Zuwendungen für Asylsuchende nach Asylbewerberleistungsgesetz: Es geht zum Bundesverfassungsgericht

Schärfere Regeln für Asylbewerber verhindern„Asylbewerber erhalten geringere Hilfen als Sozialhilfeempfänger. (…) Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle hat die Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Es gehe um die Frage, ob die gewährten Leistungen für ein menschenwürdiges Existenzminimum ausreichen (…) Die Klägerinnen wandten sich gegen die Höhe der Leistungsbewilligung im Jahr 2018 mit der Begründung, die Bargeldleistungen seien seit Ende 2016 nicht an die Teuerung angepasst worden. In der ersten Instanz hatte das Sozialgericht die beklagte Kommune zur Zahlung höherer Leistungen verurteilt. (…) Die Gemeinde berief sich auf den Gesetzgeber. (…) Asylbewerber erhalten geringere Hilfen als Sozialhilfeempfänger oder Bezieher von Hartz IV. Aktuell bekommen Alleinstehende und Alleinerziehende 364 Euro im Monat.“ Meldung vom 27. Januar 2021 beim MiGAZIN externer Link, siehe auch:

  • Bundesverfassungsgericht: Leistungskürzungen in Gemeinschaftsunterkünften sind grundgesetzwidrig New
    Asylbewerber erhalten zehn Prozent weniger, wenn sie theoretisch einen gemeinsamen Haushalt führen und so Geld sparen könnten. Das ist mit der Menschenwürde nicht vereinbar, sagt Karlsruhe. Eine Kürzung der Leistungen für Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften ist grundgesetzwidrig. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht erklärt. Die monatlichen Zahlungen um zehn Prozent abzusenken sei nicht tragfähig begründet, weil der Gesetzgeber zu Unrecht unterstelle, in solchen Unterkünften lasse sich durch gemeinsames Einkaufen Geld sparen. Damit verletzte die seit 2019 geltende Vorschrift das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. (…) „Es ist nicht erkennbar, dass in den Sammelunterkünften regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften erzielt werden oder werden können, die eine Absenkung der Leistungen um zehn Prozent tragen würden“, heißt es in der Entscheidung. Eine Umfrage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege habe ergeben, dass nur fünf Prozent der Befragten Geld zusammenlegten, um Lebensmittel und Verbrauchsgüter zu kaufen. (…) Damit hat der Gesetzgeber die Leistungen, die für ein menschenwürdiges Leben unerlässlich sind, auf einer falschen Grundlage berechnet. „Der existenznotwendige Bedarf der betroffenen Leistungsberechtigten ist dann derzeit nicht gedeckt“, heißt es in der Entscheidung. Zwar müssen die Zahlungen nicht rückwirkend angehoben werden. Aber überall dort, wo die Bescheide noch nicht bestandskräftig sind, muss nachgezahlt werden…“ Artikel von Wolfgang Janisch, Karlsruhe, vom 24. November 2022 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link, siehe auch:

