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Arbeitsquarantäne – ist das legal?

Dossier

Coronavirus, die Hetze und der Ausnahmezustand: China im ShitstormOb das Infektionsschutzgesetz vorsieht, dass bei häuslicher Isolation auch dem Job nachgegangen werden darf, ist nicht eindeutig. Was haben Fußballer, Pflegekräfte und Saisonarbeiter*innen gemeinsam? Sie alle mussten schon einmal in sogenannte Arbeitsquarantäne. Gemeint ist, dass Menschen, die mit Corona-Infizierten in Kontakt waren, ihre Wohnstätte nur verlassen dürfen, um ihren Arbeitsplatz aufzusuchen. Öffentliche Busse oder Züge dürfen sie allerdings nicht nutzen. (…) Die sind nicht zur Weitergabe der Information verpflichtet. Deshalb ist kaum nachzuverfolgen, wie oft und welche Betriebe davon schon Gebrauch gemacht haben. (…) Hauptsächlich trifft sie jedoch ausländische Wanderarbeiter*innen in der Lebensmittelbranche. Sprich: Fleisch und Ernte. (…) Gewerkschaften wie die IG Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) zweifeln, dass das rechtmäßig ist. Auch Frank Schmidt-Hullmann, früher beim Bundesvorstand der IG BAU für Rechtspolitik und Europa zuständig, spricht von einer »diskriminierenden Maßnahme«, da vor allem Migrant*innen betroffen seien…“ Artikel von Johanna Treblin vom 14.05.2021 im ND online externer Link – siehe dazu:

  • [Statt Nurse-Patient-Ratio] Arbeit trotz Krankheit? Kein Problem! New
    Nach dem angekündigten Wegfall des Arbeitsschutzes und einer damit möglichen 60-Stunden Woche für Pflegende sorgte die Gesundheitspolitik für erneute Negativ-Schlagzeilen. Diesen Montag führte eine Aussage der regierenden Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey zu erneuter Fassungslosigkeit unter beruflich Pflegenden.
    Ein positiver Corona Test soll nun laut der SPD-Politikerin kein Grund mehr sein, zwingend der Arbeit fern zu bleiben. Konkret gehe es darum, Corona-positive Pflegekräfte, die symptomfrei sind weiterarbeiten zu lassen, wenn sonst nicht genug Personal verfügbar wäre. “Im Moment sei diese Notlage nicht erreicht”, so die Politikerin im RBB Radio Montag. Anhand welcher Studien oder Statistiken Giffey fest macht, das momentan genug Personal vorhanden sei, bleibt dabei fraglich. “Es ginge hier wirklich um den Not-Not-Notfall, aber es ist immer ein Abwägungsprozess”, hieß es im Nachsatz. Ein wirksames Instrument den Personalbedarf im Krankenhaus zu bemessen, anhand dessen dann Maßnahmen wie Bettensperrung oder Stationsschließungen ergriffen werden können, wird weiterhin von der Regierung blockiert. Während jede einzelne Pflegekraft schon seit Jahren die Unterbesetzung in deutschen Krankenhäusern mitträgt, müssen wir uns nun das anhören.
    Die Würde und in diesem Fall sogar die körperliche Unversehrtheit der gestern noch als systemrelevant und unersetzlich gelobten Pflegekräfte wird damit erneut mit Füßen getreten. Nebenbei wird die Gefährdung der Patient*innen billigend in Kauf genommen und darüber hinaus werden durch zahlreiche Studien bewiesene Tatsachen von einer ranghohen Politikerin der SPD (!) schlicht geleugnet (s. bspw. I. Özlu 2020: Pandemie trifft Pflegenotstand). Parallel lassen wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Situation für Pflegende wie eine radikale Erhöhung der Gehälter oder die Einführung einer Nurse-Patient-Ratio die zwingende Schritte bei Unterschreitung nach sich zieht auf sich warten. Für uns kann das nur bedeuten: Geht demonstrieren, engagiert euch gewerkschaftlich, geht streiken!“ Kommentar vom 02.02.22 der Pflegegewerkschaft BochumerBund (per e-mail) zur Aussage Franziska Giffeys Corona-positive Pflegekräfte weiter arbeiten zu lassen.
