RIP Helmut Weiss (15.7.1948 – 11.5.2021) – Wir werden ihn vermissen / Sentiremos sua falta! / He will be missed deeply / Le vamos a echar de menos / Il nous manquera / 安息 – 我们会非常想念他

Trauerseite

Helmut Weiss (15.7.1948 - 11.5.2021) - der größte Internationalist, den wir kannten, hat diese Welt verlassen„»Als Generalist beherrsche ich nichts Besonders, dafür alles.« Hätte man Helmut diese Worte unterstellt, wäre sein Widerspruch höchstens müde lächelnd, wahrscheinlich sarkastisch gewesen. Freund  Helmut wußte viel, erkundigte sich, las, forschte, untersuchte, interessierte sich für alles Mögliche und scheinbar Unmögliche – und war dabei immer mindestens teilnehmender Beobachter. (…) In Schwaben, in Stuttgart geboren verschlug es ihn als Schüler mit den Eltern nach Belo Horizonte, nach Brasilien – er studierte in Tübingen. Aus Dortmund (tief im Westen) führten später Reisen und Aufenthalte in alle Welt, nach Afrika Asien und immer wieder nach Brasilien – oft zu FreundInnen. Mit dem Begriff Heimat konnte Helmut nichts anfangen, er ist ihm immer fremd geblieben. (…) Freund Helmut kam aus der rebellischen 68er-Bewegung, stand der HERRschenden Gesellschaft, ihren Begriffen, Bevölkerungen und Bewegungen kritisch, ablehnend, ja feindlich gegenüber. Ein idealer Standort für Sektierertum, aus dem nur ungerade, steinige Wege führen. Die Helmut mit Bravour (und Irrungen und Wirrungen) hinter sich brachte…“ Aus dem Nachruf von Michael Banos (siehe unten im Volltext), der hier nachfolgend um weitere (erste) Nachrufe/Grussworte (umgekehrt chronologisch) sowie eine Auswahl von Helmuts wichtigsten Veröffentlichungen im LabourNet Germany ergänzt wird (siehe auch die traurige Mitteilung im Newsletter vom 12. Mai 2021 sowie die Twitter-Meldung auf Deutsch externer Link, Englisch externer Link, Portugiesisch externer Link, Spanisch externer Link und Französisch externer Link):

Nachrufe/Grussworte

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Helmut Weiss (1948–2021): Der geborene Internationalist

Das Wald-Grab von Helmut Weiss (1948–2021)Von allen Genossinnen und Genossen der ehemaligen KPD/ML, mit denen sich die Mitglieder der GIM im Jahre 1986 zusammenschlossen, war er derjenige, der am wenigsten mit ihnen fremdelte. Vom ehemaligen Chefredakteur des Parteiorgans Roter Morgen hätte man das vielleicht zuallerletzt erwartet, schließlich ging mit solchen Posten oftmals auch die Rolle des Chefideologen einher. Aber nichts dergleichen. Man kam schnell auf eine unkomplizierte, distanziert-herzliche Art ins Gespräch mit ihm, das kolossal erleichtert wurde durch die Ironie, mit der er sich selber, aber auch anderen gegenübertrat. Diese Ironie war nie herabsetzend oder sarkastisch, eben weil er sich auch gerne selbst auf die Schippe nahm. Nimm dich nicht so wichtig, strahlte er aus, wir haben alle die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen und müssen auch nicht so tun als ob. (…)Helmut hatte nicht das Bedürfnis, sich in den Vordergrund zu schieben, das hatte er nicht nötig. Das Kommunizieren mit anderen fiel ihm leicht, er war gesellig, darüber hinaus überaus belesen, neugierig und weltoffen. Als Auslandsdeutscher, der in Brasilien aufgewachsen war, hatte er eine erfrischende Distanz zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit – auch der linken. Wenn er etwas seine Heimat genannt hätte, so wäre es wahrscheinlich Brasilien gewesen, aber seine häufigen Reisen führten ihn auch nach Asien und Afrika. So war er der geborene Internationalist, natürlich mit den dazugehörigen Sprachkenntnissen – wenn man einmal ein paar gesammelt hat, fällt der Rest auch nicht mehr schwer…“ Nachruf von Angela Klein in der SoZ 6/2021 externer Link

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Wir aus Japan trauern auch um den unersetzbaren und werten Genossen Helmut Weiss

Bei der Hauptkundgebung am 6.11.2016 in Tokyo hat Helmut eine Rede gehalten, es war eine abgekürzte Version seiner Rede vom 05.11.2016 in der Arbeiterversammlung der internationalen Solidarität

Bei der Hauptkundgebung am 6.11.2016 in Tokyo hat Helmut eine Rede gehalten, es war eine abgekürzte Version seiner Rede vom 05.11.2016 in der Arbeiterversammlung der internationalen Solidarität

Am 19. Mai fand im Doro-Chiba-Gewerkschaftshaus das IASK-DC (Internationales Arbeitersolidaritätskomitee von Doro-Chiba) statt. Alle Mitglieder von IASK-DC empfanden große Traurigkeit und haben mich („Tigerman“=Nobuo Manabe) beauftragt, einen Nachruf auf Helmut zu schreiben.

Ich (bzw. IASK-DC) habe seit August 2011 mit Emailwechsel mit Helmut (bzw. LabourNet Germany) angefangen. Unsere Beziehung war, dank eurer internationalistischer Großzügigkeit, von Anfang an sehr freundlich. Aber die weite Entfernung war die harte Tatsache und stellte zwischen uns die große Hürde dar.

