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Streiks und Proteste gegen die Regierung in Ecuador v.a. gegen Aufhebung der Preisbindungen für wichtige Produkte

Dossier

Streiks und Proteste am 11.8.21 gegen die Regierung in Ecuador v.a. gegen Aufhebung der Preisbindungen für wichtige Produkte„In Ecuador haben gestern zahlreiche Menschen gegen die neoliberale Politik des im Frühjahr angetretenen Präsidenten Guillermo Lasso demonstriert. Der Gewerkschaftsbund Frente Unitario de Trabajadores (FUT) hatte eine „große Mobilisierung“ angekündigt, mehrere Organisationen zu landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Vor allem die Aufhebung der Preisbindung für Treibstoff und die damit verbundene Verteuerung sorgen für Wut. (…) Neben dem Gewerkschaftsbund beteiligten sich Lehrer:innen, von denen sich einige bereits seit 32 Tagen im Hungerstreik befinden (…), Studierende und Transportfahrer:innen. Die Regierung Lasso hatte mehrere Gesetze aufgehoben, die die Treibstoffpreise regulierten und die Preisbindung für Produkte wie Bananen aufhoben. Die Bananen-Produktion ist einer der wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes. (…) Auch der Dachverband der Indigenen, die „Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador“ (Conaie), beteiligte sich an den Protesten…“ Artikel von Steffen Vogel vom 12. August 2021 bei amerika21 externer Link über die Proteste am 11.8.21, doch diese gehen weiter, auch 2024:

  • „Weg mit Noboa“: Wegfall von Treibstoffsubventionen in Ecuador ruft erneut den Widerstand von (nicht allen) Gewerkschaften sowie studentischen und bäuerlichen Organisationen hervor New
    • Wegfall von Subventionen für Treibstoff in Ecuador ruft Widerstand hervor
      In fast allen Provinzen Ecuadors haben am vergangenen Donnerstag Demonstrationen gegen die Abschaffung der Benzin-Subventionen stattgefunden. In der Hauptstadt zogen mehrere hundert Personen mit Schildern wie „Weg mit Noboa!“ und „Steigen die Benzinpreise, steigen die Preise für Alles“ durch die Innenstadt. Die Polizei soll an mindestens einer Stelle Tränengas eingesetzt haben. Auf Videos ist zu sehen, wie Demonstrant:innen Wurfgeschosse auf die Polizei schleudern. In anderen Landesteilen haben Teilnehmer:innen der Aktionen neben Protestzügen auch versucht, Straßen mit brennenden Reifen zu blockieren.
      Zu den Protesten gegen die Regierung von Präsident Daniel Noboa hatte ein breites Bündnis aus gewerkschaftlichen, studentischen und bäuerlichen Organisationen aufgerufen. Sie reagierten damit auf die Ankündigung von Verkehrsminister Roberto Luque, dass die Subventionen für Benzin der Sorte Extra, der wichtigsten Benzinsorte im Land, gestrichen werden. Dadurch steigt der Preis um über zehn Prozent, von derzeit 2,46 auf 2,72 US-Dollar pro Gallone. (…)
      „Diese Erhöhung trifft den Verbraucher und das Volk […] Wenn die Regierung das Dekret nicht aufhebt, trägt sie die Verantwortung für das, was passieren könnte“, so José Villavicencio, Vorsitzender der Gewerkschaftsdachverband FUT und einer der Organisatoren der Proteste. (…)
      2019 und 2022 kam es unter den damaligen Präsidenten Lenín Moreno und Guillermo Lasso zu wochenlangen Protesten und mehreren Toten, wobei jeweils die Treibstoffkosten im Mittelpunkt der Konflikte standen. Bei den aktuellen Protesten sieht die Lage indes anders aus. Erstens sitzt die derzeitige Regierung relativ fest im Sattel und zweitens fehlen mehrere wichtige Akteure, die ihnen Nachdruck verleihen könnten. Besonders gravierend ist die Abwesenheit des Indigenenverbandes Conaie. Deren Vorsitzender Leónidas Iza hat erklärt, dass seine Organisation die Proteste unterstütze, aber ihre Mitglieder mehr Zeit für die Mobilisierung benötigen würden. Deren Teilnahme wäre nach Expert:innenmeinung ein entscheidender Faktor für die Erfolgschancen.
      Der politische Analyst Patricio Coronel sieht hier ein strategisches Kalkül von Iza, da die letzten Proteste ihm zufolge negativ in der Bevölkerung aufgenommen worden seien (…)
      Auch die Transportarbeiter:innen beteiligen sich nicht. Frachttransporter sollen genauso wie Taxis einen Ausgleich für die Kostensteigerung erhalten. Mit den entsprechenden Sektoren soll die Regierung im Vorfeld Verhandlungen geführt haben. Laut Verkehrsminister Luque diente dies dazu, dass die Verkehrsunternehmen die Preise stabil halten. Coronel sieht darin jedoch einen Versuch, die Gegner eines Wegfalls der Subventionen zu spalten. Edison Déleg, Vorsitzender der FUT in der Azuay Provinz, bestreitet, dass es eine Spaltung von Noboas Gegner:innen gibt und hat angekündigt, dass die derzeitigen Proteste nur der Auftakt wären
      .“ Beitrag von David Keck am 08.07.2024 in amerika21 externer Link
    • Ecuador: Ausnahmezustand für Arbeiter. Gewerkschaften nach Benzinpreiserhöhungen in der Offensive gegen neoliberalen Umbau des Präsidenten Noboa
