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- Transportwesen: Hafen, Schiffe und Werften
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- Transportwesen: Speditionen und Logistik
- Wachdienste und Sicherheitsgewerbe
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COVID-19 als Arbeitsunfall und Berufskrankheit
Dossier
“COVID-19 kann unter bestimmten Bedingungen als Arbeitsunfall eingestuft werden. Daneben können SARS-CoV-2-Infektionen auch eine Berufskrankheit darstellen. Bislang gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise dafür, dass die BK-Nr. 3101 auf Berufsgruppen außerhalb des Gesundheitsdienstes ausgeweitet werden sollte. Dieser Beitrag liefert Antworten mit Hintergrundinformationen zu den Fragen, ob eine SARS-CoV-2-Infektion einen Arbeitsunfall darstellt und ob eine COVID-19-Erkrankung auch als Berufskrankheit gewertet werden kann…” Überblick „COVID-19 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung“ von Michael Quabach und Fred-D. Zagrodnik im DGUV-Forum 1/2021 – siehe weitere Beiträge dazu (und zum Infektionsgeschehen am Arbeitsplatz das Dossier: (IG Metall zu) Gesundheitsschutz und Corona: „Arbeitgeber und Betriebsärzte schützen Beschäftigte zu wenig“):
- Anerkennung von Corona-Infektionen: Ermittlungen zu ungenau?
„… Von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt hat sich eine weitere Corona-Welle aufgetürmt – vor den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Es geht um Beschäftigte, die sich bei der Arbeit mit Covid-19 angesteckt haben könnten und nun von den Genossenschaften eine medizinische Versorgung und mögliche Rentenansprüche beantragen. Über fast 500.000 gemeldete Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Covid-19 haben die Genossenschaften in den vergangenen zwei Jahren bereits entschieden. Knapp zwei Drittel der Anträge wurden anerkannt – vor allem bei Menschen, die im Gesundheitswesen, der Pflege oder bei körpernahen Tätigkeiten wie dem Friseurhandwerk arbeiten. Eine Anerkennung verspricht eine bessere medizinische Versorgung und mögliche Rentenansprüche. Dafür muss „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ belegt sein, dass die Krankheit durch die Arbeit verursacht wurde. Ermitteln muss das stets die Berufsgenossenschaft, die im Anschluss auch die Kosten übernimmt. (…) Doch wenn der Antrag abgelehnt wird, haben es Betroffene oft schwer, dagegen vorzugehen. Die einzigen unabhängigen Beratungsstellen für Berufskrankheiten, finanziert von den Landesregierungen in Bremen, Hamburg und Berlin, schlagen Alarm. Die drei Beratungsstellen haben sich mit einem internen Brandbrief an das Bundesarbeitsministerium gewandt. In diesem Brief, der NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ vorliegt, kritisieren sie, dass die Ermittlungen oft zu ungenau seien. (…) In den vergangenen beiden Jahren haben die Beratungsstellen nach eigenen Angaben die Akten von mehreren Dutzend Fällen durchgearbeitet, bei denen Anträge zunächst abgelehnt wurden. Immer wieder würden dabei wichtige Beweismittel nicht berücksichtigt – sogar dann nicht, wenn Betroffene ganz konkret darauf hinwiesen. Dem Arbeitsministerium legten die Beratungsstellen in ihrem Brief deshalb Vorschläge vor, wie das betreffende Sozialgesetzbuch VII aus ihrer Sicht geändert werden müsste. Die Berliner Arbeitssenatorin Katja Kipping verschickte im vergangenen Sommer das Schreiben. