Corona-Pandemie: Jobcenter sind selbst bei dringenden Notlagen für Betroffene kaum zu erreichen

Dossier

"AufRECHT bestehen - kein Sonderrecht in den Jobcentern"Das bundesweite Bündnis „AufRecht bestehen“ weist darauf hin, dass die aktuelle Situation bei vielen Jobcentern und Agenturen für Arbeit für erwerbslose und / oder einkommensarme Menschen sehr problematisch ist. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie und ihrer Folgen sind diese Behörden kaum noch erreichbar. Das gilt sogar in akuten Notsituationen. Wegen der Corona-Pandemie ist die persönliche Vorsprache bei den meisten Behörden fast unmöglich. Daher kommt es oft zu Problemen und Verzögerung bei der Bewilligung von Sozialleistungen. So werden z. B. Anträge auf Arbeitslosengeld nur nach vorheriger Anfrage in Papierform zugesendet, ansonsten ist das Ausfüllen nur online möglich. Viele Menschen mit Sprachbarrieren haben damit Probleme. Nicht jeder, der erwerbslos wird, hat die Möglichkeit oder die Kompetenz, online Formulare auszufüllen. (…) Das führt vielfach zu Mittellosigkeit und Verzweiflung bei den Betroffenen, die sich selbst oft nicht mehr zu helfen wissen. Nicht nur deshalb braucht es einen Corona-Mehrbedarf von 100 Euro im Monat!…“ Pressemitteilung des Bündnisses „AufRecht bestehen“ vom 26.5.2021 und die notwendige Erneuerung:

  • BAGFW-Umfrage sozialer Beratungsstellen zeigt: Jobcenter sind [immer noch] nur eingeschränkt erreichbar für Leistungsberechtigte New
    Die Ergebnisse einer Befragung von fast 1000 Mitarbeitenden aus über 600 Beratungsstellen zeigen, dass die Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen und der Zugang zu diesen Behörden häufig eingeschränkt ist – mit (zum Teil erheblichen) Folgen für Leistungsberechtigte und Hilfesuchende. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat im Juni 2022 Mitarbeitende von Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege in ganz Deutschland zum Zugang zu und Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen für Leistungsberechtigte, Hilfesuchende sowie Beratungsstellen befragt. Hintergrund der Befragung waren zahlreiche Berichte aus Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege über Probleme beim persönlichen Zugang und der Erreichbarkeit dieser Behörden während der Corona-Pandemie. PS: Es ist abzusehen, dass auch in diesem Winter zum dritten Mal (völlig unerwartet …) Corona über die Jobcenter hereinbrechen wird. Leider steht dann zu befürchten, dass die Jobcenter sich noch weiter abschotten werden und die Betroffenen an die Behörden nicht drankommen werden. Damit verstoßen Behörden aber systematisch gegen die Pflichten nach § 17 Abs. 1 SGB I.“ Aus dem Thomé Newsletter 42/2022 vom 30.10.2022 externer Link zu Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen für Hilfesuchende – Ergebnisse einer Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege externer Link (BAGFW)
  • Coronamaßnahmen: Ausschluss per Verordnung. Am Arbeitsplatz gilt 3G-Regel, in Arbeitsagenturen dagegen 2G. Das ist in Fällen existentieller Notlagen besonders problematisch 
    „Die sogenannten 2G- und 3G-Regeln schließen Menschen aus. Erst letzten Donnerstag kippte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die 2G-Regel für den Einzelhandel in Niedersachsen mit der Begründung, die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Zwei Tage zuvor schaffte der Berliner Senat die allgemeine 3G-Regel auf Bahnhöfen wieder ab. Nach Kritik an den Konsequenzen dieser Regelung für Obdachlose dürfen Betreiber von Bahnhöfen seit Sonnabend »Verkehrsflächen in Bahnhöfen und an Bahnsteigen zum Aufenthalt für obdachlose Menschen ohne 3G-Bedingung ausweisen, sofern die Einhaltung des Mindestabstandes und der Maskenpflicht gewährleistet werden kann«, wie die Senatskanzlei am 14. Dezember erklärte. (…) Bisher weitgehend unhinterfragt sind die 2G-Regeln in Arbeitsagenturen und einigen Jobcentern. Erwerbslose und Arbeitsuchende dürfen die Ämter seit dem 25. November nur betreten, wenn sie nachweislich gegen das Coronavirus geimpft oder von Covid-19 genesen sind – während am Arbeitsplatz die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) gilt. Auf Anfrage erklärte die Pressestelle der Bundesagentur für Arbeit: »Für unsere Kolleginnen und Kollegen setzen wir die geltenden Regeln des Gesetzgebers um, also 3G. Für die persönliche Beratung unserer Kundinnen und Kunden setzen wir zum Schutz aller auf 2G. Auch deshalb könnten die Häuser geöffnet bleiben.« Und ganz »wichtig«, so Pressesprecher Christian Weinert gegenüber jW: »Wir schicken niemanden weg!« Es gebe in den Häusern »Notfallschalter, an denen alle Kundinnen und Kunden eine Kurzberatung wahrnehmen« könnten. Außerdem würden alle »auch telefonisch oder über Videotelefonie« beraten. Das habe seit Beginn der Pandemie »gut funktioniert« und werde auch von »unseren Kundinnen und Kunden gerne genutzt«. Das nachzuprüfen ist nicht so leicht. Eine stichprobenartige jW-Anfrage bei der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg konnte aufgrund »mangelnder Erfahrungswerte bzw. Rückmeldungen« nicht beantwortet werden. Auch Erwerbsloseninitiativen können dahingehend keine Auskunft geben. Nichtsdestotrotz weist die Berliner Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS) gegenüber jW darauf hin, dass die Leistungsträger nach Paragraph 17 SGB I darauf hinwirken müssen, dass die »Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren zu sein haben«. Aus Sicht der KOS sollten die »Leistungsträger besonders ausgestattete Büros einrichten, in denen Ratsuchende unter Einhaltung von einschlägigen Coronaschutzmaßnahmen ihr Anliegen in Notfällen vortragen können«. Bei Fragen, die die materiellen Existenzgrundlagen sicherstellen sollen, so KOS-Vertreter Rainer Timmermann, muss eine persönliche Vorsprache gewährleistet werden. »Eine Anwendung der 2G-Regel halten wir deshalb für sehr problematisch, wenn es um existentielle Notlagen Erwerbsloser, prekär Beschäftigter und anderer Betroffener geht und beispielsweise jemand absolut mittellos ist oder ein Wohnungsverlust droht.«…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 21. Dezember 2021 externer Link
  • „AufRecht bestehen“: Betroffene brauchen besseren Zugang zu den Jobcentern! 
    Nach über zwei Monaten hat die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke im Bundestag zur Erreichbarkeit der Jobcenter geantwortet. Die Antwort der Regiertung belegt nach Ansicht des bundesweit agierenden Bündnisses „AufRecht bestehen“, dass es der Bundesregierung absolut an Problembewusstsein fehlt und dass sie die Situatiion verharmlost. Dazu erklärt Frank Jäger für „AufRecht bestehen“ u.a: „In Bezug auf die Zugangsmöglichkeiten ist die aktuelle Lage bei vielen Jobcentern noch immer beunruhigend. Unter Corona-Bedingungen sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieser Behörde häufig kaum erreichbar, nicht einmal in akuten Notsituationen. Immer wieder berichten Betroffene, dass es für sie auch im akuten Notfall gar nicht möglich ist, zum Jobcenter einen Zugang zu bekommen! Viele Ratsuchende berichten, dass ihnen eine schnelle Hilfe des Jobcenters schlicht verweigert wird und dass das aufgrund ausstehender Mietzahlungen und geplatzter Überweisungen z. B. zu erheblichen Problemen mit dem Vermieter führt.“ Erwerbslose sind oft mittellos und verzweifelt, weil man sie mit ihren Problemen allein lässt. So darf es nicht weitergehen. Das Bündnis „AufRecht bestehen“ fordert deshalb, sofort ein niedrigschwelliges Angebot von persönlichen Notfallsprechstunden bei allen Jobcentern und Agenturen für Arbeit einzurichten. Diese sollen bundesweit unter Wahrung der erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen zu den gewohnten Öffnungszeiten zugänglich sein. So können Betroffene persönliche Anliegen, die sich anderweitig nicht klären lassen, schnell zur Sprache bringen. Wer Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen benötigt oder Unterlagen kopieren will, soll ebenso Hilfe bekommen. Auch muss es für Betroffene möglich sein, Eingangsstempel zu erhalten, um die Abgabe von Unterlagen rechtssicher nachweisen zu können…“ Die Pressemitteilung von „AufRecht bestehen“ vom 23.August 2021 externer Link bei der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen, aiehe auch die Antwort der Bundesregierung externer Link  auf die Kleine Anfrage
  • Siehe auch: Jobcentern ausgeliefert – Chaos während Coronakrise: Ämter handeln von Ort zu Ort nach anderen Regeln. Bundesagentur für Arbeit weist Verantwortung von sich
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=190324
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