Diese Hürde ist aber im Herbst 2016 plötzlich und endlich zusammengefallen, als Helmut Weiss Anfang November dieses Jahres nach Japan gekommen ist und 12 Tage lang energisch an „Joint Action Tokio-Seoul 2016“ mitwirkte.

Wenn ich seine damaligen Reiseberichte wieder lese (siehe bitte dazu Helmuts Reiseberichte aus Japan und Korea von 2016), bin ich sehr sehr überrascht und  begeistert, wie sie ausfürlich und umfangreich sind. Sie sind voll von seinen vielen frischen Erfahrungen und von berechtigten Urteilen.

LabourNet Germany bezeichnet ihn als „den größten Internationalisten“. Das ist tatsächlich wahr! Wir werden ihn vermissen!!

In diesem Nachruf möchte ich noch eins hinzufügen.

14. Nov.2016 fand der Gedankenaustausch zwischen KCTU Regionalverband Seoul und Doro-Chiba-Strömung statt; Auch hier hat Helmut Weiss über die Lage des deutschen Klassenkampfes und Aktivitäten von LabourNet Germany berichtet

14. Nov.2016 fand der Gedankenaustausch zwischen KCTU Regionalverband Seoul und Doro-Chiba-Strömung statt; Auch hier hat Helmut Weiss über die Lage des deutschen Klassenkampfes und Aktivitäten von LabourNet Germany berichtet

Als wir im August 2018 zum dritten Mal Deutschland besuchten, haben wir kurz auch Dortmund besucht, wo er wohnte. Dortmund war nämlich der Hauptschauplatz vom „Ruhraufstand“ („Märzaufstand“)  im Jahre 1920. Am 17. März 1920 haben die bewaffneten Arbeiter in Dortmund die Hauptmacht des Freikorps nach einem mehrstündigen Gefecht geschlagen und besetzten Dortmund. Helmut Weiss war sehr stolz auf diesen Kampf und die Arbeiter, die heldenhaft gekämpft haben.
So hat er netterweise für uns am 22. August 2018 eine alternative Stadtführung („Schlacht am 17. März 1920 in Dortmund“) gemacht. Wir sind von seiner Wohnung durch die Stadt gelaufen bis in die Mitte (Marktplatz). Dabei ist er sehr konkret und lebhaft bis ins Detail gegangen und hat sehr leidenschaftlich über die Entwicklung der Schlacht erzählt – das hebte so sehr unsere Stimmung! Also: Er war auch ein sehr guter Erzähler des Ruhraufstandes. In diesem Bereich haben wir auch einen wetvollen Genossen verloren!

Er widmete sich lange Jahre und in internationalem Maßstab der Schaffung der Zukunft und einer Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung, Ausplünderung und Diskriminierung mehr gibt.

Helmut Weiss hat diese Welt verlassen. Aber seine Tätigkeiten werden und wollen wir übernehmen und fortsetzen, und zwar über die Kontinente hinweg!

Helmut! Ruhe in Frieden!

Japan, den 29. Mai 2021, Internationales Arbeitersolidaritätskomitee von Doro-Chiba, Tigerman (Nobuo Manabe)

(Siehe weitere Fotos dieser Reise ganz am Ende dieser Trauerseite)

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Punkband in Seoul/Korea beim Besuch 2016Im November 2016 war ich mit Helmut in Seoul in Südkorea, zusammen mit einer japanische Delegation von EisenbahngewerkschafterInnen von Doro Chiba aus Chiba, zum in Südkorea geplanten Generalstreik. Wir wussten kaum, was uns erwartet, kannten aber die Bilder von wilden Schlachten zwischen den Gewerkschaftern der militanten KCTU und der koreanischen Polizei. Zudem sass damals der Generalsekretär der KCTU unter der rechten Park-Regierung in Haft. Es ergab sich, dass es an dem Tag nicht nur einen Generalstreik gab, sondern auch die erste Massendemonstration gegen die Regierung, die in einen Korruptionsskandal verwickelt war. Die Strassenschlachten fanden weit weg von uns vor dem Präsidentenpalast statt, und es war bei Millionen auf den Straßen sowieso kein Durchkommen. Der Nachmittag war beeindruckend, nicht nur wegen der riesigen Massen an Protestierenden, sondern auch aufgrund der ausgeklügelten Choreographien und Songs der Bühnenshow der KCTU – eine Mischung aus K-Pop, Heavy Metal und Ernst Busch, mit den dazugehörenden Tanzeinlagen, die auf riesigen Bildschirmen und Lautsprechern auch für uns, die weiter hinten standen, gut sichtbar waren.