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass zentrale Dokumente wie etwa die für jeden Betrieb verpflichtende Gefährdungsbeurteilung nicht regelmäßig als Beweismittel berücksichtigt würde – genauso wie konkrete Messungen, zum Beispiel von Schadstoffen, oder die Berichte von Betriebsärzten und Personalräten. Bislang bleibe es weitgehend den einzelnen Ermittlern überlassen, wie umfassend sie prüfen. (…) Doch im Bundesarbeitsministerium unter dem Sozialdemokraten Hubertus Heil fanden Kippings Vorschläge wenig Anklang. (…) Die von den Beratungsstellen geforderte Beweislastumkehr lehnte das Ministerium ab. (…) Während die Kritik an den Berufsgenossenschaften wächst, nimmt die Zahl derjenigen ab, die über die Genossenschaften wachen sollen. (…) Beschäftigten die Bundesländer vor rund zwei Jahrzehnten noch etwa 160 Landesgewerbeärzte, sind es heute nur noch rund 70. In einigen Bundesländern ist ein einziger Arzt dafür zuständig, die Gesundheit aller Beschäftigten des ganzen Landes zu überwachen…“ Exklusiv-Beitrag von Daniel Drepper vom 22. Dezember 2022 in tagesschau.de- Von der gesetzlichen Unfallversicherung sind inzwischen über 275.000 Corona-Infektionen als Berufskrankheit anerkannt worden – und das sind nur die Menschen, die es geschafft haben, die hohe Hürde der Anerkennung zu nehmen – siehe die aktuellen Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
- Spargel: Kein einziger mit Corona infizierter Saisonarbeiter entschädigt
„Hunderte osteuropäische Erntehelfer:innen haben sich in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert. Meist sind sie über die Unfallversicherung abgesichert – doch die hat bislang keine einzige Infektion als Arbeitsunfall anerkannt. 232 Fälle auf einem Hof im bayerischen Mamming, 95 Fälle im baden-württembergischen Inchenhofen, aktuell noch einmal 151 Fälle bei Thiermann in Niedersachsen: Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich hunderte osteuropäische Saisonarbeiter:innen in Deutschland mit Covid-19 infiziert. Doch wurde bislang keine einzige dieser Infektionen als Arbeitsunfall anerkannt – und die allermeisten Infektionen von den Betrieben offenbar noch nicht einmal an die Berufsgenossenschaft gemeldet. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Jutta Krellmann sowie aus Anfragen von BuzzFeed News Deutschland hervor. Auch der Fall des rumänischen Erntehelfers, der im vergangenen Frühjahr auf einem Spargelhof in Bad Krozingen an Corona verstorben war, wurde offenbar nicht als Arbeitsunfall anerkannt. (…) Landwirte sind als Arbeitgeber eigentlich dazu verpflichtet, jeden möglichen Arbeitsunfall spätestens drei Tage nach Auftreten an die Berufsgenossenschaft zu melden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Behandlung über eine private Zusatzversicherungen abgerechnet wird oder ob der Arbeitgeber davon ausgeht, dass die Meldung ohnehin nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird – mit diesen Fragen setzt sich allein die Sozialversicherung auseinander. „Im Zweifel sollte die/der Unterehmer/in eine Unfallmeldung abgeben“, schreibt die SVLFG. „Die Berufsgenossenschaft prüft/ermittelt dann von Amts wegen.“ (…) Inzwischen sind die Zahlen nochmal weiter angewachsen. Auf Rückfrage schreibt die Berufsgenossenschaft SVLFG, dass in den vergangenen vier Wochen, nach der Anfrage der Linken im Bundestag, 108 weitere Corona-Infektionen als mögliche Arbeitsunfälle gemeldet wurden. Mittlerweile seien – Stand 2. Juni – 140 Corona-Infektionen gemeldet. Von denen hat die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft SVLFG bisher keine als Arbeitsunfall anerkannt…“ Artikel von Daniel Drepper vom 03.06.2021 bei BuzzFeed News Deutschland , siehe für die genannten Fälle unser Dossier: Ernte-MigrantInnen: Wenn Spargel und Erdbeeren besser behandelt werden - Corona-Virus als Arbeitsunfall
