tests oder Testergebnisse oder aber für die Präsenz von Kindern am Home-Arbeitsplatz aufweisen – nunmehr einfach erklären dürften, die Selbsttests, ja, ja doch, die seien schon negativ ausgefallen. (Welche Tests jetzt? Ach so, die, die nie durchgeführt wurden… OK, ja, gut.) Dahinter muss keineswegs böser individueller oder familiärer Willen stecken, der Druck des Arbeit„gebers“ dürfte oftmals ausreichen.

Die derzeit viel interviewten Vertreter/innen von Bildungsgewerkschaften monieren, aufgrund einer Grundsatzentscheidung der Regierung – die Schulen müssten offen bleiben, unter anderem aufgrund der sonst für die gesamte Gesellschaft zu erwartenden Folgen (darunter sicherlich auch befürchtete psychologische Auswirkungen auf Kinder und Heranwachsende, aber eben auch Arbeitsausfälle und eine „Verlangsamung“ der Ökonomie!) – würde das Lehrpersonal einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Zugleich, so eine FSU-Sprecherin im TV, würden die Schulen in einen „Aufbewahrservice“ (une garderie) verwandelt, um die Unternehmen (wo die Eltern arbeiten) funktionieren zu lassen. (Während aufgrund des Maßnahmen-Wirrwarrs und des An- und Abwesenheitkarussells der pädagogische Wert und Inhalt des Unterrichts wohl ohnehin beeinträchtigt wird….. Sicherlich gibt es keine absolute Optimal-Lösung ohne jedwede negative Auswirkung, aufgrund jeweiliger Wohnverhältnisse der Familien kann auch Distanzunterricht natürlich negativ ausfallen, was aber auch von dessen Dauer und konkreten Bedingungen mit abhängt.)

Konkret fordern die nunmehr zum Streik aufrufenden Gewerkschafen auch nicht schlicht die Schließung der Schulen, sondern rufen vielmehr zu viel konkreteren Lösungen im Einzelnen auf. Dazu zählt die Verteilung von FFP2-Masken an Lehrkräfte (bislang sind diese, jedenfalls so lange sie ihre Ausstattung von Amts wegen benutzen, noch mit längst durch die Pandemieentwicklung überholten Stoffmasken unterwegs…) oder der Einbau von Luftfiltern. Letzterer, der ja auch in Deutschland begonnen hat, wird seit längerem diskutiert. Bislang sind nur 20 Prozent der Schulen in Frankreich mit solchen CO2- oder Luftfiltern ausgestattet, die durch einen regelmäßigen Austausch der Atemluft einen gewissen Pandemieschutz bieten. Die Zentralregierung verweist darauf, für die Einrichtung von Schulen seien die Rathäuser zuständig, denen man aber finanzielle Unterstützung zukommen lasse. (Dazu rechnete ein Bürgermeister – jener von Béziers in Südfrankreich, leider ein Rechtsextreme, aber ein intelligenter, noch dazu früherer Linkerer und früherer Chef von „Reporter ohne Grenzen“: Robert Ménard – am gestrigen Abend im TV konkret vor: Ein Luftfilterapparat kostet eine Kommune mindestens 280 Euro, dazu gibt’s fünfzig Euro vom Staat, das war’s dann.)

Auch fordern die Bildungsgewerkschaften seit anderthalb Jahren dazu auf, über Modell wie Klassenteilung, rotierende Klassenbesetzung (je eine Hälfte körperlich anwesend und die andere Hälfte im Distanzunterricht, danach im Wechsel usw.) und ähnliche Modalitäten nachzudenken.

Zu all diesen Problemen fiel der Exekutive bislang nicht allzu viel, während selbst Staatspräsident Emmanuel Macron Ende voriger Woche in einem Interview mit der Boulevardzeitung Le Parisien (dem berühmt gewordenen, in welchem er verbal gegen Ungeimpfte respektive Impfgegner/innen herumstänkert, in einer Antwort auf von Ungeimpften auf den Intensivstationen entnervte Pflegekräfte) eingestand, er verstehe es gut, wenn Eltern schulpflichtiger Kinder von den wechselnden „Gesundheitsprotokollen“ verwirrt und genervt seien und es leid würden. Auf den Streik der Lehrkräfte ging er an der Stelle nicht ein.

Voraussichtlich dürften am morgigen Donnerstag (lt. FSU) 75 Prozent der Lehrkräfte am Ausstand teilnehmen, und die Hälfte der Schulen im Lande geschlossen bleiben. Der stärkte Dachverband von Elternvereinigungen, die FCPE, rief die Eltern dazu auf, die streikenden Lehrkräfte zu unterstützen und ihre schulpflichtigen Kinder an dem Tag zu Hause zu lassen.

Artikel von Bernard Schmid vom 12.1.2022 – wir danken!

AKTUELLE LINKS DAZU:

_______________________

Weitere Informationen zum Schulstreik am 13.1.2022

  • [#Greve13Janvier] Gesundheitssituation: Die Zeit ist reif für einen Streik!
    Der Beginn des neuen Schuljahres in den Schulen und Einrichtungen ist wie erwartet leider katastrophal. An vielen Orten fehlen Dutzende von Schülern und Lehrkräften, und die Situation verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die Vertretungen sind trotz der unwürdigen Ankündigungen, Studenten, Rentner und sogar Eltern von Schülern einzusetzen, nicht gesichert. Das neue Gesundheitsprotokoll ist nicht umsetzbar und bietet keinen ausreichenden Schutz. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich überall, insbesondere für die Schulleiterinnen und Schulleiter, aber auch für die AEDs und AESHs, die an vorderster Front stehen.
    Die Zeit ist reif für eine Mobilisierung! Bereits in dieser ersten Woche haben sich Schulen durch Streiks und das Recht auf Rückzug mobilisiert, um schützende Bedingungen und zusätzliche Mittel zu erhalten. Die zweite Schulwoche muss die Gelegenheit bieten, im Kräfteverhältnis eine Stufe höher zu gehen. Das mobilisierte Personal in mehreren Departements der Île-de-France ruft zusammen mit ihren Gewerkschaften SUD éducation bereits jetzt zum Streik in der nächsten Woche auf. Am 13. Januar ist seit Dezember ein Streiktag in Loire-Atlantique zur Frage der inklusiven Schule geplant, der ebenfalls als Stützpunkt dienen kann.  SUD éducation unterstützt alle Initiativen und ruft das Personal auf, sich zu versammeln und für den Streik zu stimmen, um die Forderungen durchzusetzen!...“ Flugblatt mit Aufruf von SUD éducation externer Link vom 6.1.22, siehe auch die Karte der Mobilisierung und weitere Informationen auf der Sondeseite zum 13. Januar bei der SUD éducation externer Link
  • Der gemeinsame Aufruf vieler Gewerkschaften ist dokumentiert vom Mouvement National Lycéen auf Twitter externer Link und die PM zur Mobilisierung der FO externer Link
  • Für aktuelle Meldungen: #13janvier #Greve13Janvier #TousEnClasses #BlanquerBougeDeLa und https://twitter.com/SUD_education externer Link
  • Siehe auch parallele Streiks im Gesundheitswesen in unserem Dossier: Frankreich: Beschäftigte des Gesundheitswesens verurteilen die Pandemiepolitik der Regierung

Siehe einige vorbereitende Artikel und Meldungen zur Situation zum Schulanfang nach den Weihnachtsferien (sorry, keine Zeit zum Übersetzen):

Siehe zuvor zum Thema im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=196861
nach oben