Der Höhepunkt der Reise waren aber ganz unbestritten die langen Abende mit Helmut in diversen Kneipen und Grillrestaurants, häufiger in Begleitung von zwei jungen Eisenbahnern aus den USA. Helmut und ich waren beide zum ersten Mal in Südkorea und neue Speisen wie Getränke wollten zur Genüge erkundet werden. Meine prägende Erinnerung an Helmut sind diese Abende der zwanglosen Gespräche mit ihm, während denen man den Rest der Welt für eine Weile vergessen konnte, egal ob in Dortmund in seiner Stammkneipe Taranta Babu, bei Helmut zuhause, in Seoul oder sonstwo. Während der Pandemie haben wir uns nur noch ab und zu per Whatsapp geschrieben, das letzte Mal im März, nachdem Lulas Verurteilungen vom Obersten Gerichtshof Brasiliens aufgehoben wurden. Helmut hatte wie viele Linke innerhalb und außerhalb Brasiliens ein gespanntes Verhältnis zur PT, gewissermaßen die SPD Brasiliens, und dann irgendwie auch nicht, weil Sozialdemokratie in Brasilien trotz Korruption und Anpassung an den Neoliberalismus subversiver ist als sonstwo angesichts der extremen Ungleichheit und der extrem reaktionären Eliten. Helmut meinte jedenfalls als Reaktion auf die Annullierung der Urteile gegen Lula, wenn er Brasilianer wäre, müsste er bei der nächsten Wahl Lula wählen, aber nur im zweiten Wahlgang versteht sich!

Jörg Nowak (siehe dazu Helmuts Reisebericht aus Japan und Korea von 2016)

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LabourNet-Kongress Kosten rebellieren II“Die Kosten rebellieren” – es war Helmuts so einfacher und so treffender Vorschlag für den Titel, unter dem wir – als Aktive u.a. bei Labournet und kein mensch ist illegal – Mitte der 2000er zwei gemeinsame Konferenzen organisiert haben. Zu versuchen die Kämpfe zwischen Prekarisierung und Migration zu verbinden, das hatte Helmut früh als zentrale Herausforderung erkannt und mit seinem Begriff von Internationalismus und seinen Kontakten verknüpft. Die damals aufgeworfenen Fragen bleiben bis heute hoch aktuell, die daraus erwachsenen Organisierungsansätze sind sicher nur ein kleiner Ausschnitt aus Helmuts politischem Vermächtnis. Danke dafür, Ruhe in Frieden.

Hagen Kopp (kein mensch ist illegal, Hanau)

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Nous apprenons la morts de notre camarade Helmut Weiss.

Union syndicale SolidairesNous connaissions Helmut, à travers Labournet, bien sûr. Mais aussi, parce que Labournet était une des traductions d’un important travail de contacts, d’échanges, sur le terrain, nous avons rencont Helmut à diverses reprises : des forums internationaux, des réunions syndicales au Brésil, en Allemagne, en France, des initiatives du Réseau syndical international de solidarité et de luttes, de TIEAllemagne
Pour l’Union syndicale Solidaires, Helmut avait contribué à la ré alisation du numéro 8 de notre revue internationale, consacrée au Brésil, à travers l’interview de militants ayant participé à la création de la CUT et du PT.

Nous saluons la mémoire et ce que fut l’action du militant internationaliste qu’était Helmut.
A tous et toutes ses proches , aux camarades de Labournet, nous tra nsmettons nos sincères condoléances et les assurons de nos très amicales pensées.

(Maschinenübersetzung: Wir kannten Helmut natürlich durch Labournet. Aber auch, weil Labournet eine der Übersetzungen einer wichtigen Kontakt- und Austauscharbeit vor Ort war, haben wir Helmut bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen: bei internationalen Foren, Gewerkschaftstreffen in Brasilien, Deutschland und Frankreich, bei Initiativen des Internationalen Gewerkschaftsnetzwerks für Solidarität und Kämpfe, von TIE-Deutschland…
Für die Union syndicale Solidaires hatte Helmut zur Erstellung der Nummer 8 unserer internationalen Zeitschrift beigetragen, die Brasilien gewidmet war, und zwar durch Interviews mit Aktivisten, die an der Gründung der CUT und der PT beteiligt waren.
Wir gedenken des internationalistischen Aktivisten Helmut und seiner Arbeit. Allen seinen Angehörigen und den Genossinnen und Genossen von Labournet sprechen wir unser aufrichtiges Beileid aus und versichern sie unserer herzlichen Anteilnahme.)

Pour l’Union syndicale Solidaires : Nara Cladera, Christian Mahieux

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Liebe Freundinnen und Freunde, wir verneigen uns in Anteilnahme und Trauer vor Helmut Weiss sowie in Dankbarkeit für die von ihm geleistete Arbeit für eine bessere, gerechtere, humanere und demokratischere  Gesellschaft,  deren Wert wir sehr hoch einschätzen.

Niemand geht ganz, es bleibt immer zurück was bewirkt wurde. 

Siegfried Buttenmüller, Herausgeber und Redakteur von  https://www.antikapitalist.eu/ 

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Helmut Weiss (15. Juli 1948 – 11. Mai 2021)

Gemeinsam mit vielen internationalistisch orientierten Betriebs- und Gewerkschaftslinken, vor allem aber mit den Kolleg:innen von labournet.de, trauern wir um unseren geschätzten Autoren und Kooperationspartner Helmut Weiss.

Geborener Schwabe, war Helmut Weiss nicht nur Internationalist, sondern tatsächlich ein Internationaler, wohnhaft auf drei Kontinenten und damit mit seinem Wissen und auch seinen Sprachkenntnissen eine wertvolle Quelle für labournet, den express und viele andere.

