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Mayday, Mayday – FMO an DGB. Wenn der DGB und verdi zu Lobbyisten des FMO werden – und der FMO entdeckt, wie er die SPD beeinflussen kann
Wer einmal auf einem Bundeskongreß einer Gewerkschaft war und sich von A – Z und 1 bis 1012 durch alle Anträge gearbeitet hat, der weiß, in welchem inhaltlichen Spagath sich „die Gewerkschaften“ befinden. Da geht es ad 1) natürlich um den Erhalt von Arbeitsplätzen, die möglichst tarifiert sind und der Mitbestimmung unterliegen. Zunehmend wichtiger in den inhaltlichen Diskussionen werden Werte wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Pazifismus, die sich nicht so gut mit Arbeitsplätzen in der Atom- und Waffenindustrie, in Kohlekraftwerken und letztlich auch zunehmend Arbeitsplätze der Automobilindustrie unter einen Hut bringen lassen. Mit der Corona-und der Klima-Krise hat sich endgültig ein neues Konfliktfeld aufgetan: Die Arbeitsplätze an hochdefizitären Flughäfen, die nur noch durch Subventionen überlebensfähig sind. In Klimafragen besonders weit aus dem Fenstergehängt hat sich ver.di mit einer offensiv verkündeten Zusammenarbeit mit den Klimaaktivist*Innen von Fridays for Future, In der gelebten gewerkschaftlichen Praxis bleibt die häufig folgenlos, wie man jetzt im Münsterland und dem Regionalflughafen Münster-Osnabrück sehen kann. Siehe dazu den Artikel von Frank Biermann vom 8.3.2021 – wir danken!
Mayday, Mayday – FMO an DGB
Wenn der DGB und verdi zu Lobbyisten des FMO werden – und der FMO entdeckt, wie er die SPD beeinflussen kann
Volker Nicolai-Koß, der DGB-Chef im Münsterland ist ein umtriebiger Mann. Er ist viel unterwegs und telefoniert viel. Das ist gut und richtig so, der gesellschaftliche Wandel schreitet rapide voran, da müssen sich die Gewerkschaften ranhalten, wenn sie den Anschluß nicht verlieren wollen. Wer alles auf seiner Anrufliste steht, das wird den einen oder anderen Gewerkschafter überraschen. Da steht nämlich zum Beispiel auch Markus Gertken drauf, das ist der kaufmännische Geschäftsführer des Flughafens Münster-Osnabrück (FMO), über dessen Zukunft und Existenzberechtigung derzeit viel und kontrovers wird. In Münster und im Münsterland und in Osnabrück, wo die Gesellschafter des FMO sitzen. Zum besseren Verständnis dieser Geschichte sollte man vielleicht noch voranschicken, dass der Regionalgeschäftsführer des DGB Münsterland Nicolai-Koß Genosse, also SPD-Mitglied ist, genauso wie fast alle seine Amtsvorgänger. Der ein oder andere wird sich sicher über so eine intensiv gelebte Sozialpartnerschaft die Augen reiben, wenn Gertken vom FMO – wie Nicolai-Koß in einem Schreiben an die lieben Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsführungen und Vorsitzenden der DGB-Gewerkschaften schreibt – den SPD-Mann und DGB-Chef anruft. Gertken bat in dem Telefonat, wir zitieren hier das Schreiben, das uns vorliegt) „die Gewerkschaften um Unterstützung, die SPD-Fraktion Münster anzusprechen, um den Ratsbeschluss, der mit der Entscheidung verbunden ist, den FMO nach 2023 finanziell nicht mehr zu unterstützen, zu überdenken“. Die Gewerkschaft ver.di habe bereits ein Schreiben an die Fraktion verfasst.