      „In Ecuador demonstrieren Gewerkschaften, indigene Verbände und andere soziale Organisationen seit Tagen gegen die von Präsident Daniel Noboa angeordnete Senkung der Benzinsubventionen. Während der Dachverband der ecuadorianischen Gewerkschaften (Frente Unitario de Trabajadores, FUT) und mehr als hundert zivilgesellschaftliche Gruppen für Donnerstag zu einem landesweiten Aktionstag aufriefen, verließ der Staatschef am Mittwoch das Land, um in Peru mit Putschpräsidentin Dina Boluarte zu konferieren. Vor seiner Abreise hatte der Bananenunternehmer am Dienstag noch zum dritten Mal den Ausnahmezustand über einen Teil des Landes verhängt, obwohl zwei vorangegangene vom Verfassungsgericht aufgehoben worden waren, das die Maßnahme für »nicht ausreichend gerechtfertigt« hielt. Ebenfalls am Dienstag begannen in Quito, Guayaquil und anderen Städten größere Proteste. Im Internet kursieren Bilder von Straßenblockaden, brennenden Reifen und Demonstranten mit Spruchbändern gegen die Abschaffung der staatlichen Subvention für Kraftstoffe. Dadurch kostet eine Gallone Benzin (3,79 Liter) statt 2,40 nun 2,70 US-Dollar. Ein Demonstrant erklärte – umgeben vom Rauch der brennenden Reifen –, dass die Maßnahme »mehr Menschen zur Armut verdammt«. Nachdem die Regierung im März bereits die Mehrwertsteuer von zwölf auf 15 Prozent angehoben hatte, sei dies »ein weiterer Schlag gegen die Familien«, hatte die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) bereits in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung protestiert. »Der IWF befiehlt, und Noboa gehorcht«, lautete ein Slogan der Demonstranten. Obwohl nämlich die Mehrheit der Bevölkerung Ende April in einem Referendum zwei Vorschlägen zum weiteren neoliberalen Umbau der Wirtschaft eine Abfuhr erteilt hatte, befolge der Staatschef blind die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds. Der Koordinator der indigenen Pachakutik-Partei, Guillermo Churuchumbi, hatte nach der damaligen Abstimmung darauf hingewiesen, dass vier von zehn jungen Menschen keine Arbeit hätten, fast sechs Millionen Ecuadorianer von drei Dollar und zwei Millionen von einem Dollar pro Tag lebten. 80 Prozent der Bevölkerung möchten auswandern. Da die informelle Arbeit 2023 bereits mehr als 50 Prozent der Wirtschaft ausmachte, ist keine Besserung in Sicht. Höhere Kraftstoffpreise dürften im Gegenteil nahezu alle Waren verteuern und die Spirale aus Armut, Hunger und Gewalt weiter vorantreiben…“ Artikel von Volker Hermsdorf in der Jungen Welt vom 5. Juli 2024 externer Link
  • „Der IWF befiehlt, (auch) Noboa gehorcht“: Nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer nun Proteste gegen Subventionskürzungen in Ecuador
    „Soziale Organisationen haben sich zu Protesten gegen die von der Regierung unter Staatspräsident Daniel Noboa angekündigten Senkung der Treibstoffsubventionen versammelt. Zu den Unterstützern der Protestaktionen, die in der vergangenen Woche in mehreren Städten stattfanden, gehörten Gewerkschaften, Studenten- und Frauenorganisationen sowie Sozial- und Rentnerverbände. Wirtschaftsminister Juan Carlos Vega rechnet mit einer Preiserhöhung von zehn Prozent für Extra und zwölf Prozent für Ecopaís. Mit dem Leitspruch „Der IWF befiehlt, Noboa gehorcht“ wollen die Demonstrierenden zum Ausdruck bringen, dass sich Noboa der Strukturanpassungslogik des Internationalen Währungsfonds unterworfen hat. Auch der größte Indigenenverband des Landes, Conaie, hat sich inzwischen klar gegen die Subventionskürzungen positioniert. Der Verband beklagt, dass die Kürzung der Treibstoffsubventionen das gleiche Konzept sei, das schon die Ex-Präsidenten Lenín Moreno und Guillermo Lasso angewandt hätten: „Wir bekräftigen die Einheit unserer Organisationsstruktur und die Anwendung des Rechts auf Widerstand gegen den von der Regierung geförderten Neoliberalismus“, so Conaie. (…) Die Ankündigung der Subventionskürzungen kam nur wenige Monate, nachdem am 12. März die Erhöhung der Mehrwertsteuer von zwölf auf 15 Prozent und weitere Steuererhöhungen in Kraft getreten waren.“ Beitrag von 17. Juni 2024 bei amerika21 externer Link („Proteste gegen Subventionskürzungen in Ecuador“)
  • Ecuador: Verhandlungen über Streikforderungen beendet, aber viele Fragen bleiben offen. Keine Einigung in zentralen Punkten wie Privatisierung kritischer Infrastruktur, Treibstoffpreise und Kriminalisierung sozialer Proteste
    „… Verhandelt wurde über eine Reihe von sozialpolitischen und ökologischen Forderungen, die von der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) aufgestellt und von zahlreichen Gewerkschaften, Studierenden sowie politischen und sozialen Organisationen unterstützt wurden. Vorausgegangen waren landesweite Streiks, Demonstrationen und Straßenblockaden. Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften kamen mindestens acht Personen zu Tode, zahllose weitere verletzt wurden (amerika21 berichtete externer Link). (…) Viele Punkte sind jedoch offen, so etwa die Verletzungen der Arbeitnehmer:innenrechte, die Wiedereinstellung der Ärzt:innen, die während der Corona- Pandemie entlassen wurden und die Kriminalisierung der sozialen Proteste. Ebenso konnten keine abschließenden Einigungen erzielt werden, wie es um die Privatisierung kritischer Infrastruktur steht. Ob die Angehörigen der getöteten Demonstrierenden eine Entschädigung bekommen, ist ebenfalls ungeklärt. Die wohl elementarste Frage ist jedoch die nach der Subventionierung der Treibstoffe. Daran hatten sich bereits im Oktober 2019 massive Proteste entzündet und auch für die Streiks im Juni waren sie der Auslöser. Gary Espinosa, Präsident der Fenocin, beklagte, dass die Regierung davon spreche, die Bedürftigen zu unterstützen, während in Wirklichkeit die Reichen profitieren würden. (…) Die Konflikte sind offenkundig. Eine weitere Gesprächsrunde ist bereits für den 25. Oktober angesetzt.“ Beitrag von David Keck am 23.10.2022 in amerika21 externer Link
  • [Ecuador] Der Kampf um ein Leben in Würde: Nach wochenlangen Protesten gibt es eine erste Einigung zwischen der CONAIE und der Regierung 
