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Versteckte Entlassungen: Swissjust Argentina (Vertrieb der schweizer Kosmetik-Fabrik Just) sperrt alle 52 Logistikmitarbeitende aus – Kritik auch an Just in der Schweiz

Dossier

Soliaktion gegen Entlassungen in Argentinien vor dem Unternehmenssitz von SwissJust in der Schweiz im März 2021Täuschungsmanöver: Der Schweizer Kosmetikmulti Just schenkt in Buenos Aires den Mitarbeitenden als Corona-Bonus einen freien Tag. Als diese wiederkommen, stehen sie vor leeren Fabrikhallen. Tägliche Demos, eiskalte Manager und eine besetzte Fabrik: das sind die Zutaten des aktuell wohl heftigsten Arbeitskampfes in Buenos Aires, der Hauptstadt Argentiniens. Schon seit über einem Monat dauert er an und beschäftigt mittlerweile sogar das Arbeitsministerium der Riesenmetropole. Mittendrin: die weltweit tätige Schweizer Kosmetikfirma Just AG mit Sitz in Walzenhausen AR – bekannt für ihre Kräutersalben und therapeutischen Öle. Und für ihre emsigen Haustürverkäuferinnen und -verkäufer (siehe Text unten). In Argentinien geschäftet Just mit der Partnerfirma Swissjust. Diese besorgte jahrelang den Vertrieb der Just-Produkte in Übersee. Bis zum 16. Februar: An dem Tag warf Swissjust auf einen Schlag alle 52 Arbeiterinnen und Arbeiter seines Verteilzentrums raus. Das bringt nun auch die Unia auf den Plan…“ Artikel von Jonas Komposch vom 19. März 2021 in der work der Gewerkschaft Unia externer Link unter dem Titel „In Argentinien entlässt Just über Nacht 52 Mitarbeitende. Doch: Die Compañeros besetzen Schweizer Kosmetik-Fabrik“ und darin auch: „Unia-Protest bei Just: Solidarische Grüsse aus dem Appenzellerland. Solche schickte die Unia am 10. März an die Swissjust-Belegschaft von Buenos Aires…“ Siehe weitere Informationen (und den Hinweis der Redaktion zur Umbenennung des Beitrags):