In der Tat hatte Sebastian Schulze, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Verkehr im Bezirk OWL/ Münsterland u.a. am 1. März 2021 ein Papier verfasst, und an die lieben „Kolleginnen und Kollegen von der SPD im Rat der Stadt Münster“ geschickt. In dem Schreiben (das der MVZ ebenfalls vorliegt) analysiert Schulze den (später wieder von OB Markus Lewe kassierten) im Hauptausschuss gefassten Beschluss der neuen grün/rot/violetten Ratskoalition zum FMO. Schulze begrüßt die dort beschlossenen Corona-bedingten Ausgleichszahlungen, verleiht aber gleichzeitig seiner Sorge Ausdruck, dass Münster nach 2023 den FMO nicht mehr unterstützen will. Mit einem eigenem „Münsteraner Weg“ würde nicht nur der FMO geschwächt, es würden tausende Arbeitsplätze gefährdet. Mit Freude habe man bei verdi registriert, dass die SPD in Osnabrück und auch die SPD im Münsterland sich „eindeutig und unmißverständlich zum FMO bekannt“ haben. Was läge da näher für die SPD Münster, als dies auch zu tun?
Vor dieser Gemengelage wird deutlich, warum der FMO-Mann Gertken den DGB-Mann Nicolai-Koß anruft und um Unterstützung bittet. Diesem fehlt es nicht an Ideen. Er will eine „Betriebsräterunde am FMO“ organisieren und weiter öffentlich Pro FMO Stellung beziehen. Das alles ohne Rückendeckung der ehrenamtlichen Gremien etwa beim DGB oder bei verdi, die bei der gewerkschaftlichen Meinungsbildung in diesem sensiblen Punkt überhaupt nicht einbezogen wurden. Ein NoGo bei Gewerkschaftens. Und in diesen Gremien sitzen natürlich auch Nichtgenoss*Innen, sogar mit dem grünen Ratsherren Carsten Peters und Peter Mai ein paar grüne Gewerkschafter, die sich hartnäckig an der Spitze des DGB-Stadtverbandes Münster festgesetzt haben. Unter dem Dach des DGB im Gewerkschaftshaus am Johann-Krane-Weg gibt es also täglich gelebte Meinungsvielfalt.
Ein Problem wird allerdings auch Nicolai-Koß nicht aus der Welt schaffen können, die SPD sitzt in Münster nicht mit CDU in einer Koalition, sondern mit den Grünen und Volt für die der Klimaschutz ein hochrangiges Ziel ist. Von daher ist es sicher schon ein Kompromiss, wenn im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden ist, „Wir wollen dem Flughafen ermöglichen, gemeinsam mit den Gesellschaftern, eine ökologische und ökonomische Perspektive zu entwickeln“. Eine Studie soll auch in Auftrag gegeben werden.
Einen Absatz später steht in dem von der SPD unterschriebenen Koalitionsvertrag allerdings unmißverständlich: „Eine weitere kommunale Subventionierung des Flughafens nach 2023 lehnen wir ab“. Punkt. Und wer am Koalitionsvertrag rüttelt, rüttelt an der Koalition. Von daher darf zumindest bezweifelt werden, ob aus der Dreiecksbeziehung FMO, DGB und SPD eine Erfolgsgeschichte wird. Und insbesondere die Gewerkschaft verdi wird sich fragen müssen, wie sich ihr Engagement für den FMO im Münsterland mit der in Berlin offensiv verkauften Zusammenarbeit mit den Klima-Aktivist*Innen von Fridays for Future verträgt. (fb)
Artikel von Frank Biermann vom 8.3.2021 – wir danken!
(Compliance-Hinweis: Der Autor ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und sitzt seit etwa 15 Jahren im Bezirksvorstand von ver.di Münster/ Münsterland)
Siehe:
- https://taz.de/Fridays-for-Future-und-Verdi/!5744990/
- eine Pressemitteilung des DGB zum FMO aus dem Januar 2021: https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=3563990287049800&id=807802282668628
Siehe zum Thema unser Dossier: Check-out. Wie kann ein gesundes Degrowth der Flugindustrie gelingen?