    • Erfolg für soziale Gerechtigkeit: Bundesverfassungsgericht erklärt Kürzung von Sozialleistungen für alleinlebende Geflüchtete in Unterkünften für verfassungswidrig
      Pressemitteilung vom 24. November 2022 der Gesellschaft für Freiheitsrechte externer Link (GFF)
    • »Asylbewerberleistungsgesetz nicht fortentwickeln, sondern abschaffen«. Leistungskürzungen für alleinstehende und alleinerziehende Geflüchtete im AsylbLG sind verfassungswidrig.
      Zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 3/21 vom 19. Oktober 2022 externer Link erklärt die prozessbeteiligte Rechtsanwältin und Sozialrechtsexpertin Eva Steffen im Gespräch mit Andrea Kothen von Pro Asyl vom 24. November 2022 externer Link: „… Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber schon im Juli 2012 genaue Vorgaben an die Bemessung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gemacht. Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber nicht nur mit der heute für verfassungswidrig erklärten Regelung eindeutig und offenkundig ignoriert. Die Bundesregierung hat zur Einführung der Regelung 2019 geschätzt, dass die Kosten um rund 40 Millionen Euro sinken würden. Der Gesetzgeber hat hier ersichtlich seinen Gestaltungs – und Beurteilungsspielraum missbraucht, um Geld zu sparen. (…) Die Betroffenen werden künftig wieder die ungekürzten Leistungen in Höhe von 100 % statt nur 90 % der Leistungen erhalten. Dies gilt sogar rückwirkend ab September 2019, aber nur für diejenigen Zeiträume, die zum Datum der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 19.10.2022 noch nicht bestandskräftig waren. Mein Mandant und diejenigen, die Rechtsmittel gegen die Gewährung der Leistungen eingelegt haben – also noch laufende Widerspruchs- oder Klageverfahren haben –, erhalten daher eine Nachzahlung. Sofern es noch rechtsmittelfähige leistungsrechtliche Entscheidungen gibt, z.B. weil die Leistungen ohne einen schriftlichen Bescheid gewährt wurden, können diese Zeiträume unter Umständen auch heute noch wirksam angefochten werden. Hierzu sollten die Menschen anwaltlichen Rat einholen. (…) Die Bundesregierung ist aufgefordert, sofort tätig zu werden und die Kürzung, die das Bundesverfassungsgericht bei § 2 AsylbLG für verfassungswidrig erklärt hat, auch für Grundleistungsempfänger:innen nach § 3 / 3a AsylbLG zu streichen. Wenn die Verantwortlichen hier nicht umgehend tätig werden, halten sie sehenden Auges eine verfassungswidrige Regelung weiter aufrecht. Die Betroffenen sollten unbedingt, sofern sie das nicht schon getan haben, Widerspruch und Klage gegen die gekürzten Leistungen einlegen. (…) Bundesaußenminister Heil, der damals wie heute verantwortlicher Minister war, hatte gegenüber dem Verfassungsgericht angekündigt, »noch in diesem Kalenderjahr entsprechend der Koalitionsvereinbarung das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fortzuentwickeln«. Abgesehen, davon, dass er dieses Zeitfenster wohl kaum einhalten kann, ist zu hoffen, dass diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu verhilft, das AsylbLG nicht fortzuentwickeln, sondern abzuschaffen.“
  • [Düsseldorfer Sozialgericht ruft das Bundesverfassungsgericht an] Existenzminimum für Asylbewerber: 330 Euro sind zu wenig 
    „Darf der Staat Geflüchteten die Bezüge kürzen, weil sie in Sammelunterkünften angeblich „aus einem Topf“ wirtschaften? Das Düsseldorfer Sozialgericht sagt Nein – und ruft das Bundesverfassungsgericht an. (…) Begründung: Der gekürzte Betrag von 330 Euro im Monat liege unter dem Existenzminimum und verstoße daher gegen die Garantie der Menschenwürde. Das Gericht stützt sich dabei vor allem auf das Karlsruher Urteil von 2012. Danach dürfen Leistungen zwar unterschiedlich ausfallen, wenn der Bedarf einer bestimmten Gruppe typischerweise niedriger ist. „Migrationspolitische Erwägungen“ – also ein Absenken der Leistungen unter das Existenzminimum, um keine Fluchtanreize zu schaffen – verbieten sich aber laut Verfassungsgericht von vornherein. (…) Vor allem aber hält das Sozialgericht die Vorstellung vom „Familienleben“ in der Asylbewerberunterkunft für verfehlt. Denn die Menschen hätten sich nicht freiwillig für die Unterkunft entschieden und sich ihre Mitbewohner daher nicht ausgesucht…“ Artikel von Wolfgang Janisch vom 19. April 2021 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • siehe unser Dossier Bundesverfassungsgericht: Hartz-IV-Ausschluss für Ausländer gilt weiter
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=185674
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