    „Fast drei Wochen lang legten die jüngsten Proteste in Ecuador die öffentliche Infrastruktur des Landes lahm. Sie wurden angeführt von der CONAIE, der Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors. Die Protestparteien hatten einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt, der die Bevölkerung in der aktuellen Krise entlasten und die Rechte der indigenen Nationalitäten schützen soll. Die Regierung reagierte zunächst mit brutaler Polizeigewalt und der Kriminalisierung der Protestierenden, musste am Ende jedoch deutliche Zugeständnisse machen. Der nationale Streik, zu dem verschiedene soziale Organisationen für den 13. Juni 2022 aufriefen, kam nicht ohne vorherige Ansage. Der ecuadorianische Präsident Guillermo Lasso, von der Mitte-rechts Partei CREO und seit etwas über einem Jahr im Amt, nutzte die Corona-Krise für die Durchsetzung neoliberaler Sparmaßnahmen. (…) Gemeinsam mit mehreren indigenen Verbänden des Landes, Gewerkschaften, Studierenden und weiteren sozialen Organisationen verkündete die CONAIE am 13. Juni in einer Pressemitteilung: „Die aktuellen Bedingungen sind unerträglich. Wir fordern mehr Arbeitsplätze sowie angemessene Einkommen in dem ‚Land der Möglichkeiten‘, das Präsident Lasso uns versprochen hat und in dem nur drei von zehn Ecuadorianerinnen eine Arbeitsstelle haben.“ Die zehn Forderungen der CONAIE, die im Vorfeld der Proteste veröffentlicht wurden und bereits Teil der bisherigen Dialogversuche mit der Regierung waren, sind eine Antwort auf die wachsende soziale Ungleichheit im Land.  (…) Die Regierung, wenn auch wieder nicht in direkter Vertretung durch ihren Präsidenten, nahm die Verhandlungen mit der CONAIE unter Vermittlung der Bischofskonferenz wieder auf. Einen Tag später wurde die Einigung zwischen den beiden Parteien und die damit verbundene Beendigung der Proteste bekannt gegeben. Die Regierung versprach eine sofortige Senkung der Treibstoffpreise um 15 US-Cent, eine Senkung der Lebensmittelpreise sowie die Einführung von Kontrollen, um Spekulation zu verhindern. Das Dekret 151 zum Bergbausektor soll reformiert werden und der Bergbau in geschützten und archäologischen Gebieten sowie in Wasserschutzgebieten untersagt. Außerdem muss das Recht der freien, vorherigen Konsultation der indigenen Bevölkerung gewährleistet werden. Das Dekret 95, welches die Verdopplung der Öl-Produktion in indigenen Territorien vorsah, wird zurückgenommen. Darüber hinaus einigten sich die Parteien darauf, die übrigen Vereinbarungen innerhalb der nächsten 90 Tage im Rahmen eines weiteren Dialoges zu evaluieren. Die indigene Bevölkerung Ecuadors, unterstützt von Gewerkschaften, Studierenden und weiteren sozialen Bewegungen, hat erneut gezeigt, dass sie eine Politik, von der nur die oberen Schichten des Landes profitieren, nicht akzeptiert und sich von Spaltungsversuchen sowie der Gewalt des Staatsapparates nicht einschüchtern lässt. Ihr Kampf geht weiter – für eine Politik, die dem Konzept des plurinationalen Staates, wie er in der ecuadorianischen Verfassung festgeschrieben ist, angemessen ist.“ Artikel von Anika Prinz in den Lateinamerika Nachrichten vom Juli/August 2022 externer Link
  • Nationalstreik in Ecuador – Inti Raymi des Widerstandes!
    Aus Tübingen erhielten wir die Übersetzung des folgenden Berichts von Aida Marcillo Perugachi, Ecuador, vom Protest der Bevölkerung gegen die ecuadorianische Regierung und gegen Inflation und Rechteabbau: Inti Raymi des Widerstandes!
    „Die indigene Bewegung Ecuadors, angeführt von der historischen CONAIE – Konföderation der indigenen Völker und Nationalitäten Ecuadors – hat von Beginn der Regierungszeit des Präsidenten Guillermo Lasso an, die Berücksichtigung der sozialen und öffentlichen Sektoren des Landes eingefordert, der Landwirtschaft, der Lehrer und der indigenen Völker. Es wurden Gelder für Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Reisbauern, usw. gefordert. Es wurden Runde Tische zwischen Regierung und indigener Bewegung eingerichtet, um die sozialen Forderungen zu konkretisieren. Doch während eines ganzen Jahres wurde kein Projekt, das den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht, konkretisiert. Die sozioökonomische Situation spitzt sich immer weiter zu, die Bevölkerung fordert die Regierung zum Handeln auf. Außerdem braucht das öffentliche Gesundheitssystem Geld, da es kurz vor dem Kollaps steht, ohne Medikamente, ohne spezialisiertes Personal, und mit noch viel weniger technologischer Ausstattung. Wahlversprechen, wie die Reform des Interkulturellen Gesetzes, wurden nicht umgesetzt. Gemäß den Ergebnissen des SENECYT, wird Zugang zum Studium geregelt, doch es gibt noch viele Schüler, die nicht einmal mit der Oberschule fortfahren können. Die CONAIE rief ihre Basisorganisationen ECUARUNARI, CONFENAI und CONAICE zur Mobilisierung auf. Gemeinsam riefen sie alle organisierten sozialen Sektoren auf, sich anzuschließen. So wurde der nationale Streik für den 13. Juni 2022 angekündigt. Die zehn Punkte des Aktionsplans zeigen reale Probleme auf, mit denen die große Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung leben muss: teurer Treibstoff, Hospitäler ohne Medikamente, geringe Preise für Produkte vom Land, usw. Die Regierung antwortete mit Tränengas. (…) Zusätzlich zur Gewalt seitens der Regierung bei diesem nationalen Streik, konnten wir feststellen, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten keine Fortschritte gemacht haben und sich nicht modernisiert haben. Sie hängen immer noch im kolonialistischen und rassistischen Geist fest, wie vor 50 oder 100 Jahren. Sie glauben immer noch, dass das Blut und das Geld über dem Recht stehen; dass die einen dazu bestimmt sind zu regieren und der Rest zu arbeiten und zu gehorchen; dass das souveräne Volk die ungerechte Ordnung und Autorität nicht anfechten kann und noch viel weniger versuchen kann, diese koloniale Mentalität und Praxis zu ändern. Das Versprechen und Angebot der Regierung zum Dialog wurde ständig durch ihre Taten Lügen gestraft: die gewaltsame Repression hat sechs Menschenleben gekostet. Hunderte wurden verletzt und verhaftet. Die neuen Dekrete, die Privatisierungen und die Entlassung von öffentlichen Angestellten beinhalten, greifen das Gesetz an und richten sich gegen die Würde der Menschen, die um ihre Rechte kämpfen. (…) Nach 18 Tagen der nationalen Mobilisierung, nach Gewalt seitens der Polizei und des Militärs, nahm die Regierung, vertreten durch ihren Regierungsminister, nach Vermittlung der katholischen Kirche,den Dialog wieder auf. Das sind die Erfolge nach 18 Tagen Widerstand…“ Ein Bericht an SI Tübingen vom 21. Juli 2022 externer Link