„Die Folgen einer Infektion mit dem Corona-Virus können langwierig sein und vor allem viel kosten. Betroffene können zum Teil nicht mehr arbeiten und müssen weiter medizinisch behandelt werden. Wer aber zahlt dafür? (…) Die Erkrankung nach einer Infektion mit dem Coronavirus am Arbeitsplatz kann durchaus als Arbeitsunfall eingestuft werden. Auf jeden Fall dann, so die Sozialrechtsexpertin Katrin Willnecke von Verdi, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorliegen. Nach ihren Worten kann man von der Wahrscheinlichkeit der Ansteckung im beruflichen Umfeld ausgehen, „wenn mehrere Beschäftigte einer Abteilung bzw. eines Betriebes erkrankt sind oder nachweislich Kontakt mit erkrankten Beschäftigten oder Kundinnen bzw. Kunden bestand.“ Daher rät sie, selbst wenn die Infektionen symptomlos verlaufen, sollte der Präventionsdienst der zuständigen Berufsgenossenschaft oder der gesetzlichen Unfallkasse eingeschaltet werden. Dann nämlich wird ermittelt, ob die Arbeitsbedingungen bei der Verbreitung des Virus möglicherweise eine Rolle gespielt haben. Außerdem sind Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in solchen Fällen gehalten, bei der Berufsgenossenschaft eine Verdachtsanzeige zu stellen. Wird im Verdachtsfall keine Anzeige erstattet, dann können dies, betont Katrin Willnecke, die Beschäftigten auch selbst in die Hand nehmen. Dazu genüge eine EMail oder ein formloses Schreiben an die zuständige Berufsgenossen oder Unfallkasse mit dem Satz „Ich beantrage die Anerkennung meiner während der Tätigkeit erworbenen Infektion mit COVID-19 als Arbeitsunfall“. (…) Mediziner schließen inzwischen nicht aus, dass bis zu 30 Prozent der an COVID-19 Erkrankten an Langzeitfolgen leiden können. Viele dürften dann auch nicht in der Lage sein, ihren angestammten Beruf auszuüben. Eine finanzielle Absicherung bietet in solchen Fällen auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Versicherungsschutz, erläutert Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, greift dann, „wenn der bisherige Beruf durch eine Krankheit oder einen Unfall nach längerer Zeit in erheblichem Umfang, meistens 50 Prozent, nicht mehr ausgeübt werden kann.“ In der Regel meistens nach sechs Monaten. Das gilt für Spätfolgen nach einer Corona-Erkrankung wie für jede andere Krankheit auch, betont der Verbraucherberater. Allerdings nur bei bereits bestehenden Versicherungen. Und für die Zeit nach Corona rät Peter Grieble Beschäftigten, bei einem Vertragsabschluss Nachfragen zur Gesundheit wahrheitsgemäß zu beantworten. Auch die nach bisherigen Atemwegserkrankungen. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass im Fall einer späteren Berufsunfähigkeit der Versicherer keinen Cent zahlt. Und weil das so wichtig ist, ist es sehr sinnvoll, die Antworten auf die Gesundheitsfragen vorher mit dem eigenen Arzt zu besprechen.“ Artikel von Klaus Deuse vom 22. Mai 2021 bei der Deutschen Welle - Coronavirus: Kita- und Schulkinder können Infektionen als Arbeitsunfall melden und entschädigt werden [sofern die Infektion zur Erkrankung führt]
