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Wenn in Brasilien Lula kandidieren sollte: Endkampf? Und: Zwischen welchen Positionen?

Straßenblockade der Landlosenbewegung MST in Parana am 6.4.2018Lula selbst nannte das Urteil gegen ihn – nach dessen Aufhebung – ziemlich wenig bescheiden die „größte Justizlüge der letzten 500 Jahre“, was ja einiges an sogenannter Rechtssprechung sowohl zu Zeiten des portugiesischen Kolonialismus, als auch der brasilianischen Republik und erst Recht der Militärdiktatur beiseite wischt. Aber für jemanden, der als Präsident einen seiner ziemlich üblen Vorgänger, den Diktator General Geisel einen „Staatsmann“ nannte, jetzt auch nicht so überraschend. Wie es ja überhaupt bei einer Wahlentscheidung von Bolsonaro gegen Lula in einem möglichen zweiten Wahlgang nicht um de Gegenüberstellung des Klassenkampfes von oben gegen den von unten ginge, sonder die Alternative „Klassenkampf von Oben gegen Klassenzusammenarbeit“ aufs Tapet bringen würde, weswegen ja auch die internationale Sozialdemokratie sich als besonders begeistert über eine mögliche erneute Kandidatur erweist. Zu den politischen Optionen einer möglichen Lula-Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl vier aktuelle Beiträge:

  • „Lula da Silva: „Größte Justizlüge in 500 Jahren Geschichte“ in Brasilien“von Eva von Steinburg am 13. März 2021 bei amerika21.de externer Link zu Lulas eigener Aussage unter anderem: „… Er sagte: „Ich war das Opfer der größten Justiz-Lüge in 500 Jahren Geschichte.“ Am Sitz der Metallarbeitergewerkschaft in São Bernardo do Campo nahe São Paulo betonte er zugleich, dass er keinen Schmerz über den unfairen, politisch motivierten Prozess und seine über 500 Tage in Haft empfinde. Auch wenn seine Ehefrau mit deswegen erkrankte und er nicht zur Beerdigung seines Bruders durfte: „Wenn es einen Brasilianer gibt, der tief gekränkt sein sollte, dann ich. Aber ich bin es nicht“, sagte Lula da Silva: „Das Leid, das die Armen im Land erleiden ist unendlich größer als irgendein Verbrechen, das sie an mir begangen haben“, so das Idol der linken brasilianischen Arbeiterpartei. Brasiliens bekanntester Kämpfer gegen Hunger und Ungleichheit erklärte: „Es gibt keinen größeren Schmerz für einen Bürger als zu wissen, dass er ohne Arbeit ist und am Monatsende kein Gehalt haben wird, um die Familie durchzubringen.“ Der Ex-Präsident benannte die Zahl von über 270.000 Opfern von Covid-19 im Land und sprach ihren Angehörigen und dem Gesundheitspersonal seine Solidarität aus…“
  • Viele Linke feiern ein mögliches Comeback von Ex-Präsident Lula. Es ist unbestritten, dass in seiner Amtszeit historische Fortschritte erzielt wurden, z.B. bei der Armutsbekämpfung oder im Bildungssektor. Aber es ist wichtig, auch über die Schattenseiten zu sprechenam 10. März 2021 im Twitter-Kanal von Niklas Franzen externer Link ist ein Thread, in dem Fort- und Rückschritte der Regierungen Lula in einem knappen Überblick zusammen gefasst werden. Eine Kritik, die zu Recht nicht davon ausgeht, ob Lula eine sozialistische Politik verfolgt habe oder nicht – denn das hatte er weder jemals versprochen, noch hatten das die Mehrheit seiner Wählerinnen und Wähler erwartet. Sondern, die sich mit demokratischen Rechten und sozialen Reformen befasst.
  • „Brasilien: Lula der Versöhnler ist zurück“ von Thiago Flamé am 11. März 2021 bei Klasse gegen Klasse externer Link fasst die traditionelle linke Kritik so zusammen: „… In den letzten fünf Jahren ist die zerbrechliche brasilianische Demokratie mit Füßen getreten worden: von den Agent:innen des Finanzkapitals; von den obersten Militärs; von den Politiker:innen der „Mitte“, die von Anhänger:innen Lulas zu Schwindler:innen geworden sind, um in Zeiten der „Lava Jato“-Korruptionsaffäre den Fluss der Gelder zu garantieren. Sie verhängten eine Obergrenze für die Staatsausgaben, setzten eine Arbeitsmarktreform sowie eine Rentenreform um und machen nun mit einer „Notfall“-Verfassungsänderung weiter, die eine brutale Kürzung der öffentlichen Ausgaben vorsieht. Der Bolsonaro-Clan lacht den Massen ins Gesicht, bei denen die Pandemie, die Arbeitslosigkeit und der Hunger an die Tür klopft. Dieses Paradies für Spekulant:innen, Großunternehmer:innen und Militärs sitzt jedoch auf einem Schnellkochtopf, der zwar noch nicht explodiert ist, aber immer mehr Energie und Hitze anstaut. Der Massenaufstand in Paraguay zeigt, dass der Topf explodieren kann, wenn man es am wenigsten erwartet. Diejenigen Putschist:innen, die nicht völlig von ihrem eigenen Jubel geblendet sind, beginnen die Konsequenzen des Zynismus und der Arroganz von Bolsonaro zu fürchten. Sie befürchten, dass, wenn alle Stricke reißen, es nicht nur Bolsonaro treffen wird, sondern alle seine direkten und indirekten Kompliz:innen der letzten fünf Jahre...“

LabourNet Germany gehörte nie zu Lula-Fans, dennoch ist er natürlich gut dokumentiert, hier eine kleine Auswahl:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187729
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