Helmut und internationale GewLinkeHelmut Weiss‘ Arbeit konnte und kann jede:r sehen, der/die sich den nahezu täglichen Newsletter von labournet.de aufmerksam vornimmt, eben vor allem dessen internationalen Teil. Sein letzter Beitrag im express erschien im November 2019, eine im guten Sinne tendenziöse Analyse des ersten Regierungsjahrs Bolsonaros in Brasilien, dem Land, in dem er einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte, das Helmut kurz zuvor noch besucht hatte. Doch auch theoretisch waren Helmuts Interessen grenzüberschreitend. Seine Sympathien galten dabei dissidenten Bewegungen und Denker:innen, denen er Inspirierendes abgewinnen konnte auch jenseits von intellektueller Vorgartenpflege. So schrieb er in einer Besprechung zu Cornelius Castoriadis und der Gruppe „Socialisme ou Barbarie“ im express 7-8/2009: »Wenn man die schwachen Linien der Selbsttätigkeit im heutigen Produktionsprozeß deutlich nachzieht und verlängert, erhält man die Konturen eines zukünftigen selbstverwalteten Produktionssystems« – sein Plädoyer für das genaue Hinschauen bei der Spurensuche nach den Elementen, die im Gegenwärtigen auf dessen Überwindbarkeit hinweisen: auf gesellschaftliche Autonomie im emphatischen Sinn. Ganz das Gegenteil von Kader-, Partei- und Fabrikdisziplin – und das vertrat er lässig, unaufgeregt und mit rauchigem Charme auch in Begegnungen, die wir im Forum Arbeitswelten mit unseren chinesischen Gästen organisierten.

Für den express waren solche – von uns begehrten – Texte von Helmut Weiss nur schwer zu bekommen, denn das intensive Engagement für labournet.de ließ es nur selten zu, darüber hinaus viel zu publizieren. Wir hätten gerne noch mehr von Helmut gedruckt. Mag Wompel und dem labournet ist es zu verdanken, dass wir zumindest noch viel von ihm lesen können – denn alles haben wir bestimmt bisher nicht geschafft. Helmuts Nachlass ist aber nicht nur schriftlicher Art, sondern es ist in erster Linie ein praktischer Internationalismus, der dazu ermuntert, global die Arbeiterinnen und Arbeiter dieser Welt persönlich kennenzulernen. Helmut ist nicht ersetzbar. Seine Arbeit aber muss fortgesetzt werden. Wer wird helfen, diesen unersetzlichen Beitrag zum praktischen Internationalismus im labournet und darüber hinaus fortzuführen?

Redaktion express

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Ich lernte Helmut 1977 in Stuttgart kennen.  Er überzeugte mich damals vom Eintritt in die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition, ich bekam ein gelbes Mitgliedsbuch mit Beitragseinklebemarken, wie das wohl in der Weimarer Republik üblich war.

Aber schon damals hob sich Helmut wohltuend von manchem dogmatischem Zeitgenossen in dieser Szenerie ab. Er konnte mit Menschen aus sehr verschiedenen kulturellen Milieus zugewandt umgehen, war wenig besserwisserisch und konnte sehr gut zuhören.

So ergab sich zwischen uns über fast 45 Jahre eine Verbindung, die mal mehr, mal weniger intensiv gelebt wurde, aber immer lebendig  war und von einer große Schnittmenge an gemeinsamen Interessen und Erfahrungen geprägt war.

Helmut in Pompei 2002Ich erinnere mich an ein bundesweites Skinhead-Treffen in Hagen, das war wohl 1986, wo sich Antifaschist/inn/en trafen, um Wohnheime von Geflüchteten zu schützen. Mit einem Auge bei den Nazihorden und aggressiven Polizisten diskutierten wir unsere jeweilige berufliche Zukunft – Helmut hatte seine hauptamtliche Polittätigkeit aufgegeben  und in meinem Betrieb wurde ein Sozialplan aufgelegt. Helmuts Gelassenheit im Gespräch taten auch diverse Sprintaktionen keinen Abbruch, die wir auf Grund des Geschehens auf der Straße immer wieder einlegen mussten. Seine internationalen Kontakte und sein Kenntnisreichtum über Klassenauseinandersetzungen in vielen Teilen der Welt überraschten immer wieder: Mitte der 1990er Jahre unterstützte ich ihn beim „Radionetzwerk Trikont“. Wir wollten eine Sendung zum Kongo machen. Er verspätete sich und begründete dies mit einem Telefonat mit dem damaligen Guerillakommandanten und späteren Präsidenten Kabila, der irgendwo im Busch saß und den Sturm auf die Hauptstadt vorbereitete. Helmut hatte die Nummer über irgendwelche Kontakte bekommen und schimpfte über die schlechte Qualität der O-Töne aus diesem Gespräch für unsere Sendung. Allerdings war unsere semiprofessionelle Bürgerfunksendung damit aktueller als die ARD Tagesschau. Brasilien, das Land in dem er aufgewachsen war, galt sein Hauptinteresse. Oft als Übersetzer auch für gewerkschaftliche Delegationen tätig, berichtete er süffisant von einem Vorfall, als IG Metall-Vertreter auf einer Betriebsversammlung vor vielen tausend Arbeitern eines Stahlbetriebes sprachen und das deutsche System der Sozialpartnerschaft lobten. Helmut durfte einen Arbeiter übersetzen, der aufstand und sagte, dass er dies nicht glaube und die portugisische Ausgabe von Günter Wallraffs „Ganz unten“ hochhielt.

