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Nach dem Putsch in Myanmar: Streiks (im staatlichen Gesundheitswesen!), Proteste – und Machtverteilung
Am Mittwoch, 03. Februar 2021 gab es in zahlreichen Städten Myanmars Proteste gegen den Militärputsch am Tag zuvor – und eine regelrechte Streikwelle im Gesundheitswesen. Die Zeiten, in denen die uniformierte Bande schalten und walten konnte, wie sie wollte, sind auch in Myanmar vorbei – und es ist nicht diese oder jene Regierungskoalition, die sie daran hindert, sondern eine breite demokratische Massenbewegung aus den verschiedenen Schichten der Bevölkerung. Währenddessen wird in der neu gebildeten Junta die Macht verteilt – und dieses absurd reaktionäre Regime findet auch internationale Unterstützung, die Maßnahmen gegen das neue Regime zu verhindern sucht. Während die Regierungen Chinas und Russlands dies in der UNO tun, hat die internationale Sozialdemokratie sich plötzlich an die Bevölkerung erinnert, die unter einem Boykott leiden würde. Zur aktuellen Entwicklung nach dem Putsch in Myanmar sechs Beiträge und der Hinweis auf unsere Materialsammlung zum Putsch – sowie ein kurzes Update über weitere (vor allem gewerkschaftliche) Proteste vom 05. Februar:
„Health workers from 70 hospitals across Myanmar stop work to protest coup“ am 03. Februar 2021 bei der PSI ist die Meldung der Internationalen Gewerkschaftsföderation im Öffentlichen Dienst über eine Streikwelle gegen den Putsch in Myanmar – über 70 Krankenhäuser quer durchs Land wurden am Mittwoch als Zeichen der Ablehnung des Putsches bestreikt.
„After coup, medical workers spearhead civil disobedience campaign“ am 02. Februar 2021 bei Frontier war die erste Meldung über die gerade begonnene Streikbewegung im staatlichen Gesundheitswesen Myanmars, die zunächst als zeitlich unbegrenzt verkündet wurde…
„Topfschlagen gegen das Militär“ von Sven Hansen am 02. Februar 2021 in der taz online berichtet unter anderem: „… In Myanmar ist es am Tag nach dem unblutig verlaufenen Militärputsch tagsüber zunächst ruhig geblieben. Während das Militär seine Macht weiter konsolidierte, wurden in der Bevölkerung erste Widerstandsaktionen diskutiert. Am Abend wurde dann der erste symbolische Protest gewagt. Auf internationaler Ebene werden Sanktionen diskutiert, solange die am Montag vom Militär festgesetzte de-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und der abgesetzte Präsident Win Myint nicht freigelassen sind. Der Aufenthaltsort der beiden ist immer noch unklar. Man habe erfahren, dass es Aung San Suu Kyi gesundheitlich gut gehe, teilte ein hoher Vertreter ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) auf Facebook mit. Es gebe keine Pläne, sie von dem Ort, an dem sie festgehalten werde, „zu verlegen“. Doch wo das ist, blieb offen. Ebenso, ob eine Erklärung vom Vortag, in der die Bevölkerung zum Protest aufgerufen wurde, wirklich von Aung San Suu Kyi stammt. Den auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichen Aufruf halten viele für eine Fälschung. Das UN-Menschenrechtsbüro zählte zunächst mindestens 45 Festnahmen. Mehrere Hundert Parlamentsabgeordnete, die in der Hauptstadt Naypyidaw in einem Gästehaus festgehalten worden waren, wurden im Laufe des Dienstags nach Hause geschickt. Das Militär hatte am Montag unmittelbar vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments geputscht und für ein Jahr den Notstand erklärt...“
Und der Bericht von Lena Bodewein, ARD Singapur, am 04.02.2021 bei tagesschau.de meldet dazu: „Proteste in Myanmar: Militär sperrt soziale Netzwerke…“
„Junta formiert sich“ von Thomas Berger am 03. Februar 2021 in nd online berichtet über die Machtverteilung unter anderem: „… Zwei Tage nach dem Staatsstreich in Myanmar wurde am Mittwoch verkündet, dass die Putschisten einen elfköpfigen »State Administration Council« (SAC) gebildet hätten. An der Spitze der neuen Junta steht wenig überraschend General Min Aung Hlaing, bisheriger Armeechef und treibende Kraft hinter der Machtübernahme des Militärs, welches das Land bereits 1962 bis 2010 direkt kontrolliert hat. Die meisten der SAC-Mitglieder sind hohe Offiziere, allerdings gibt es auch drei Männer, die dem neuen Regime als zivile Feigenblätter dienen: Khin Maung Swe mit seiner National Democratic Force (NDF) und Thein Nyunt, Chef der New National Democracy Party, sind frühere Mitglieder der bisherigen Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD), die schon vor Jahren eigene Wege beschritten und inzwischen als Gegenspieler der im Putsch verhafteten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi gelten. Bei dem dritten Zivilisten handelt es sich um ein Ex-Mitglied der Rebellengruppe Karen National Union (KNU), der bei der Parlamentswahl im November erfolglos für eine kleine Karen-Partei kandidierte...“
„Who profits from a coup? The power and greed of Senior General Min Aung Hlaing“ der Initiative Justice for Myanmar am 30. Januar 2021 bei Europe Solidaire dokumentiert (also vor dem eigentlichen Putsch), war eine Analyse der Kräfte, die hinter einem Putsch stehen würden – die sich im Nachhinein als zutreffend erwiesen hat.