„Wenn sich Kinder oder junge Erwachsene in Kita, Schule oder Universität mit dem Coronavirus infizieren, können sie entschädigt werden. Die Anerkennungsquote liegt nach Informationen von BuzzFeed News bei gut 40 Prozent. Kinder oder Jugendliche, die einen Arbeitsunfall anerkannt bekommen, werden zum einen besser versorgt. Sie bekommen zum Beispiel aufwändige Reha-Leistungen und ärztliche Behandlungen bezahlt, müssen keinerlei Zuzahlungen leisten und bekommen auch Fahrtkosten erstattet. Sollte es aufgrund der Coronavirus-Erkrankung zu Spätfolgen kommen und das Kind später nicht voll arbeiten können, müssen die Unfallkassen zudem eine möglicherweise lebenslange Rente zahlen. Diese beträgt je nach Alter des Kindes bei der Infektion bis zu mehrere hundert Euro im Monat. (…) Wichtig hierbei: Der reine Nachweis des Virus reicht nicht aus, es müssen auch Symptome der Erkrankung vorhanden sein. (…) Die Voraussetzung für eine Anerkennung eines Coronavirus-Arbeitsunfall ist für Kinder und Jugendliche genau gleich wie für Erwachsene: Sie müssen den intensiven Kontakt mit einer infizierten Person nachweisen oder belegen, dass es mehrere infizierte Personen im Arbeitsumfeld gegeben hat. Gleichzeitig muss geprüft werden, ob sich die Kinder und Jugendlichen die Infektion nicht auch außerhalb der Kita, Schule oder Uni hätten einfangen können. Worauf müssen Eltern achten, wenn sie für ihre Kinder einen Arbeitsunfall anmelden? Wichtig sei vor allem, dass man als Eltern nachweisen könne, dass es in der Kita oder Schule eine infizierte Person gegeben hat, sagen die drei unabhängigen Beratungsstellen für Arbeitsunfälle in Hamburg, Berlin und Bremen im Gespräch mit BuzzFeed News. (…) Wenn eine ganze Klasse oder Kitagruppe wegen einer Infektion in Quarantäne geschickt wurde und sich dann weitere Kinder anstecken, sollten Eltern die Erkrankung ihres Kindes unbedingt bei den Unfallkassen melden – auch weil sich dies auf die Behandlung von Spätfolgen auswirken könne, sagen die Berater:innen im Gespräch mit BuzzFeed News. Wenn nur ein einzelnes Kind positiv getestet wird, sei der Nachweis dagegen schwer. Das Kind könnte sich zum Beispiel auch auf dem Spielplatz angesteckt haben…“ Artikel von Daniel Drepper vom 7. April 2021 bei BuzzFeed - COVID-19-Infektion durch die Arbeit? Übersetzte Flyer zur Anerkennung von Covid 19 als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall
Grundinformationen und Flyer in Arabisch, Bosnisch, Bulgarisch, Englisch, Polnisch, Rumänisch und Türkisch bei ver.di Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik - Berufskrankheit Coronavirus: Erzieherinnen häufig betroffen, aber selten entschädigt
„Kita-Erzieher:innen erkranken besonders häufig am Coronavirus, melden diese Erkrankung aber bisher nur selten als Berufskrankheit. Das zeigen Recherchen von BuzzFeed News. (…) Weniger als jede 1000ste Kita-Erzieherin hat in den vergangenen Monaten eine Infektion mit dem Coronavirus als Berufskrankheit anerkannt bekommen, zeigen aktuelle Zahlen der zuständigen Berufsgenossenschaft BGW. Dabei sind Kita-Erzieher:innen Untersuchungen zufolge die am stärksten von Covid-19 betroffene Berufsgruppe. Purschke war jahrelang selbst Erzieherin und ist heute als Personalrätin für den Gesundheitsschutz aller Erzieher:innen in Bremen zuständig. Sie weiß aus einer Befragung vor zwei Jahren, dass in den Bremer Kitas viele Frauen zwischen 45 und 58 arbeiten, auch mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck. Und sie weiß auch, dass kranke Menschen, die eine Berufskrankheit anerkannt bekommen, besonders gut versorgt werden – möglicherweise sogar inklusive Rentenzahlung. Im Frühsommer, als die Zahlen weit unten und die Kitas wieder komplett auf sind, beschäftigt sich Purschke eingehender mit dem Problem. Und