Erzählte ich vom Niedergang meines geliebten Fußballvereins, der heute in der vierten deutschen Liga spielt, konnte er mich mit ähnlichen Beispielen aus der brasilianischen Fußballprovinz trösten. Bleibenden Eindruck hinterließen seine leuchtenden Augen, wenn er von seinen Sternstunden des Fußballs in Brasilien erzählte bspw. als Socrates nach dem Heimflug von einer WM am Flughafen, die wartende regierende Militärjunta mit erhobener Kommunistenfaust abschritt und niemand sich traute den damals besten brasilianischen Fußballer festzunehmen.

Ich bin dankbar, dass ich in seinen letzten Lebensmonaten die Gelegenheit hatte, ihn regelmäßig in Dortmund zu besuchen. Jedesmal ging ich mit neuen Anregungen, einer neuen Buchempfehlung, einer zum Weltgeschehen passenden Anekdote nach Hause. Helmut hatte bis zuletzt die Fähigkeit die richtigen Fragen zu stellen und nach neuen Antworten zu suchen – mit erstaunlichem theoretischem Tiefgang. Er wünschte sich im Dezember ein Gespräch mit seinem Vater und seinem Großvater zu dem Zeitpunkt als sie, wie er jetzt,  Anfang 70 waren. Seine Herkunft aus einer schwäbischen Facharbeiterfamilie des Hauses Bosch hat ihn geprägt und hat ihm viele lebensweltliche Zugänge zu anderen Menschen erleichtert. Zeitgeistigem, individuellen Ressourcensparen kommentierte er mit: „Wir haben zu Hause nichts weggeschmissen, alles repariert, alles aufgegessen – das ist nicht schwer.“ Im Dezember meinte er, dass er in seiner Situation viele Pläne machen müsse, um den Energielevel zu halten. Ich war innerlich misstrauisch, aber es war für ihn eine stimmige Art die Krankheit zu ertragen. Als wir im Januar das Fußballspiel Dortmund gegen Gladbach schauten und sein BvB ein Tor nach dem anderen kassierte, erzählte er begeistert von Besuchen bei einem Dortmunder Kreisligisten namens Hasenheide – er schien mit allen Schicksalsschlägen umgehen zu können. Im März, noch stärker von der Krankheit gezeichnet, kommentierte er meine thematischen Gesprächsversuche nur noch mit „ja, ja so ist das“ – ein Gefühl von Nähe und Freude über den Besuch kam aber immer rüber.

Chapeau Helmut – du hast aus der historischen Situation in der du lebtest und deinen Möglichkeiten sehr viel gemacht.

Ralf Berger

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Helmut Weiss mit Leo (Sohn von Jeffrey Raffo)Mein erster Kontakt zu Helmut war 1998 wegen einer Soli-Aktion mit einem Arbeitskampf in den USA, kurz nachdem ich nach Deutschland kam. Helmut wollte was dazu auf Radio Tricont veröffentlichen; ich sagte dem nur unter der Bedingung zu, dass wir uns auf ein Bier treffen, weil das kurze Telefongespräch mit ihm mir nicht nur politisch, sondern auch persönlich so gut gefiel. Helmut wurde mein erster Freund in Deutschland; seinetwegen lernte ich manche meiner wichtigsten Freunde, aber auch Taranta Babu und Dortmund insgesamt kennen. Helmut war und wird für mich ein wichtiger Bezugspunkt bleiben – als politischer Querdenker, als zutiefst selbstverständlicher Internationalist und auch als Gewerkschafter – dennoch war er vor allem mein Freund. Manche seiner Lieblingssprüche werden mich bestimmt lebenslang begleiten („Das Einzige, was schlimmer als eine Gewerkschaft ist, ist keine Gewerkschaft,“ oder „Die Musse ist die Mutter aller Gedanken“). Mir werden seine entspannte Art und das gemeinsame Nachsinnen mit ihm sehr fehlen.
Jeffrey Raffo

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Erinnerungen an Helmut Weiss mit seinem besonderen Verhältnis zu China

Ich habe Helmut über die Zusam­menarbeit mit dem LabourNet 2005 kennengelernt, als es darum ging, den Entwicklungen in China und der Arbeiterbewegung dort im deutschsprachigem Raum größere Aufmerksamkeit zu widmen. Die ehemals vom Maoismus und dem sozialistischen Aufbau des Landes faszinierte Linke der 1960er und 1970er Jahre in Deutschland hatte inden 90er Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit den sozia­len, ökonomischen und politischen Entwicklungen Chinas auf dem Weg in den Weltmarkt weitgehend verdrängt. Dies galt es aufzubrechen und Helmut half dabei im LabourNet den Arbeitswelten in China wieder größere Aufmerksamkeit zu schenken, u.a. mit der Veröffentlichung der ausführlichen Berichte über die Begegnungsreisen nach China 2005-2007. Selber hat er an einer Reise nach China in dieser Zeit nicht teilgenommen. Im Laufe unserer Zusammenarbeit erfuhr ich aber von ihm, daß er als Mitglied des ZK der KPD/ML im Juni 1975 zu einem Besuch in China war und dort gemeinsam mit deren Vorsitzenden Ernst Aust vom Mitglied des ZK der KPCh Yao Wenyuan, Mitglied der sogenannten Viererbande, empfangen wurde. Das hätte ihn damals sehr beeindruckt, erzählte er mir. Es hat dann wohl auch einige Zeit gedauert, bis er sich vom Maoismus verabschiedet hat.

