[Verhältnis der deutschen Gewerkschaften zu MigrantInnen] Ein langer Weg
„Das Verhältnis der deutschen Gewerkschaften zu Migranten war lange nicht frei von Missverständissen. Zuweilen wussten die ausländischen Beschäftigten sich nur durch „wilde“ Streiks zu helfen. (…) Fast drei Viertel der 3000 Beschäftigten waren, wie es damals hieß, „Gastarbeiter“. Vor allem Frauen – aus Jugoslawien, Spanien, der Türkei, Griechenland und Italien – verrichteten beim Zusammenbau von Vergasern harte, monotone Fließbandarbeit in der „Leichtlohngruppe“, Stundenlohn 4,70 Mark. Im Sommer 1973 legten 1700 Frauen – und 300 Männer – die Arbeit nieder, forderten die Abschaffung der Leichtlohngruppe und eine Mark mehr pro Stunde für alle. Die Deutschen ließen sich vom Streikfieber anstecken (…) Pierburg wurde zum Symbol für das ambivalente Verhältnis zwischen den deutschen Gewerkschaften und den Migranten in den jungen Jahren der Bundesrepublik (…) Bei den Gewerkschaftsspitzen standen die Signale anfangs auf Abschottung. Bereits die Anwerbung der ersten Italiener Mitte der 50er Jahre kam, so Goeke, „ohne und auch gegen die Gewerkschaften“ zustande. „Keine Gewerkschaft eines Landes“, verkündete der DGB, werde sich „mit dem Hereinströmen von Arbeitskräften aus dem Ausland einverstanden erklären können, solange im eigenen Land noch eine nicht unbeträchtliche Zahl von Arbeitnehmern arbeitslos ist“. Von Einzelgewerkschaften kamen ähnlich ablehnende Bescheide. Am Anfang waren die Migranten häufig auf sich allein gestellt. Sie setzten sich zur Wehr – mit „wilden“ Streiks…“ Artikel von Andreas Molitor im Magazin Mitbestimmung 05/2021