  • Arbeitsquarantäne: Zum Job gehen trotz Corona-Infektion? 
    Politikerin Giffey meint: Wer symptomfrei ist, soll trotz Corona-Infektion arbeiten – zumindest in kritischen Infrastrukturen. Teilweise können Arbeitgeber schon jetzt verlangen, dass Infizierte ihren Job ausüben. Trotz Corona zur Arbeit? Diesen Vorstoß hat die SPD-Politikerin Franziska Giffey gemacht. Sie ist nicht die erste.
    Giffey kann sich vorstellen, dass Corona-Infizierte ohne Symptome zur Arbeit kommen sollen. Der Vorschlag gilt, wenn sehr große Personalausfälle in der kritischen Infrastruktur herrschen. Um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten, „ist es eine Option, dass Infizierte, die aber keinerlei Symptome haben, in bestimmten Bereichen im Ausnahmefall weiter zur Arbeit kommen“, sagte die Politikerin der „Bild am Sonntag.“
    Eine solche Arbeitsquarantäne könne natürlich nur unter strengen Schutzmaßnahmen umgesetzt werden: „Wer im Wasserwerk allein eine Maschine bedient, wer bei der Feuerwehr einen Brand löscht, kann das auch ohne größere Probleme mit symptomfreier Corona-Infektion tun.“ Anders sehe es bei Menschen aus, die im Krankenhaus oder in der Pflege mit Patienten zu tun hätten.
    Giffey ist nicht die erste, die den Vorschlag auf den Tisch bringt. Mehrere Wirtschaftsverbände haben bereits eine Arbeitsquarantäne gefordert, beispielsweise die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) oder der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). (…) In Einzelfällen besteht bereits die Möglichkeit, dass Gesundheitsämter eine Arbeitsquarantäne prüfen und genehmigen. Die Ausnahmen wurden bislang vor allem im Gesundheitsbereich und in der Landwirtschaft praktiziert. Dafür müssen Arbeitgeber einen „relevanten Personalmangel“ anzeigen. Die Arbeit darf dann nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgenommen werden. Das ist aber nicht die Regel. Generell gilt: Das Arbeiten im Betrieb ist tabu, wenn Arbeitnehmer positiv getestet sind. Ob mit oder ohne Symptome, sie dürfen nicht in der Firma arbeiten. Angestellte im Homeoffice müssen dagegen arbeiten – sofern sie sich fit fühlen. Denn eine Quarantäneanordnung ist kein ärztliches Attest…“ Text und Video des Beitrags von Claudia Wiggenbröker vom 30.01.2022 in der Sendung Aktuelle Stunde des WDR externer Link
  • Die Regierung verkürzt die Quarantänezeit: Profite aufrechterhalten, koste es, was es wolle 
    „…Am heutigen Mittwoch beschloss die Konferenz der Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern die Veränderung der bisher geltenden Quarantäne-Regeln für Corona-Infizierte. Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz Grimm-Benne kündigte an, dass sich Menschen in Berufen der kritischen Infrastruktur nach fünf Tagen aus der Quarantäne freitesten lassen können sollen, alle anderen nach sieben. Am Freitag soll die Bund-Länder-Konferenz der Ministerpräsident:innen mit der Bundesregierung diese Regeln beschließen. Damit würde die Bundesregierung dem Vorbild einiger anderer Staaten folgen, wie der USA, Frankreich oder Großbritannien, die diese Verkürzung schon durchgesetzt haben. Vorgeblich folgt die Politik damit den Empfehlungen einiger Virolog:innen wie Ulrike Protzer und politischer Vertreter:innen wie dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Protzer sagte Anfang der Woche im ARD Morgenmagazin, dass eine