  • »Ecuador ist quasi ständig auf der Straße« 
    „… Es sind keine ermutigenden Aussichten für uns. Einerseits ist die Regierung ein Jahr nach ihrem Amtsantritt stark geschwächt mit einer Unterstützung in der Bevölkerung von nur etwa 20 Prozent. Der Präsident wird unberechenbar sein in seinem Vorgehen, und ich bezweifle sehr, dass er die Legislaturperiode beenden wird. Die Herausforderungen für das gesamte Land sind groß. Die gesamte Wirtschaft des Landes war in den vergangenen 50 Jahren auf Öl aufgebaut, und seit 2005 sinkt die Fördermenge, obwohl sogar im Yasuní-Nationalpark die Ölförderung erlaubt wurde. In wahrscheinlich fünf Jahren wird Ecuador Nettoimporteur von Kraftstoffen sein, und die Eliten versuchen deshalb, das Öl durch den Bergbau zu ersetzen. Auch der Krieg in der Ukraine trifft Ecuador hart, weil die Düngemittelkosten gestiegen sind und Russland wichtiger Abnehmer von Blumen und Bananen ist. Es werden Jahre des Kampfes und der Auseinandersetzung sein, und dabei setzen wir auf die soziale Organisation.“ Interview von Elias Korte in der jungen Welt vom 18. Juli 2022 externer Link mit José Cueva von Observatorio Ambiental y Social del Norte de Ecuador
  • Indigenenverband und Regierung in Ecuador verhandeln über Forderungen des Generalstreiks 
    „… Am Mittwoch haben die Verhandlungen zwischen Vertreter:innen der Regierung und der indigenen Gemeinschaften Ecuadors begonnen. Zuvor hatte Präsident Guillermo Lasso den Initiator:innen des Generalstreiks vorgeworfen, den Streik mit 15 Millionen US-Dollar aus dem Drogenhandel finanziert zu haben. Die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) wies dies entschieden zurück. Der 18 Tage andauernde Streik sei ausschließlich durch die große Solidarität der Bevölkerung möglich gewesen. Der Verband verwies dabei auf das traditionelle indigene Konzept der Minga als „wechselseitiger solidarischer Gemeinschaftsarbeit zur Erreichung eines übergeordneten Zieles im Interesse der Allgemeinheit“. In ihrer Stellungnahme warf Conaie Lasso Ignoranz gegenüber den Organisationsformen indigener Völker sowie die bewusste Stigmatisierung des legitimen sozialen Protests gegen neoliberale Reformen vor. Auch die Konföderation der indigenen Nationalitäten des ecuadorianischen Amazonasgebietes (Confeniae) forderte neben weiteren politischen und juristischen Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen, die Rücknahme der Anschuldigungen. (…) Die Verhandlungen starten genau einen Monat nach dem Beginn der Proteste und sind für 90 Tage angesetzt. An zehn „Runden Tischen“ sollen Delegierte von Conaie und Regierung die zehn Forderungen des Streiks diskutieren. Es geht um folgende Themen: 1. Die Subventionen für Treibstoffe 2. Das öffentliche und private Bankwesen. 3. Die produktive Entwicklung 4. Beschäftigung und Arbeitsrechte 5. Energie und natürliche Ressourcen 6. Kollektivrechte und Hochschulbildung 7. Schutz der nationalen Investitionen 8. Preiskontrollen 9. Zugang zur Gesundheitsversorgung 10. Sicherheit (…) Eine große Frage lautet, ob die von der Regierung propagierte „Strategie der nationalen Erneuerung“ dazu beitragen wird, die Themen produktiv anzugehen. Im Rahmen dieser Strategie wurden vergangene Woche die Ressorts für Wirtschaft und Finanzen, Gesundheit, Verkehr und öffentliche Arbeiten sowie Technologie und Wissenschaft neu besetzt. Auffällig ist, dass gerade die Minister im Amt bleiben, die während der Proteste seitens der Demonstrierenden massiv kritisiert wurden: Innenminister Carrillo, Regierungsminister Francisco Jiménez und Verteidigungsminister Luis Lara. Die Conaie fordert entsprechend auch die Rücktritte von Carrillo und Lara. Doch dass Lasso dem nachkommen wird, ist nahezu ausgeschlossen. Öffentlichkeitswirksam verkündete er kürzlich, dass er für die nächsten fünf Monate sein Gehalt, insgesamt etwa 25.000 US-Dollar, an die Familie des Soldaten spenden werde, der im Rahmen der Proteste zu Tode gekommen war und demonstrierte damit erneut, dass er hinter den Sicherheitskräften des Landes steht. So verhärten sich erneut die Fronten zwischen den Verhandlungsparteien, die sich in einer gemeinsamen Erklärung vom 30. Juni nach einem 18-tägigem Generalstreik mit mindestens sechs Todesopfern und hunderten Verletzten zu Verhandlungen bereit erklärt hatten.“ Beitrag von Anna Thimme und David Keck vom 14. Juli 2022 bei amerika21 externer Link, siehe auch:

    • [Ecuador] Pandemie, Prekarisierung und Paro