versteht nicht, warum infizierte Kita-Erzieher:innen – im Gegensatz zu Ärzt:innen oder Pflegekräften – keine Berufskrankheit anerkannt bekommen können. Erst fast ein halbes Jahr später – in der Zwischenzeit haben sich rund eine Million Deutsche infiziert – entschließt sich die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) dazu, dass eine Corona-Infektion nun auch bei Erzieherinnen als Berufskrankheit anerkannt werden kann. Die Entscheidungen der DGUV gelten für alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Doch offenbar weiß bis heute kaum jemand davon. (…) Bis zum 5. März haben sich in Deutschland nur 1864 Erzieherinnen mit einer Corona-Verdachtsanzeige bei der BGW gemeldet. Bislang sind 706 dieser Meldungen als Berufskrankheit anerkannt – bei fast einer Million versicherten Kita-Erzieherinnen in der Berufsgenossenschaft. Das schreibt die BGW auf Anfrage von BuzzFeed News. In Krankenpflege sind dagegen schon etwa 20 mal so viele Berufskrankheiten anerkannt worden – bei ähnlich vielen Versicherten…“ Artikel von Daniel Drepper vom 18.03.2021 in BuzzFeed News , siehe dazu auch den Twitter-Thread von Dr. Wu vom 19.3.21 : „… Warum ihr den Text unbedingt lesen, teilen u andere informieren solltet. „Wer eine Infektion mit dem Coronavirus als Berufskrankheit o Arbeitsunfall anerkannt bekommt, hat Anspruch auf eine bessere medizinische Versorgung u bei Langzeitfolgen möglicherweise auch auf eine Rente…“ - Nicht nur in Schlachthof und Klinik: Wo stecken sich Menschen mit dem Coronavirus an? Der Arbeitsplatz hat an Bedeutung gewonnen. Auch die Zahl der Beschäftigten mit anerkannter Berufskrankheit ist nach oben geschossen
„… Wenn der Verdacht besteht, dass Beschäftigte wegen ihrer Berufstätigkeit erkrankt sind – etwa wegen Chemikalien, mit denen sie arbeiten -, muss dies der Unfallversicherung gemeldet werden. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt knapp 106 000 sogenannte Verdachtsanzeigen, das waren 32 Prozent mehr als im Vorjahr. Das berichtete der Spitzenverband der Gesetzlichen Unfallversicherung am Mittwoch. Der starke Anstieg ist ausschließlich auf Erkrankungen durch das Coronavirus zurückzuführen. So gab es 30 329 Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit durch Covid-19. Zu den Betroffenen gehören insbesondere Beschäftige in Klinken und der Pflege, aber auch in Beratungsstellen, Arztpraxen und Kitas. (…) Damit eine Krankheit tatsächlich als berufsbedingt gilt, müssen restriktive Bedingungen erfüllt sein: Die Beschwerden müssen wesentlich durch die Arbeit verursacht sein und die Menschen müssen ein erheblich größeres Risiko haben als andere. Insgesamt hat die gesetzliche Unfallversicherung im vorigen Jahr rund 38 000 Fälle als Berufskrankheit anerkannt – das sind über 100 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch dieser Anstieg ist im Wesentlichen durch die Pandemie verursacht: Rund 18 000 Menschen wurde bescheinigt, dass ihre Covid-19-Erkrankung berufsbedingt ist. Dabei gilt derzeit, von Einzelfällen abgesehen: Lediglich bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in Laboren werden Covid-19-Leiden als arbeitsbedingt akzeptiert. Denn nur ihnen wird pauschal zugebilligt, dass sie ein erheblich höheres Infektionsrisiko haben als die übrige Bevölkerung. Die Daten geben einen Eindruck, wie stark durch die Pandemie für viele Beschäftigte das Risiko gestiegen ist, im Job zu erkranken. Erhebungen des Robert-Koch-Instituts deuten zudem darauf hin, dass der Arbeitsplatz als Ansteckungsort