Lauter kleine Diktaturen: Die Wirtschaft ist der undemokratischste Bereich unseres Lebens. Wie können wir das ändern?
„Wir leben in einer Demokratie – oder zumindest haben wir uns daran gewöhnt, das zu denken. (…) In der Wirtschaft legitimiert sich Macht nicht mittels allgemeiner Wahlen, sondern über privates Eigentum. Die meisten Unternehmen gleichen eher Diktaturen als Demokratien: Schließlich wird das Anrecht der Vorgesetzten, ihre Belegschaften zu kommandieren, in der Regel nicht von den Angestellten selbst erteilt. Wo es Betriebsräte gibt, haben diese das Recht, vom Chef angehört und informiert zu werden sowie in einzelnen betrieblichen Angelegenheiten mitzubestimmen – was die unternehmerischen Entscheidungen angeht, haben sie aber nichts zu melden. Einen Staat, dessen Parlament nur derart eingeschränkte Befugnisse besäße, würden wir ohne zu zögern als Scheindemokratie bezeichnen. (…) »Demokratisierung der Wirtschaft« kann zweierlei bedeuten: Im Rahmen des einzelnen Unternehmens bilden die Beschäftigten das »Volk«. In dieser Hinsicht müsste eine Demokratisierung die Arbeiterinnen und Arbeiter in die Lage versetzen, selbst darüber zu bestimmen, was sie mit ihrer Arbeitskraft und den durch sie erzeugten Profiten anfangen wollen. Auf Ebene der Gesellschaft müsste die Wirtschaftsdemokratie hingegen die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden lassen, welchen Prioritäten die Wirtschaft ihres Landes folgen soll. (…) Geben die Belegschaften in den Unternehmen einmal den Ton an, ändern sich auch die Prioritäten und Ansprüche, welche »die Wirtschaft« an »die Politik« durchgibt. Wirklich im Sinne der Menschen wird selbst ein demokratischer Staat erst dann handeln können, wenn auch die Wirtschaft demokratisiert ist.“ Artikel von Thomas Zimmermann vom 13. Juni 2021 bei Jacobin.de