      „In Ecuador gingen in einem landesweiten Streik 18 Tage lang überall Menschen auf die Straßen. Mit Straßenblockaden und Demos legten sie bis zum 30. Juni große Teile des Landes lahm. Sie riefen: „Mindestlohn dem Präsidenten, damit er merkt, wie sich das anfühlt!“ Dabei kann man in Ecuador von Glück reden, wenn man den Mindestlohn von monatlich 425 Dollar verdient. Laut Zahlen des nationalen Statistikinstituts haben nämlich nur drei von zehn Ecuadorianer*innen eine sogenannte würdige Arbeit, verdienen also den Mindestlohn oder mehr. Die monatlichen Lebenshaltungskosten für eine vierköpfige Familie übersteigen diesen Mindestlohn aktuell um über die Hälfte. Zu den landesweiten Streiks hatten verschiedene indigene Organisationen aufgerufen, darunter der indigene Dachverband CONAIE. (…) Indigene, Bäuer*innen, Arbeiter*innen und Frauen sind besonders vom neoliberalen Sparkurs betroffen – eine Antwort auf die Wirtschaftskrise, in der sich Ecuador seit 2018 befindet. (…) Und dann kam 2020 die Covid-19-Pandemie. Es ist kein Geheimnis, dass sie Volkswirtschaften auf der ganzen Welt vor Herausforderungen stellte. In Ecuador traf sie jedoch auf ein Land in der Krise, in dem die neoliberale Strukturanpassung bereits in Gang war. Eine Maßnahme war etwa das sogenannte Gesetz zur humanitären Unterstützung. Im Grunde handelt es sich um ein Flexibilisierungsgesetz, das Arbeitsbedingungen prekarisiert hat. Es erlaubt zum Beispiel fristlose Kündigungen aufgrund „höherer Gewalt“. In einem Bericht von September 2021 ließ die Regierung verlauten, dass von März bis Dezember 2020 umgerechnet über eine halbe Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen sind und über eine Millionen Menschen in dem 17-Millionen-Einwohner*innen-Land in extreme Armut gerutscht sind. (…) Die CONAIE und andere Organisationen legten daher zu Beginn der landesweiten Streiks einen Katalog mit zehn Forderungen vor. (…) Zugleich wurden die Massenproteste vor allem in den Provinzen des Andenhochlands und Amazonasgebiets kriminalisiert und mit polizeilicher Repression unterdrückt. Eine Allianz verschiedener Menschenrechtsorganisationen zählt dutzende Menschenrechtsverletzungen. Über 300 Menschen wurden verletzt, fünf Protestierende und ein Soldat kamen ums Leben. Es ist eine bittere Bilanz, die nach 18 Streiktagen bleibt. Die schließlich erzielten Ergebnisse der Verhandlungen werden kontrovers besprochen. Die einen feiern sie als Sieg, für andere bleiben sie hinter den Erwartungen zurück. Unter anderem wurde eine leichte Herabsenkung des Spritpreises, der Erlass von Schulden in geringer Höhe sowie der Schutz indigener und Naturschutzgebiete vor Rohstoffausbeutung vereinbart. Anfang Oktober 2022 soll die Umsetzung der Vereinbarung evaluiert werden. Sei die nicht zufriedenstellend, werde man erneut auf die Straßen gehen, kündigten die Indigenenverbände an.“ Beitrag von Mirjana Jandik vom 10. Juli 2022 bei npla.de externer Link
    • Hörenswert dazu der ca. 7-minutige Audiobeitrag „Massenproteste gegen Prekarisierung und für indigene Rechte“ externer Link Audio Datei
  • Nach 18 Tagen von der Indigenenbewegung angeführten Proteste: Einigung in Ecuador zwischen Protestierenden und Regierung 
    10-Punkte-Plan wurde unter Vermittlung der Bischofskonferenz vereinbart. Indigene Bewegung beendet Mobilisierung. Für die nächsten 90 Tage wird ein Dialogtisch eingesetzt
    Vom 13. bis zum 30. Juni kam es in weiten Teilen des Landes zu massiven Demonstrationen und Straßenblockaden, insbesondere in den mehrheitlich von Indigenen bevölkerten Provinzen Cotopaxi, Imbabura und Pichincha mit der Hauptstadt Quito (amerika21 berichtete externer Link). Dabei starben sechs Personen, mehrere Hundert wurden verletzt. Am 17. Juni verhängte Lasso den Ausnahmezustand, der nächtliche Ausgangssperren, Versammlungsverbote und den möglichen Einsatz des Militärs beinhaltete. Auch Gewerkschaften und Studierende schlossen sich den Protesten an.
    Die zehn zentralen Forderungen der Protestierenden beziehen sich insbesondere auf die Verbesserung der für große Teile der Gesellschaft prekären Lebensbedingungen. Zu den Forderungen gehören eine Subvention auf Kraftstoffpreise, der die Regierung mit einer sofortigen Senkung um 15 US-Cents nachkam, sowie eine Senkung der Lebensmittelpreise. Für letztere sollen nun Kontrollen eingeführt werden, um Spekulation zu verhindern. Auf dem Weg zur Aufhebung des Ausnahmezustandes beendet ein Regierungsdekret erst einmal nur die Ausgangssperren in den betroffenen Provinzen, so die Zeitung El Comercio. Das Regierungsdekret 95 zur Erdölpolitik wird aufgehoben, und das Dekret 151 zum Bergbausektor reformiert. Der „Aktionsplan für den Bergbausektor“ soll künftig enthalten, dass in indigenen, in als immateriell deklarierten oder archäologischen Gebieten sowie in Wasserschutzgebieten kein Bergbau betrieben werden darf. Die Anwendung der Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur freien, vorherigen und informierten Befragung von indigenen Bevölkerungen, die von Ressourcenabbau betroffen sind, soll gewährleistet werden. Im Gegenzug für die Zugeständnisse erklären die indigenen Organisationen in einer Pressemitteilung „die Einstellung der Mobilisierungen im ganzen Land und die schrittweise Rückkehr in ihre Gebiete sowie die Aussetzung aller Handlungen, die den Frieden und die öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnten.“ (…) Die Regierung hat sich verpflichtet, die übrigen Vereinbarungen innerhalb der nächsten 90 Tage einzuhalten und weiterzuverfolgen. Während dieser Zeitspanne soll ein Dialogtisch zur Umsetzung und Klärung offener Fragen eingerichtet werden. Für den Fall, dass sie nicht erfüllt werden, hat die indigene Bewegung erneute Proteste angekündigt. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte Ecuadors, dass es die indigene Bewegung mit der Unterstützung breiter Bevölkerungsschichten schafft, ihre Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit gegenüber der Regierung durchzusetzen.“ Bericht von Alexandra Schmeil vom 03.07.2022 bei amerika21 externer Link, siehe auch:

    • Ecuador: Indigene feiern Erfolg – Regierung und Conaie vereinbaren Abkommen. Protestierende kehren in Herkunftsgemeinden zurück
      „Die Proteste in Ecuador sind beendet. Am Donnerstag (Ortszeit) haben sich die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) und die Regierung des rechtsgerichteten Präsidenten Guillermo Lasso auf ein Abkommen geeinigt. Die Protestierenden, die seit 18 Tagen auf den Straßen waren, fuhren am Abend – teilweise unter dem Jubel der Bevölkerung – wieder aus der Hauptstadt Quito in ihre Herkunftsgemeinden. Das unter Vermittlung der katholischen Bischofskonferenz (CEE) zustande gekommene Abkommen enthält mehrere Zusagen der Regierung und eine Reihe von Punkten, die in den kommenden drei Monaten in einem »Dialog zur Lösung der verbleibenden Probleme« verhandelt werden sollen. Unter anderem erklärte die Regierung, dass die Treibstoffpreise stärker als angekündigt gesenkt werden. Benzin soll künftig pro Gallone – das entspricht 3,78 Litern – 2,40 US-Dollar (2,30 Euro) und Diesel 1,75 Dollar kosten. Der am 17. Juni in Kraft gesetzte Ausnahmezustand soll wieder aufgehoben und thematische Verhandlungskommissionen sollen zu einem zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog der indigenen Bewegung eingerichtet werden. Die vor allem von der Conaie organisierten landesweiten Proteste hatten sich zunächst gegen die Verschlechterung der sozialen Lage durch drastisch gestiegene Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff gerichtet. Am 13. Juni rief die indigene Dachorganisation zu landesweiten Demonstrationen und Blockaden auf, die von Gewerkschaften und sozialen Organisationen unterstützt wurden. Neben einer Senkung der Treibstoffpreise forderten die Protestierenden auch höhere Ausgaben für Bildung und Gesundheit, einen verbesserten Schutz der Ökosysteme sowie den Verzicht auf Privatisierungen. (…) »Nur der Kampf hat uns zu Rechten verholfen! Wir haben Ergebnisse in der Zehn-Punkte-Agenda des Landes erzielt, wir haben Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und bildungspolitischen Lage der bedürftigen Familien auf dem Land und in der Stadt ergriffen, und wir haben die Dekrete zum Schutz des Lebens gesenkt«, erklärte Conaie nach der Unterzeichnung des Abkommens. Wie der Nachrichtensender Telesur meldete, informierten die Vertreter der indigenen Bewegung »über die Aussetzung der Mobilisierungen und die schrittweise Rückkehr in ihre jeweiligen Territorien«. Wir haben »Fortschritte bei den vorrangigen Themen der nationalen Agenda erzielt und deshalb die erste Etappe des ecuadorianischen Nationalstreiks offiziell beendet«, betonte die Conaie über den Twitter-Account der Organisation.“ Artikel von Volker Hermsdorf in der Jungen Welt vom 2. Juli 2022 externer Link
  • Indigene Menschen kämpfen in Ecuador auf den Straßen gegen die neoliberale Sparpolitik
    Die Proteste der indigenen Menschen in Ecuador bringen Tausende auf die Straße, um gegen die Austerität zu demonstrieren. Am Montag gab es einen ersten kleinen Erfolg. Am 13. Juni rief die indigene Bewegung Ecuadors, vor allem die CONAIE (Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors), soziale Organisationen, Bauernorganisationen, Studierende und Teile der Arbeiter:innenbewegung zu massiven Protesten gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise auf. Die indigenen Gemeinschaften sind mit den Folgen einer extraktivistischen Politik konfrontiert, die ihre Gebiete über Bergbauverträge an Unternehmen abgibt, welche zugleich die Kraftstoffpreise in einem Öl produzierenden Land erhöhen. Seit 15 Tagen sind in ganz Ecuador die Straßen verbarrikadiert und massive Proteste haben die Wirtschaft zum Stillstand gebracht. Die Hauptverkehrsstraßen in die Hauptstadt Quito wurden blockiert und das Land steht nun vor einer Lebensmittel- und Treibstoffknappheit…“ Beitrag aus La Izquierda Diario am 28. Juni 2022 bei Klasse Gegen Klasse externer Link
  • GLOBALE FEMINISTISCHE AKTION FÜR ECUADOR AM 25. JUNI 2022
    Plurinationale, vielfältige, internationale Feministinnen: Wir rufen zu dringenden Aktionen in Solidarität mit dem ecuadorianischen Volk auf, das von der Regierung brutal angegriffen wird. Wo auch immer Sie sind, lassen Sie uns am 25. Juni 2022 gemeinsam unsere Stimme erheben“ engl. Tweet von Diana Vela Almeida vom 25. Juni 2022 externer Link
  • Mischung aus Zugeständnissen und Repressionen seitens der Regierung lassen tiefere Probleme unangetastet – Proteste gehen weiter
    „… Seit dem 13. Juni sieht sich die ecuadorianische Regierung von Guillermo Lasso, einem konservativen ex-Banker der seit Mai 2021 im Amt ist, mit einer Protestwelle konfrontiert. Mit Strassenblockaden, Besetzungen von Regierungsgebäuden und Demonstrationen wird im ganzen Land gegen die hohen Treibstoffpreise und die Verschlechterung der Lebensverhältnisse protestiert. An der Spitze der Proteste steht wieder einmal die CONAIE – der Dachverband der indigenen Nationalitäten Ecuadors. Sie hat 10 Forderungen aufgestellt, die als linke Reformen gegen die neoliberale Politik der Regierung bezeichnet werden können. Dazu gehören der Stopp des Bergbaus in indigenen Gebieten, die Senkung der Treibstoffpreise, bessere Arbeitsbedingungen, die Schulden für über vier Millionen Familien zu stunden, fairere Preise für landwirtschaftliche Produkte und mehr Geld für Bildung und das Gesundheitssystem.  Als Antwort auf die Proteste verhängte die Regierung am 17. Juni in den Provinzen Cotopaxi, Imbabura und Pichincha den Ausnahmezustand. Er soll zunächst für 30 Tage gelten. Die Polizei und das Militär wurden beauftragt, Menschenansammlungen aufzulösen. In der Hauptstadt Quito herrscht zwischen 22 und 5 Uhr eine Ausgangssperre, um, laut dem Präsidenten „die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren“. Doch die Protestierenden liessen sich davon nicht beeindrucken. Über das Wochenende gingen die Mobilisierungen weiter und mehrere indigene Märsche bewegen sich in Richtung Hauptstadt. Der Konflikt hat eine entscheidende Woche vor sich. (…)
