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NextGenerationEU auf Italienisch: Kampf gegen irreguläre Arbeit?

Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) in Italien gegen Prekarisierung durch die Corona-KriseIn diesen Tagen hat der italienische Premierminister Mario Draghi der Europäischen Union den Nationalen Plan zur wirtschaftlichen Erholung und Resilienz (Piano nazionale di ripresa e resilienza, Pnrr) vorgelegt. Dieses Dokument bildet den politischen Plan für die Investitionen der über 200 Milliarden Euro des Recovery Fund bzw. des NextGenerationEU, des europäischen Konjunkturpakets also, das im Zuge der Covid-19-Pandemie verabschiedet und Italien „zur Verfügung“ getellt wurde. (…) Im nationalen Plan sind aber auch Investitionen zur Bekämpfung der irregulären Arbeit vorgesehen. (…) Zu den Massnahmen zur Verwandlung der irregulären in reguläre Arbeit sollen „finanzielle Anreize an die Betriebe“ gesprochen werden. Finanzielle Anreize gehören seit jeher zum Programm der italienischen Regierungen, um reguläre Arbeit zu schaffen: vorübergehende Suspendierung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steurgeschenke etc. Dies hat aber nur zu einer Verlagerung der Arbeitskosten von den privaten Unternehmen auf die öffentliche Hand und auf die Arbeiter*innen selbst geführt. Noch mehr: Die irreguläre Arbeit war sehr oft gerade die Folge von finanziellen Anreizen an die Unternehmen…“ Aus dem Beitrag von Maurizio C. vom 28.4.2021 – wir danken!

NextGenerationEU: Kampf gegen irreguläre Arbeit?

In diesen Tagen hat der italienische Premierminister Mario Draghi der Europäischen Union den Nationalen Plan zur wirtschaftlichen Erholung und Resilienz (Piano nazionale di ripresa e resilienza, Pnrr) vorgelegt. Dieses Dokument bildet den politischen Plan für die Investitionen der über 200 Milliarden Euro des Recovery Fund bzw. des NextGenerationEU, des europäischen Konjunkturpakets also, das im Zuge der Covid-19-Pandemie verabschiedet und Italien „zur Verfügung“ getellt wurde. Das Geld – ein Mix zwischen zinslosem Darlehen und „normaler“ Verschuldung auf dem Kapitalmarkt – wird in erster Linie in die sogenannte „green economy“ und in die „Digitalisierung der Arbeit“ fliessen.

Im nationalen Plan sind aber auch Investitionen zur Bekämpfung der irregulären Arbeit vorgesehen. Wie aus dem Dokument zu entnehmen ist, wurden dafür vier Aktionsbereiche definiert: 1. die Verbesserung der Informationssammlung und des Informationsaustausches zwischen den staatlichen Behörden; 2. die Einführung direkter Massnahmen, um die irreguläre Arbeit zu regularisieren (beispielsweise finanzielle Anreize für die Arbeitgebenden); 3. eine breite Informationskampagne für Arbeitgebende und -nehmende; 4. eine Governance-Struktur, die eine effiziente Implementierung der Aktionen garantiert, d.h. die Anstellung von 2.000 neue Inspektor*innen (aktuell gibt es italienweit rund 4.500 Arbeitsinspektor*innen), um bis zum Jahr 2024 die Arbeitsplatzkontrollen im Vergleich zu den Jahren 2019-2020 um 20% zu erhöhen.

Die Probleme dieses Aktionsplanes sind nicht wenige, hier nur einige.

Laut offiziellen Zahlen des italienischen Arbeitsinspektorates wurde in 72% der zwischen 2018 und 2019 kontrollierten Betriebe (99.086 von 159.805) irreguläre Arbeit aufgedeckt; gleichzeitig sind die durchgeführten Kontrollen in dieser Zeitperiode um 4% gesunken. Die Erhöhung der Kontrollen um 20% innerhalb von vier Jahren ist also unzureichend im Vergleich zum realen Gewicht der irregulären Arbeit auf dem italienischen Arbeitsmarkt.

Auch ist die Zahl der Arbeitsinspektor*innen in den Jahren 2017-2019 um 14.5% von 5.673 auf 4.852 gesunken; nur ein kleiner Teil davon arbeitet Vollzeit in der Kontrolle. Mit der gelb-grünen Regierung von Giuseppe Conte (2018-2019) kündigte schon der damalige Arbeitsminister Luigi Di Maio die Anstellung von 2.000 neuen Inspektor*innen an, ohne dass dies je geschehen ist.

Zu den Massnahmen zur Verwandlung der irregulären in reguläre Arbeit sollen „finanzielle Anreize an die Betriebe“ gesprochen werden. Finanzielle Anreize gehören seit jeher zum Programm der italienischen Regierungen, um reguläre Arbeit zu schaffen: vorübergehende Suspendierung der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steurgeschenke etc. Dies hat aber nur zu einer Verlagerung der Arbeitskosten von den privaten Unternehmen auf die öffentliche Hand und auf die Arbeiter*innen selbst geführt. Noch mehr: Die irreguläre Arbeit war sehr oft gerade die Folge von finanziellen Anreizen an die Unternehmen und nicht – wie der dritte Aktionsbereich impliziert – von Unwissen oder fehlender Information von Seiten der Arbeitgebenden.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Vorhaben Geld kostet. Im neuen nationalen Plan wurde jedoch kein einziger Euro dafür budgetiert (sic!), die Potenzierung des nationalen Arbeitsinspektorates soll schlicht über die gängigen Mittel erfolgen. Alles lässt also vermuten, dass es sich bei diesem „Kampf gegen die irreguläre Arbeit“ wieder einmal nur um ein Lippenbekenntnis mit wenigen konkrekten Folgen handelt.

Beitrag von Maurizio C. vom 28.4.2021 – wir danken!

Siehe zum Hintergrund:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=189434
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