Neuregelung notwendig und sinnvoll sei. Sollten sich nämlich weiterhin sehr viele Menschen gleichzeitig anstecken und dann in Quarantäne gehen, fallen all diese Menschen als Arbeitskräfte aus. Die zentrale Aussage ihrer Ausführungen, welche auch in den Argumentationen anderer Expert:innen und Entscheidungsträger:innen auftaucht, ist die Angst um die fehlende Arbeitskraft. Natürlich wird hierbei oft der Blick auf die kritische Infrastruktur gelegt, jedoch ist davon auszugehen, dass sich eine neue Regelung nicht nur auf Personal ebendieser beschränken wird. Es geht eben auch darum, die Profite sämtlicher Wirtschaftszweige nicht zu gefährden. Die Botschaft ist klar: Die kapitalistische Profitmaschinerie soll um jeden Preis weiter laufen, während man hofft, dass die Omikron-Welle so wenig heftig wie möglich ausfällt. Eine erneute Wette auf unser Leben, die den Empfehlungen eines Großteils der Fachleute und auch bürgerlichen Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation WHO zuwiderläuft und die Last der Krise dem Gesundheitspersonal und kranken Menschen aufbürdet, um zu verhindern, dass sie die Profite der Bosse belastet…“ Beitrag von René Amado Lehmann und Stefan Schneider vom 5. Januar 2021 bei Klasse gegen Klasse externer Link

    • Der Systemablauf – auch aus Kostengründen – wird erneut vor Gesundheitsschutz gesetzt, und „plötzlich“ soll Omikron nun doch nicht so gefährlich sein. Zwar redet man von ang. nur in systemrelevanten Berufen Betroffenen, aber einerseits habe auch diese einen Anspruch auf optimalen Schutz. Andererseits fehlt der Ausgleich, durch Verzicht auf Gefährdung in allen nicht systemrelevanten Jobs; Lockdowns werden deutlich einseitig nur auf den Bereich der Nichtarbeit reduziert. Auch sollen offenbar die AG bestimmen, wie systemrelevant man sei und wo kürzere Quarantänen möglich seien. Arbeitsrechtlich stellen sich so viele noch ungeklärte Fragen…
    • Siehe auch Beiträge zum Thema im Dossier: [GEW] Corona-Krise an Schulen: Lehrkräfte und Lernende besser unterstützen und schützen
  • Kein Arbeitseinsatz von Covid-19-Infizierten!
    Am gestrigen Mittwoch ließ die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in einer Pressekonferenz zu den neuen Corona-Verordnungen in ihrem Bundesland verlauten, dass künftig auch Pflegekräfte eingesetzt werden sollen, die am Corona-Virus erkrankt sind. „Wie schaffen wir es, dass die kritische Infrastruktur sichergestellt werden kann, wenn viele Menschen erkranken?“ fragt die Politikerin suggestiv das Publikum. Die ebenso erwartbare, so wie auch falsche Antwort, liefert sie gleich im Nachsatz. Das Personal mit leichtem Verlauf müsse eben weiterarbeiten. Natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen. Sie bezieht sich dabei auf „die kritische Infrastruktur bei der Polizei, der Feuerwehr und in Krankenhäusern.“ Dass die Pflege hier keine explizite Erwähnung findet und gleichzeitig mit Polizei und Feuerwehr auf eine Ebene gestellt wird, zeugt von großem rhetorischem Kalkül.
    Natürlich wird diese Regelung in erster Linie die 1,8 Millionen Pflegekräfte in Deutschland betreffen, die ihre Arbeit täglich eng am Menschen verrichten. Dies liegt nicht nur an der Arbeit selbst, sondern auch an der Größe der Berufsgruppe. Die Polizei zählt bundesweit 333.600, die Berufsfeuerwehr lediglich rund 66.000 Personen (Beide Angaben laut Statista).