  • Swissjust-Belegschaft von Buenos Aires setzt sich durch: «Ein historischer Triumph!» New
    Angelogen, getäuscht und rausgeworfen – das wurden die 52 Mitarbeitenden von Swissjust in Argentinien. Doch Logistiker Mardonio Racedo lief dagegen Sturm. Und Unia-Mitglied Ursina Weiler hatte eine zündende Idee. Zwei volle Monate dauerte es und brauchte nichts weniger als eine Fabrikbesetzung, ein Protestcamp sowie 6 Demonstrationsmärsche – nun endlich ist es geschafft! Die Belegschaft der argentinischen Distributionsfirma Swissjust, eines Partnerunternehmens der Schweizer Kosmetikfirma Just AG, konnte ihre Arbeitsbedingungen erfolgreich verteidigen. Statt zu tieferen Löhnen und schlechteren Sozialleistungen werden sie vom Logistikriesen Transfarmaco zum exakt gleichen Tarif wie bei Swissjust übernommen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am 8. April von der Gewerkschaft CIS-CTA, dem Unternehmen und Behördenvertretern unterzeichnet. Ein «Riesenerfolg» sei das, sagt Gewerkschaftssekretär Gustavo Córdoba, sogar ein «historischer Triumph». Denn die Betroffenen würden bei der neuen Firma höhere Löhne erzielen, als diese üblicherweise zahle. Hinzu kämen Beschäftigungsgarantien und andere Absicherungen. (…) Mit vereinten Kräften mobilisierten Weiler und die Unia-Sektion Säntis-Bodensee zu einer Solidaritätskundgebung am Just-Firmensitz in Walzenhausen AR. Vor Ort hielt die Zürcherin eine flammende Rede. Just-CEO Heinz Moser stand daneben und staunte. Und per Instagram-Livestream applaudierte das Swissjust-Kollektiv aus Argentinien: «¡Muchas gracias, compañera!» In der Folge berichteten verschiedene Zeitungen darüber. Und etliche Just-Kundinnen und Kunden drohten empört mit Boykott. Jetzt endlich begriff der imagebewusste Kosmetikmulti den Ernst der Lage. Eine professionelle Krisenkommunikation musste her. Just engagierte die Hirzel. Neef.Schmid. Konsulenten AG, die Nr. 1 auf dem Schweizer PR-Markt. Stundenhonorare betragen dort bis zu 800 Franken. Aber ans Eingemachte ging’s erst danach: Die Appenzeller kommandierten ihre argentinischen Geschäftspartner an den Verhandlungstisch…“ Artikel von Jonas Komposch vom 23. April 2021 in der Work-Zeitung der Unia externer Link
  • Erfolg für die Arbeiter:innen von SwissJust in Argentinien: Wiedereinstellung zu gleichen Lohn- und Vertragsbedingungen 
    „Die Arbeiter:innen von SwissJust in Argentinien gewinnen ihren Arbeitskonflikt. Nach der Leerung der alten Lagerhallen und einem fast zweimonatigem Streik sind sie nun mit dem zuständigen Unternehmen zu einer Vereinbarung gekommen. Mardonio Racedo klingt erschöpft am Telefon. „Wir sind endlich zu einer Einigung gekommen. Das ist schön, aber der Kampf war hart. Wir waren wochenlang von unseren Familien getrennt.“ Er und seine Arbeitskolleg:innen hatten zuletzt 18 Tage vor den Produktionshallen der Just Latam in einer Vorstadt von Buenos Aires ausgeharrt, um gegen ihre Entlassung zu demonstrieren (…). Nach fast zwei Monaten Arbeitskampf kündigte die zuständige Gewerkschaft Comercio, Industrias y Servicios (CIS) am 8. April an, dass die 52 Arbeiter:innen zu gleichen Lohnbedingungen am neuen Standort arbeiten können. „Es fiel uns schwer, dass zu akzeptieren. Es bedeutet, dass wir unseren alten Arbeitsort endgültig verloren haben. Aber wir sind froh über die erreichte Einigung“, sagt Racedo. (…) Der Grund war, dass Mitte Februar SwissJust Argentina, das Logistikunternehmen für die Produkte des Schweizer Kosmetikherstellers Just auf dem argentinischen Markt, über Nacht die Lagerhallen geleert und ohne Vorwarnung den Vertrieb der Marke an das grössere Logistikunternehmen Transfarmaco übergeben hatte. Die Arbeiter:innen wurden vor die Wahl gestellt: Entweder sie akzeptieren eine doppelte Abfindung oder sie nehmen den neuen Job zu schlechteren Arbeitsbedingungen, 60 Kilometer entfernt, sowie eine doppelte Abfindung an. Dies kam einer Entlassung oder einer massiven Verschlechterung der Arbeitsbedingungen gleich. Die Arbeiter:innen wollten das nicht hinnehmen. In Argentinien sind Entlassungen aufgrund der Pandemie nur im Falle von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Unternehmen erlaubt und die Leerung der Hallen über Nacht, das sogenannte Vacíamiento, eine illegale Praxis. Der Just in Argentinien geht es prächtig, sie geniesst seit Jahren ein kontinuierliches Wachstum. Die Arbeiter:innen besetzten daher die leeren Lagerhallen und zogen kurzerhand vor die Produktionsanlagen der Just Latam, knapp 40 Kilometer vom Standort der Lagerhallen entfernt. Dort versperrten sie den Ausgang des Werksgeländes und blockierten so die Verteilung von Just-Gütern für den ganzen amerikanischen Kontinent…“ Bericht von Malte Seiwerth vom 12. April 2021 bei ‚das Lamm‘ externer Link – siehe auch:

    • (mit vielen Bildern) die Meldung „Histórico triunfo del Sindicato Joven CIS en Multinacional Swissjust“ vom 8.4.21 bei CTA Buenos Aires externer Link
    • Stellungnahme der Geschäftsleitung: Arbeitskonflikt in Argentinien beendet
      Mit grosser Erleichterung nimmt JUST International AG zur Kenntnis, dass der Arbeitskonflikt bei SwissJust Argentina, einem von uns rechtlich unabhängigen Unternehmen, gelöst werden konnte. Die Verantwortlichen von JUST International AG haben aktiv vermittelt und dadurch zu einer für alle Seiten guten Lösung beigetragen. Walzenhausen, 9.4.2021 – Der Arbeitskonflikt zwischen SwissJust Argentina und 28 Mitarbeitenden konnte am 8. April 2021 beendet werden. Das Kollektiv der Arbeitnehmenden hat mit der Geschäftsleitung von SwissJust Argentina ein entsprechendes Rahmenabkommen unterzeichnet, mit dem eine für alle Seiten gute Lösung gefunden werden konnte. Wie kam es zum Arbeitskonflikt? SwissJust Argentina hatte sich vor einigen Wochen dazu entschlossen, den Paketversand zu reorganisieren. Allen 51 Mitarbeitenden hatte das Unternehmen die Weiterbeschäftigung in einem neuen Logistikunternehmen garantiert. Es kam zu keinen Entlassungen. Darüber hinaus ist den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Ersatz für die Dienstalter-Prämie auch eine finanzielle Abfindung zugesichert worden. 28 der insgesamt 51 betroffenen Mitarbeitenden waren mit der Reorganisation und der neuen Arbeitsstelle nicht einverstanden. In der Folge hatten sie sich dazu entschlossen, zusammen mit der Gewerkschaft CIS/CTA unsere Produktionsfabrik in General Rodriguez zu blockieren. Dies, obwohl zwischen unserer Firma und unserer Produktionsstätte in General Rodriguez und dem Arbeitskonflikt bei SwissJust Argentina in Buenos Aires kein Zusammenhang besteht. (…) Nach Beendigung der Blockade unterhielten die Protestierenden weiterhin Camps vor unserer Fabrik. Mit der Austragung des arbeitsrechtlichen Konflikts vor unserer Fabrik war JUST International Latam SA, welche die Fabrik betreibt und zu 100 Prozent eine Tochtergesellschaft von JUST International AG ist, direkt vom Arbeitskonflikt betroffen…“ Pressemitteilung vom 9.4.2021 von und bei JUST International AG externer Link
  • Just: Arbeitskampf in Argentinien bringt neue Missstände ans Licht: Ist auch im Appenzell nicht alles just?
    In Buenos Aires geht die geschasste Swissjust-Belegschaft in die Offensive. Schon rumort es in einem zweiten Werk. Und auch am Just-Stammsitz in Walzenhausen AR sind nicht alle glücklich. (…) Ganz wichtig sei auch die «unternehmerische Sozialverantwortung». Schliesslich sei Just ein «sicherer und attraktiver Arbeitgeber», bei dem «der Mensch immer im Mittelpunkt» stehe. Eine ganz andere Erfahrung gemacht haben allerdings die 52 Logistikmitarbeitenden von Swissjust Argentina. (…) Schwere Missstände herrschten nämlich auch am Produktionsstandort von Just. Gewerkschaftsmann Córdoba: «Als wir hier aufkreuzten, kamen sofort diverse Arbeiter zu uns und baten um Hilfe.» Alle hätten drei zentrale Probleme benannt: Erstens gebe es keine freien Betriebsratswahlen, die bestehende Personalvertretung sei eine Marionette der Geschäftsleitung und nicht von der Belegschaft gewählt, sondern gekauft. Zweitens herrsche im Betrieb die reinste Günstlingswirtschaft. Nur Mitarbeitende, die vor den Chefs buckelten, erhielten angenehme Schichten. Und drittens komme es regelmässig zu Demütigungen durch Vorgesetzte. (…) Nach dem letzten work-Bericht meldete sich eine Person aus dem Appenzeller Betrieb. Sie will anonym bleiben, denn sie sagt: «Auch hier hat sich das Klima in letzter Zeit verschlechtert. Es gibt Demütigungen und Druck von ganz oben. Auch mehrten sich fragwürdige Entlassungen. Aus Frust hat jemand sogar einen Sabotageakt verübt. Bei einer Produktionsanlage wurden die Kabel durchgeschnitten. An diesem Tag lief gar nichts mehr.» Brodelt es etwa auch in Walzenhausen?…“ Artikel von Jonas Komposch vom 1. April 2021 in der work der Gewerkschaft Unia externer Link
  • Solidarität mit den entlassenen Arbeiter:innen von SwissJust in Buenos Aires! Die Firma mit Hauptsitz in Walzenhausen AR versucht mit würdelosen Manövern das Pandemie-Kündigungsverbot zu umgehen. Reempleo ya! Viva la solidariedad internacional!am 11. März 2021 im Twitter-Kanal vom ajour-magazin externer Link berichtet (mit Fotos) zum einen ebenfalls von der Solidaritäts-Aktion in der Schweiz und weist eben zum anderen darauf hin, dass das Unternehmen gültige gesetzliche Verfügungen missachtet
  • Die Appenzeller Kosmetik- und Pflegeproduktefirma Just feuert in Argentinien 52 Arbeiter:innen von einem Tag auf den anderen. Diese protestieren heftig gegen die Entlassungen. Wir solidarisieren uns mit den Protesten und demonstrieren heute vor dem Hauptsitz der Firmaam 10. März 2021 im Twitter-Kanal von Sozialismus.ch externer Link berichtet von der ersten Solidaritätsaktion in der Schweiz gegen die Willkür der Unternehmensleitung, die damit versuch die argentinische Gesetzgebung zu umgehen, die Entlassungen während der Epidemie untersagt.
  • Siehe den Twitteraccount der Entlassenen externer Link mit Berichten. Bildern und Videos des Widerstandes und der internationalen Solidarität, auch unter #SwissJustNosDejaEnLaCalle oder #justsintrabajo