Helmut Weiss in ChinaEs ging ihm aber nicht nur darum, über China zu berichten, sondern auch für Aktivisten in China mit ausgewählten Artikeln übersetzt ins Chinesische über die soziale Lage in Deutsch­land. LabourNet Germany goes China – und wir laden ein, mitzugehen, schrieb er dazu in einem Rundbrief im Dezember 2008. Unmittelbar unterstütze er Begegnungen von „labour activists“ und Gewerk­schafterInnen aus beiden Ländern, indem er 2009 einer Besucher­gruppe aus China Lebensbe­din­gungen in Dortmund zeigte und Kontakte zu den örtlichen Gewerk­schaften herstellte. 2011 half er im Buchladen Taranta Babu ein Wochenendseminar zum Thema Prekarisierte Arbeit, geteilte Solidarität. mit drei Aktivisten aus China zu organisie­ren. Als die Zusammenarbeit von express, TIE, Südwind-Institut und LabourNet Germany zu Arbeitswelten – China  und Deutschland 2011 eine eigene Organisationsform als Verein Forum Arbeitswelten annahm, war er Gründungsmitglied und für die ersten zwei Jahre dessen Vorsitzender.

Für unsere Partner aus China war Helmut auch aufgrund seiner Kenntnisse und Kontakte zu politischen Bewegungen in Brasilien besonders interessant und er hat mehrfach Kontakte hergestellt und versucht, Begegnungen zwischen Aktivisten der beiden Ländern zu ermöglichen.

Helmut war in vieler Hinsicht unkonventionell. Mir scheint, seine Jugendzeit in Brasilien hat ihn so geprägt, dass mit der Rückkehr nach Deutschland ihm eine Identifikation mit seinem Geburtsland nicht mehr möglich war. Mit der Adoption von zwei Kindern aus Brasilien und ihrer Betreuung in Deutschland hat er einen sehr individuell, persönlichen Beitrag zum Internationalismus – um nicht zu sagen Weltbürgertum – geleistet und damit seiner Empathie für alle Benachteiligten, Unterdrückten und Ausgebeuteten einen besonderen Ausdruck verliehen. Er wird ihnen, die inzwischen erwachsen sind und uns mit dieser Haltung fehlen. 

Peter Franke, Forum Arbeitswelten, 19.5.2021

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War Helmut Brasilianer?

Helmut Weiss - ein Held!„Mit dem Begriff Heimat konnte Helmut nichts anfangen, er ist ihm immer fremd geblieben.“ Als ich diesen Satz von Michael in seinem Nachruf auf Helmut las, kam mir der Gedanke, trifft das vielleicht auf viele von uns zu, die 68 aufgebrochen und die, wie ein Buchtitel sagt, „Dabeigeblieben“ sind?

Ist es der Begriff – oder gibt es für uns vielleicht keine Heimat?

Wir haben uns damals aus der alten Gesellschaft herauskatapultiert und sind gelandet, geflogen, gelandet, geflogen – und wenn Heimat etwas mit innerer Ruhe zu tun hat, haben wir die gefunden?

In gewisser Weise war die ganze Welt Helmuts Heimat – besonders die südamerikanische. Als ich ihn in Belo Horizonte besucht habe, hatte ich das Gefühl, wenn es für Helmut einen Ort gibt, an dem er zu Hause sein und zur Ruhe kommen kann, dann liegt der in Brasilien.

Nie habe ich so erfahren, dass Fußball ein Lebensgefühl ist, nie Helmut mehr in Gesprächen mit Leuten aufgehen sehen als dort, gleich ob in seiner Stammkneipe, mit Taxifahrern oder in den Kreisen seiner Gewerkschafts- und politischen Freunden.

Darum: war Helmut vielleicht Brasilianer?

Jetzt ist er zur Ruhe gekommen und hat sein internationalistisches Wissen und seine philosophische und historische Klugheit mitgenommen. Alles wird uns fehlen, seine Unruhe, seine Klugheit und seine Sehnsucht nach einer anderen Welt mit einer Heimat.
Ruhe in Frieden alter Junge!
Peter Bach

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Helmut Weiss in BrasilienHelmut ist nicht mehr auf dieser Welt, ich kann es noch gar nicht fassen.
Ich selber bin Helmut nur einige Male in meinem Leben begegnet, habe aber jede dieser Begegnungen in lebendiger und froher Erinnerung. Er war ein so feiner Mensch.
Gudrun Schliecker

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Die Nachricht vom Tod von Helmut hat uns tief getroffen.
Schon die Mitteilung vor einigen Wochen, dass er schwer erkrankt ist und nicht mehr arbeiten kann. hatte uns beunruhigt. Leider haben wir es versäumt, ihm noch einen Gruß zu schicken.
Helmut hat uns bei unserer Arbeit durch seine profunden Kenntnisse über die soziale und gewerkschaftliche Situation in Brasilien viel geholfen. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.
Angela Hidding und Fritz Stahl, Arbeitskreis “Solidarität mit Brasilianischen Gewerkschaften” in Mannheim

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Helmut – mein (zuletzt) einziger, und doch liebster Kollege

Besuch beim LabourNet Germany von 3 japanischen GewerkschafterInnen im August 2018, hier am Abend in BochumJa, das war er, seit ca 15 Jahren als für den Bereich „Internationales“ Zuständiger. Ich konnte mich auf seine unglaublichen Kenntnisse der gewerkschaftlichen und sozialen Strukturen fast weltweit immer verlassen, genauso wie auf sein politiksches Gespür. Da waren wir uns immer blind einig, v.a. immer dann, wenn das LabourNet Germany in Konfliktlagen zwischen allen Stühlen saß, dann wußten wir, dass wir richtig liegen.