    Doch es wird der Regierung nicht möglich sein, die indigene Bewegung zu zerschlagen. Eine Mischung aus Konzessionen und Repression zeichnet sich als der gangbarste Weg ab. So kündigte Präsident Lasso wenige Tagen nach dem Beginn der Proteste einen Schuldenerlass der staatlichen Entwicklungsbank für Kredite unter 3000 Dollar sowie eine geringfügige Erhöhung der Sozialleistungen an. Doch das war bei Weitem nicht genug, um die Wut der Strasse zu bändigen. Die Situation bleibt weiterhin angespannt und könnte jederzeit kippen. Es ist auch gut möglich, dass dies der Anfang vom Ende der Regierung Lasso ist. (…)
    Die mangelnde soziale Infrastruktur, das miserable öffentliche Gesundheitssystem und die grassierende Armut sind seit jeher ein grosses Problem in Ecuador. Laut dem Nationalen Statistikinstitut leben fast 30% der 18 Millionen Einwohner:innen in Armut – ein Grossteil davon gehört zur indigenen Bevölkerung. Hinzu kommt, dass viele Menschen im informellen Sektor arbeiten, unterbeschäftigt oder arbeitslos sind…“
    Artikel von M. Lautréamont / ajour-mag.ch, erschienen am 27. Juni 2022 auf Untergrundblättle externer Link („Ecuador: Neue Protestwelle und konstante Instabilität“), siehe auch:

    • Wir können nicht erst nächstes Jahr etwas essen. Landesweiter Streik gegen weitere Neoliberalisierung in Ecuador
      „… „Die Protestierenden werden als Vandalen und Kriminelle bezeichnet. Dabei wissen wir doch alle, dass das wirklich Kriminelle ist, dass es keine würdigen Lebensbedingungen gibt.“ (…) Guadalupe Zhingri ist Kichwa Indigene, Lehrerin und Gewerkschaftsmitglied. Wie viele andere nimmt sie am 16. Juni an einer Demonstration in der südlichen Andenstadt Cuenca teil. Dort berichtet sie, wie die steigenden Lebenshaltungskosten und Kürzungen im Bildungssystem ihren Alltag betreffen: „Unser Gehalt als Lehrer*innen wurde seit 14 Jahren nicht erhöht. Für die steigenden Lebensmittelpreise reicht mittlerweile kein Lohn mehr aus. Der Präsident sagt, nächstes Jahr werden unsere Löhne erhöht. Aber da frage ich: Sollen wir dann erst nächstes Jahr essen? Nein, wir brauchen jeden Tag etwas auf dem Tisch.“ Liz Zhingri, feministische Aktivistin und nicht verwandt mit Guadalupe, unterstreicht das in Zahlen: „In Ecuador haben nur drei von zehn Personen eine würdige Arbeit. Davon verdienen viele nur den Mindestlohn, aber die monatlichen Lebenskosten übersteigen diesen Mindestlohn. Die Prekarisierung wird immer stärker, die Lebensmittel werden immer teurer. In nur einem Monat haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel wie Öl und Reis verdoppelt, und sie steigen weiter.“ (…) Angesichts dieser Realitäten im Land legten verschiedene indigene Verbände, darunter die Vereinigung indigener Nationen CONAIE, zu Beginn der landesweiten Proteste zehn klare Forderungen zu Themen wie Lebenshaltungskosten, Arbeitsbedingungen, Bildung und Gesundheit vor: (…) 1. Festsetzung der Preise für Diesel bei 1,50 Dollar und Benzin bei 2,10 Dollar pro Gallone sowie gezielte Treibstoffsubventionen für besonders vulnerable Gruppen – 2. Einjähriges Schuldenmoratorium in öffentlichen, privaten und kooperativen Banken und Schuldenerlass für Kleinbäuer*innen und mittlere Produzent*innen – 3. Faire Preise für Nahrungsmittel in allen drei Regionen des Landes, Landwirtschaftssubventionen und keine weiteren Freihandelsverträge – 4. Beschäftigung, Arbeitsrechte, Freiheit der Gewerkschaftsbildung und -mitgliedschaft und Organisierung der Arbeiter*innenklasse – 5. Keine Ausweitung von Bergbau und Erdölförderung, Anhörung und Reparationen für entstandene Schäden, insbesondere auf indigenem Territorium – 6. Garantie der 21 kollektiven Rechte indigener Völker und Nationen, darunter interkulturelle und bilinguale Bildung, indigene Justiz, vorherige freie und informierte Zustimmung bei Großprojekten auf indigenen Territorien, indigene Organisierung und Selbstbestimmung – 7. Schluss mit der Privatisierung von Schlüsselsektoren – 8. Kontrolle von Preisentwicklung und Spekulation bei Grundnahrungsmitteln – 9. Sicherstellung des Zugangs zu Bildung und Gesundheit, Investitionen in diesbezügliche Infrastruktur und Ausstattung – 10. Effektive Maßnahmen gegen die steigende Gewalt und Unsicherheit, den Drogenhandel und das organisierte Verbrechen“ Beitrag von Mirjana Jandik vom 27. Juni 2022 aus dem Lateinamerika-Magazin ila 457 externer Link
    • Siehe für Berichte und Fotos/Videos: #ParoNacional2022Ec 
  • Zwei Tote, zahlreiche Verletzte und Festnahmen bei Demonstrationen: Gewalt in Ecuador eskaliert, Proteste reißen nicht ab