Hinweis der Redaktion zur Umbenennung des Beitrags

„Was interessieren uns Eure Gesetze? Schweizer Unternehmen SwissJust entlässt GewerkschafterInnen. In Argentinien“ hieß der Beitrag bis zum 15.4.2021. Die Umbenennung in „Versteckte Entlassungen: Swissjust Argentina (Vertrieb der schweizer Kosmetik-Fabrik Just) sperrt alle 52 Logistikmitarbeitende aus – Kritik auch an Just in der Schweiz“ erfolgte zur Korrektur anfänglicher Mißverständnisse:

1) Swissjust ist kein Schweizer Unternehmen, sondern ein argentinisches. Es ist juristisch komplett unabhängig von der Schweizer Just AG. Bis Mitte Februar oblag Swissjust jedoch der Vertrieb der Just-Produkte.

2) Es sind eben gerade nicht Entlassungen ausgesprochen worden. Viel mehr wurden die Leute (darunter auch einige Gewerkschafterinnen) getäuscht, und nachdem das Verteilzentrum über Nacht geräumt worden war, ausgesperrt und mit 3 Optionen konfrontiert: 1. Weiterbeschäftigung beim Subunternehmer Transfarmaco zu schlechteren Bedingungen und Erhalt einer Prämie, 2. Erhalt einer Prämie, falls die Leute selbst kündigen. 3. Weiterbeschäftigung (ohne Beschäftigung) bis Entlassungen wieder erlaubt sind). Mit diesem Umweg, diesem Trick, diesen „versteckten Entlassungen“ hat Swissjust wohl einigermassen elegant die argentinischen Gesetze eingehalten.

3) Wie den beiden Artikel von Jonas Komposch in der Work deutlich machen, ist anlässlich des Konfliktes in Argentinien auch einiger Unmut über die Arbeitsbedingungen bei Just in der Schweiz bekannt geworden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=187707
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