    Schon vor Beginn der Corona-Pandemie war der Personalnotstand in der Pflege bekannt. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Lage weiter dramatisch verschärft. Der massive Anstieg von Berufsaussteigern und psychischen Erkrankungen unter Pflegenden sind durch zahlreiche Studien erforscht und dokumentiert. Die immer schlechtere Versorgung der PatientInnen in den Krankenhäusern, Heimen und in der Häuslichkeit sind seit Jahren beobachtbar. Die korrekte Versorgung der PatientInnen beim Examen der Krankenpflege ist längst nur noch ein Schauspiel, das die AbsolventInnen einmalig in ihrer Berufsausbildung absolvieren können. (…) Dass Pflegekräfte nun noch drastischer ihre Gesundheit aufs Spiel setzen sollen, setzt auf deren scheinbar grenzenlose Bereitschaft, sich selbst für die PatientInnen aufzuopfern. Dass PolitikerInnen von einer gemeinsamen Aufgabe sprechen, die wir zu bewältigen hätten, ist blanker Hohn. (…) Die einzige Möglichkeit, die Pflege nun zu schützen, besteht darin, die Betten zu sperren, die auf Grund von mangelndem Personal nicht mehr belegt werden können. Natürlich würde das die Versäumnisse im Pflegesektor in den letzten Jahren offen legen, doch wenn hier von einer gemeinsamen Aufgabe gesprochen wird, ist es an der Zeit Fehler einzuräumen.“ Pressemitteilung vom vom 23. Dezember 2021 beim BochumerBund externer Link
  • [Erneut Arbeitsquarantäne?] Omikron-Welle: In kritischen Berufen sollen womöglich auch Infizierte arbeiten dürfen
    Wegen der Omikron-Variante fürchten Experten Engpässe bei kritischer Infrastruktur. In der Bund-Länder-Runde wird diskutiert, ob in solchen Fällen symptomfreie Infizierte dennoch arbeiten dürfen. Bund und Länder fürchten einen massiven Anstieg der Corona-Neuinfektionen durch die Variante Omikron – und mit ihr möglicherweise Einschränkungen bei der kritischen Infrastruktur im Land. Nun beraten die Länderchefs in ihrer gemeinsamen Schalte mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darüber, Quarantäneregeln für Infizierte teilweise aufzuheben. Das erfuhr der SPIEGEL von Teilnehmenden der Runde. (…) In der Bund-Länder-Runde ist auch Charité-Chef Professor Heyo Kroemer zugeschaltet. Nach SPIEGEL-Informationen hält er Bouffiers Vorschlag, Ausnahmen bei der Quarantäne zuzulassen, für bedenkenswert. »Darüber wird man nachdenken müssen«, sagte Kroemer demnach. Eine mögliche Bedingung könnte laut dem Experten sein, dass zuvor 30 Prozent des betroffenen Betriebs ausgefallen sind und vor Ort FFP2-Masken getragen werden…” Meldung vom 21.12.2021 beim Spiegel online externer Link
  • Arbeitsquarantäne für Saisonarbeiter: „Eine absurde Argumentation“ 
    Arbeitsquarantäne für Saisonarbeiter ohne direkte Kontakte zu Infizierten ist ungerechtfertigt, sagt Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit/Projekt „Faire Mobilität“ beim Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen. [In Diepholz wurden über 1.000 Erntehelfer_innen fast zwei Wochen mit Infizierten zusammen in Quarantäne gehalten – auch die, die negativ gestet waren und keinen direkten Kontakt zu Infizierten hatten. Durfte der Landkreis das?] Zunächst stellt sich die Frage, ob hier schnell genug reagiert wurde. Die Ausbrüche auf dem Hof waren bekannt und es hat ewig gedauert, bis die Reihentestung eingesetzt hat. Weiterhin müssten die üblichen sozialen Risikostandards gelten – wer war mit wem in Kontakt? – um eine solche Quarantäne zu rechtfertigen. Und besonders problematisch wird das Vorgehen, wenn man bedenkt, dass die Beschäftigten in der Arbeitsquarantäne weiter arbeiten müssen und sich dabei womöglich anstecken. Denn es ist sehr schwierig, nicht zu arbeiten, wenn sie die Miete an die Betriebsleitung weiter zahlen müssen, aber keine Einkünfte haben. Wie schwierig die Situation für sie war, sieht man auch daran, dass sie versucht haben, sich zu wehren. Etwa indem sie den polnischen Konsul gerufen haben. [Ein Teil von ihnen musste weiter am Fließband arbeiten, ohne dass die 1,5 Meter Abstand eingehalten werden konnten. Ist das legal?] Wenn der Arbeitsprozess etwa durch die Art der Maschinen zwingend erfordert, dass der Abstand unterschritten wird, darf die Gruppe nicht größer als 15 Personen sein. Nach Medienberichten arbeiteten bei Thiemann aber Gruppen um die 50 ohne Abstand. Das wäre illegal…“ Interview im Forum Migration vom Juni 2021 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=190515
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