auch jenseits von Klinken und Altersheimen an Bedeutung gewonnen hat. Seit Jahresbeginn würden »Ausbrüche am Arbeitsplatz in der Tendenz zunehmen«, schreibt das RKI und bezieht sich dabei auf Angaben der Gesundheitsämter. (…) Bei sehr vielen Covid-19-Fällen sind die Ämter zum Schluss gekommen, dass sich die Menschen in Privathaushalten angesteckt haben. Das war in den vergangenen Wochen ähnlich. Infektionsketten innerhalb einer Familie oder Wohngemeinschaft sind leichter zu ermitteln als beispielsweise in der U-Bahn, so das RKI. Darum sind Ansteckungen in der Wohnung wohl besser erfasst als andere. Der Arbeitsplatz steht aktuell nach den Privathaushalten an zweiter Stelle bei den Orten mit den häufigsten Ausbrüchen. Die Gesundheitsämter fanden bei rund 1700 Infektionen heraus, dass sie wahrscheinlich während der Erwerbstätigkeit stattgefunden haben. Dabei sind Risikojobs in Betrieben wie Kliniken, Altersheimen, Kitas und Arztpraxen gar nicht enthalten, diese werden gesondert ausgewiesen. (…) Einen der jüngsten Ausbrüche in einem Betrieb gab es im Miele-Werk in Euskirchen. Dort wurden 18 Beschäftigte positiv getestet, teilte das Unternehmen Ende Februar mit, zehn Personen hätten sich mit der britischen Variante infiziert – trotz eines »umfassenden Schutzkonzepts«. (…) Der Fall verdeutlicht, was im Grunde logisch ist: Wenn man die Infektionszahlen senken will, ist es sinnvoll, nicht nur im Privaten, sondern auch bei der Erwerbsarbeit Kontakte zu vermeiden…“ Beitrag von Eva Roth vom 5. März 2021 bei neues Deutschland online - ver.di vor dem Corona-Gipfel: Bund und Länder müssen endlich gemeinsame und tragfähige Strategie vorlegen – Covid-19 als Berufskrankheit anerkennen
„Vor der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) angemahnt, im Zusammenhang mit bereits erfolgten oder bevorstehenden Öffnungen endlich eine konsistente Strategie zum Schutz der Beschäftigten vorzulegen. Dies betreffe etwa Erzieherinnen und Erzieher ebenso wie die Beschäftigten im Einzelhandel, um nur einige Beispiele zu nennen. „Gut ist, dass Beschäftigte in Kitas und Schulen nun früher geimpft werden sollen. Jetzt müssen die Länder aber Tempo machen, damit die Einrichtungen den Kindern wieder ohne unvertretbare Risiken offenstehen können“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke am Montag. Leider existiere immer noch keine abgestimmte Strategie, die Kinder, Eltern und nichtgeimpfte Beschäftigten schütze: „Hier erwarten wir endlich Ergebnisse.“ ver.di fordert zudem, dass sich die Bundesregierung bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen dafür einsetzt, dass Covid-19 für alle Beschäftigten aus Arbeitsbereichen, die in direktem Kontakt zu Menschen ohne gleichzeitige Abstandsmöglichkeit stehen, als Berufskrankheit anerkannt wird. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich während der Arbeit infizieren und zum Teil lange an den Folgen leiden, müssen abgesichert werden“, betonte Werneke. (…) Die Situation im Handel steht für ver.di besonders im Fokus. „Da wird von den Konzernen und den Verbänden über tolle Hygienekonzepte gesprochen, in der Praxis sieht es aber vielfach mies aus. Zum einen werden die Kontrollen nicht nachgehalten. Zum anderen müssen die Betriebsräte teilweise in Einigungsstellen gegen ihren Arbeitgeber vernünftige Hygienekonzepte erkämpfen. So kann das nicht weitergehen“, kritisierte Werneke. Notwendig sei ein einheitlicher Richtwert von einem Kunden pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche, wirksame Zugangskontrollen und tragfähige Hygienekonzepten mit zusätzlichem Personal, das die Einhaltung überwacht.“ ver.di-Pressemitteilung vom 1. März 2021 - Inzidenz steigt in Betrieben. Bis November nur 29.000 Coronaanzeigen auf Berufskrankheit oder Arbeitsunfall. Beschäftigte werden oft abgewimmelt