    Die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) stellt der Regierung Bedingungen für einen Dialog, um die seit dem 13. Juni anhaltenden massiven Proteste zu beenden. Conaie-Präsident Leonidas Iza fordert die Aufhebung des Ausnahmezustandes, der seit dem 17. Juni gilt sowie die Entmilitarisierung des El Arbolito-Parks im Norden von Quito. Dort wollen die Anführer:innen der Proteste eine Versammlung abhalten und über das Angebot der Regierung beraten. Präsident Guillermo Lasso hatte vor einigen Tagen eine Reihe sozialpolitischer Maßnahmen angekündigt (…) Seit dem 13. Juni ist die Lage in Ecuador immer weiter eskaliert. An diesem Tag begannen die von Conaie angeführten Demonstrationen und Straßenblockaden, um Druck für einen Katalog von zehn sozialen und politischen Forderungen ‒ darunter Preissenkungen und Stopp der Privatisierungen ‒ auf die Regierung auszuüben. Tausende Indigene im Land beteiligen sich daran, Studierende und mehrere Gewerkschaftsverbände haben sich angeschlossen. Auslöser der Proteste ist die massive Verschlechterung der sozialen Situation aufgrund drastisch gestiegener Preise vor allem für Nahrungsmittel und Treibstoffe. Die Regierung verhängte daraufhin am 17. Juni den Ausnahmezustand in den Provinzen Cotopaxi, Imbabura und Pichincha, der nun auch auf Chimborazo, Tungurahua und Pastaza ausgeweitet wurde. Dies bedeutet unter anderem nächtliche Ausgangssperre und ein Versammlungsverbot, die Regierung kann das Militär in diesen Regionen einsetzen. (…) In Puyo in der Provinz Pastaza ist am Dienstag ein Mensch zu Tode gekommen. Lokale Medien berichten, dass das Opfer von einer Tränengasgranate der Polizei getroffen wurde. Die Polizei bestreitet dies und erklärte, das Opfer sei vielmehr durch das unsachgemäße Hantieren mit einem Sprengsatz umgekommen. Innenminister Carrillo beklagte außerdem, dass bei Protesten vor einer Polizeistelle in Puyo drei Polizist:innen durch Demonstrant:innen festgesetzt worden seien, 18 weitere würden vermisst. Am Tag zuvor war ein junger Mann bei Protesten im Norden von Quito ebenfalls zu Tode gekommen. Menschrechtsorganisationen prangerten am Montag 74 Fälle von Verletzungen der Menschenrechte an. Ebenso melden studentische und soziale Organisationen zahlreiche Verletzte durch Polizeieinsätze in mehreren Universitäten in Quito, wobei auch Tränengas eingesetzt externer Link wurde. Videos externer Link von Auseinandersetzungen externer Link zwischen Sicherheitskräften und Demonstrant:innen füllen externer Link die sozialen Netzwerke. Conaie-Präisdent Iza, auf dessen geparktes Auto am vergangenen Wochenende geschossen wurde, rief die Kommandanten von Militär und Polizei dazu auf, nicht gegen das Volk zu kämpfen…“ Artikel von David Keck vom 23.06.2022 in amerika21 externer Link – siehe für laufende Berichte und Videos Indymedia Ec auf Twitter externer Link
  • Ecuador: Massenaufstand für Einfrieren der Spritpreise und Erlass der Schulden wird mit Repression beantwortet
    … Am letzten Montag hatte der indigene Dachverband CONAIE in Ecuador zu einem unbefristeten Streik aufgerufen. Anlass war der erste Jahrestag seit Amtsantritt des amtierenden Präsidenten Guillermo Lasso. Die Proteste richten sich insbesondere gegen seine Regierungspolitik. So fordern die Demonstrant:innen unter anderem ein Einfrieren der Spritpreise und einen Erlass der Schulden für mehr als vier Millionen Familien. Zudem sollen Preise für landwirtschaftliche Produkte festgesetzt werden. Auch soll das Selbstbestimmungsrechts der indigenen Völker, geachtet werden die einen bedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachen. (…) Die Proteste griffen schnell von den indigenen Völkern auf die gesamte Arbeiter:innenklasse über. Die maoistische Front zur Verteidigung der Kämpfe des Volkes (FDLP-EC) spricht von einem „Arbeiter-, Bauern- und Volksaufstand“. Im Verlauf der Proteste kam es zu mehreren militanten Aktionen. So wurden Straßen blockiert und im Amazonasgebiet des Landes wurden zwischenzeitlich mehrere Erdölanlagen durch Demonstrant:innen übernommen. (…) Der Staat hat bisher mit kleinen Zugeständnisse reagiert. So hat die Regierung mit der Einrichtung von Luftbrücken zwischen verschiedenen großen Städten begonnen, um die Versorgungssituation mit Medikamenten und Nahrungsmitteln zu verbessern. Auch ein Schuldenerlass wurde angekündigt, jedoch nur für Kredite unter 3000 Dollar. Dagegen ist die hauptsächliche Antwort der Regierung Repression: Bereits am Freitag wurde von Lasso ein Ausnahmezustand in den Provinzen Pichincha, Cotopaxi und Imbabura verhängt. Das betrifft auch die Hauptstadt Quito. Damit gilt nun eine nächtliche Ausgangssperre sowie ein Verbot von Protesten. Mit Begründung dieses Ausnahmezustands wurde auch ein indigenes Kulturzentrum in Quito am Sonntag von der Polizei bewaffnet geräumt. Dieses gilt als Hauptquartier der Protestbewegung. Zudem wurde zwischenzeitlich eine der Führungsfiguren der CONAIE, Leonidas Iza, festgenommen. Bereits nach einem Tag wurde er jedoch wieder freigelassen. Am heutigen Montag werden weitere Proteste sowie die Anreise zahlreicher Menschen aus der Provinz nach Quito erwartet.“ Bericht vom 20 Juni 2022 von und bei Perspektive online externer Link, siehe auch:

  • Indigene in Ecuador: Streik für Selbstbestimmung
    Zu Beginn ihrer landesweiten und unbefristeten Proteste gegen die rechte Regierung von Präsident Guillermo Lasso haben Indigene in Ecuador zahlreiche Straßen blockiert. In mehreren Teilen des Landes errichteten sie Barrikaden und stoppten den Verkehr auf Fernstraßen, wie der Verband der indigenen Völker (Conaie) am Montag (Ortszeit) mitteilte. Auch in der Hauptstadt Quito (Bild) demonstrierten Menschen gegen Lassos Wirtschaft- und Umweltpolitik. Sie fordern unter anderem, das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker zu achten.“ Agenturmeldung in der jungen Welt vom 15.06.2022 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=192567
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