Industrie 4.0: Überwachung statt Revolution

isw-report 106: Digitale Arbeit und Industrie 4.0„… Industrie 4.0 ist kein betrieblicher Begriff, sondern der Name eines von der Bundesregierung geförderten Forschungsprogramms. Das „Internet der Dinge“ soll mit „Industrie 4.0“ auf den Betrieb übertragen werden. Grundlage sind Chips, durch die Waren und Geräte nicht nur eine eigene Identität in Form eines Codes erhalten, sondern auch Zustände erfassen und Aktionen ausführen können. (…) Gleichzeitig nimmt die Technisierung in Betrieben und Verwaltungen zu. Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund zunehmender Kontrolle der Beschäftigten. Wenn die Produktion als großes Netzwerk organisiert wird, wirkt das direkt auf die Beschäftigten. Die Vernetzung der IT-Systeme ermöglicht den Unternehmen eine dauernde Überwachung der Arbeitsleistung und des Verhaltens der Beschäftigten. (…) Wer sich die Situation in den Betrieben der Metallindustrie – der Kernbranche der Industrie 4.0 – vor Augen führt, erkennt, wie massiv diese Forderungen sind. Durch Arbeitszeitkonten, Überstunden und Schichtarbeit sind die Beschäftigten bereits heute belastet. Der Arbeitsdruck soll noch schärfer werden – unter dem Vorwand der Sachzwänge. (…) Die Forschungsergebnisse zeigen das „wachsende Ausmaß und die Regelungsbedürftigkeit psychischer Arbeitsbelastungen“, die im Zuge der Digitalisierung „weiter an Bedeutung gewinnen, wenn nicht gegengesteuert wird“…“ Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 8. Mai 2021 bei Telepolis externer Link und dazu:

  • Agil unter Druck: Von einer „Evolution der Unternehmens- und Arbeitsorganisation“ berichtet eine Fachinitiative. Wie die Veränderungen Belegschaften unter Druck setzen New
    „… „Die Kernidee agilen Arbeitens ist es, in interdisziplinären Teams selbstorganisiert zusammenzuarbeiten und so das verteilte Wissen der Teammitglieder besser zu nutzen“, heißt es im aktuellen Report der Initiative Arbeit und Gesundheit. Bestimmte Koordinierungs- oder Führungsaufgaben werden vom Team übernommen. Dies kann – wie in einem betrieblichen Beispiel – nach Ausscheiden eines Teamleiters der Fall sein, indem die Geschäftsführung sagt, das Team soll jetzt agil arbeiten, also die Führungsaufgaben selbst organisieren; der Abteilungsleiter übt in diesem Beispiel unverändert seine Aufgaben aus. Oftmals entfällt also nicht die Führungskraft, sie übernimmt aber zunehmend moderierende Aufgaben, ist für die Strategieentwicklung, die Rahmenbedingungen oder die Weiterentwicklung der Teammitglieder verantwortlich. (…) Neben den einzelnen Teammitgliedern gibt es zwei wichtige Aufgaben, die als Rollen bezeichnet werden: Eine Product-Owner vertritt die Position des Kapital-Eigners, kürzt Budgets, wenn es sein muss und erhöht durch Fragen an die Teammitglieder den Druck. Formal hat er keine Weisungsbefugnis, kann sich aber jederzeit an die Vorgesetzten der Angestellten wenden. Der Scrum-Master ist der Scrum-Manager. Er koordiniert, kann „Coachings“ durchführen für Product-Owner oder das Team. Er soll die „Organisationskultur des Unternehmens“ mit der Arbeit des agilen Teams harmonisieren, gibt dabei jedoch einzelnen Team-Mitgliedern keine Arbeitsanweisungen. Weder beurteilt er sie, noch hat er disziplinarische Möglichkeiten. Gleichzeitig haben die Teammitglieder aber disziplinarische Vorgesetzte, die sie in ihren Abteilungen weiter zeitlich einplanen. (…) Ein Vorgehen nach agilen Methoden bedeutet: Entscheiden muss erst einmal der einzelne Beschäftigte, wie hoch er den Aufwand sieht. Enormer Druck entsteht, denn im Planungsstadium müssen die Programmierer ihre Arbeitsweise offenlegen. Vor allem die Einschätzung, wie viel Zeit für einzelne Programmierschritte benötigt wird, setzt die Arbeitenden unter Zeitdruck. Die Auswirkungen wurden im neuen iga-Report untersucht. „Überforderung durch Eigenverantwortung“ warnt das Forscherteam. Gerade Gesundheitsthemen werden von den Beschäftigten bei agiler Arbeit vernachlässigt. Agilität führe „zu einer Verdichtung der Arbeit und bergen weitere gesundheitliche, vor allem psychische, Risiken“. Wichtig sei die „Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen“. Beitrag von Marcus Schwarzbach vom 31. Mai 2021 bei Telepolis externer Link
  • siehe vom Autor im LabourNet u.a.: Druck durch „agilen Überlebenskampf“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=189936
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