Dabei ist diese politische Harmonie keinesfalls selbsverständlich. Wer Helmut kennt, weiß sicher auch, wie charmant er sich vor Aufgaben drücken konnte, auf die er keine Lust hat. Ich hab lange gebraucht um zu lernen, daß sein schnelles „Du hast Recht“ keinesfalls bedeutete, daß er vorhatte, etwas zu ändern. Bei seiner bürokratischen Schlamperei etwa, was Belege für den Verein anging. Oder bei seiner hartnäckigen Ignoranz ästhetischer Vorgaben bei den Beiträgen…

Selbst als wir gemeinsam in Brasilien waren und ich einer linken gewerkschaftlichen Zeitung ein Interview gab. Nach meinem halbstündigen Vortrag dauerte seine Übersetzung nur 2 Sätze lang, gefolgt von der Frage, ob wir nun nicht endlich zum Saufen übergehen könnten. Seinem Charme ist zu verdanken, daß auch ich lachen musste – und auf dem Foto zum Interview die vielen Bierflaschen weg retouchiert werden mussten!Helmut Weiss in China

Überhaupt war mit kaum jemanden das Reisen so angenehm und unkompliziert wie mit Helmut! Und wir sind viel gereist zusammen, nicht nur im Rahmen von „LabourNet on Tour“…

Wenn soviel Charme gepaart wird mit Sachverstand, Belesenheit und Engagement – dann habe ich mit seinem Tod nicht nur meinen politischen Kompass und liebsten Kollegen – auch engen Freund verloren.  Mag Wompel

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Helmuts Tod tut weh.

Besuch beim LabourNet Germany von 3 japanischen GewerkschafterInnen im August 2018, hier bei der Rundfahrt durchs RuhrgebietOhne seine kontinuierliche Arbeit für das Labournet Germany verlieren hier kämpfende Internationalistas und noch  viele GenossInnen in anderen Ländern in aller Welt  eine wichtige Unterstützung.

Helmuts Fazit am Ende seines Artikels „Computer, Gewerkschaften, Zukunft: New_life@ capitalism.de?“ kennzeichnet seine nie aufgegebene Suche: „Unser Herangehen ist eines, das sich traditionell dem Vorwurf des ´Eklektizismus` aussetzt: Aber angesichts des Scheiterns der traditionellen linken Großansätze und der zunehmenden Uneinheitlichkeit diverser Lebenswelten ­ trotz (oder wegen) weltweiter kapitalistischer Gleichmacherei ­ ist die Suche nach dem Richtigen in den verschiedenen Ansätzen für eine Neukonstitution antikapitalistischer Bewegung unseres Erachtens geradezu Grundbedingung.“ – Dem ist nachzueifern.  Wolfgang Schaumberg

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Werde  den Schwaben Helmut sehr vermissen.

Kundgebung am 6. November in Tokio: Helmut Weiss (LabourNet Germany) 2. von rechtsHellmut ist in Stuttgart aufgewachsen und ich einige Kiliometer entfernt Richtung Tübingen. Wir sind beide 1948 im Schwabenland geboren. Ich lernte Ihn 1972 beim Antikriegstag in München kennen. Helmut war ein Sprachgenie und ein Bücherwurm. Ich hörte Helmut immer gerne zu, da er den Dialekt nach wie vor pflegte und ich mich immer etwas heimisch fühlte. Das verband uns, aber auch seine Haltung des Hinterfragens.

Helmut schmiedete viele Ideen, Pläne und war viel auf Achse. Ich erinnere mich gut an seine geniale Idee „Mobiles Einsatzkommando Software“ und  ebenso an den Arbeitskreis Internationales innerhalb des Ortsverein IG Medien Dortmund und überhaupt den berechtigten Kritik an den Gewerkschaften. Mein monatlicher Kneipengang mit Helmut – Gläschen Wein – und Michael mit vielen Gesprächen und Erinnerungen sind jäh unterbrochen worden wegen Corona. Hatte noch viele Fragen an Helmut, er wird mir fehlen.
Anne Eberle  in Trauer

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Helmut WeissAuch wir trauern um den Genosssen Helmut.

Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg

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Zum Tod des Freundes Helmut Weiss

››ich bin fort
 dort ist kein ort
 und bin ich dort
 bin ich dahin‹‹
                                          ernst jandl

»Als Generalist beherrsche ich nichts Besonders, dafür alles.« Hätte man Helmut diese Worte unterstellt, wäre sein Widerspruch höchstens müde lächelnd, wahrscheinlich sarkastisch gewesen.

Freund  Helmut wußte viel, erkundigte sich, las, forschte, untersuchte, interessierte sich für alles Mögliche und scheinbar Unmögliche – und war dabei immer mindestens teilnehmender Beobachter.

Eine Liste seiner Lektüre zu erstellen erscheint mir unmöglich: Es wäre zu beginnen bei Adorno & Aristoteles über Hegel & Hölderlin zu Perry Rhodan und der Boulevard (in Presse und Buch) dürfte nicht fehlen.