Update vom 05. Februar zu weiteren Protesten
„Erste Proteste in Myanmar gegen Putsch“ am Abend des 04. Februar 2021 in der Süddeutschen Zeitung online meldete dazu unter anderem: „… In der größten Stadt Rangun machten viele Einwohner ihrem Ärger Luft, indem sie lautstark auf Töpfe und Pfannen schlugen. Auch Hupkonzerte waren zu hören. Mit Lärm sollen in dem buddhistischen Land normalerweise böse Geister vertrieben werden. In der zweitgrößten Stadt Mandalay gingen vor allem junge Menschen auf die Straße. (…) In Mandalay forderten Demonstranten nach dem Putsch von Montag die Wiedereinsetzung der Regierungschefin. „Wir werden nur Anweisungen unserer demokratisch gewählten Regierung befolgen“, hieß es in einer Erklärung der Bewegung des zivilen Ungehorsams, die um Unterstützung aus dem Ausland bat. Der Hashtag #CivilDisobedienceMovement wurde auf Twitter bereits mehr als 1,2 Millionen Mal geteilt. Die Militärführung sperrte inzwischen das Online-Netzwerk Facebook. Die Proteste lösten Sorge aus, dass das Militär wie in der Vergangenheit mit Gewalt antwortet. In fast fünf Jahrzehnten Militärdiktatur hatte die Junta jeglichen Widerstand brutal niedergeschlagen. Besonders hart war das Vorgehen bei der „Safran-Revolution“ von 2007, als Hunderttausende auf den Straßen demokratische Reformen forderten. Die friedlichen Demonstrationen wurden von den Militärs mit Tötungen und Folter beendet. Hunderte buddhistische Mönche und Oppositionelle kamen ins Gefängnis. Amnesty International äußerte die Sorge, dass sich die Gewalt wiederholen könnte...“
„Myanmar: Teachers’ union condemns military coup“ am 04. Februar 2021 bei Education International dokumentiert die Stellungnahme der LehrerInnen-Gewerkschaft Myanmars gegen den Putsch, und ergänzt, mit einigen „Fallbeispielen“ dass die Myanmar Teachers’ Federation (MTF) zu Aktionen des zivilen Ungehorsams in verschiedenen Städten aufgerufen hat.
„Myanmar’s Labor Movement Is Central to the Fight Against Authoritarianism“ am 03. Februar 2021 beim Jacobin Mag ist ein Interview von Kevin Lin mit Ma Moe Sandar Myint von der Federation of Garment Workers Myanmar, worin dieser auf die besondere Rolle der Gewerkschaften Myanmars im Kampf gegen den Putsch hinweist, die er vor allem aus den zahlreichen Kämpfen der jüngsten Vergangenheit ableitet.
- Zum Putsch in Myanmar zuerst unsere Materialsammlung vom 02. Februar: „Der neue Militärputsch in Myanmar: Selbst kleineste demokratische Regungen sind dieser Bande zu viel“ am 02. Februar 2021 im LabourNet Germany