„Hauptsächlich auf den »privaten Bereich« seien explodierende Covid-19-Zahlen zurückzuführen, behaupten Kapital und Regierung. Über Nahverkehr oder fehlende Schutzmaßnahmen für Schulen wird weniger gesprochen. Aus den Zahlen in Betrieben wird nahezu ein Geheimnis gemacht. Doch Skandale wie bei Tönnies (mehr als 2.000 Infizierte) und Amazon lassen sich schlecht vertuschen. Über Infektionsketten in der Industrie, wo Beschäftigte eng zusammenarbeiten, wird sonst wenig berichtet. Beispielsweise gab es bei BASF bis zum Herbst weltweit 1.740 Fälle (1,5 Prozent der Beschäftigten). Bei Thyssen-Krupp Steel (NRW) hatte sich im Oktober innerhalb einer Woche die Zahl der Infizierten verdreifacht. In die Öffentlichkeit kommen solche Fakten selten. (…) In der Metallindustrie hatte der von Betriebsräten und IG Metall durchgesetzte Gesundheitsschutz bis September Wirkung gezeigt. Trotz Sicherheitsmaßnahmen durch geänderte Arbeitszeit- und Schichtregelungen, mehr Pausen oder Senkung der Taktzeiten kommt es nun wieder zu mehr Ausbrüchen. Vor Weihnachten wurde vor allem die »A6«-Produktion von Audi in Neckarsulm zum »Hotspot«. Täglich fielen Beschäftigte aus und mussten aus anderen Montagebereichen ersetzt werden. Der Konzern spielte das herunter: »Auch der Inzidenzwert der Coronaneuinfektionen pro 100.000 Einwohner je sieben Tage im Stadtkreis Heilbronn, an dem sich der Standort orientiert, erhöht sich.« Zudem gebe es eine Teststation. Das Nachrichtenportal Echo 24 schrieb am 16. Dezember: »Die betriebsinterne Inzidenz liegt unter den Werten der angrenzenden Stadt und Landkreise.« Beruhigend? Im Gegenteil. In Heilbronn lagen die Inzidenzwerte Mitte Dezember bei weit über 300. Manche Großbetriebe weisen unter der Devise »Profit vor Menschen« sogar errechnete vierstellige Inzidenzen auf, ein Anstieg der Neuinfektionen in der Belegschaft in einer Woche im Prozentbereich. (…) Zu Covid-19-Erkrankungen lagen nach Angaben der gesetzlichen Unfallversicherungsträger bis Mitte November bundesweit auch nur 19.517 Anzeigen auf Berufskrankheit und 9.429 auf Arbeitsunfall vor. Bezogen auf alle bis dahin gezählten 1,3 Millionen infizierten Personen, war dies bloß bei jeder 45. Ansteckung der Fall. (….) Nimmt man die Zahl der bis Mitte November dokumentierten rund 250.000 Erkrankungen, liegt die Anzeigenquote bei 11,6 Prozent. Anerkannt wurden davon laut Bundesregierung »65,8 Prozent der als Berufskrankheit angezeigten Erkrankungen und 42,1 Prozent der als Arbeitsunfall angezeigten«. Dass Infizierte kaum Anzeige erstatten, wundert nicht. Die meisten Beschäftigten wissen nichts von ihrem Recht, eine Coronainfektion als Berufskrankheit bzw. Arbeitsunfall zu melden. (…) In die Berufskrankheitenliste (BK-Nummer 3101) können Coronainfektionen derzeit nur aufgenommen werden, wenn Betroffene im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig waren. Klinikpflegekräfte haben im Schnitt ein um 56 Prozent höheres Covid-19-Erkrankungsrisiko als alle anderen Beschäftigten. Im Gesundheitsdienst gab es bis 12. Dezember laut RKI 34.500 Ansteckungen, in der Pflege 24.500. In den übrigen Bereichen kommt nur eine Anerkennung als Arbeitsunfall in Betracht…“ Artikel von Martin Hornung in der jungen Welt vom 05.01.2021