In Schwaben, in Stuttgart geboren verschlug es ihn als Schüler mit den Eltern nach Belo Horizonte, nach Brasilien – er studierte in Tübingen. Aus Dortmund (tief im Westen) führten später Reisen und Aufenthalte in alle Welt, nach Afrika Asien und immer wieder nach Brasilien – oft zu FreundInnen. Mit dem Begriff Heimat konnte Helmut nichts anfangen, er ist ihm immer fremd geblieben.

Kin-jeh (Brecht oder Freund Helmut) erzählte: In der Stadt Ni Ji  trank ich. In der Stadt Ko redete ich. In der Stadt Bi-leh arbeitete ich. In der Stadt Len schlug ich meine Zeit tot, In der  Stadt  Mo-su lernte ich. So, jetzt hab ich euch meine Beschreibung der Städte gegeben.

Bertolt Brecht: Beschreibung von Städten aus  Me-ti Buch der Wendungen.

Freund Helmut kam, wie ich und viele seiner Zeit aus der rebellischen 68er-Bewegung, stand der HERRschenden Gesellschaft, ihren Begriffen, Bevölkerungen und Bewegungen kritisch, ablehnend, ja feindlich gegenüber.

Ein idealer Standort für Sektierertum, aus dem nur ungerade, steinige Wege führen. Die Helmut mit Bravour (und Irrungen und Wirrungen) hinter sich brachte.

Die Strecke vom Maoisten, Mler, KPD/ML-Funktionär zum „Liquidator“ des Parteiaufbaus in den 70ern – zum Anwalt der da unten, der da draußen zu werden –  führte ihn über viele Stationen, über viele Orte, Kampf- & Kriegsschauplätze – und Spielplätze. Für Helmut und FreundInnen fast immer mit Gewinn. Von der KPD/ML zur VSP (Vereinigte Sozialistische Partei) zum kritischen Gewerkschafter in IG Medien und später in ver.di ging es logisch weiter zum Gewerkschaftskritiker (der „gelben“ systemerhaltenden konformistischen Vereine). Er blieb auf seinem oft gewundenen Weg.

Dabei war  er auch bis zu letzt Lernender, für sich und im Gespräch mit Gruppen, Menschen – er hatte den Blick für das Unvorhersehbare.
Mit seiner – erst spät gewonnenen Familie und nicht zu zählenden FreundInnen bleiben uns heute nur die Hölderlin´schen Worte:

Helmut Weiss beim Seminar in DortmundGetrost.
Es ist er Schmerzen wert, dies Leben,
so lang uns …..
Bilder bessrer Zeit um unsre Seele schweben.
Und ach! Mit uns ein freundlich Auge weint.

Oder, ein letztes mal Bertolt Brecht: Meister Hegel sagte: Dinge sind Vorkommisse. Zustände sind Prozesse. Vorgänge sind Übergänge.

Tschüss Helmut. Michael Banos

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liebe Mag, mein ganz herzliches Beileid.

Ich habe Helnut als einen echten Sozialisten, Internationalisten, unglaublich kompetenten und kenntnisreichen Analytiker und immer solidarischen Genossen kennen und schätzen gelernt!

Die Vereinigung GIM – KPD/ML („Trotzkismus“ plus „Stalinismus“) 1985/86 war ja auch aus heutiger Sicht ein verrückter Akt. So verrückt, wie meines Erachtens echte kreative Politik manchmal sein muss (und auch heute sein müsste!): Es gilt, nach vorne zu schauen, das Gemeinsame ins Zentrum zu rücken und beim Trennenden den Ball flach zu halten.
Das wäre niemals machbar gewesen, hätte es nicht damals bereits so offene Menschen gegeben wie Helmut, der den Dogmatismus abstreifte und die Zielsetzung einer solidarischen Gesellschaft in den Mittelpunkt stellte.
Damals in der VSP, in all der Arbeit bei LabourNet Germany und bis ans Ende seines Lebens und Kämpfens.

Ganz herzlich und in großer Trauer, Winnie Wolf

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Eine Auswahl von Helmuts wichtigsten Veröffentlichungen (und einiger Veranstaltungen)
im LabourNet Germany:

Von unzähligen kommentierten Materialsammlungen zu (fast) allen Themen dieser Welt abgesehen…

 

Kundgebung am 6.11.2016 in Tokyo: Zum Schluß der Versammlung haben wir alle "die Internationale" gesungen

Kundgebung am 6.11.2016 in Tokyo: Zum Schluß der Versammlung haben wir alle „die Internationale“ gesungen

Kundgebung am 6.11.2016 in Tokyo: Zum Schluss der Demonstration "high touch" mit fast allen TeilnehmerInnen

Kundgebung am 6.11.2016 in Tokyo: Zum Schluss der Demonstration „high touch“ mit fast allen TeilnehmerInnen

Am 14. Nov.2016 fand in Seoul der Gedankenaustausch zwischen KCTU Regionalverband Seoul und Doro-Chiba-Strömung statt; Auch hier hat Helmut Weiss über die Lage des deutschen Klassenkampfes und Aktivitäten von LabourNet Germany berichtet.

Am 14. Nov.2016 fand in Seoul der Gedankenaustausch zwischen KCTU Regionalverband Seoul und Doro-Chiba-Strömung statt; Auch hier hat Helmut Weiss über die Lage des deutschen Klassenkampfes und Aktivitäten von LabourNet Germany berichtet.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=189976
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